Posts mit dem Label Robert R. McCammon (Matthew Corbett) werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Robert R. McCammon (Matthew Corbett) werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Robert McCammon – (Matthew Corbett 2-2) – „Matthew Corbett und die Königin der Verdammten Band II“

Donnerstag, 12. Juni 2025

(Luzifer Verlag, 444 S., HC)
Die mehrjährige Schaffenspause, in der sich der einst prominente Horror-Autor Robert R. McCammon („Blutdurstig“, „Die schwarze Pyramide“) von seinem angestammten Genre lösen wollte, hat offenbar Wunder gewirkt. Denn mit der 2002 begonnenen Serie um den jungen Matthew Corbett, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Gerichtsdiener und Hobby-Ermittler seine Karriere startet, hat McCammon eine erfolgreiche Reihe initiiert, die mittlerweile sieben Bände umfasst. Die ersten beiden Werke – „Speaks the Nightbird“ und „The Queen of Bedlam“ – sind sogar so umfangreich gelungen, dass der Luzifer Verlag die deutschen Übersetzungen in jeweils zwei Hardcover-Bänden veröffentlichte. Nachdem im ersten Band von „Matthew Corbett und die Königin der Verdammten“ die drei New Yorker Geschäftsleute Dr. Godwin, Pennford Deverick und Eben Ausley von dem sogenannten „Maskenschnitzer“ bestialisch ermordet wurden, hat sich unser junger Held auf die Suche nach dem Täter gemacht und dabei Bekanntschaft mit Mrs. Herrald und ihrem Gehilfen Greathouse geschlossen, die Corbett für ihre Ermittlungs-Agentur in ihre Dienste zu nehmen wünschten.
Matthew Corbett und Greathouse folgen einer Einladung von Dr. Ramsendell nach Philadelphia, der durch Marmaduke Grigsbys Zeitung „Der Ohrenkneifer“ auf die Anzeige der Herrald Vertretung in New York gestoßen ist und die Ermittler bittet, die Identität einer Patientin herauszufinden, die in ihrer Anstalt nach modernen Methoden betreut wird und nur als die „Königin“ bekannt ist. Ramsendell und sein Kollege Dr. Hulzen fragen sich, warum sich die Patientin in ihrem in sich eingeschlossenen Zustand befindet, und hoffen, durch weitere Nachforschungen einen besseren Behandlungszugang zu finden. Der einzige Kontakt, der Corbett und Greathouse zur Verfügung steht, ist der Anwalt Dr. Primm, der sich um die jährliche Zahlung für die Unterbringung der unbekannten Frau kümmert und größten Wert auf ihre Anonymität legt. Als sich die beiden Ermittler in dem Zimmer mit dem vornehmen Ambiente einen ersten Eindruck von der Person verschaffen wollen, fragt die alte Dame nur, ob die „Antwort des Königs“ inzwischen eingetroffen sei. Corbett versucht sich vorzustellen, wie die Verbindung von Deverick, dessen Namen die alte Dame wohl zu kennen scheint, zum Maskenschnitzer aussehen mag, aber auch die Verbindung zwischen dem Mörder, der Königin der Verdammten und den drei Mordopfern. Bei seinen Recherchen erfährt Corbett, dass Deverick nach seinem Erfolg in New York seine Aktivitäten auch auf Philadelphia ausgedehnt hatte und zwischenzeitlich sogar eine Seereise nach London unternommen hatte, obwohl er wegen seiner Verdauungsbeschwerden ungern gereist ist. Schließlich macht Corbett die Bekanntschaft von Mr. Chapel, der sehr an dem Notizbuch interessiert ist, das Ausley bei sich geführt hatte und nun verschwunden zu sein scheint. Wie Corbett auf dem mondänen Landsitz von Mr. Chapel erfährt, bestand offenbar eine Geschäftsbeziehung zwischen dem von Ausley geleiteten Waisenhaus und Mr. Chapel, der die größten Talente unter den Jungen in seine eigenen Dienste übernahm. Nun wird Corbett auch langsam klar, was die Königin in dem Tollhaus mit dem mysteriösen Maskenschnitzer gemein hat…

„Diese Königin der Verdammten sah den Strudel der Menschheit mit all seinen Freuden und Tragödien, seiner Weisheit und Verrücktheit. Diese Königin der Verdammten knobelte, trank in großen Zügen und raufte sich gelegentlich. Aber hier war sie nun einmal, in ihrem nachtschwarzen Gewand mit Laternenlicht, das wie gelbe Diamanten strahlte. Hier war sie, schwieg über ihre Gedanken und schrie ihr Verlangen heraus. Hier war sie, an der Grenze zur Neuen Welt.“ (S. 434)

Da die amerikanische Originalausgabe als ein Band veröffentlicht worden ist, geht der zweite Band in der deutschen Ausgabe nahtlos mit Teil 3 des Buches weiter. Und nun erfahren wir Leser auch endlich, was es mit dem Buchtitel auf sich hat. Mit der Bekanntschaft der Königin der Verdammten und Corbetts Aufenthalt bei Mr. Chapel erhält der Plot einen neuen Schwerpunkt, dazu kommt auch die leicht romantisch angehauchte Beziehung zwischen Corbett und Berry Grigsby. Während der erste Band noch den Gothic Touch von „Penny Dreadful“ verströmte, wechselt die Atmosphäre im zweiten Band zu einem klassischen Sherlock-Holmes-Plot, wobei Matthew Corbett die Darlegung seiner Schlussfolgerungen fast aus dem Nichts vorträgt. Das sorgt zwar für einige Wendungen und dramatische Entwicklungen, doch die bedrückende Stimmung des ersten Bandes wird nicht mehr erreicht. McCammon ist zweifellos ein hervorragender Stilist mit einem guten Gespür für interessante Plots, doch verliert er sich hier zu sehr in Ausschweifungen auf Kosten stimmiger Charakterisierungen. Gerade das Ensemble auf dem Landsitz von Mr. Chapel mit der mannstollen Charity LeClaire und dem preußischen Grafen Dahlgren verkommen zur bloßen Karikatur. Nach vielversprechendem Beginn mit dem ersten Band fällt die Geschichte von „Matthew Corbett und die Königin der Verdammten“ im zweiten Band leider merklich ab.


Robert McCammon – (Matthew Corbett 2-1) – „Matthew Corbett und die Königin der Verdammten Band I“

Samstag, 24. Mai 2025

(Luzifer Verlag, 424 S., HC)
Robert McCammon zählte seit Ende der 1970er Jahren zu den bekanntesten Horrorautoren, auch wenn er stets in zweiter Reihe hinter den Großen wie Stephen King, Peter Straub, Dean Koontz oder Clive Barker stand. Allerdings überwarf er sich nach einigen erfolgreichen Genreromanen mit seinem Verlag, weil er dem Horror-Genre nicht verhaftet bleiben wollte – und nahm sich schließlich eine mehrjährige Auszeit. Zehn Jahre nach seinem Roman „Gone South“ (dt. „Durchgedreht“) legte der US-Amerikaner mit „Speaks the Nightbird“ den Beginn einer Reihe um den Ermittler Matthew Corbett vor, der in zu Beginn des 18. Jahrhunderts ungewöhnliche Fälle bearbeitet. Nachdem der Luzifer Verlag das Buch in zwei Bänden unter dem Titel „Matthew Corbett und die Hexe von Fount Royal“ in deutscher Erstveröffentlichung vorgelegt hatte, erschien auch die nachfolgende Geschichte „Matthew Corbett und die Königin der Verdammten“ in zwei Bänden.
Nachdem Matthew Corbett als Gerichtsdiener für den reisenden Richter Isaac Woodward in den Carolina-Kolonien gearbeitet hatte, zog es ihn nach New York, wo er nun ebenfalls als Gerichtsdiener für Richter Powers arbeitet, bei der örtlichen Zeitung als Setzer aushilft und ein Zimmer unter dem Dach bei der Töpferei-Familie Stokelys bewohnt. Die wachsende Stadt mit derzeit 5000 Einwohnern steht unter Schock, als der angesehene Arzt Dr. Godwin erstochen und mit merkwürdigen Schnitten um die Augen herum aufgefunden wird. Marmaduke Grigsby, Herausgeber der einzigen Zeitung in der Stadt, hat den Täter als „Maskenschnitzer“ bezeichnet und so die Unruhe in der Bevölkerung nur noch mehr angestachelt. Matthew hat zunächst noch eine eigene Fehde zu begleichen, nämlich Rache an dem sadistischen Waisenhausbesitzer Eben Ausley zu nehmen, der sich nicht nur an Matthew selbst, sondern auch an dessen Freund John Five vergangen hat. Doch Matthew kann seinen Freund nicht zu einer Aussage vor Gericht überreden, das Ausley seiner gerechten Strafe zuführen würde. Doch als auch Ausley Opfer des gefürchteten Maskenschnitzers wird, hat Matthew ganz andere Sorgen. Da Richter Powers in den Ruhestand gehen wird, muss sich Matthew eine neue Anstellung suchen. Während er selbst nach Hinweisen auf die Identität des Schnitzers sucht, macht Matthew die Bekanntschaft von Mrs. Herrald, die Matthew in ihre Dienste nehmen würde, wenn er sich denn bei seiner ersten Aufgabe bewährt und von ihrem Gehilfen Greathouse in verschiedene Kampftechniken eingewiesen wird. Besonders verdächtig erscheinen Matthew einige angesehene Leute der Stadt, so auch Wachtmeister Lillehorne und Reverend Wade, der ausgerechnet in der Nähe des anrüchigen Etablissements von Madam Blossom gesehen wurde.

„Matthew schien es, dass eine potenzielle Verbindung zwischen Dr. Godwin, Deverick und nun ausgerechnet Ausley vielleicht in der Geschäftswelt lag, sofern es überhaupt eine gab. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass es sich vielleicht um die falsche Fährte handelte. Denn wie, um alles in der Welt, konnte der Leiter eines Waisenhauses mit einer Sucht nach dem Spieltisch in enger Beziehung zu einem wohlhabenden Großhändler stehen, der sich von den bitteren Straßen Londons nach oben gekämpft hatte? Und weiter: Wie war ein überragender und allgemein bewunderter Arzt mit diesen beiden Männern verbunden?“ (S. 326f.)

Robert McCammon hatte sich vor allem mit seinen Südstaaten-Romanen und vor allem mit dem Coming-of-Age-Drama „Boy’s Life“ als hervorragender Stilist etabliert, und diese Fähigkeit spielt er in seiner historischen Mystery-Krimi-Reihe um den jungen Ermittler Matthew Corbett voll aus. Der Autor verwendet das noch junge New York mit wenigen tausend Einwohnern als Kulisse für eine atmosphärisch dichte Story, die an „Jack the Ripper“ ebenso denken lässt wie an die Krimis von Sherlock Holmes. Es sind vor allem die lebendigen Beschreibungen der Gasthäuser, dem Treiben auf den dreckigen Straßen und am Hafen, aber auch die bildhaften Charakterisierungen der vielen Figuren, die McCammon im Verlauf der gemächlich inszenierten Handlung einführt. 
Da es sich bei „The Queen of Bedlam“ – so der 2007 veröffentlichte Originaltitel – in der deutschen Ausgabe um zwei Bände handelt, entwickelt sich die Spannung nur sehr langsam. Man muss sich beim Lesen stets vor Augen halten, dass die eigentliche Zuspitzung der Handlung und die Verbindung zur titelgebenden Königin der Verdammten erst im nächsten Band erfolgt. So darf man sich erst in Ruhe mit dem weiteren Werdegang des ambitionierten Ermittlers auseinandersetzen und seinen nicht immer freundlichen Bekanntschaften mit Zeugen, Familienangehörigen, Verdächtigen und zwielichtigen Gestalten jeglicher gesellschaftlicher Herkunft folgen. Es hilft zumindest, ein Gefühl für die Lebensumstände im New York des Jahres 1702 zu bekommen.