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Don Winslow – (Boone Daniels: 1) „Pacific Private“

Dienstag, 24. Juni 2025

(Suhrkamp, 396 S., Tb.)
Bevor Don Winslow seit Mitte der 2000er Jahre zunächst mit der Kartell-Trilogie („Tage der Toten“, „Das Kartell“ und „Jahre des Jägers“), der Danny-Ryan-Reihe („City on Fire“, „City of Dreams“ und „City in Ruins“) und Romanen wie „Zeit des Zorns“ und „Kings of Cool“ zu einem der prominentesten Thriller-Autoren avancierte, bewies er bereits mit der Reihe um Neal Carey und anderen Werken, dass er thematisch und stilistisch breit aufgestellt ist. Das demonstrierte vor allem auch die 2008 veröffentlichte Roman „Dawn Patrol“, der eine packende Krimi-Handlung in der Surferszene von Kalifornien einbettete.
Pacific Beach, Kalifornien. Hier warten die Mitglieder der sogenannten „Dawn Patrol“ – Boone Daniels, Hang Twelve, Dave the Love God, Johnny Banzai, High Tide und Sunny Day – auf die große Wellenfront, eine Brandung, wie sie nur alle zwanzig Jahre vorkommt. Doch der Ex-Cop Boone Daniels, der zwar für sein Leben gern surft, aber auch als Privatdetektiv seinen Lebensunterhalt zu verdienen versucht, muss seine Lieblingsbeschäftigung stark einschränken, als er von der attraktiven Anwältin Petra Hall, deren Kanzlei den Stripclub-Besitzer Dan Silver vertritt, der außerdem noch eine Reihe von Lagerhäusern besitzt, von denen eins kürzlich abgebrannt ist. Das Versicherungsunternehmen will nicht zahlen, weil es von Brandstiftung ausgeht, denn Tammy Roddick, eine von Silvers Tänzerinnen, mit denen er ein Verhältnis unterhielt, will gesehen haben, wie Silver selbst das Lagerhaus abgefackelt hat. Doch bevor Tammy vor Gericht aussagen kann, wird ihre Leiche an einem Hotel-Swimming-Pool aufgefunden, nachdem sie aus unerklärlichen Gründen vom Balkon gestürzt war. Die Tote wird allerdings nicht als Tammy identifiziert, sondern als ihre Freundin Angela Hart. Als Boone zusammen mit der Anwältin die Umstände von Angelas Tod und dem Verbleib von Tammy auf den Grund geht, stößt er auf einen Ring von Mädchenhändlern…

„Was ich gesehen habe, denkt Boone. Ich habe die Welt von einer Welle heraus gesehen, das Universum in einem einzigen Wassertropfen. Sie haben keine Ahnung von der Welt da draußen. Bald wird die Sonne aufgehen, die Dawn Patrol wird rauspaddeln, die großen Wellen angehen, Sunny wird ihre Chance nutzen. Er wäre gern mit ihnen da draußen, wäre gern für immer und ewig dort draußen. Aber es gibt Sonnenaufgänge, die man alleine beobachten muss.“ (S. 354)

„Pacific Private“ – so der etwas unglückliche deutsche Titel von „Dawn Patrol“ – ist alles andere als ein klassischer Kriminalroman. Don Winslow nimmt sich nicht nur viel Zeit, um die Hintergründe der Dawn-Patrol-Mitglieder, die Beziehung zwischen Boone und Sunny und natürlich die Untersuchung zum Mord an Angela Hart und das Auffinden der verschwundenen Zeugin Tammy Roddick zu beschreiben, sondern er rekapituliert auch minutiös, wie die kalifornische Küste zum Surferparadies avancierte, woran nicht nur gewiefte Immobilienspekulanten, sondern auch Brian Wilson und die Beach Boys großen Anteil hatten. Wer also nur eine spannende Krimihandlung erwartet, könnte angesichts der unterhaltsam aufbereiteten Hintergrundgeschichte gelangweilt sein. Aber wer Don Winslow als stilistisch großartigen Erzähler schätzt, wird an der authentisch vermittelten Atmosphäre ebenso seinen Spaß haben wie an der bedrückenden Krimihandlung. Ein Jahr später folgte mit „Pacific Paradise“ sogar noch eine Fortsetzung. 


Don Winslow – (Boone Daniels: 2) „Pacific Paradise“

Sonntag, 13. August 2017

(Suhrkamp, 386 S., Tb.)
In den Hundstagen des Spätsommers ist in Pacific Beach nicht viel los. Auch wenn es keine nennenswerte Brandung gibt, ist der ständig abgebrannte Ex-Cop und Privatermittler Boone Daniels mit der Dawn Patrol, also seinen Freunden Dave the Love God, High Tide, Johnny Banzai und Hang Twelve, früh morgens im Wasser – fehlt nur noch Boones Ex-Freundin Sunny Day, die in Australien an der Women’s Professional Surfing Tour teilnimmt. Doch dann bekommt Boone gleich mehrere Aufträge: Für seinen schwerreichen Surfer-Kumpel Dan Nichols soll er eine unliebsame Beschattung vornehmen: Nichols vermutet, dass ihn seine Frau Donna betrügt.
Kaum hat Boone herausgefunden, dass Donna tatsächlich mit dem Geologie-Gutachter Phil Schering in die Kiste steigt, und es seinem Auftraggeber gesteckt, wird Schering in seinem Haus erschossen. Klar, dass Dan der Tat verdächtigt wird, aber auch Boone selbst gerät ins Visier der Ermittlungen, da sein Wagen am Tatort gesehen wurde. Kniffliger gestaltet sich der Auftrag, um den ihn seine Freundin Petra Hall bittet, die für die renommierte Kanzlei Burke, Spitz und Culver arbeitet, die zu Boones Stammkunden zählt.
Corey Blasingame, Sohn des Baulöwen Bill Blasingame, soll die Surferlegende Kelly Kuhio umgebracht haben und hat dies bereits in einem Geständnis niedergeschrieben. Dass Boone ausgerechnet für Blasingames Verteidigung arbeitet, schmeckt seinen Freunden überhaupt nicht. Bei seinen Ermittlungen stößt Boone schließlich auf Zusammenhänge zwischen seinen beiden Fällen, die auf einen riesigen Erdrutsch zurückzuführen sind, der achtzehn Luxus-Häuser in den Abgrund gerissen hatte.
„Was ist mit deinen Freunden, der Dawn Patrol? Waren auch diese Freundschaften auf einem brüchigen, kaputten Fundament erbaut? War es von Anfang an unvermeidbar, dass uns Unterschiede in Hautfarbe, Geschlecht, Ambitionen und Träumen auseinanderreißen würden, wie Kontinente, die einst fest verbunden waren und zwischen denen sich jetzt Ozeane erstreckten?“ (S. 365) 
Don Winslow, der nicht nur als Autor, sondern auch als Gelegenheitssurfer in Südkalifornien lebt, hat 2008 mit „The Dawn Patrol“ (2009 unter dem Titel „Pacific Private“ veröffentlicht) das Kunststück vollbracht, das besondere Lebensgefühl der Surfergemeinde in Südkalifornien mit einer spannenden Krimi-Handlung zu verbinden. Ein Jahr später erschien mit „Pacific Paradise“ („The Gentlemen’s Hour“ im Original) die bislang einzige Fortsetzung, in der Winslow in lockerer Sprache und mit viel Humor einmal mehr Sunnyboy Boone Daniels durch etliche Schwierigkeiten manövrieren lässt. Mord, Korruption, Freundschaft, Verrat und Liebe bilden dabei einen unterhaltsamen und spannenden, zuletzt auch recht brutalen Mix, in dem die einzelnen Charaktere zwar nicht besonders ausgefeilt gezeichnet sind, ihre komplexen Beziehungen zueinander aber das psychologische Profil des Krimis bilden.