(Luzifer Verlag, 424 S., HC)
Robert McCammon zählte seit Ende der 1970er Jahren zu
den bekanntesten Horrorautoren, auch wenn er stets in zweiter Reihe hinter den
Großen wie Stephen King, Peter Straub, Dean Koontz oder Clive Barker
stand. Allerdings überwarf er sich nach einigen erfolgreichen Genreromanen mit
seinem Verlag, weil er dem Horror-Genre nicht verhaftet bleiben wollte – und nahm
sich schließlich eine mehrjährige Auszeit. Zehn Jahre nach seinem Roman „Gone
South“ (dt. „Durchgedreht“) legte der US-Amerikaner mit „Speaks
the Nightbird“ den Beginn einer Reihe um den Ermittler Matthew Corbett vor,
der in zu Beginn des 18. Jahrhunderts ungewöhnliche Fälle bearbeitet. Nachdem
der Luzifer Verlag das Buch in zwei Bänden unter dem Titel „Matthew Corbett
und die Hexe von Fount Royal“ in deutscher Erstveröffentlichung vorgelegt
hatte, erschien auch die nachfolgende Geschichte „Matthew Corbett und die
Königin der Verdammten“ in zwei Bänden.
Nachdem Matthew Corbett als Gerichtsdiener für den reisenden
Richter Isaac Woodward in den Carolina-Kolonien gearbeitet hatte, zog es ihn
nach New York, wo er nun ebenfalls als Gerichtsdiener für Richter Powers arbeitet,
bei der örtlichen Zeitung als Setzer aushilft und ein Zimmer unter dem Dach bei
der Töpferei-Familie Stokelys bewohnt. Die wachsende Stadt mit derzeit 5000
Einwohnern steht unter Schock, als der angesehene Arzt Dr. Godwin erstochen und
mit merkwürdigen Schnitten um die Augen herum aufgefunden wird. Marmaduke Grigsby,
Herausgeber der einzigen Zeitung in der Stadt, hat den Täter als „Maskenschnitzer“
bezeichnet und so die Unruhe in der Bevölkerung nur noch mehr angestachelt. Matthew
hat zunächst noch eine eigene Fehde zu begleichen, nämlich Rache an dem
sadistischen Waisenhausbesitzer Eben Ausley zu nehmen, der sich nicht nur an Matthew
selbst, sondern auch an dessen Freund John Five vergangen hat. Doch Matthew
kann seinen Freund nicht zu einer Aussage vor Gericht überreden, das Ausley
seiner gerechten Strafe zuführen würde. Doch als auch Ausley Opfer des gefürchteten
Maskenschnitzers wird, hat Matthew ganz andere Sorgen. Da Richter Powers in den
Ruhestand gehen wird, muss sich Matthew eine neue Anstellung suchen. Während er
selbst nach Hinweisen auf die Identität des Schnitzers sucht, macht Matthew die
Bekanntschaft von Mrs. Herrald, die Matthew in ihre Dienste nehmen würde, wenn
er sich denn bei seiner ersten Aufgabe bewährt und von ihrem Gehilfen
Greathouse in verschiedene Kampftechniken eingewiesen wird. Besonders
verdächtig erscheinen Matthew einige angesehene Leute der Stadt, so auch Wachtmeister
Lillehorne und Reverend Wade, der ausgerechnet in der Nähe des anrüchigen Etablissements
von Madam Blossom gesehen wurde.
„Matthew schien es, dass eine potenzielle Verbindung zwischen Dr. Godwin, Deverick und nun ausgerechnet Ausley vielleicht in der Geschäftswelt lag, sofern es überhaupt eine gab. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass es sich vielleicht um die falsche Fährte handelte. Denn wie, um alles in der Welt, konnte der Leiter eines Waisenhauses mit einer Sucht nach dem Spieltisch in enger Beziehung zu einem wohlhabenden Großhändler stehen, der sich von den bitteren Straßen Londons nach oben gekämpft hatte? Und weiter: Wie war ein überragender und allgemein bewunderter Arzt mit diesen beiden Männern verbunden?“ (S. 326f.)
Robert McCammon hatte sich vor allem mit seinen
Südstaaten-Romanen und vor allem mit dem Coming-of-Age-Drama „Boy’s Life“
als hervorragender Stilist etabliert, und diese Fähigkeit spielt er in seiner historischen
Mystery-Krimi-Reihe um den jungen Ermittler Matthew Corbett voll aus. Der Autor
verwendet das noch junge New York mit wenigen tausend Einwohnern als Kulisse
für eine atmosphärisch dichte Story, die an „Jack the Ripper“ ebenso denken
lässt wie an die Krimis von Sherlock Holmes. Es sind vor allem die lebendigen Beschreibungen
der Gasthäuser, dem Treiben auf den dreckigen Straßen und am Hafen, aber auch
die bildhaften Charakterisierungen der vielen Figuren, die McCammon im
Verlauf der gemächlich inszenierten Handlung einführt.
Da es sich bei „The
Queen of Bedlam“ – so der 2007 veröffentlichte Originaltitel – in der
deutschen Ausgabe um zwei Bände handelt, entwickelt sich die Spannung nur sehr
langsam. Man muss sich beim Lesen stets vor Augen halten, dass die eigentliche
Zuspitzung der Handlung und die Verbindung zur titelgebenden Königin der
Verdammten erst im nächsten Band erfolgt. So darf man sich erst in Ruhe mit dem
weiteren Werdegang des ambitionierten Ermittlers auseinandersetzen und seinen
nicht immer freundlichen Bekanntschaften mit Zeugen, Familienangehörigen,
Verdächtigen und zwielichtigen Gestalten jeglicher gesellschaftlicher Herkunft
folgen. Es hilft zumindest, ein Gefühl für die Lebensumstände im New York des
Jahres 1702 zu bekommen.