Hanns-Josef Ortheil – „Die große Liebe“

Samstag, 31. Mai 2025

(btb, 318 S., Tb.)
Hanns-Josef Ortheil, Fachmann für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus hat bereits in seinen vorangegangenen Romanen „Faustinas Küsse“ und „Im Licht der Lagune“ sein Faible für das Sehnsuchtsland Italien sprachgewaltig zum Ausdruck gebracht, in dem 2003 veröffentlichten Roman mit dem programmatischen Titel „Die große Liebe“ holte der in Köln geborene und in Hildesheim lehrende Schriftsteller, Pianist, Drehbuchautor und Ratgeber zumindest in Sachen Sprache zum großen Wurf aus.
Der Fernsehredakteur Giovanni reist mit dem Zug nach San Benedetto an die italienische Adriaküste, um für einen Dokumentarfilm über das Meer zu recherchieren. Nachdem er sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut gemacht und ein Bad im Meer genossen hat, sucht er die Direktorin des meeresbiologischen Instituts, Dottoressa Franca, auf, erzählt ihr von seinem Vorhaben, in seinem Film das Thema Meer auf einfache, meeresbiologische Weise auf angenehm lehrreiche Art anzugehen, mit genauem Beobachten der Fische, der Pflanzen und des Treibens am Strand. Schon bei diesem ersten Gespräch wird von beiden Seiten eine besondere Magie wahrgenommen, die sie bei weiteren Begegnungen zu erkunden versuchen. Giovanni hat sich ohnehin gerade aus einer längeren Beziehung verabschiedet, die er durch Francas Kennenlernen kurz Revue passieren lässt. Franca ist allerdings mit dem ambitionierten Institutskollegen Dottore Alberti verlobt ist. „Es ist schön hier mit Ihnen“, offenbart die Meeresbiologin bei einem der ersten Treffen, doch bei aller Anziehungskraft lassen sich Giovanni und Franca Zeit miteinander, bis für beide völlig klar ist, dass sie füreinander bestimmt sind…

„… ich glaube, dachte ich, es ist auch in ihrem Fall die große Liebe, ich bin sicher, auch sie erlebt es zum ersten Mal, das Wort ,Liebe‘ ist zwischen uns noch nicht gefallen, aber es muss nicht ausgesprochen werden, das ganze Brimborium der Annäherung mit all seinen Umwegen und den oft kindischen Komplikationen haben wir uns einfach erspart. Wenn das aber so ist und sie es auch so empfindet, gibt es im Blick auf die Zukunft im Grunde nichts zu überlegen, die Zukunft ist vorgezeichnet, wir werden zusammenbleiben, wir sind ein Paar, noch nie habe ich mich mit jemandem so verbunden gefühlt…“ (S. 198)

Es ist tatsächlich eine ungewöhnlich, fast schon langweilig unkomplizierte Liebesgeschichte, die Hanns-Josef Ortheil mit diesem Roman erzählt, der mit dem provozierend kitschigen Titel „Die große Liebe“ versehen ist. Denn auch wenn Ortheils Ich-Erzähler kaum größere Hürden zu überwinden hat, als die mahnenden Ratschläge seines Kollegen und Freundes Rudolf sowie des Hoteliers Carlo in den Wind zu schießen, sich mit Francas Verlobten – ganz gesittet – auseinanderzusetzen und ihren Vater kennenzulernen, nimmt der Autor die Herausforderung an und erzählt schlicht und einfach vom Kennen- und Liebenlernen zweier intelligenter, psychisch unauffälliger Erwachsener, die keine Tragödien, Dramen oder unüberwindbare Konflikte bewältigen müssen, um endlich zueinander zu finden. So unspektakulär das in der Nacherzählung klingt, gelingt es Ortheil jedoch, die besonderen Vorzüge und Genüsse der italienischen Kultur, Lebensart und Kulinarik einzusetzen, um das Aufkeimen und Entwickeln der großen Liebe ansprechend in Szene zu setzen. Es ist aber nicht nur die absolut authentisch wirkende Kulisse, die die Leserschaft für sich einnimmt, es ist vor allem Ortheils sprachliches Geschick, mit dem die beschriebene Liebe an Farben, Gerüchen, Geschmack und Klängen gewinnt. Das muss man bei einem so ballastfreien Plot auch erst einmal schaffen, sein Publikum damit zufriedenzustellen.  

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