Martin Suter – „Wut und Liebe“

Montag, 28. April 2025

(Diogenes, 294 S., HC)
Martin Suter ist vor allem deshalb ein Bestseller-Autor, weil er mit leichter Hand und simpler Sprache geschickt konstruierte Geschichten über meist bürgerliche Schicksale zu erzählen versteht. Zudem ist er ein Meister der Selbstdarstellung, wie die im Buch auf separaten Karten mit Hinweisen auf Lesungen mit prominenter Unterstützung und auf seine eigene Homepage mit der Möglichkeit zu einem exklusiven, aber kostenpflichten „Member“-Zugang dokumentieren. Mit seinem neuen, nicht mal 300 Seiten umfassenden Roman versucht sich der Schweizer an einer Mischung aus Liebes-, Kriminal- und Enthüllungsroman.
Noah wartet mit seinen dreiunddreißig Jahren noch immer auf seinen Durchbruch als Künstler. Seine einunddreißigjährige Freundin Camilla erwartet allerdings mehr vom Leben, als einen langweiligen Job als Buchhalterin auszuüben und einen mittellosen Künstler durchzufüttern. Also verlässt sie ihn und sucht sich einen wohlhabenderen Mann, der allerdings noch verheiratet ist und Camilla deshalb in eine Mietwohnung abschiebt. Da scheint für Noah die Verlockung groß, das Angebot der wohlhabenden Witwe Betty Hasler anzunehmen, die er in der Kneipe „Die Blaue Tulpe“ kennenlernt, für eine Million Schweizer Franken den ehemaligen Geschäftspartner ihres Mannes zu liquidieren. Peter W. Zaugg soll dafür gesorgt haben, dass ihr Mann Pat vor Überarbeitung drei Herzinfarkte erlitt und mit fünfundsechzig zur ewigen Ruhe gebettet wurde. Nun strebt die Witwe nur noch danach, dass Zaugg vor ihr stirbt. Für Noah wenden sich die Dinge langsam zum Besseren. Sein Triptychon mit drei Akten von Camilla wird in der Galerie für 14.000 CHF gehandelt, und Noah setzt mit diesem Erfolg alles daran, Camilla wieder zurückzugewinnen. Schließlich habe sie ihm versichert, ihn noch zu leben, nur eben nicht das Leben mit ihm unter diesen Umständen. Aus dieser Konstellation entwickelt sich munteres Hin und Her zwischen Liebenden und Hassenden, zwischen Künstlern und skrupellosen Geschäftemachern, zwischen Idealisten und Pragmatikern. Und Noah setzt alles auf eine Karte…

„Und wie er sie so betrachtete, begann etwas ganz anderes vom Gefühl der Liebe abzulenken: der Hass auf Zaugg. Er wollte dieses Ungeziefer vernichten. Aber nicht einfach so, wie man beiläufig eine Mücke totklatscht. Eher so, wie man eine Fliege killt, die einen lange und schlau und absichtlich gereizt hat. Mit Wut und Vergnügen. Und wenn das auch noch fürstlich bezahlt war, umso besser.“ (S. 242)

Suter beginnt seinen neuen Roman „Wut und Liebe“ mit einem kleinen Paukenschlag, die kopflastige Buchhalterin trennt sich aus finanziellen Gründen von ihrem Künstlerfreund, nicht weil sie ihn nicht mehr lieben würde. Bevor sich der Autor aber näher mit seinen beiden Protagonisten näher auseinandersetzt, wird die nächste interessante Konstellation vorbereitet. Noah geht in die Kneipe „Die Blaue Tulpe“, um seinen Liebeskummer zu ertrinken, die Witwe Betty, um ihren Hass auf den „Mörder“ ihres Mannes zu schüren. Aus diesen beiden Beziehungen zaubert Suter souverän einen vertrackten Plot, in dem Camilla ihre Kopfentscheidung zu bereuen beginnt, Noah eine Idee davon bekommt, ein erfolgreicher Künstler zu sein, und Betty ihren ganz persönlichen Rachefeldzug vorantreibt. Die titelgebenden Empfindungen Wut und Liebe spielen in der weiteren Entwicklung der Geschichte natürlich eine tragende Rolle, aber interessanter wird das Spiel mit den Identitäten, hinter denen sich die Figuren verstecken. Was anfangs so wirken mag, als würde Suter die Charakterisierung seiner Figuren vernachlässigen, erweist sich im weiteren Verlauf als geschickter Schachzug, um die klischeehaft gezeichneten Charaktere in einem Wirbelwind von Charaden und Intrigen ganz anders dastehen zu lassen. Allerdings übertreibt es Suter zum Finale hin mit den Zufällen und konstruierten Wendungen, so dass der anfängliche Spaß, das Schicksal eines Thirtysomething-Liebespaars nach der Trennung weiterzuverfolgen, mit der zunehmend abstrusen Krimihandlung deutlich an Unterhaltungswert einbüßt.

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