Patricia Cornwell - „Insel der Rebellen“

Donnerstag, 17. Dezember 2009

(Hoffmann und Campe, 480 S., HC)
Nach einem Streit mit seiner Ehefrau verbringt Moses Custer die Nacht in seinem Peterbilt-Sattelschlepper auf einem Obst- und Gemüsemarkt am Stadtrand von Richmond. Als um vier Uhr morgens eine hübsche junge Frau an das Autofenster klopft um Hilfe bei ihrem liegen gebliebenen Auto bittet, bezahlt er seine Hilfsbereitschaft mit dem Tod. Was auf den ersten Seiten in Cornwells neuem Buch geschildert wird, liest sich zunächst wie der Auftakt einer Vampir-Horror-Story, doch Unique First, die Lady, die Moses Custer auf bestialische Weise umbringt, ist kein Vampir, sondern Teil einer Gruppe von Highway-Piraten, die es vor allem auf Lastwagen und Trucks abgesehen haben.
Um diesem Treiben Einhalt zu gebieten, lässt Virginias Gouverneur Bedford Crimm IV Radarfallen auf der abgeschotteten Insel Tangier errichten, die sich aber durch diese Anordnung nur provoziert fühlt und kurzerhand den dubiosen Festland-Zahnarzt Dr. Faux kidnappt. Superintendent Judy Hammer, die die Entführung ihres geliebten Katers zu verdauen hat, und ihr engagierter Trooper Andy Brazil versuchen, mit den ungewöhnlichsten Mitteln, der eskalierenden Situation Herr zu werden. Doch die Rechnung haben sie weder ohne die Highway-Piraten noch das aufgebrachte Inselvolk gemacht… Nicht so spannend wie ihre Kay-Scarpetta-Romane, aber unterhaltsam und witzig schildert die Thriller-Bestseller-Autorin politische Intrigen und die Eigenartigkeiten kleinstädtischer Bürgerlichkeit.

Patricia Cornwell - „Wer war Jack the Ripper?“

(Hoffmann und Campe, 414 S., HC)
Zuletzt versuchten die Hughes-Brüder mit „From Hell“, einer Adaption des Comics von Alan Moore, eine Antwort auf die Frage zu finden, wer der mysteriöse Killer gewesen ist, der 1888 in London fünf Frauen auf bestialische Weise umgebracht hat und als Jack the Ripper bezeichnet wurde. In den vergangenen hundert Jahren sind immer wieder neue Theorien über die Identität des ersten Serienmörders in Umlauf gebracht worden, doch stichhaltig bewiesen konnte noch keine davon. In gewisser Weise ist Patricia Cornwell fast dazu prädestiniert gewesen, den schillernden Spekulationen ein Ende zu bereiten. Schließlich war die erfolgreiche Thriller-Autorin Polizeireporterin und Computerspezialistin am Gerichtsmedizinischen Institut von Virginia und hat mit der Gerichtsmedizinerin Dr. Kay Scarpetta eine sympathische Serienheldin geschaffen.
Mit ihren Kenntnissen in der modernen Forensik hat Cornwell nun die historischen Beweise und Indizien minutiös unter die Lupe genommen und festgestellt, dass nur der englische Maler Walter Sickert, ein Schüler von Edgar Degas, als Täter der Whitechapel-Morde in Frage kommt. Die Autorin geht mit einem Team von Spezialisten dem Leben von Walter Sickert und seinen Werken auf den Grund und beschreibt ihre Entdeckungen halb als Thriller, halb als Dokumentation. Abbildungen von Fotos, Briefen und Zeichnungen runden das „Portrait eines Killers“ – so der Untertitel – gelungen ab.

Jilliane Hoffman – „Vater unser“

(Wunderlich, 572 S., HC)
Seit fast einer Woche arbeitet Georgia Adams in der Nachtschicht der Notrufzentrale, als sie um Viertel vor fünf morgens den beunruhigenden Anruf eines kleines Mädchens annimmt, das leise schluchzend um Hilfe bittet und vermutet, dass „er“ zurückkommt. Dann ist es still in der Leitung. Als ein Streifenwagen vor dem entsprechenden Haus vorfährt, aus dem der Notruf kam, entdecken die Streifenpolizisten ein grausames Blutbad. Jennifer Marquette und ihre drei Kinder Emma, Danny und Sophie liegen ermordet in ihren Betten, Dr. David Marquette hat als Einziger das Massaker überlebt und wird auf die Intensivstation ins Krankenhaus gebracht. Er gilt schnell als Hauptverdächtiger, der sich als Chirurg die lebensgefährlichen Verletzungen selbst zugefügt haben soll.
Der resoluten Staatsanwältin Julia Valentine wird der Fall übertragen. Als sie das Band von dem besagten Notruf abhört, wird der Verdacht gegen den jungen Chirurgen untermauert. Doch bei der Suche nach einem Motiv und eindeutigen Beweisen tun sich die Ermittler schwer, allerdings entpuppt sich das Sperma auf Jennifers Nachthemd nicht als das ihres Mannes. Problematisch wird der Fall vor allem dadurch, dass Marquette französischer Staatsangehörigkeit ist und die Franzosen den Angeklagten vor der befürchteten Todesstrafe bewahren wollen. Dieser plädiert zudem auf Unzurechnungsfähigkeit, weil er schizophren sei …
Nach ihren ersten beiden Thrillern um den „Cupido“-Mörder William Bantling und die Staatsanwältin C.J. Townsend ist Jilliane Hoffman mit ihrem neuen Thriller zwar ihrer Heimat Miami treu geblieben, hat aber das spektakuläre Familienmassaker mit neuen Protagonisten besetzt. Dabei hat auch die neue Staatsanwältin eine Vergangenheit aufzuarbeiten, die ihr bei dem Fall in die Quere kommt. Außerdem spielen politische Ambitionen ebenso eine Rolle wie die interessante Frage nach der psychischen Struktur des Täters. Immer wieder tauchen neue Erkenntnisse und Vermutungen auf, die es bis zum Schluss offen halten, ob Marquette tatsächlich schizophren ist oder ein geschickter Blender … Hoffman erweist sich dabei erneut als souveräne Spannungsautorin, die zunächst einen interessanten Fall konstruiert und den Leser anschließend mit den Tücken des amerikanischen Justizsystems vertraut macht.

Jilliane Hoffman – (C.J. Townsend: 2) „Morpheus“

(Wunderlich, 400 S., HC)
Vor über drei Jahren versetzte der als „Cupido“ bekannte Serienkiller William Bantling ganz Miami in Angst und Schrecken. Doch Staatsanwältin C.J. Townsend, die zwölf Jahre vor der Mordserie in New York selbst Opfer einer Vergewaltigung durch Bantling wurde, setzte vor Gericht die Todesstrafe gegen Bantling durch, obwohl dieser erst durch einen anonymen Tipp und eine unrechtmäßige Fahrzeugkontrolle gefasst werden konnte.
Doch der Fall scheint noch nicht ganz abgeschlossen. Victor Chavez, der Streifenpolizist, der Bantling damals festgenommen hatte, wird bei einem Einsatz die Kehle durchgeschnitten, und zwar so grausam, dass er an seinem eigenen Blut erstickt, außerdem wird ihm die Zunge herausgeschnitten. Wenig später wird auch Chavez‘ Kollege, Officer Bruce Angelillo, hingerichtet, dann der City-Cop Sonny Lindeman. Die Presse hat für den Cop-Killer schnell einen Namen parat: „Morpheus“ – der Gott des Schlafes. Eine erste Spur führt zu Roberto Valle, der seit Jahren im Verdacht steht, in vielen seiner Hotels und Nachtclubs Geld zu waschen. Jeder der drei ermordeten Cops arbeiteten in verschiedenen Clubs, die Valle gehören. Während C.J.s Lebensgefährte, der FDLE-Special Agent Dominick Falconetti, in Richtung Drogen und Korruption ermittelt, macht sich bei der Staatsanwältin schnell ein ungutes Gefühl breit, das auf beunruhigende Weise bestätigt wird, als ihr von einem Unbekannten eine kleine Jadeskulptur der drei weisen Affen zugeschickt wird, eine Erinnerung an C.J.s früheres Leben, mit dem sich Bantling so gut auskannte. Ein weiterer Mord und ein Geständnis bringen den „Cupido“-Fall wieder vor Gericht. Wenn damals Beweismittel unrechtmäßig zutage gefördert wurden, droht Bantlings Freilassung …
Mit ihren zweiten Thriller nimmt Jilliane Hoffman den packenden „Cupido“-Fall ihres erfolgreichen Debüts erneut auf und lässt ihre Heldin weiter leiden. Erneut überzeugt die Story mit einer komplizierten Liebesgeschichte und einem spannenden Fall, der viele grausame Morde und interessante Wendungen bietet, aber nicht mehr ganz so stark von der inneren Zerrissenheit profitieren kann, die die Protagonistin in „Cupido“ prägte.

Jilliane Hoffman – (C.J. Townsend: 1) „Cupido“

(Wunderlich, 479 S., HC)
Im Juni 1988, vier Wochen vor ihrem New York State Bar Exam, besucht Chloe Larson mit ihrem Freund, dem vielversprechenden Anwalt Michael Decker, am Broadway „Das Phantom der Oper“, um ihren zweiten Jahrestag zu feiern. Doch der Abend wird ein Desaster. Michael erscheint erst zum letzten Akt des Musicals, schenkt seiner Freundin beim anschließenden Essen statt des erhofften Verlobungsrings eine goldene Halskette und schwafelt nur von seiner Arbeit.
Die folgende Nacht verbringt Chloe lieber allein, doch sehr bald bekommt sie ungebetenen Besuch von einem Einbrecher mit Clownsmaske, der sie fesselt und bis zum Morgen vergewaltigt. Als sie aus dem Krankenhaus mit der Nachricht entlassen wird, dass sie keine Kinder bekommen könne, sucht sich Chloe eine neue Wohnung in den North Shore Towers, schmeißt die Anwaltsprüfung, gibt die Beziehung zu Michael auf und nimmt eine Stelle als Telefonistin in einem Hotel an. Doch Chloes Vergewaltiger ist ihr immer noch auf den Fersen …
Zwölf Jahre unterstützt Chloe als Staatsanwältin C.J. Townsend Dominick Falconetti, Special Agent des Florida Department of Law Enforcement, und sein Team in der Sonderkommission „Die Mauer“, die es mit elf vermissten jungen Frauen zu tun hat, von denen mittlerweile neun verstümmelt und tot aufgefunden worden sind. Der Killer hat seine Opfer nicht versteckt, sondern sie für ihre Entdeckung sorgfältig inszeniert, sie aufgeschnitten und ihnen das Herz entnommen, sie auf jede erdenkliche Weise vergewaltigt und von der Sonderkommission wegen seiner Brutalität den Namen Cupido verpasst bekommen. Bei einer einfachen Verkehrskontrolle geht der Polizei Cupido ins Netz. William Bantling, so sein bürgerlicher Name, hat sein letztes ermordetes Opfer sogar noch im Kofferraum. Als Staatsanwältin C.J. Townsend dem mutmaßlichem Täter vor Gericht begegnet, nimmt sie schockiert die S-förmige Narbe an der Hand des Angeklagten zur Kenntnis und erkennt in Bantling jenen Mann wieder, der sie vor zwölf Jahren so brutal vergewaltigt hatte. Allerdings verjähren in New York Sexualdelikte nach fünf Jahren, so dass Bantling für Chloes Vergewaltigung nicht mehr belangt werden kann. Also macht sie sich auf die Suche nach weiteren Opfern des Vergewaltigers mit der Clowns-Maske, füttert die juristische Online-Datenbank mit entsprechenden Suchbegriffen und stößt tatsächlich auf ähnliche Fälle in anderen Staaten, in denen allerdings auch die Verjährungsfrist zur Strafverfolgung abgelaufen ist. Doch es kommt noch schlimmer. Da Bantlings Fahrzeugkontrolle unrechtmäßig war, droht der Fall vor Gericht durchzufallen. Doch erst als Bantling erkennt, wer die Todesstrafe für ihn beantragt, bekommt der Cupido-Fall eine ganze neue Wendung …
Mit ihrem ersten Thriller ist der ehemaligen stellvertretenden Staatsanwältin Jilliane Hoffman gleich ein großer Wurf gelungen. „Cupido“ überzeugt mit einem spannenden Plot, einer sympathischen Heldin, die zwischen persönlicher Rache und ihrer Verantwortung als Staatsanwältin abwägen muss, und einem wendungsreichen Justiz-Thriller-Setting, das den Leser bis zum Schluss in Atem hält.

Karin Slaughter - (Grant County: 3) „Dreh dich nicht um“

Mittwoch, 16. Dezember 2009

(Wunderlich, 460 S., HC)
Mit ihren ersten beiden Thrillern „Belladonna“ und „Vergiss mein nicht“ hat sich Karin Slaughter verdientermaßen in die erste Liga der Krimi-Autorinnen geschrieben. Auch ihr neues Werk ist wenig zimperlich ausgefallen und stellt die reinste Adrenalinspritze dar. Dabei begegnen uns alte Bekannte. Die Gerichtsmedizinerin und Kinderärztin Sara Linton ist gerade mit ihrer schwangeren Schwester Tess unterwegs, als sie zu einem Unfallort gerufen wird.
Auf dem Campus in Heartsdale, Georgia, wird der junge Andy Rosen von seiner Kommilitonin Ellen Schaffer tot aufgefunden. Ein Abschiedsbrief legt Selbstmord nahe, doch in der Nähe des Tatorts wird dann auch Tess brutal überfallen, als sie sich auf die Suche nach einer Toilette begab. Als dann auch Ella Schaffer nach einem vorgetäuschten Selbstmord mit weggeschossenem Kopf aufgefunden wird, versuchen Polizeichef Jeffrey Tolliver und seine Leute eine Verbindung zwischen den drei Fällen herzustellen. Spielten etwa Drogengeschäfte auf dem Campus eine Rolle, oder vielleicht rechtsradikale Parolen am Brückengeländer, wo Andy aufgefunden wurde? Vor allem macht sich Lena Adams, Jeffreys ehemalige Arbeitskollegin und nun bei der Campus-Polizei angestellt, verdächtig, lässt sich auch noch auf den jungen Ethan White ein, der über und über mit Nazi-Zeichen tätowiert ist und ein ellenlanges Vorstrafenregister besitzt. Dann passieren weitere Morde ... Atemberaubend spannend – man tappt bis zum Schluss absolut im Dunkeln und wird mitgerissen in einen Strudel aus Rassismus, Drogensumpf, Gewalt und Leidenschaft.

Karin Slaughter - (Grant County: 4) „Schattenblume“

(Wunderlich, 480 S., HC)
Gerade als die Kinderärztin und Gerichtsmedizinerin Sara Linton ihren Freund, Chief Jeffrey Tolliver, im Büro aufsucht, um ihre Beziehungsprobleme zu erörtern, und der junge Cop Brad Stephens eine Gruppe von Schulkindern durch die Räume des Polizeireviers von Heartsdale führt, stürmen zwei maskierte Gangster ins Revier, knallen den erstbesten Polizisten ab und nehmen die Kinder und alle anderen Personen als Geiseln.
Derweil versuchen Frank, der noch rechtzeitig flüchten konnte, und die gerade erst zum Polizeidienst zurückgekehrte Lena mit Hilfe des Georgia Bureau Of Investigation, die Geiselnahme zu einem unblutigen Ende zu führen und die Motive der Gangster zu ergründen. Die liegen nämlich in der mehr als zehn Jahre zurückliegenden Vergangenheit, als Jeffrey und Sara gerade erst ein Paar wurden und in Jeffreys Heimatstadt Sylacauga ein paar Tage Urlaub machen wollten. Doch der Aufenthalt wird von einigen Morden überschattet, in die Jeffreys bester Freund Robert verwickelt zu sein scheint …
Im vierten, wiederum extrem spannenden und wendungsreichen Abenteuer von Jeffrey Tolliver und Sara Linton erfährt der Leser endlich etwas über den schwierigen Beginn der problematischen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Und dann verwundert es einen nicht mehr, dass die Ereignisse von 1991 noch immer wie ein dunkler Schatten über den beiden liegt …