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Simon Beckett – (Jonah Colley: 1) „Die Verlorenen“

Donnerstag, 8. Juli 2021

(Wunderlich, 416 S., HC) 
Zwar veröffentlichte der in Sheffield geborene und lebende Schriftsteller Simon Beckett auch schon seit Mitte der 1990er Jahre einige Romane, doch erst mit „Die Chemie des Todes“, dem 2006 inszenierten Auftakt seiner Reihe um den Forensiker David Hunter, gelang Beckett der internationale Durchbruch. Nach fünf weiteren Hunter-Romanen und dem davon unabhängigen Bestseller „Der Hof“ markiert „Die Verlorenen“ nun den Beginn einer neuen Reihe des britischen Erfolgsautors. 
Vor zehn Jahren geriet das Leben von Jonah Colley, Mitglied einer bewaffneten Spezialeinheit der Londoner Polizei, völlig aus den Fugen, als sein damals vierjähriger Sohn Theo spurlos von dem Spielplatz verschwindet, den Colley mit ihm aufsuchte. Die Polizei vermutete, dass Theo durch ein Kanalgitter gerutscht und ertrunken sei, und schloss den Fall mangels weiterführender Hinweise ab. Über den Verlust ihres gemeinsamen Sohnes trennte sich Jonah von seiner Frau Chrissie, auch der Kontakt zu Jonahs bestem Freund Gavin McKinney - ebenfalls im Polizeidienst, aber in einer anderen Einheit – brach abrupt ab. 
Umso überraschter ist Colley, als sich Gavin nach so langer Zeit bei ihm meldet und um ein dringliches Treffen bittet, um Mitternacht am Slaughter Quay. Doch als Colley dort mit mulmigem Gefühl auftaucht, ist von seinem ehemals besten Freund nichts zu sehen, sein auf dem Boden liegender Dienstausweis und der unverkennbare Geruch von Blut lassen aber das Schlimmste befürchten. Tatsächlich findet Colley eine völlig entstellte Leiche, dann bei näherer Untersuchung der Umgebung drei weitere in Plastikfolie eingewickelte Körper. Bei einem der Plastikkokons entdeckt Colley sogar noch Lebenszeichen, doch erfährt er nur den Namen der Frau – Nadine -, bevor er selbst niedergeschlagen wird. 
Als Colley später im Krankenhaus wieder zu sich kommt und von Detective Inspector Jack Fletcher befragt wird, erfährt er, dass Gavins mutmaßliche Leiche verschwunden ist, die Frau nicht überlebt hat und die anderen beiden, männlichen Opfer ebenfalls noch nicht identifiziert werden konnten. Während Colley selbst in Verdacht gerät, etwas mit den Morden am Slaughter Quay zu tun zu haben, ermittelt Colley mit zertrümmerter Kniescheibe und Krücken auf eigene Faust. 
Er stellt fest, dass der damals 34-jährige, vielmals vorbestrafte Owen Stokes, den die Cops nach Colleys Beschreibung als Verdächtigen aus dem Park identifiziert haben, auch in den aktuellen Fall verwickelt zu sein scheint, denn offenbar haben Gavin und Stokes Kontakt miteinander gepflegt. Mit der Hilfe von Gavins ehemaligem Partner, dem abgehalfterten Ex-Detective Wilkes, versucht Colley, Hinweise auf Gavins Verwicklungen in die Morde am Slaughter Quay zu finden, doch erst die attraktive Journalistin Corinne Daly kann ihm Namen nennen, die Colley auf die richtige Spur bringen. Als er in einer geheimen Absteige von Gavin McKinney eine vollgestopfte Geldtasche entdeckt, fragt sich Colley, wie tief sein alter Freund wohl in diese Sache verwickelt gewesen ist … 
„Eine Dreiviertelmillion Pfund war ein handfestes Motiv. Es waren schon Menschen für weit weniger gestorben. Das ließ lauter neue und beunruhigende Schlussfolgerungen zu. Falls Gavin mit Stokes gemeinsame Sache gemacht hatte, war es dann nicht möglich, dass er dabei über irgendetwas gestolpert war, das ihn die Ereignisse vor zehn Jahren in einem neuen Licht hatte sehen lassen? Also etwas, das mit Theo zu tun hatte? Womit sich der Kreis schloss und Jonah erneut vor der Frage stand, warum ihn Gavin an jenem Abend angerufen hatte.“ (S. 253) 
Mit dem forensischen Anthropologen David Hunter hatte Beckett Mitte der 2000er Jahre einen Protagonisten geschaffen, der durch den Unfalltod seiner Frau und seiner Tochter schwer traumatisiert aus London wegzog, um als Assistenz eines Landarztes ein neues Leben zu beginnen. Sein neuer Seriencharakter Jonah Colley trägt eine ähnlich schwere Last mit sich herum. Dabei hat er nicht nur das Verschwinden seines Sohnes vor zehn Jahren, die Trennung von seiner Frau und das Ende seiner Freundschaft mit Gavin zu verkraften, sondern auch die Ungewissheit, ob Theo vielleicht noch lebt. Beckett mag dieser Hintergrund genügen, um seinem Helden eine tiefgründige Persönlichkeit zu verleihen, doch außer harten Fakten bekommt der Leser kein wirkliches Gefühl für Colleys seelische Nöte. Statt seinen Protagonisten sorgfältig einzuführen, legt Beckett gleich mit der Action los und lässt seine auf Dauer zunehmend überkonstruiert wirkende Geschichte auch eher vom Tempo als von psychologischer Tiefe bestimmen. 
So fällt es einem als Leser schwer, eine Beziehung zu Colley aufzubauen, und auch die Nebenfiguren, von dem trinksüchtig-schmuddeligen Ex-Cop über die attraktive Journalistin bis zu den skeptischen Ermittlern, wirken erschreckend eindimensional und wie ausgelutschte Klischees. Es ist einzig dem ausgeklügelten, nicht immer glaubwürdigen, aber mit durchgängig straffem Tempo inszenierten Plot zu verdanken, dass „Die Verlorenen“ nicht ganz in die Mittelmäßigkeit abrutscht. Für die Fortsetzungen ist auf jeden Fall sehr viel Luft nach oben.  

Simon Beckett – (David Hunter: 6) „Die ewigen Toten“

Dienstag, 12. Februar 2019

(Wunderlich, 478 S., HC)
Seit der forensische Anthropologe David Hunter vor einigen Jahren von einer psychotischen Frau namens Grace Strachan mit einem Messer angegriffen worden war und fast vor seiner eigenen Haustür verblutet wäre, plagen ihn immer noch Albträume. Mittlerweile lebt er ungemeldet auf Ballard Court, dem luxuriösen Zweitwohnsitz eines Arztkollegen seines Freundes Jason, mit seiner Freundin Rachel zusammen. Bevor Rachel für einen Forschungsauftrag für drei Monate nach Griechenland reist, wird Hunter von Detective Chief Inspector Sharon Ward zum Londoner Stadtteil Blakenheath gerufen, wo in dem seit über zehn Jahren stillgelegten und bereits zum Abriss vorgesehenen Krankenhaus St. Jude eine in Plastikfolie eingewickelte, teilweise mumifizierte Leiche auf dem Dachboden gefunden wurde.
Doch bei dem Versuch, die Leiche zu bergen, stürzt der forensische Rechtsmediziner Professor Conrad durch den Boden, worauf die Polizeibeamten auf ein fensterloses Krankenzimmer stoßen, das auf keinen Bauplänen verzeichnet ist und in dem weitere Leichen geborgen werden. Bei der Obduktion der ersten Leiche bestätigt sich der fürchterliche Verdacht, dass es sich um eine schwangere Frau handelt. Bei den weiteren Ermittlungen hat es Hunter nicht nur mit dem überheblichen David Mears von BioGen zu tun, einer privaten Firma, die verschiedene forensische Experten beschäftigt, sondern auch mit dem aufdringlichen Journalisten Francis Scott-Hayes, dem kommunalen Aktivisten Adam Oduya und der mürrischen Lola Lennox, die immer wieder in der Nähe von St. Jude zu sehen ist und zuhause ihren schwerkranken Sohn Gary pflegt, und dem mit dem Abriss beauftragten Unternehmer Jessop, den die Verzögerungen durch die polizeilichen Ermittlungen schwer treffen. Die Hinweise scheinen auf Gary Lennox zu deuten, doch dann werden zwei der Beteiligten von einem Auto angefahren und dabei getötet bzw. schwer verletzt …
„Es lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen, wie oft die Zeit zäh dahinfloss, während ich an einer Ermittlung beteiligt war. Viel öfter ist das Gegenteil der Fall, und ich tauche aus einer Tätigkeit auf, nur um festzustellen, dass mal eben ein ganzer Tag vergangen war. Doch im St. Jude schien die Zeit regelrecht zu gefrieren.“ (S. 202) 
Seit der britische Schriftsteller Simon Beckett mit dem 2006 in Deutschland veröffentlichten ersten Roman um den forensischen Anthropologen David Hunter, „Die Chemie des Todes“, zum internationalen Bestseller-Autoren avancierte, sind vier weitere Titel in der Reihe erschienen, zuletzt „Totenfang“ (2016). Drei Jahre später scheint Beckett nicht mehr so recht zu wissen, wie er die Geschichte um seinen berühmten Protagonisten weiterspinnen soll.
Nach dem Tod seiner Frau und seiner Tochter gibt die Beziehung zu Rachel in „Die ewigen Toten“ nicht viel mehr her als Trennungsängste und Rachels Sorge um das Leben ihres Liebsten. Also konzentrieren sich sowohl Beckett als auch sein Protagonist ganz auf den mal wieder ganz außergewöhnlichen Fall mysteriöser Leichenfunde in einer Krankenhausruine. Hier nimmt sich der Autor alle gebührende Zeit, die Fertigkeiten der Forensik-Koryphäe David Hunter zu demonstrieren. Leider verliert er dabei die Charakterisierung seiner Figuren aus den Augen, die in allen Belangen sehr hölzern wirkt. Einzig die schrullig-missgelaunte Lola Lennox fällt hier etwas aus dem Rahmen, doch eine Identifikationsfigur sucht der Leser in „Die ewigen Toten“ vergebens.
In der Regel werden im Thriller-Genre solche Defizite durch einen rasant vorangetriebenen, spannungsreichen Plot ausgeglichen, aber auch damit kann der neue Hunter-Thriller nicht dienen. Stattdessen reibt sich Hunter in enervierenden Konkurrenzkämpfen auf, suhlt sich nach einer Kränkung auch mal im Selbstmitleid, versucht durch gebratene Leckereien zu der abweisenden Lola Lennox vorzudringen und muss sich der Avancen sowohl eines aufdringlichen Journalisten und eines Aktivisten erwehren, mit denen Hunter im Grunde nichts zu tun haben will. Währenddessen kommen die Ermittlungen so schleppend voran, dass der gelangweilte Leser immer wieder versucht ist, das Buch aus der Hand zu legen, doch mit der vagen Hoffnung, dass doch noch irgendwann was passieren muss, bleibt man am Drücker und wird im letzten Viertel mit einigen Ereignissen konfrontiert, die dem Genre gerecht werden.
Davon abgesehen erweist sich Simon Beckett als routinierter Erzähler mit einem gefälligen, auf Dauer aber etwas spröde wirkenden Schreibstil. Er nimmt sich viel Zeit, die Details der Ermittlungen zu beschreiben, aber der Spannungsbogen bleibt auf konstant niedrigem Niveau, bis der zuweilen arg konstruiert wirkende Zwist im Finale den Roman die Kurve bekommen lässt.
Leseprobe Simon Beckett - "Die ewigen Toten"

Simon Beckett – (David Hunter: 5) „Totenfang“

Sonntag, 6. November 2016

(Wunderlich, 558 S., HC)
Der forensische Anthropologe David Hunter will sich gerade auf den Weg zu Freunden machen, die das Feiertagswochenende in den Cotsworlds verbringen, als er einen Anruf von Detective Inspector Bob Lundy aus Essex erhält. Hunter wird gebeten, bei der Bergung einer Wasserleiche zu helfen. Dabei soll es sich um den vor sechs Wochen spurlos verschwundenen 31-jährigen Leo Villiers handeln, der sich von seinem wohlhabenden Vater Sir Stephen Villiers losgesagt und eine Affäre mit einer verheirateten Frau namens Emma Darby gehabt haben soll, die vor einigen Jahren als Fotografin aus London hergezogen war und ebenfalls vermisst wird.
Doch nach der Bergung der stark verwesten Leiche, die in dem schlammigen Mündungsgebiet der Backwaters den Elementen ausgesetzt war, und einem wenig später aufgetauchten Fuß, der zur Leiche passt, stellt sich heraus, dass es sich nicht um Villiers handeln kann. Da Hunters Wagen im Wasser zu Schaden gekommen ist und Hunter selbst sich einen Infekt eingefangen hat, muss er noch einige Tage in der Gegend verweilen und kommt in einem abgeschiedenen Bootshaus unter, das dem grimmigen Andrew Trask gehört.
Zu seiner Schwägerin Rachel Darby entwickelt Hunter nach anfänglich kühlem Beginn eine mehr als freundschaftliche Beziehung, doch mit der Zeit erweist sich der Aufenthalt in den Backwaters als schwierige Angelegenheit.
„Alle nicht unmittelbar in die Ermittlungen Eingeweihten glaubten nach wie vor, Leo Villiers wäre tot und dass es seine Leiche wäre, welche die Polizei aus dem Mündungsgebiet geborgen hatte. Und ich setzte mich gerade mit der Familie einer Vermissten zum Abendessen an einen Tisch und tat, als wüsste ich nicht, dass ihr mutmaßlicher Mörder noch am Leben war.
Was hatte ich mir dabei gedacht?“ (S. 289) 
Während sich die Identifizierung des Toten weiter hinzieht, wird die Tochter des Automechanikers Coker in der heruntergekommenen Hütte des geistig verwirrten Edgar Holloway ermordet aufgefunden. Als Rachel und Hunter einige von Emmas Fotos unter die Lupe nehmen, führen die Hinweise zu dem Turm einer verfallenen Festung vor dem Mündungsgebiet, wo sich eine weitere Tragödie ereignet …
David Hunter ist - endlich! - zurück. Nachdem bei seinem letzten Einsatz für die Polizei zwei Polizisten gestorben waren und ein leitender Polizeibeamter den Dienst quittieren musste, ist der forensische Anthropologe bei allen Polizeistellen im Lande eigentlich zur Persona non grata geworden und deshalb auch im eigenen Institut in London nicht mehr allzu beliebt.
Deshalb kommt ihm der Einsatz in den unwirtlichen Backwaters eigentlich ganz recht, für den ihn ein Detective Chief Inspector empfohlen hat, mit dem Hunter an einem Mordfall in Norfolk zusammengearbeitet hatte. Davon abgesehen verweist Beckett in seinem fünften Roman zur Vergangenheit von David Hunter nur noch auf die psychotische Serienmörderin Grace Strachan, an die Hunter noch immer erinnert wird.
„Totenfang“ überzeugt zunächst in der detaillierten Beschreibung der besonderen Atmosphäre in den Backwaters. So wie Beckett die zerklüftete, von den Gezeiten geprägte Mündungslandschaft beschreibt, steigt dem Leser der Geruch von Seetang, Salzwasser und Krebsen ebenso in die Nase wie sich die Ruinen der Festungstürme und die triste Szenerie in Cruckhaven vor dem inneren Auge aufbauen. Dazu nimmt sich der in Sheffield lebende Brite viel Zeit, um die einzelnen Figuren zu charakterisieren und ihre geheimnisvollen Verflechtungen miteinander allmählich aufzulösen. Das ist bis zum packenden Finale psychologisch feinsinnig konstruiert, dramaturgisch stimmig aufgebaut und mit einigen schönen Wendungen gespickt, dass die Lektüre jederzeit ein kurzweiliger Hochgenuss ist.
 Leseprobe Simon Beckett - "Totenfang"

Simon Beckett – „Der Hof“

Sonntag, 9. Februar 2014

(Wunderlich, 460 S., HC)
Mit seinen David-Hunter-Romanen „Chemie des Todes“, „Kalte Asche“, „Leichenblässe“ und „Verwesung“ hat der englische Autor Simon Beckett weltweit eine enorme Fangemeinde gewinnen können. Doch bevor die Leser ein neues Abenteuer von dem forensischen Pathologen mit romantischen Neigungen präsentiert bekommen, überrascht Beckett mit einem packenden Psychothriller der etwas anderen Art.
Ein Mann auf der Flucht. Als dem Audi das Benzin auszugehen droht, lenkt er den Wagen in einen Feldweg, entfernt die britischen Nummernschilder und wirft sein Handy ins Feld. Er fährt per Anhalter weiter, es wird französisch gesprochen. Nach einem kleinen Imbiss in der nächsten Kleinstadt wandert der Mann weiter und landet auf einem abgelegenen Hof, wo er um Wasser bittet. Als er im Wald in eine Tierfalle tritt, wird er zurück zum Hof gebracht, der von dem herrischen Arnaud und seiner Tochter Mathilde bewirtschaftet wird. Der Mann namens Sean wird gesundgepflegt, dann bekommt er das Angebot, auf dem Hof auszuhelfen, bis er den Drang verspürt weiterzuziehen. Sean nimmt den Job, Ausbesserungsarbeiten an einem Gebäude zu übernehmen an, weil er sich hier sicher vor der Polizei wähnt. Doch die Art, wie Arnaud, Mathilde und ihre kokette Tochter Gretchen miteinander umgehen, wie die Stadtbewohner auf Arnaud reagieren, macht Sean neugierig. Je länger er auf dem Hof bleibt, desto unheimlicher erscheinen ihm die Geschichten, die ihm zugetragen werden. Und was hat es mit dem Vater von Mathildes Sohn auf sich, der zuletzt in Lyon gesehen worden ist und seitdem als vermisst gilt?
„… ich bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass dieser Hof unliebsame Ereignisse einfach absorbiert und sich darüber schließt wie das Wasser um die Steine, die ich in den See werfe. Ein paar Wellen breiten sich kreisförmig aus, danach ist alles wieder ruhig.“ (S. 223) 
Von Beginn an versteht es Simon Beckett, mit seinem neuen Roman einen unheimlichen Sog der Spannung zu erzeugen. Was sich zunächst auf Seans Geschichte bezieht, die nach und nach in einzelnen Kapiteln aufgerollt wird, die die vorangegangenen Geschehnisse in London rekapitulieren, weitet sich schließlich auf das Geschehen auf dem Hof im ländlichen Frankreich aus. Geschickt spielt Beckett hier mit dem geheimnisvollen Figurenensemble, dessen Beziehungsgeflecht nie ganz zu durchschauen ist. Interessant ist dabei vor allem die erotische Spannung herausgearbeitet, die sich zwischen Sean und der aufdringlichen Gretchen einerseits und Sean und der zurückhaltenden, ganz um das Wohl der Familie besorgten Mathilde entwickelt. Die psychologische Feinsinnigkeit, mit der Beckett hier unterwegs ist, reicht allein schon aus, „Der Hof“ zu einer äußerst spannenden Lektüre zu machen, aber die zu lösenden Rätsel und das Auffinden verschwundener Personen sorgen darüber hinaus für den Thriller-Nervenkitzel, für den der Bestseller-Autor berühmt ist.
Mit sprachlicher Virtuosität und einer komplexen Anordnung psychologischer Profile ist mit „Der Hof“ ein Pageturner entstanden, der lange nachwirkt.
Leseprobe Simon Beckett - "Der Hof"

Simon Beckett - „Tiere“

Mittwoch, 16. März 2011

(Rowohlt, 284 S., Tb.)
Nach dem Tod seiner Eltern lebt der geistig etwas minderbemittelte Nigel allein in dem einst von den Eltern geführten, nun längst nicht mehr betriebenen Pub, arbeitet in einem Büro und liest in seiner Freizeit Comics und sieht sich mit Vorliebe Zeichentrickfilme an. Niemand würde ahnen, dass der junge Mann im Keller Menschen in Käfigen gefangen und sie mit Hundefutter und Wasser am Leben hält.
Darüber hinaus erfährt Nigel wenig Aufregendes in seinem Leben. Allein die Bekanntschaft mit seinen Kolleginnen Cheryl und Karen bedeutet etwas Abwechslung in seinem tristen Dasein, und entsprechend aufgeregt ist er, als sie für den Sonntag ihren Besuch ankündigen. Ansonsten hängt Nigel seinen Erinnerungen an seine Eltern nach.
„Als ich aufwachte, war ich total trübsinnig. Ich mag Sonntage nicht. Selbst im Fernsehen ist bis zum Nachmittag nicht viel los. Als Kind war es noch schlimmer, denn meine Mama wollte abends, bevor der Pub aufmachte, unbedingt die ganzen religiösen Sendungen sehen. Sie ging zwar nie zur Kirche oder so, aber sie war trotzdem religiös. Ganz egal, welche Sendungen auf den anderen Programmen liefen, meine Mama musste immer Lobgesänge oder so was gucken. Ich war jedes Mal froh, wenn es halb acht wurde und sie runterging, um meinem Papa hinter der Theke zu helfen.
Dieser Sonntag war nicht so schlimm, denn am nächsten Tag war Feiertag, und Cheryl und Karen wollten ja kommen. Wenn ich an Besuch dachte, wurde ich ganz aufgeregt, es reichte aber nicht, um meine Sonntagslaune aufzuheitern. Noch dazu war es draußen bewölkt.
Beim Frühstück in der Küche las ich meinen Spiderman-Comic zu Ende. Nicht mal der war besonders spannend …“ (S. 102)
Das trifft leider auch auf Simon Becketts zweiten Roman „Tiere“ zu, der 1995 in Becketts englischer Heimat erschien und im Zuge des Erfolges seiner Reihe um den forensischen Anthropologen Dr. David Hunter („Die Chemie des Todes“, „Kalte Asche“, „Leichenblässe“ und „Verwesung“) nun auch erstmals in deutscher Sprache erhältlich ist. Mit dem Schachzug, die Geschichte aus der Ich-Perspektive des geistig gehandicapten Nigel erzählen zu lassen, sollen Sympathien für den von allen Seiten gemiedenen Außenseiter geweckt werden, doch die will sich partout nicht einstellen. Abgesehen davon, dass seine Motivation, Menschen wie Tiere einzupferchen und zu füttern, nie überzeugend vermittelt werden kann, entwickelt die Geschichte kein Potenzial, weder so etwas wie Spannung, noch eine Entwicklung seines Antihelden zu präsentieren. Statt auf eine Wendung oder einen irgendwie gearteten Höhepunkt zuzusteuern, ergießt sich der Ich-Erzähler in wenig aufregenden Erinnerungen an eine bewegtere Zeit, als der Pub noch Gäste bediente, und lapidaren Beschreibungen der langweiligen Dinge, die mittlerweile seinen Alltag prägen.
Langweiliger und unspektakulärer geht es nicht, und die Möchtegern-Sprache des präsentierten Dummkopfes verleidet einem den letzten Rest eines rudimentären Lesevergnügens.
 Leseprobe “Tiere”

Simon Beckett – (David Hunter: 4) „Verwesung“

Samstag, 5. März 2011

(Wunderlich, 444 S., HC)
Vor acht Jahren wurde der forensische Anthropologe Dr. David Hunter von Detective Chief Superintendent Simms nach Dartmoor gebeten, um dort eine Leiche im Moor zu identifizieren. Offensichtlich handelte es sich um eines der Mädchen, die dem verurteilten Serienmörder und Vergewaltiger Jerome Monk zum Opfer gefallen sind und deren Leichen noch nicht gefunden werden konnten. Doch die Ermittlungen standen unter keinem guten Stern. Hunter muss sich nicht nur dem besserwisserischen forensischen Archäologen Prof. Leonard Wainwright unterordnen, sondern hatte es auch mit Terry Connors zu tun, dessen Selbstgefälligkeit und Angeberei schon immer ein Dorn in Hunters Augen gewesen sind.
Nachdem die Torfleiche als Monks drittes Opfer Tina Williams identifiziert werden konnte, folgte eine großangelegte Suchaktion im Moor, hoffte man doch, die anderen beiden noch vermissten Leichen zu finden. Monk erklärte sich bereit, bei der Suche zu helfen, kann sich vor Ort aber an nichts erinnern, und die psychologische Ermittlungsberaterin Sophie Keller stößt nur auf einen Dachskadaver. Nach diesem Fiasko verschlug es Hunter an den Balkan, um an der Bergung eines Massengrabes mitzuwirken, dann verlor er seine Frau Kara und Tochter Alice bei einem Autounfall.
Acht Jahre später bekommt Hunter überraschenden Besuch von Terry Connors, der ihm erzählt, dass Jerome Monk aus dem Gefängnis geflohen ist, dann erhält er einen panischen Anruf von Sophie Keller, die ihn bittet, sich mit ihr in Dartmoor zu treffen. Als Hunter dort eintrifft, liegt Sophie allerdings auf der Intensivstation, wenig später kommt Leonard Wainwright zu Tode. Offensichtlich befindet sich Jerome Monk auf einem Rachefeldzug gegen alle, die damals mit seinem Fall zu tun gehabt haben. Er verfügt über das übliche Täterprofil:
„Mit fünfzehn Jahren war Monks Lebensweg vorgezeichnet. Von Geburt an verwaist, war er schon als Kind in doppelter Hinsicht ausgeschlossen, gemieden wegen seiner körperlichen Defekte und gefürchtet wegen seiner abnormen Kraft. Die wenigen Familien, die den störrischen, unberechenbaren Jungen in Pflege nahmen, schickten ihn bald wieder voller Entsetzen zurück. Bereits in der Pubertät war er kräftiger als die meisten erwachsenen Männer, sein Leben wurde durch Gewalt und Einschüchterung geprägt.“ (S. 357)
Simon Beckett beginnt seine David-Hunter-Romane stets mit der Schilderung nüchterner Fakten rund um den Verwesungsprozess, was an sich höchst informativ ist, doch leider setzt sich dieser abgeklärte Stil auch auf die Beschreibung der Handlung und der Zeichnung seiner Figuren fort. „Verwesung“ weist sicherlich alle Merkmale eines Bestsellers auf, eine interessante Hauptfigur, die nach „Die Chemie des Todes“, „Kalte Asche“ und „Leichenblässe“ zum vierten Mal im Mittelpunkt des Geschehens steht, einen mysteriösen Fall um einen mutmaßlichen Serienmörder und etliche persönliche Konflikte, die dem Geschehen seine „Würze“ verleihen. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass Beckett in jeder Hinsicht auf Nummer sicher gehen wollte. Der Plot und die „überraschende“ Wendung zum Ende hin wirken wie am Reißbrett konstruiert, und Becketts abgeklärter Stil lässt nicht wirklich Sympathien für seine Figuren entwickeln, die aber immerhin alle ihre Päckchen zu tragen haben, auch David Hunter selbst, der sich immer noch Vorwürfe wegen des Todes seiner Familie macht. Sicher bietet „Verwesung“ spannende Unterhaltung, aber schon im vierten David-Hunter-Fall sind die Abnutzungserscheinungen nicht zu übersehen.
 Leseprobe “Verwesung”

Simon Beckett – „Flammenbrut“

Samstag, 17. April 2010

(Rowohlt, 399 S., Tb.)
Mit ihrer PR-Agentur konnte die knapp 34-jährige Kate Powell in London gerade den lukrativen Auftrag für die Werbekampagne der humanitären Organisation Parker Trust an Land ziehen und ihren Konkurrenten und Ex-Geliebten Paul Sutherland ausbooten. Um neben dem beruflichen Glück auch das persönliche zu komplettieren, fehlt nur noch ein Kind, das Kate jedoch ohne die Komplikationen einer Beziehung aufziehen möchte. Also entschließt sie sich zu einer künstlichen Befruchtung, lehnt aber eine vollkommen anonyme Samenspende ab.
Sie platziert eine entsprechende Anzeige u.a. im „Psychological Journal“, worauf sich der Psychologe Alex Turner bei ihr meldet. Kate trifft sich hin und wieder mit dem schüchternen, leicht stotternden Mann und ist bald sehr angetan von ihm. Kates glücklich verheiratete Freundin Lucy drängt darauf, dass Kate ihr Kind nun doch auf ganz natürliche Weise bekommen sollte, doch nach wie vor schreckt Kate vor den möglichen Komplikationen einer Beziehung zum Vater des erwünschten Kindes zurück. Doch ihre Versuche, die Treffen mit Alex zu beenden, fallen eher halbherzig aus. Als Alex eines Abends nicht zum verabredeten Abendessen erscheint und am nächsten Morgen die Polizei in Kates Agentur auftaucht, erfährt sie, dass Alex in seiner Praxis tot aufgefunden wurde. Doch bei der Identifizierung stellt Kate fest, dass der Tote nicht der Alex Turner ist, den sie kennengelernt hat …
Nach „Voyeur“ und (dem in Deutschland noch nicht veröffentlichten) „Tiere“ war der 1997 veröffentlichte „Flammenbrut“ der dritte Roman des britischen Schriftstellers Simon Beckett, der später durch seine Romanreihe um Dr. Hunter („Die Chemie des Todes“, „Kalte Asche“, „Leichenblässe“) weltberühmt wurde. Auch wenn der Leser früh ahnt, dass Kate Powells Wahl des Vaters ihres Kindes keine gute ist, bleiben der Plot spannend und die Figuren weitgehend überzeugend gezeichnet. Der spektakulär inszenierte Schluss ist dabei etwas zu genretypisch und schwächt den Gesamteindruck des Thrillers etwas ab, doch interessant ist vor allem die Thematik der künstlichen Befruchtung. Wenn „Flammenbrut“ auch längst nicht die Klasse der Dr.-Hunter-Thriller hat, bietet der Roman kurzweilige Spannungsunterhaltung.

Simon Beckett – „Voyeur“

(Rowohlt, 381 S., Tb.)
Der Londoner Kunsthändler Donald Ramsey hat zwar wenig Interesse am sexuellen Akt, dafür umso mehr an erotischer Kunst. Seine jungen Assistentinnen erregen selten seine Aufmerksamkeit. Wenn eine davon, wie die letzte, an deren Namen sich Ramsey nicht mal erinnern kann, von einem Bus überfahren wird, stellt er die nächste ein. Die Anfang zwanzigjährige Anna stellt allerdings eine Ausnahme dar. Sie ist so attraktiv, dass Ramsey es nicht ertragen kann, sie mit einem nicht angemessen gut genug aussehenden Mann glücklich liiert zu sehen. Das bemerkt Ramsey allerdings erst durch Zufall, als er am Abend noch einmal ins Büro der Galerie zurück muss und dort Anna heimlich dabei beobachtet, wie sie sich umzieht und dabei nackt vor dem Spiegel posiert. Sofort ist er von der jungen Frau besessen, will sie näher kennen lernen und begegnet so auch ihrem amerikanischen Freund Marty, den der Galerist sofort zu hassen beginnt. Als Ramsey ein Telefonat mithört, bei dem Anna von ihren Plänen berichtet, mit Marty in die USA zu gehen, bleibt dem Kunsthändler nicht viel Zeit. Also engagiert Ramsey den Dressman Zeppo, der Anna verführen und so ihre Beziehung zu ihrem Freund Marty zerstören soll. Als der Versuch scheitert, entschließt sich Ramsey zu drastischeren Maßnahmen …
Bevor Simon Beckett mit den Romanen um seinen Ermittler David Hunter („Die Chemie des Todes“, „Kalte Asche“ und „Leichenblässe“) zu Weltruhm kam, hat er seit 1993 bereits andere Romane mit verschiedenen Themen und Protagonisten veröffentlicht, die nach den David-Hunter-Bestsellern nun von Rowohlt in Taschenbucherstausgaben nachgeliefert werden. „Voyeur“ ist Simon Becketts Erstlingswerk und ist vor allem ein Thriller um erotische Obsessionen. Wie der Kunsthändler als Ich-Erzähler seine erstmals für eine lebendige Frau entfachte Leidenschaft schildert, ohne sich selbst mit ihr vereinen zu wollen, ist überzeugend, zuweilen sogar amüsant dargestellt. Spannend wirkt vor allem die schwierige Geschäftsbeziehung zwischen Ramsey und Zeppo, doch das Finale fällt überraschend unspektakulär aus.
Dieses Manko hat Simon Beckett in seinen späteren Werken zum Glück behoben.

Simon Beckett – „Obsession“

(Rowohlt, 414 S., Tb.)
Die Beerdigung seiner Frau Sarah war der schlimmste Tag im Leben des Fotografen Ben Murray. Ein Aneurysma beendete unerwartet ihr Leben, nun musste er sich allein um Jacob, seinen sechsjährigen autistischen Stiefsohn kümmern, den Sarah vor vier Jahren mit in die Beziehung gebracht hatte. Die innere Leere versucht Ben mit Aufräumen zu füllen, mit dem Aussortieren von Sarahs Sachen. Dabei fällt ihm eine verschlossene Kassette in die Hände, die voller Zeitungsausschnitte aus der „Daily Mail“ war. Die Überschrift des einen Artikels auf Seite 1 lautet: „Baby aus der Entbindungsklinik entführt“ und ist auf Jacobs Geburtstag datiert. Beunruhigt liest er die verschiedenen Zeitungsausschnitte durch und muss sich mit der schrecklichen Ahnung auseinandersetzen, dass Sarah ihr Kind nicht selbst geboren, sondern einem anderen Elternpaar gestohlen hat.
Sarahs Freundin Jessica, die damals kurz vor Beendigung ihrer Ausbildung zur Hebamme stand, bestätigt den dunklen Verdacht: Sarah erlitt eine Fehlgeburt und war mit den Nerven völlig am Ende. Also nahm sie Jeanette und John Cole ihren Sohn Steven weg und brachte ihn Sarah, für die die Welt wieder in Ordnung war, auch wenn Steven/Jacob im Alter von zwei Jahren Autismus diagnostiziert wurde. Ben liebt Jacob wie seinen eigenen Sohn, möchte aber mehr über Jacobs leibliche Eltern erfahren, weshalb er über seinen Freund Keith einen Privatdetektiv engagiert. Doch das erweist sich als schwerwiegender Fehler. Sobald sich der Detektiv an den Fall heftet, wittert er die Chance, ordentlich abkassieren zu können. Da sich Ben auf keinen Deal einlässt, landet die Story des entführten Babys in der Klatschpresse, wenig später wird Jacob seinem leiblichen Vater zugesprochen. Und John Cole zeigt sich besessen, was seinen Sohn angeht. Er verweigert Ben das Besuchsrecht und geht hinter dem Haus einer beängstigenden Obsession nach. Doch die Behörden, die Ben einschaltet, nehmen seine Sorgen nicht allzu ernst. Also setzt Ben alles daran, die nötigen Beweise zu erbringen, die die Behörden zum Handeln zwingen. Doch damit bringt sich nicht nur Ben selbst in höchste Gefahr …
„Obsession“ ist ein weiteres Frühwerk des britischen Autors Simon Beckett, das vor seiner berühmten Dr.-Hunter-Reihe erschienen ist. Da es um das Wohl eines autistischen Kindes geht, ist die Story per se emotional stark aufgeladen, und Beckett setzt diese Vorlage gewinnbringend um, macht die Ängste des Stiefvaters überzeugend transparent und mischt den Kampf um das Wohlergehen des autistischen Kindes mit erotischen und soziopathischen Komponenten, die der Story eine starke Dynamik verleihen. Bis zum erlösenden Showdown ein äußerst aufwühlendes und spannendes Thriller-Drama.

Simon Beckett – (David Hunter: 1) „Die Chemie des Todes“

(Wunderlich, 431 S., HC)
Vor drei Jahren ist Englands bekanntester Rechtsmediziner, der verwitwete Dr. David Hunter, von London in das kleine Dorf Manham in Norfolk gezogen, wo er eine Stelle als Assistenzarzt in der Parxis des alten Dr. Maitland übernahm. Nun wird er zu einem Tatort gerufen, wo die Yates-Brüder im Farnley Wood die stark verweste Leiche eines Menschen fanden, von der Linda Yates überzeugt ist, dass es sich um die hübsche Sally Palmer handelt, die wie Hunter aus London zugezogen war und sich schnell mit ihm angefreundet hatte.
Als Hunter Sally Palmer einen Besuch abstattet, findet er nicht sie, sondern nur ihren toten Collie vor und gibt eine Vermisstenanzeige auf. Chief Inspector Mackenzie findet schnell heraus, dass Hunter einer der führenden forensischen Anthropologen des Landes ist, bittet er ihn um seine Mithilfe. Bei der Obduktion der Leiche fallen tiefe Schlitze auf beiden Seiten des Rückgrats auf, in die der Täter weiße Schwanenflügel gesteckt hat. Wenig später wird mit Lyn Metcalf eine weitere Frau vermisst. Bei der Suche nach ihr werden Beamte von Fallen verletzt, und es wird eine Wildente gefunden, die an einen Stein gebunden wurde. Den folgenden Gottesdienst nutzt Pastor Scarsdale für den Start einer Hexenjagd, bei der auch Hunter in das Visier der Bevölkerung gerät.
Mit dem Auftauchen einer weiteren Leiche im Wald wird jedem in Manham klar, dass ein Serienkiller sein Unwesen treibt …
Mit dem renommierten Rechtsmediziner Dr. David Hunter hat der britische Journalist und Schriftsteller Simon Beckett eine höchst interessante Figur geschaffen. Nach dem sinnlosen Tod seiner Frau und Tochter durch einen betrunkenen Autofahrer kehrte Hunter der Großstadt den Rücken und versucht auf dem Land ein neues Leben aufzubauen, das nichts mehr mit seinem alten Familienleben zu tun hat.  
„Die Chemie des Todes“ fasziniert nicht allein durch die interessanten Informationen, die die Verwesung eines Körpers betreffen, um so die Umstände und den Zeitpunkt seines Todes bestimmen zu können. Es ist vor allem die Milieustudie eines Dorfes, das allem Fremden gegenüber höchst misstrauisch und – angeheizt durch die feurige Kirchenpredigt – sogar feindselig ist. Darüber hinaus bietet „Die Chemie des Todes“ einen ungewöhnlichen Kriminalfall, dessen Auflösung man eifrig entgegenfiebert.

Simon Beckett – (David Hunter: 2) „Kalte Asche“

(Wunderlich, 431 S., HC)
Gerade als Dr. David Hunter auf dem Weg zum Flughafen in Glasgow gewesen ist, um nach London zurückzukehren, wo am Forensischen Institut der Universität arbeitet, erhält er einen Anruf von Detective Superintendant Graham Wallace vom Polizeipräsidium Inverness, dass auf der Äußeren-Hebriden-Insel Runa der pensionierte Detective Inspector Andrew Brody eine verbrannte Leiche gefunden hat. Zwar verärgert Hunter seine Freundin Jenny, aber er folgt der Bitte, sich die Leiche mal anzusehen, und muss am Tatort entsetzt feststellen, dass die menschliche Leiche vollständig zu Asche verbrannt ist – nur die Hände und Füße blieben vom Feuer völlig unversehrt.
Die Autopsie ergibt, dass es sich um eine junge Frau handelt, der der Schädel eingeschlagen worden ist. Weitere Untersuchungen ergeben, dass die junge Frau wohl eine Prostituierte vom Festland gewesen ist, die sich im Cottage, wo sie gefunden wurde, offensichtlich mit einem Freier getroffen hatte. Die kecke Journalistin Maggie Cassidy verfasst für die „Lewis Gazette“ sogleich eine reißerische Story über die verbrannte Leiche – „Feuertod – Das Rätsel von Runa“. Dann erschüttert eine Sturmfront die kleine Insel, die nun völlig abgeschnitten vom Festland vergeblich auf Unterstützung in dem Mordfall warten muss. Da schlägt der Feuerteufel ein weiteres Mal zu …
Auch in seinem zweiten Fall nach „Die Chemie des Todes“ hat es Dr. David Hunter mit einer dörflichen Gemeinschaft zu tun, die einen brutalen Mörder beherbergt. Mit viel Sinn für ausführliche Charakterisierungen stellt uns Simon Beckett die einzelnen Menschen mit ihren Eigenheiten und schwierigen zwischenmenschlichen Beziehungen vor und entwickelt ein spannendes, kammerspielartiges Szenario der Tätersuche.