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James McBride – „Himmel & Erde“

Dienstag, 5. November 2024

(btb, 464 S., Pb.) 
Mit seiner Autobiografie „The Color of Water: A Black Man's Tribute to His White Mother“ hat James McBride, in Brooklyn aufgewachsener Sohn eines afroamerikanischen Pastors und einer polnisch-jüdischen Immigrantin, den multikulturellen Einfluss auf seine Erziehung beschrieben und diese Thematik auch in seinen folgenden Büchern thematisiert. 2013 erhielt er für „The Good Lord Bird“ (dt. „Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford“) den National Book Award for Fiction. Nun erscheint mit „Himmel & Erde“ der nächste, von Publishers Weekly zum „Buch des Jahres“ gekürte große Wurf von James McBride
Als im Juni 1972 ein Bauträger in Pottstown, Pennsylvania, Häuser einreißen lässt, um Platz für neue Reihenhäuser zu schaffen, stoßen die Arbeiter in einem alten Brunnen auf ein menschliches Skelett und eine Mesusa, weshalb sie Rat bei einem alten Juden bei der alten Synagoge auf dem Chicken Hill suchen. 47 Jahre zuvor unterhielt der jüdische Moshe Ludlow das „All-American Dance Hall & Theater“ in der Main Street, wo er anfing, nicht nur jüdische Musiker für ein jüdisches Publikum zu präsentieren, sondern versuchte es auch mit dem schwarzen Entertainer Chick Webb, der das schwarze Publikum mit seinem ausgelassenen, stampfenden Jazz begeisterte. 
Ebenso offen hielt es seine Frau gehbehinderte Frau Chona. Die Afroamerikanerin unterhielt mit dem „Heaven & Earth Grocery Store“ einen Gemischtwarenladen, in dem sowohl die Juden als auch die Schwarzen einkauften. Während die jüdischen Einwanderer und die Schwarzen gut miteinander auskommen, machen ihnen die weißen Christen zunehmend zu schaffen. 
Als sich Doc Roberts, Anführer der örtlichen Ku-Klux-Klan-Gruppe, an Chona vergehen will, beobachtet der taube Zwölfjährige Dodo den Vorfall und soll in die psychiatrische Anstalt von Pennhurst eingeliefert werden. Die Ludlows haben sich bis dahin des Jungen angenommen, der zuvor bei dem Moshes schwarzen Angestellten Nate gelebt hat. Tatsächlich geht Dodo seinen weißen Häschern ins Netz, doch als die Gemeinschaft auf dem Chicken Hill von den Zuständen in Pennhurst erfährt, setzen sie alles in Bewegung, um Dodo aus den Fängen des selbsternannten „Menschensohns“ zu befreien… 
„Die Gruppe der Besucher bewegte sich langsam in ihre Richtung, während Moshes Schluchzen von den Wänden widerhallte, von einer Seite zur anderen, den Flur hinauf und hinunter. Doc Roberts war vergessen, die Gruppe trat voran, eine bunte Mischung demütigender Reisender, als mäße jeder Schritt tausend Kilometer, als kämen sie von fernen Kontinenten und durchquerten ein Land, das so groß zu sein behauptete, ein Land, das ihnen so viel gab, aber so viel mehr verlangte.“ (S. 272) 
McBride nutzt den Prolog, um ein klassisches Krimi-Setting zu installieren, das mit dem Fund einer Leiche die Frage sowohl nach der Identität des Opfers als auch des Täters bzw. der Täter/in offenlässt. Doch mit dem Rückblick auf das multikulturelle Leben in Pottstown in den 1920er und 1930er Jahren scheint es dem Autor weniger darum zu gehen, den Mord aufzuklären, sondern das Milieu zu beschreiben, in dem die unterschiedlichsten Menschen in eher ärmlichen Verhältnissen lebten. 
In seinem Dankwort zum Schluss erzählt Jim McBride, dass der Roman durch den Leiter eines Camps in Pennsylvania inspiriert worden ist, in dem der Autor selbst als Student vier Sommer lang gearbeitet hat. Dieser Leiter sei McBride ein Vorbild an der Vermittlung von Inklusion, Liebe und Akzeptanz gewesen. Dieses Gefühl strahlt auch „Himmel & Erde“ aus. Trotz schwieriger Lebensumstände schaffen es die Einwohner von Pottstown, ihre kulturellen Differenzen zu überwinden und für ein gutes Miteinander einzustehen. McBride beschreibt seine Figuren mit viel Liebe zum Detail und macht vor allem das Ludlow-Ehepaar zu Helden einer Erzählung, in der die Unterschiede in Hautfarbe, Religion und Herkunft nicht die Grundlage für Hass und Misstrauen sind, sondern für Akzeptanz, Vertrauen, Mitgefühl und Liebe. Diese Botschaft ist gerade in der heutigen Zeit mindestens ebenso wichtig wie seit jeher.