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Colin Higgins – „Harold und Maude“

Samstag, 1. März 2025

 (Diogenes, 182 S., HC)
Hal Ashbys Film „Harold und Maude“ (1971) darf getrost als Klassiker der Filmgeschichte betrachtet werden und ist nicht nur durch das kongeniale Zusammenspiel von Bud Cort als Harold und Ruth Gordon in den Titelrollen, sondern auch durch den ikonischen Soundtrack von Cat Stevens zu internationaler Berühmtheit gelangt. Das Drehbuch stammt vom Australier Colin Higgins und stellte dessen Abschlussarbeit eines Drehbuchseminars an der Universität Los Angeles dar. Im selben Jahr brachte Higgins die Geschichte um Harold und Maude auch als Roman heraus, den der Diogenes Verlag nun in seiner neuen Reihe „Modern Classics“ wiederveröffentlicht.
Der 19-jährige Harold Chasen hat schnell adaptiert, dass er die Aufmerksamkeit seiner Mutter vor allem dann auf sich zieht, wenn er seinem Leben ein Ende zu setzen scheint. Doch als er sich mit einer Schlinge um den Hals mit Musik von Chopin im Hintergrund vom Stuhl stößt, rügt sie ihn nur wegen seines unangemessenen Verhaltens, schließlich kämen die Crawfords heute zum Abendessen. So sehr sich die wohlhabende Mrs. Chasen auch bemüht, ihren wohlerzogenen Sohn zur Vernunft zu bringen – weder der Psychiater Dr. Harley noch ihr als Brigadegeneral bei der Armee fungierende Bruder Victor können in dieser Hinsicht Erfolge verbuchen -, denkt sich Harold immer weitere Arrangements für vorgetäuschte Selbstmorde aus, die seine Mutter zunehmend verzweifeln lassen. Als letzten Ausweg sieht sie in einer Partnervermittlung, die Harold mit drei potenziellen Hochzeitskandidatinnen versorgt, die allerdings weder Harold noch seine wählerische Mutter zufriedenstellen. Doch dann lernt Harold bei einer Beerdigung die lebenslustige Maude kennen, die während ihres 79-jährigen Lebens zwar schon schwierige Zeiten durchmachen musste, aber nie ihre Zuversicht und den Lebensmut verloren hat. Mit ihr zusammen lernt Harold endlich, worauf es im Leben wirklich ankommt.

„,Ja. Ich weine. Ich weine um dich. Ich weine um das hier. Ich weine angesichts der Schönheit, eines Sonnenuntergangs oder einer Möwe. Ich weine, wenn ein Mann seinen Bruder quält … wenn er Reue zeigt und um Vergebung bittet … wenn Vergebung verweigert wird, ebenso, wie wenn sie gewährt wird. Wir lachen. Wir weinen. Dass sind zwei einzigartige menschliche Eigenschaften. Und das Wichtigste im Leben ist, dass man keine Angst davor hat, ein Mensch zu sein, mein lieber Harold.‘“ (S. 145)

Wer den Film wie ich bereits mehrere Male gesehen hat, wird beim Lesen des Romans immer wieder die dazu entsprechenden Bilder des Films vor Augen haben, was vor allem auf den Umstand zurückzuführen sein dürfte, dass der 1988 im Alter von 47 Jahren in Beverly Hills an Aids verstorbene Autor sein Drehbuch einfach in eine knackige Romanform gegossen hat, die die Filmhandlung nahezu identisch abbildet und insofern keine Überraschungsmomente bereithält. Es ist allerdings ebenso wenig verwunderlich, warum „Harold und Maude“ zur Pflichtlektüre für Englischschüler avanciert ist, denn die kurzweilige Novelle präsentiert nicht nur eine unorthodoxe Liebesgeschichte, sondern thematisiert auf humorvolle Art die Konventionen und Erwartungen von Mitglieder der sogenannten besseren Gesellschaft und die bedingungslose Liebe zum Leben von Menschen, die zu viel Schlimmes in ihrem Leben erlebt haben, um sich über die Misslichkeiten des Alltags oder allzu einengende Vorschriften zu beschweren. „Harold und Maude“ ist auch über fünfzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ein jederzeit vergnügliches wie kluges Büchlein über die Liebe und den Tod, Freundschaft und Freiheit, Poesie und Musik, und begeistert durch seine beiden schrulligen Hauptfiguren.