(Festa, 2 Bd., 874 S., HC im Schuber)
Heutzutage gerade im deutschsprachigen Raum nahezu
unbekannt, zählte der US-amerikanische Schriftsteller Richard Matheson in
den 1950er Jahren zu den populärsten Science-Fiction-Autoren seiner Zeit,
wurden doch schon seine ersten Romane „I Am Legend“ (1954) und „The
Shrinking Man“ (1956) später verfilmt. Neben diesen beiden international
bekannten Romanen ist hierzulande aber wenig von Matheson erschienen,
der von seinem Zeitgenossen Ray Bradbury als einer „der größten
Schriftsteller des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wurde. Dieses Manko versucht
nun der Festa-Verlag zu beheben, indem er zu Beginn eine luxuriöse, auf 1250
limitierte Ausgabe von Mathesons besten Erzählungen veröffentlicht,
darunter die Vorlage zu Steven Spielbergs Frühwerk „Duell“.
Nach einem Vorwort von Horror-Autor F. Paul Wilson
beginnt der erste, „Albtraum über den Wolken“ betitelte Band mit Richard
Mathesons berühmter Geschichte „Von Mann und Frau geboren“, die der Autor
im zarten Alter von 23 Jahren geschrieben hatte und 1950 im „Magazine of
Fantasy & Science Fiction“ veröffentlichen konnte und die von seinen Eltern
im Keller eingesperrten Kind handelt, das sie als „Monstrum“ betrachten. Die ebenfalls
berühmte Geschichte „Der Dritte von der Sonne“ erzählt von einem Astronauten, der
einen vermeintlichen Testflug dazu nutzen will, um mit seiner Familie zu einem
neuen Planeten zu fliehen, „Sohn des Blutes“ von einem Jungen, der sich nichts
sehnlicher wünscht, als ein Vampir zu sein.
In „Hexenkrieg“ werden sieben junge Mädchen dazu eingesetzt,
mit ihren paranormalen Kräften in Kriegshandlungen einzugreifen, in „Die
Rückkehr“ reist Professor Robert Wade weiter in die Zeit voraus als jemals
zuvor, ins 25. Jahrhundert – mit ungeahnten Folgen.
„Im Slaughter-Haus“ versuchen zwei Brüder, ein seit ihrer
Kindheit zum Verkauf stehendes Haus für ihre künstlerischen Ambitionen zu
nutzen, und obwohl sie nicht abergläubisch sind, werden sie kurz nach ihrem
Einzug mit Hinweisen auf weitere Hausbewohner konfrontiert…
In „Das Ferngespräch“ wird die alte Miss Keene von einem
Anrufer belästigt, der sich erst gar nicht meldet und dann auf das „Hallo“ der
alten Dame mit einem „H-a-l-l-o“ antwortet. Ihre Beschwerden bei der
Telefonistin fruchten nicht, aber deren Nachforschungen ergeben, dass die
Anrufe vom Friedhof kommen würden, was eigentlich nicht möglich sei…
„Steel“ erzählt die Geschichte der beiden abgebrannten
Freunde Kelly und Pole, die mit ihrem in die Jahre gekommenen B-Zwei-Boxer namens
Battling Maxo einen Wettkampf gegen einen viel moderneren B-Sieben bestreiten
wollen. Allerdings fehlen noch einige Ersatzteile, was Kelly zu einer
drastischen Maßnahme greifen lässt.
Für Mr. Ketchum endet in „Noahs Kinder“ die Heimfahrt nach
einem miesen Urlaub in Neuengland mit einer Polizeikontrolle in dem
67-Seelen-Kaff Zachry. Sein erzwungener Aufenthalt dort entwickelt sich zu
einem drastischen Albtraum.
In „Die Grillen“ machen Hal und Jean Galloway am Ende ihres
Urlaubs in ihrem Hotel die Bekanntschaft von Mr. Morgan, der in dem Zirpen der
Grillen dort draußen einen Code zu entdecken glaubte, der die Namen von Toten chiffriert,
die der Mann in seinem Codebuch festgehalten hat. In der Nacht macht das
Ehepaar eine schreckliche Entdeckung…
Zu den bekanntesten Erzählungen im zweiten Band zählen die
von Steven Spielberg verfilmte Geschichte „Duell“ um einen Mann, der von
einem mysteriösen Fahrer in einem mörderischen Lastwagen verfolgt wird, und die
für Rod Serlings Fernsehserie „Twilight Zone“ adaptierte
Geschichte „Albtraum über den Wolken“, in der ein Passagier auf dem Flügel des
Flugzeugs ein unheimliches Wesen entdeckt, das allerdings niemand außer ihm
selbst zu bemerken scheint.
„Wie konnten die Augen so etwas wahrnehmen, wenn es nicht existierte? Wie konnte das, was in seinem Kopf passierte, den physischen Akt des Sehens so vollständig für seine Zwecke einspannen? Er war nicht erschöpft gewesen, nicht benommen – un es war auch keine formlose, flüchtige Vision gewesen. Sie war scharf und dreidimensional gewesen, voll und ganz der Dinge, die er sah und von denen er wusste, dass sie real waren. Das war das Beängstigende daran. Es war nicht im Geringsten wie in einem Traum gewesen.“ (Bd. 2, S. 81)
Der zweite Band wird zudem mit fast 250 Seiten reich
illustriertem Bonus-Material abgerundet, das dem Lesepublikum den Autor und
Menschen Richard Matheson näherbringt. Interessant sind vor allem Mathesons
eigene Anmerkungen zu den einzelnen Geschichten, aber auch die Einblicke, die
beispielsweise sein langjähriger Freund und Verleger Barry Hoffman und Dirk
Berger, Herausgeber und Illustrator der vorliegenden Anthologie, in seinem
Essay „Er ist Legende“ über den Schriftsteller gewährt, der zusammen mit Ray
Bradbury, Charles Beaumont, William F. Nolan und anderen der informellen The
Southern California Group of Writers angehörte und weit über das
Science-Fiction- und Terror-Genre hinaus gewirkt hatte.
Die hier versammelten Geschichten fesseln nicht nur durch den
Einfallsreichtum der minimalistisch inszenierten Plots, sondern vor allem durch
die wunderbare Sprache, mit der Matheson sein Publikum aus ganz
gewöhnlichen Alltagssituationen in die „Twilight Zone“ entführt. Dass der
zurückgezogen lebende Schriftsteller nie die Popularität von modernen Meistern
wie Stephen King, Dean Koontz oder Clive Barker erreichte, ist vor allem für die
deutschsprachigen Fans ein großes Manko, ist hier doch nur ein Bruchteil seines
Werkes übersetzt worden.
Der Festa Verlag wird hier hoffentlich etwas Abhilfe
schaffen, hat er doch bereits eine Neuausgabe des Klassikers „Ich bin Legende“
für dieses Jahr angekündigt. Weitere Werke sollen folgen. Die Ausstattung der
limitierten Luxus-Ausgabe ist übrigens vorbildlich und qualitativ hochwertig.
Dafür sorgen neben der Auswahl der Geschichten und des umfangreichen Bonus-Materials
auch die atmosphärisch stimmigen Illustrationen von Dirk Berger zu fast
jeder Geschichte sowie all die Filmposter sowie Cover-Abbildungen der deutschen
und amerikanischen Ausgaben von Geschichtensammlungen und Romanen des 2013
verstorbenen Schriftstellers und Drehbuchautors.