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Philippe Djian – „Doggy Bag – Sechs“

Samstag, 20. Juli 2024

(Diogenes, 262 S., Tb.) 
Es ist vollbracht. Der französische Erfolgsautor Philippe Djian („Betty Blue – 37,2° am Morgen“, „Erogene Zone“, „Oh…“) arbeitete zwischen 2005 und 2008 an einer literarischen Soap, die zwar den hehren Anspruch verfolgte, dass Fernseh-Junkies wieder ein Buch in die Hand nehmen, letztlich aber die erotischen Verwicklungen, die Djians Romane auch zuvor schon geprägt haben, auf imposante 1600 Seiten ausufern ließ. Da sind sie also wieder, die Sollens-Brüder Marc und David, ihre frühere gemeinsame Geliebte Édith, die nach zwanzig Jahren mit einer Tochter im Schlepptau zurückkehrt und sich für Marc entscheidet, Marcs und David getrennte Eltern Irène und Victor, die zwar wieder in einem Haus leben, aber nicht wieder zueinander finden. 
Marc beabsichtigt, trotz seiner Sexsucht, die er bei den Anonymen Sexaholikern mit ihren Zwölf Schritten leider vergeblich in den Griff zu bekommen versucht, Édith zu heiraten und damit auch seiner Vaterschaft einen offiziellen Charakter zu verleihen. 
Leider kommen ihm dabei nicht nur seine ungebremste Libido ins Gehege, sondern auch verschiedene Probleme in der Familie. Der Wintereinbruch mit satten zweistelligen Minusgraden, Eisglätte und Schneemassen macht der ganzen Stadt zu schaffen, während sein Bruder nur mit einer elektronischen Fessel seine „Freiheit“ genießen darf, nachdem er in einem Tobsuchtsanfall einen Menschen getötet hatte. Victor hat den Weg zu Gott zurückgefunden, aber auch unerwartet die Kraft der Levitation entdeckt, was ihn weithin zu einem Heiligen werden lässt – nicht aber in den Augen seiner Frau Irène, die ihm dieses manipulative Verhalten durch eine Affäre mit dem Polizeichef De Watt heimzahlt. Außerdem hat sich Marcs Tochter Sonia, nachdem ihr Liebhaber Roberto spurlos verschwunden ist, wieder mit auf eine Affäre mit dem Zahnarzt eingelassen, den sie nicht mal auch nur annähernd attraktiv findet. Doch am schwersten wiegt das Erdbeben, das das Autohaus in die Tiefe stürzen lässt… 
„All diese Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten. All diese Zeit, die sie gebraucht hatten, um die Flammen zu ersticken, die sie früher verzehrt hatten. Man hatte ihnen ind den letzten Monaten arg zugesetzt. Verdammt arg zugesetzt. Niemand käme auf die Idee, das Gegenteil zu behaupten. Die Ereignisse schüttelten sie wie Stürme das Korn auf den Feldern – aber Stürme löschen Erinnerungen nicht aus. Sie hatten die letzten zwanzig Jahre Seite an Seite verbracht. Mehr oder weniger. Welcher Orkan konnte das auslöschen?“ (S. 243) 
Im sechsten und letzten Band seiner „Doggy Bag“-Soap geht Djian merklich die Luft aus. Nachdem vielschichtige Beziehungen und Affären, Ehebrüche, ungeklärte Vaterschaften, Vergewaltigungen und Naturkatastrophen für ordentlich Wirbel in den vergangenen fünf Bänden gesorgt haben, scheinen sich die Dinge nun zu normalisieren. Dass Marc von seiner Sexsucht nicht geheilt werden kann, illustriert Djian mit einer fast schon absurden Episode, als er seinen Protagonisten zu einer bekannten Schlampe gehen lässt, die sich, bevor sie sich zum Geschlechtsverkehr bereiterklärt, von ihrem spitzen Freier erst den Anus sauberlecken lässt. 
Doch das ist nur eine der stark überspitzten Episoden, die das Geschehen interessant machen sollen, wo es kaum noch Interessantes zu entdecken gibt. Da müssen schon weitere unglaubliche Phänomene wie der unvorstellbare Kälteeinbruch zu Weihnachten und das noch unvorstellbarere Erdbeben herhalten, um mehr als nur symbolisch das hilflose Treiben der Figuren zu veranschaulichen, die mehr Opfer ihres ungezügelten Temperaments zu sein scheinen als mit eigenem Willen ausgestattet. Das ist sicher kein Stoff für Serien-Junkies, die sich ihre tägliche Soap-Dosis vor dem Fernseher reinziehen, sondern eher für die hartgesottenen Djian-Fans, die sich aber eher an dem ausgefeilten Stil des Autors als an der ausufernden Geschichte von „Doggy Bag“ begeistern dürften. 

 

Philippe Djian – „Doggy Bag – Fünf“

Samstag, 22. Juni 2024

(Diogenes, 258 S., Tb.) 
Für Philippe Djians auf sechs Bände angelegte und insgesamt gut 1600 Seiten umfassende literarische Soap „Doggy Bag“, die der französische Erfolgsautor („Betty Blue – 37,2° am Morgen“, „Erogene Zone“, „Verraten und verkauft“) zwischen 2005 und 2008 entwickelt hat, braucht die geneigte Leserschaft ab dem vierten Band ein ebenso großes Durchhaltevermögen wie die Protagonisten seiner von allerlei amourösen Verstrickungen geprägten Geschichte. 
Viel verändert hat sich nach dem Auftaktband nämlich nicht. Die Brüder Marc (41) und David Sollens (42) haben das Autohaus ihres 71-jährigen Vaters Victor übernommen, mit dem wegen des Alters und des Todes beunruhigten Familienoberhaupt allerdings gebrochen, seit er wegen einer anderen Frau ihre Mutter Irène verlassen hat. Dass er jetzt reuig zu ihr zurückkehren will, lässt die mit ihren 63 Jahren nach wie vor attraktive Frau nicht ganz unberührt, auch wenn sie ausgerechnet auf der Hochzeit ihres Sohnes David mit der angeblich schwangeren Krankenschwester Josianne mit einem Handwerker geschlafen hatte, um von dem Mann anschließend entführt und vergewaltigt zu werden. 
Zwar lässt sie Victor seitdem wieder in ihrem Haus schlafen, bereut es allerdings, mit ihm hin und wieder auch Sex mit ihm gehabt zu haben. Um nicht bei dem Werben ihres Mannes, der nun den Glauben an Gott wiedergefunden zu haben scheint, weich zu werden, stürzt sie sich in eine Affäre mit dem Polizeichef Olivier de Watt. Dramatisch verläuft der Ausflug mit einem Bus, den Victor der Gemeinde von Pater Joffrey gestiftet hat. Nachdem das Gefährt in einer entlegenen Gegend vom Weg abgekommen ist, macht sich ein riesiger Bär über die Passagiere her und tötet u.a. Victors Privatsekretärin Valérie. 
Während David nach seinem tödlichen Messerangriff auf Joël, dem Freund von Marc und Édiths Tochter Sonia, auf seine Freilassung aus einer psychiatrischen Klinik hofft, hilft auch Marc Teilnahme an den Treffen der Anonymen Sexaholiker nicht darüber hinweg, dass Marc nach wie vor jeder Frau nachsteigt. Dabei liebt er Édith über alles und macht ihr sogar einen Heiratsantrag. 
„Unter solchen Bedingungen zu bumsen hatte natürlich seinen Reiz, und man konnte durchaus verstehen, dass sich ein Mann, der keinerlei sozialen oder familiären Zwängen unterworfen war, entgegen allen Regeln des Anstands hemmungslos der Sache hingeben konnte. Aber doch nicht ein ehrenwerter Bürger, nicht ein Mann, der ein Geschäft in der Stadt hatte, nicht ein Mann, der Beziehungen zum Bürgermeister hatte, nicht ein Mann, der im Begriff war, eine Familie zu gründen. O nein, ganz gewiss nicht!“ (S. 175) 
Die Probleme werden auch nicht dadurch weniger, dass Victor nach Davids hoffentlich nur vorübergehendem Ausscheiden aus der Firma wieder kräftig mitmischt im Autohaus… 
Mit dem unerwartet brutal beendeten Busausflug beginnt der fünfte „Doggy Bag“-Band äußerst dramatisch, doch den Rest der Geschichte nehmen wie gewohnt die angebahnten oder vollzogenen Liebesabenteuer ihren Lauf, wobei Irènes Affäre mit dem Polizeichef ebenso für Wirbel sorgt wie die Liebelei, die die zwanzigjährige Sonia ausgerechnet mit Roberto, dem Jugendfreund von Marc, David und Édith unterhält. Da die Figuren in „Doggy Bag“ allesamt nicht das Zeug zu Sympathieträgern haben, muss man als Leser schon das irrwitzige Wechselbad der Gefühle lieben, das nahezu alle Beteiligten auch in Teil 5 der literarischen Soap durchleben. 

 

Philippe Djian – „Doggy Bag – Vier“

Montag, 17. Juni 2024

(Diogenes, 256 S., TB.) 
Nach mehr als zwanzig Jahren im Schriftsteller-Geschäft war es für den französischen Erfolgsautor Philippe Dijan („Betty Blue – 37,2° am Morgen“, „Erogene Zone“, „Verraten und verkauft“) offensichtlich Zeit, mal was Neues auszuprobieren. Also schuf er zwischen 2005 und 2008 seine literarische, sechs Bände umfassende Soap „Doggy Bag“, mit der er versuchte, passionierte Serien-Junkies, die kein oder kaum ein Buch in die Band nehmen, zum Lesen zu animieren. Die Geschichte um die beiden Brüder Marc und David Sollens und ihre nach zwanzig Jahren heimgekehrte beiderseitige Geliebte Édith nahm zwei Bände lang eine turbulente Entwicklung, kam im dritten Band aber schon etwas aus der Puste. 
Marc versucht nach einem Ausrutscher, seine Sexsucht in den Griff zu bekommen, und schließt sich den Anonymen Sexaholikern an. Édith dankt es ihm, muss sie doch nur noch morgens, abends und ein-, zweimal am Tag ran, Marc seinen Trieb abreagieren zu lassen. Seinem Bruder David gelingt es dagegen nicht mal halbwegs souverän, die Herausforderungen in seinem Leben zu meistern, ersticht er in einem Tobsuchtsanfall doch den 25-jährigen Joël, den im Rollstuhl sitzenden Freund von Édiths Tochter Sonia. Die gerade mal zwanzigjährige Sonia wiederum lässt sich mit Roberto, dem 42-jährigen Jugendfreund von Marc, David, Édith und Catherine Da Silva, ein, was nicht gerade Begeisterungsstürme in Robertos früherer Clique hervorruft. 
Marcs und Davids Vater Victor hadert nicht nur mit dem Umstand, dass ihn seine Söhne als Verräter betrachten, sondern auch mit dem Umstand, dass seine acht Jahre jüngere Frau Irène keine Anstalten macht, ihn wieder näher an sich heranzulassen, obwohl er immerhin wieder in ihrem Haus wohnen darf. Und schließlich hat Édiths Ex-Mann Paul hart damit zu kämpfen, dass Édith und Sonia nicht mehr Teil seines Lebens sind und sich eine neue Beziehung angesichts seiner von starkem Mundgeruch begleiteten Zahnprobleme nicht so recht anbahnen will. 
„Niemand war perfekt. Er fuhr mit dem Finger die Mulde entlang, die ihre Hüfte bildete. Er forderte nur ein, was ihm zustand, mehr nicht. Jeder Mensch hatte Anrecht auf seinen Anteil am Gewinn, und wenn manche darauf verzichteten, dann war das ihre Sache, wenn manche lieber auf den Knien herumrutschten, war das ebenfalls ihre Sache. Wenn Sylvie sich ihm noch lange verweigerte, würde er am gleichen Ort landen wie David. Er bewunderte so viel Macht. Innerlich stieß er einen wohligen Seufzer aus. Das Phänomen an sich war faszinierend. Man könnte ein Buch darüber schreiben – allerdings würde nicht er es schreiben.“ (S. 234f.) 
Wie in einer Daily Soap im Fernsehen lässt auch Philippe Djian in seiner literarischen Soap „Doggy Bag“ genüsslich die Puppen tanzen, wenn es um die zwischenmenschlichen Beziehungen von Paaren, Freunden und Verwandten angeht. Fast hat es den Anschein, als wären die Männer in „Doggy Bag“ allesamt vor allem triebgesteuert, und wenn sich der Sexualtrieb mal dorthin verirrt, wo er ganz sicher nicht hingehört, steuern die Betroffenen geradewegs auf eine Katastrophe zu. Das ist durchaus kurzweilig und amüsant, wartet aber auch mit etlichen geschwätzigen Längen auf, die die Lust auf eine Fortsetzung im Rahmen halten. 

 

Philippe Djian – „Doggy Bag – Drei“

Sonntag, 26. Mai 2024

(Diogenes, 262 S., Tb.) 
Als Philippe Djian in seiner französischen Heimat zwischen 2005 und 2008 seine literarische, sechs Bände umfassende Soap „Doggy Bag“ veröffentlichte, bestand seine erklärte Absicht darin, passionierte Serien-Junkies, die kein oder kaum ein Buch in die Band nehmen, zum Lesen zu animieren. Schließlich sei er der Überzeugung, dass man das menschliche Innenleben mit Worten viel besser beschreiben könne als mit Bildern. 
Ob dieses Ansinnen Erfolg hatte, darf arg bezweifelt werden, der Versuch bleibt indessen mehr als löblich. Für Djian-Fans, die mit Romanen wie „Betty Blue – 37,2° am Morgen“, „Erogene Zone“ und „Verraten und verkauft“ groß geworden sind, bietet die sechsteilige Soap in Romanform viel Bekanntes, doch geht der Geschichte bereits im dritten Band allmählich die Luft aus. 
Die beiden Brüder David und Marc Sollens waren jeweils Anfang zwanzig, als sie sich in die schöne Édith verliebt und mit ihr geschlafen haben, doch für Édith erwies sich dieses Arrangement als nicht besonders tragbar, weshalb sie damals mit einem Gelegenheits-Lover das Weite suchte. Nach zwanzig Jahren kehrte Édith nun zurück – mit ihrer zwanzigjährigen Tochter Sonia im Schlepptau, von der sowohl Marc als auch David der Vater sein könnte. 
Die Brüder haben mittlerweile das Autohaus ihres Vaters Victor übernommen, der sich enthusiastisch seiner gerade erst entdeckten Enkelin annimmt, aber ein schwieriges Verhältnis sowohl zu seinen beiden Söhnen als auch zu seiner Frau Irène unterhält. Die hatte während der Hochzeit ihres Sohnes David mit der 35-jährigen Krankenschwester Josianne nichts besseres zu tun, als mit einem Tischler in dessen Lieferwagen zu schlafen und anschließend von ihm entführt und misshandelt zu werden. Der dritte Band beginnt mit der fieberhaften Suche nach Irène, und ausgerechnet ihr betrogener Ehemann Victor hat eine Eingebung, wo sie zu finden sei. 
Nach Irènes Rettung sind die Dinge allerdings alles andere als im Lot. Die Gemeinde hat mit den schwerwiegenden Folgen einer Überschwemmung zu kämpfen, die auch das Autohaus der Sollens-Brüder in Mitleidenschaft gezogen hat. David, der Josianne vor allem geheiratet hat, weil sie ihm glaubhaft vermittelte, dass sie schwanger sei, muss herausfinden, ob er seine Frau auch aus anderen Gründen geehelicht hat, wohingegen Édith, die nun mit Marc zusammengezogen ist, unter dessen Sexbesessenheit zu leiden beginnt. Schließlich hat die Redakteurin der Zeitschrift „City“ bereits einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik hinter sich… 
„Sie traf nach Einbruch der Dunkelheit bei sich zu Hause ein. Marc lag schon im Bett und schlief. Sie setzte sich auf die Bettkante und holte ihm, ohne ihn zu wecken, einen runter – eine Schachtel Kleenex in Reichweite. Dann legte sie sich im Halbdunkel neben ihn. Dank dieser List hatte sie gute Chancen, eine ruhige Nacht zu verbringen – theoretisch würde sich vor Tagesanbruch nichts mehr abspielen. Sie wollte nur still neben ihm liegen bleiben und im Dunkeln an die Decke starren.“ (S. 156) 
Nachdem die ersten beiden „Doggy Bag“-Bände voller Action, Sex und Verwirrungen angesichts der überraschenden Rückkehr von Marcs und Davids früherer Geliebten waren, hat sich die Aufregung im dritten Band etwas gelegt. Die Beziehungen zwischen den Protagonisten sind zwar weiterhin problematisch, doch haben sich mittlerweile einige feste Bindungen ergeben. 
Für Aufregung sorgt vor allem die Überschwemmung und Marcs auch von den Medien ausgeschlachtetes Heldentum, nachdem er ein Mädchen vor dem Ertrinken gerettet hatte. Sprachlich bewegt sich „Doggy Bag – Drei“ nach wie vor auf hohem Niveau, aber der Plot hat viel von seiner Faszination verloren und zieht sich durch eine markante Geschwätzigkeit gerade in den Dialogen ganz schön in die Länge. Immerhin endet das Buch wieder mit einem Paukenschlag.


Philippe Djian – „Doggy Bag – Zwei“

Montag, 13. Mai 2024

(Diogenes, 310 S., Tb.) 
Mit Romanen wie „Betty Blue - 37,2 Grad am Morgen“, „Erogene Zone“ und „Verraten und verkauft“ avancierte Philippe Djian ab Mitte der 1980er Jahre zum Kultautor, dessen knackige Prosa, unverblümte Sprache und wilden Stories bis heute kaum etwas von ihrer Faszination eingebüßt haben. Im Jahr 2005 startete der Franzose mit „Doggy Bag“ ein ungewöhnliches literarisches Experiment, eine Soap in sechs Bänden. Im Mittelpunkt seiner insgesamt 1800 Seiten umfassenden Seifenoper stehen die beiden Brüder Marc und David Sollens, die in ihren Zwanzigern in dieselbe Frau, Édith, verliebt gewesen sind, worauf sie die Stadt für zwanzig Jahre mit ihrem Ausweich-Lover Paul verließ, nur um zwanzig Jahre später wieder zurückzukehren – mit ihrer neunzehnjährigen Tochter Sonia im Schlepptau. 
Bevor sich die Rivalität der beiden Brüder, die gemeinsam ein Autohaus führen, wieder zuspitzen kann, erscheinen die Fronten im zweiten Band bereits abgesteckt. Der sexbesessene Marc kauft für sich und Édith eine Villa und will fortan monogam leben, während David etwas verunsichert der Hochzeit mit der 35-jährigen Krankenschwester Josianne entgegensieht. Marcs und Davids Vater Victor schlägt sich mit Depressionen angesichts seiner Sterblichkeit herum und hofft, nicht ganz vergebens, auf eine Versöhnung mit seiner Frau Irène. Solange sie sich aber noch sperrt, fokussiert sich Victor ganz auf seine Enkelin Sonia. 
Irène lässt sich derweil auf eine Affäre mit einem wortkargen Tischler ein, der ihr zwar berauschende Orgasmen in seinem Lieferwagen beschert, dann aber eine Seite an sich offenbart, die Irène sprachlos macht. Und Marc muss feststellen, dass es viel schwieriger ist, monogam zu bleiben, als er erwartet hatte… 
„Im Übrigen hatte ihn diese Rothaarige fast mit den Augen verschlungen. Sie hatte ihm keine Chance gelassen, wirklich nicht die geringste. Wie viele Männer hätten sich schon geweigert, die Gelegenheit beim Schopf zu packen? Was für Schlussfolgerungen ließen sich aus dem bedauerlichen Fehltritt ziehen? Keine einzige. Zum Glück keine einzige. Der Weg, den er eingeschlagen hatte, blieb noch immer der gleiche. Dieser Ausrutscher, diese Entgleisung änderte gar nichts. Nur noch Édith. Von nun an nur noch Édith.“ (S. 216). 
Djian bleibt sich auch bei seiner sechsteiligen Soap insofern treu, als er genüsslich die amourösen Abenteuer und Verstrickungen sich nah stehender Menschen beschreibt und seziert, wobei die Protagonist:innen bei Djian mit ihm zusammen altern. 
Als der Autor im Jahr 2005 mit „Doggy Bag“ begann, zählte er selbst schon 55 Lenze. Insofern verwundert es nicht, wenn nun vor allem die über Vierzigjährigen krachen lassen, aber auch jenseits der sechzig wird hier kräftig bei jeder sich bietenden Gelegenheit gevögelt. Es ist vor allem Djians sprachlicher Finesse zu verdanken, dass „Doggy Bag – Zwei“ kurzweilig zu unterhalten versteht, ohne bei den Beziehungen zwischen den Beteiligten besonders in die Tiefe zu gehen. 
„Ich versuchte, mich auf demselben Terrain durchzukämpfen, auf dem sich das Fernsehen bewegt, und ich versuche die zurückzuerobern, die kein Buch mehr aufschlagen und nur noch auf den Bildschirm starren“, beschrieb der Autor das Konzept von „Doggy Bag“. „Die Schlacht ist vielleicht von vornherein verloren, aber man muss sie trotzdem schlagen…“ 
Es ist in der Tat kaum anzunehmen, dass Djians ehemalige Leser, die nun vor der Glotze versauern, ausgerechnet durch seine Soap-Romane zurück in die literarische Welt finden, vor allem nicht über sechs Bände lang, doch vergnüglich – mehr aber auch nicht – sind die turbulenten, dialoglastigen und temporeichen Verwicklungen allemal. Und mit einem geschickten Cliffhanger vermag es Djian eventuell sogar, seine Leser zum nächsten Band greifen zu lassen…


Philippe Djian – „Doggy Bag. Eins“

Mittwoch, 26. Dezember 2018

(Diogenes, 274 S., Tb.)
Vor zwanzig Jahren hätten sich die beiden Brüder Marc und David Sollens wegen Édith beinahe umgebracht. Mittlerweile führen sie gemeinsam und sehr erfolgreich ein Autohaus, das seine Verkäufe vor allem der umtriebigen Sekretärin Béa verdankt, die ihren Kunden durch sexuelle Gefälligkeiten immer wieder Rabatte unterzuschieben versteht, aber eigentlich in ihre Chefs verschossen ist. Als Édith wie versprochen auf den Tag genau nach zwanzig Jahren wieder auftaucht, gerät das Leben der Sollens-Familie arg ins Wanken.
Nach unsachgemäßen Tiefbauarbeiten, in deren Folge Marcs Büro in der Erde verschwindet, will der 41-Jährige die gesamte Stadtverwaltung verklagen, beginnt aber eine neue Beziehung mit Édith, die ihre zwanzigjährige Tochter Sonia im Schlepptau hat, bei der sowohl David als auch Marc als Vater in Frage kommen. David unterhält dagegen eine Affäre mit der 35-jährigen Krankenschwester Josianne, die sich nach einem traumatischen Erlebnis aber auf keinen Geschlechtsverkehr einlässt …
„Er fühlte, dass Édith und Marc in diesem Augenblick zusammen waren, und das machte die Sache nicht besser. Es war zwar zunächst nur ein leichter Stich, ein verschwommener Schatten, der dem Nebel entwich, den die Reibereien mit Josianne erzeugten und der alles einhüllte. Aber dennoch ein Stich, eine zusätzliche Last, die er sich gern erspart hätte.“ (S. 200) 
Mit Romanen wie „Betty Blue – 37,2° am Morgen“, „Erogene Zone“ oder „Blau wie die Hölle“ hat sich der französische Autor Philippe Djian eine treue Fangemeinde erschlossen, die vor allem seine lebendige Sprache und das erotische Prickeln in den komplizierten Beziehungen seiner Protagonisten zu schätzen wissen. Mit der sechsteiligen Reihe „Doggy Bag“ versuchte sich Djian Mitte der 2000er Jahre an einer literarischen Soap Opera, um den allzu flach inszenierten Dramen des Prime-Time-Fernsehens etwas entgegenzusetzen.
Sein Ziel, jene Menschen wieder zum Buch zurückzuführen, die längst ans Fernsehen verloren gegangen sind, dürfte er nicht annähernd erreicht haben. Stattdessen dürfte Djian seine Fans mit einer kaum glaubwürdigen Abfolge zunehmend absurder erscheinenden Sex-Abenteuer wenn nicht gänzlich vergrault, dann doch enttäuscht haben.
Wer hier mit wem alles eine mehr oder weniger heimliche Affäre eingeht oder wenigstens von einer solchen träumt, wirkt allzu beliebig und irgendwann auch nicht mehr unterhaltsam. Dabei besitzen einzelne Figuren durchaus einen gewissen Charme und haben in den nachfolgenden Bänden hoffentlich noch Gelegenheit, an Kontur zu gewinnen, ohne zu wahllosen Objekten verschiedener sexueller Begierden zu werden.