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Heinz Strunk – „Fleisch ist mein Gemüse. Eine Landjugend mit Musik“

Freitag, 31. Januar 2025

(Rowohlt, 256 S., Tb.)
Eigentlich heißt er ja Mathias Halfpape, der Heinz, aber seit seiner 1992 veröffentlichten Tonträger-Produktion „Spaß mit Heinz“ hat sich der in (Bad) Bevensen geborene und bei Harburg aufgewachsene Musiker und Autor das Pseudonym Heinz Strunk zugelegt, das er bis heute nicht mehr ablegen sollte. Mittlerweile hat Strunk etliche Solo-CDs, CDs mit Studio Braun, Fraktus und Künstlern wie Stephan Remmler, Revolverheld und Yasmin K. produziert, als Schauspieler und Drehbuchautor gearbeitet sowie Romane und Erzählungen veröffentlicht. Seinen literarischen Durchbruch feierte Strunk mit seinem 2004 veröffentlichten Debütroman „Fleisch ist mein Gemüse“, mit dem Strunk seine Zeit als Musiker in einer Unterhaltungskapelle verarbeitete.
1985. Der dreiundzwanzigjährige Heinz Strunk leidet seit elf Jahren unter der schlimmsten Form der Akne und lebt noch bei seiner Mutter, als er eines Augustnachmittags einen Anruf seines entfernten Bekannten Jörg bekommt, der in Lüneburg das kleine Musikgeschäft Ohrenschmaus unterhält und ihm einen Job als Saxofonist bei der Tanzband Tiffanys vermittelt. Die sucht für ein Schützenfest in Moorwerder noch einen fünften Mann, am liebsten mit Saxofon, wie Heinz von Bandleader Gundolf „Gurki“ Beckmann erfährt. Immerhin winken sechshundert Mark für zwei Tage. Heinz, der von seinen Musikerkollegen schnell „Heinzer“ genannt wird, bewährt sich und hofft, nach seiner eineinhalbjährigen Bundeswehrzeit endlich eine Karriere als Vollzeitmusiker im Pop-Business einschlagen zu können, auch wenn die Neue Deutsche Welle bereits in ihren letzten Zügen lag. Doch mit seinen Kollegen Norbert, Torsten, Jens und Gurki heißt es erst einmal, Schützenfeste, Feuerwehrbälle und Hochzeiten zu bespielen. Immerhin gibt es kostenloses Essen und Trinken, aber in Sachen Frauen tut sich leider absolut gar nichts. Als sich seine psychisch kranke Mutter aus dem Fenster stürzt und in die Geriatrie verlegt wird, muss Heinzer nicht nur allein in dem Harburger Reihenhaus klarkommen, sondern verfällt zusehends dem Alkohol und dem Automatenglücksspiel.
Nur so lässt sich Heinzers andauernder Frust über knappe Kassen, sinnentleerte Schlagertexte, besoffenes Publikum und mangelnden Gelegenheiten zum Kennenlernen von Frauen überhaupt aushalten. Trotz aller – wenn auch halbherziger - Bemühungen wie ein Musiklehrerjob in der Musikschule schafft es Heinzer auch nach zehn Jahren nicht, seinen Status quo wesentlich zu verbessern…

„Schrott kombiniert mit Schrott ergibt Vollschrott. Egal, ob wir zur Polyesterthermohose das Eiersweatshirt trugen, die bulgarische Karottenbundfaltenhose mit Drogeriesocken akzentuierten oder den elektrostatisch stark aufgeladenen Vollacrylunterziehrolli mit der aufgerubbelten Trainingshose zu komplettieren versuchten: Wir blieben Lumpenproletariat. Zeltartige Großraumjeans und essbare Einwegkleidung schlugen die letzte Luke zur Sonnenseite des Lebens endgültig und für immer zu.“ (S. 207)

Als Heinz Strunk auf Anraten seiner damaligen Freundin im Alter von über 40 Jahren sein erstes Buch veröffentlichte, landete er durch seine Vorstellung in Stefan Raabs Sendung „TV total“ gleich einen Bestseller, dem viele weitere – wie zuletzt die ebenfalls verfilmten Romane „Jürgen“ und „Der goldene Handschuh“ – folgen sollten. „Fleisch ist mein Gemüse“ beschreibt auf kurzweilige Weise genau das Leben junger Erwachsener im Tanzkapellen-Geschäft, wie man es sich gemeinhin auf dem Lande vorstellt. 
Ganz ungeniert berichtet Strunk von seiner tatsächlichen schweren Akne-Erkrankung, seinem zunehmend unmotivierten Engagement bei Tiffany’s (die im Roman zu Tiffanys wurden) und den Fehlschlägen hinsichtlich angestrebter Fraueneroberungen, so dass regelmäßig selbst abgemolken oder entsaftet werden musste. Die ausufernden Spiegeleier-Gelage nach den Auftritten sorgten schließlich für genügend Material zur Sperma-Produktion. Strunk gelingt es, das Lebensgefühl in den 1980er Jahren ebenso anschaulich wie amüsant darzustellen, wobei die Auftritte abgehalfteter Stars wie den One-Hit-Wonder-Acts Taco und Gombay Dance Band genüsslich durch den Kakao gezogen werden, während die effektive Professionalität von Klaus & Klaus oder Witzeerzähler Fips Asmussen neidlose Bewunderung erfährt. Natürlich wird sich über Dorftrottel in Gummistiefeln auf Schützenfesten ebenso hergezogen wie über dümmliche Schlagertexte, aber vor allem gefällt „Fleisch ist mein Gemüse“ durch die authentische Darstellung des Alltags Landkapellen-Musikern.

Heinz Strunk – „Zauberberg 2“

Mittwoch, 4. Dezember 2024

(Rowohlt, 288 S., HC) 
In seinem 1924 veröffentlichten, 1000 Seiten umfassenden Bildungsroman „Der Zauberberg“ fühlte sich Thomas Mann von einem Besuch in einem Sanatorium inspiriert, in dem seine lungenkranke Frau therapiert wurde, und ließ seinen Protagonisten Hans Castorp für sieben Jahre in einem Sanatorium in den Schweizer Bergen verweilen. Heinz Strunk („Fleisch ist mein Gemüse“, „Jürgen“) hegte seit sieben Jahren schon die Idee, Manns Klassiker in die Neuzeit zu überführen. Sein schmales Bändchen „Zauberberg 2“ könnte man als Fortsetzung missverstehen, stattdessen verströmt der Roman den typischen Strunk-Touch und liest sich bis auf ein Kapitel zum Schluss wie ein moderner Abgesang auf gewinnmaximiert geführte Therapiehäuser. 
Bereits mit Mitte dreißig muss sich Jonas Heidbrink keine Sorgen mehr um seinen Lebensunterhalt machen. Sein Start-up hat er so gut verkauft, dass er nie mehr arbeiten muss, doch mit dieser Erkenntnis geht eine mit Angstzuständen und Langeweile einhergehende Sinnkrise einher, mit der sich der in Neumünster geborene und in Hamburg lebende „Erfinder“ in einem Sanatorium in der mecklenburgischen Einöde kurz vor der polnischen Grenze in dreißig Tagen auseinanderzusetzen gedenkt. Doch die ärztliche Eingangsuntersuchung bringt noch andere Baustellen ans Licht: Der Verdacht auf Hautkrebs, eine Fettleber und einen Nierentumor muss erst einmal ausgeräumt werden. 
Bis dahin und darüber hinaus setzt sich Heidbrink wie seine Leidensgenossen Tag für Tag mit der einlullenden Sanatoriums-Routine auseinander, mit Visiten, aus Klassikern der Hausmannskost bestehenden Mahlzeiten in fest strukturierten Gruppen und natürlich diversen Therapien. Heidbrink findet weder die Musiktherapie noch die Fototherapie oder Bibliotherapie besonders heilsam, weshalb sich in Heidbrink immer mehr der Wunsch nach selbstgewählter Isolation breitmacht. Aus dem geplanten Monat wird erst ein halbes Jahr, dann ein ganzes. Heidbrink sieht Klienten kommen und gehen, bemerkt aber auch den schleichenden Niedergang des Hauses. 
Da wird erst ein Nebengebäude geschlossen, das Essen schmeckt nach in der Mikrowelle aufgewärmtes Convenience Food, das Personal wird sichtlich abgebaut, und Heidbrink geht es noch immer nicht besser… 
„Das Klinikum ist nun so groß wie die ganze Welt. Ein mächtiges Gebäude an einer anonymen Straße in einer fremden Gegend in einem verlassenen Land. An jedem Dritten des Monats erhält Heidbrink seine Privatliquidation, die er unverzüglich begleicht. Morgens kämpft er sich, unter einer Ladung Schotter in einem tiefen Schacht begraben, aus Schichten von Müdigkeit, Langeweile und Dumpfheit hoch an die Oberfläche. Er fürchtet die schlaflosen Nächte, die endlosen Nachmittage, all die leeren Stunden.“
Heinz Strunk versteht „Zauberberg 2“ als Hommage an Thomas Manns berühmten Klassiker „Der Zauberberg“ und hat die Begebenheiten entsprechend angepasst. Das Sanatorium hat Strunk von den Schweizer Alpen ins norddeutsche Flachland verlegt, aus Lungenkranken seelische Wracks gemacht, die von den Ärzten möglichst lange in der Heilanstalt „festgehalten“ werden. 
Strunks Roman umfasst nicht mal ein Drittel von Manns Werk, doch nimmt sich der Wahlhamburger genügend Zeit, um in der dritten Person von den Zuständen in dem Sanatorium zu erzählen. Die Vorgeschichte seines Protagonisten beschränkt sich auf das Notwendigste. Wichtig scheinen nur die Zustände im Hier und Jetzt. Das liest sich die erste Hälfte recht eintönig, weil im Klinik-Alltag vor allem den Alltag strukturierende Routine angesagt ist. Das macht Strunk nicht zuletzt durch die wiederholte Auflistung von Heidbrinks Vitalwerten deutlich („Sauerstoff 97, Temperatur 36,5, Blutdruck 128:82, Puls 65“). Davon abgesehen erfahren wir mehr über Heidbrinks LeidensgenossInnen als über ihn selbst. 
In der ersten Hälfte des Romans ist es vor allem Strunks ausgefeilter Stil, der die triste Atmosphäre auflockert, in der zweiten Hälfte verändert sich merklich der Ton. Das hängt nicht nur mit dem schleichenden Niedergang des Sanatoriums, sondern vor allem mit den Psychopharmaka zusammen, die Heidbrink immer weniger gut verträgt. Das bietet Strunk die Steilvorlage, in dem Kapitel „Kirgisenträume“ ausgiebig aus Manns Vorlage zu zitieren. 
Sicher, Strunk blickt mit „Zauberberg 2“ fast schon subversiv pedantisch in die seelischen Abgründe unserer Zeit, doch kann er sich dabei ein immer wieder aufflackerndes Schmunzeln nicht verkneifen.

Heinz Strunk – „Jürgen“

Donnerstag, 4. Mai 2017

(Rowohlt, 256 S., HC)
Eigentlich ist Jürgen Dose ganz zufrieden mit seinem Leben. Dass seine Mutter seit ihrem schweren Unfall, der sie ans Bett fesselt, bei ihm lebt, stört ihn kaum. Er hat ja Schwester Petra vom Pflegedienst Stadtkäfer und seinen verantwortungsvollen Job als Pförtner in einem Harburger Parkhaus mit 1400 Stellplätzen und – nicht zu vergessen – seinen Kumpel Bernd „Bernie“ Würmer, der allerdings im Rollstuhl sitzt, bei Westsaat in der Kaltakquise arbeitet und seine Lebensaufgabe darin sieht, sich fortlaufend mit Jürgen zu zanken.
Ihre Freizeit verbringen sie vor allem damit, in ihrer Lieblingskneipe „Kamin 21“ abzuhängen. Was zu ihrem Glück noch fehlt, sind Frauen. Dabei haben sie gar keine so hohen Ansprüche an das schöne Geschlecht. Für Bernie ist die Haarfarbe ebenso unwichtig wie das Alter, nur zu dick und zu groß sollte sie nicht sein, während Jürgen von seiner Traumfrau erwartet, keine Amalgamzähne zu haben, Insekten wegmachen zu können und Kniffel spielen zu wollen.
Theoretisch weiß Jürgen ganz genau, wie Frauenherzen zu gewinnen sind und dass vielerorts geradezu Männermangel herrscht (Chöre, Laientheater, Tanzkurse, Volkshochschulkurse). Er weiß, dass lächelnde Menschen auch innerlich hübscher sind, dass grinsen aber schnell dazu führt, in die Kategorie „nett, aber irre“ eingestuft zu werden. Hände sind wie Musikinstrumente der Seele und sollten bewusst eingesetzt werden, und bei Unterhaltungen sind Körpersprache und Klang der Stimme wichtiger als der Inhalt. Und schließlich gibt es diverse bewährte Strategien, um einen Flirt zu beginnen.
„Wenn man registriert, dass die Frau einen heimlich mustert, denkt man sich ‚Haha, erwischt‘ und setzt dazu den entsprechenden Gesichtsausdruck auf. Die Frau fühlt sich ertappt, und schon ist der schönste Flirt am Laufen. So wird aus einem Teufelskreis ein Gotteskreis. Immer dranbleiben, immer bohren, immer sägen, bis die Kiste fliegt. Aber man darf nicht zu lange zögern, sondern muss einfach machen.“ (S. 52) 
Und so melden sich Bernie und Jürgen zunächst zu einem Speed-Dating an, wo sie für 19 Euro nicht nur Mineralwasser, gelbe und weiße Brause gestellt bekommen (aber keine Zeit haben, davon auch zu kosten), sondern wahre „Augenpralinen“, von denen allerdings niemand Interesse an Jürgen und Bernd findet. Doch bevor die beiden liebeshungrigen Singles die Flinte ins Korn werfen, eröffnet sich schon die nächste großartige Chance: Die Partnervermittlung Eurolove verweist auf ihre 100%ige Erfolgsquote und fährt mit einer Busladung anderer Schicksalsgenossen nach Breslau, wo unzählige heiratswillige Polinnen auf sie warten.
Als Jürgen die schwerbusige Dominika, die eigentlich für Bernd gedacht war, auf das Zimmer nimmt und ihr bei Schaumwein näherkommt, scheint er am Ziel seiner Träume angelangt zu sein, doch die Rechnung hat er mal wieder ohne Bernd gemacht …
Seit seinem Debütroman „Fleisch ist mein Gemüse“ hat sich der Hamburger Schauspieler, Autor und Musiker Heinz Strunk in seinen Büchern den ganz normalen Menschen gewidmet, die der Volksmund durchaus als Loser und arme Willis bezeichnen würde.
Mit Jürgen Dose hat Strunk einmal mehr einen an sich sehr netten, freundlichen und genügsamen Protagonisten erdacht, der sich durch etliche Tiefschläge und Enttäuschungen gerade im Liebesleben nicht aus dem Konzept bringen lässt und unbeirrt weiter nach einer Frau in seinem Leben sucht, die weder seine Mutter noch Schwester Petra ist. Dabei versteht es Strunk wie immer, mit viel Sympathie für seine Figuren ihren biederen Alltag und ganz normalen Sehnsüchte mit einer Mischung aus Humor und Melancholie zu beschreiben, so dass man Jürgen wirklich von Herzen wünscht, endlich ans Ziel seiner einfachen Träume zu gelangen. 
Leseprobe Heinz Strunk - "Jürgen"

Heinz Strunk – „Der goldene Handschuh“

Samstag, 23. April 2016

(Rowohlt, 256 S., HC)
Um drei Uhr morgens trifft man im Februar 1974 in der St.-Pauli-Kneipe „Zum goldenen Handschuh“ allerlei verwahrloste Gestalten, die ihre wenig erbaulichen Spitznamen - Leiche (dessen Körer sich im unaufhörlichen Verfall zu befinden scheint und dreizehn Jahre wegen „heimtückischen“ Mordes gesessen hat), der Schiefe, Soldaten-Norbert oder Fanta-Rolf – wie Adelstitel vor sich hertragen. Herbert Nürnberg hat das Lokal 1962 eröffnet und 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag geöffnet.
Hier treibt sich auch Fritz „Fiete“ Honka herum, der als Kind von seinem Vater halbtot geschlagen wurde, in Kinderheimen aufgewachsen ist und seit einem Fahrradunfall im Gesicht entstellt ist. Da er zu schlecht in der Schule war, konnte er seinen Traum, Autoschlosser zu werden, nicht realisieren. Seitdem schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch und ertrinkt seine Wut in Alkohol und lässt sie an den heruntergekommenen Frauen aus, die er in der Kneipe an der Reeperbahn kennenlernt und schließlich versklavt, umbringt und zerstückelt teilweise auf dem Dachboden in Mülltüten entsorgt. Den entsetzlichen Gestank, auf den er von seinen gelegentlichen Besuchern angesprochen wird, schiebt er auf die Griechen, die den ganzen Tag kochen.
Als er überraschenderweise einen Job als Nachtwächter bei Shell bekommt, hofft Honka auf eine Wende zum Normalen in seinem Leben, mit regelmäßigem Einkommen und einer hübschen Frau an seiner Seite, wahlweise die attraktive Putzfrau Helga, deren Ehemann Erich aber noch im Wege steht.
„Fiete kann sich das nicht länger tatenlos anschauen, es geht längst nicht mehr um ihn, er muss Helga da rausholen, aus eigener Kraft wird sie es nie schaffen. Wenn er, Fiete, nicht sehr bald was unternimmt, ist sie auf immer und ewig mit dem nutzlosen Krüppel zusammengepfercht, lebendig begraben im Tonndorf’schen Mausoleum, unfähig, den Sargdeckel zu heben.“ (S. 162) 
Seit der Hamburger Heinz Strunk im Jahr 2004 mit seinem Debütroman „Fleisch ist mein Gemüse“ seine von Akne, Wichsfantasien und Schützenfesten geprägte Jugendzeit in Winsen/Luhe verarbeitet hat, zählt der sonst mit Studio Braun auf den Theaterbühnen aktive Strunk zu den festen Größen in Deutschlands Comedy-Szene. Sein neues Buch „Der goldene Handschuh“ ist zwar erstmals frei von autobiografischen Zügen, ist aber auch in seiner Hamburger Heimat angesiedelt und trotz der tragischen Geschichte voller Strunk-Humor.
Der Autor bekam im Hamburger Staatsarchiv Zugang zu bislang verschlossenen Akten zum Fall Honka, dessen Morde an vier Frauen erst entdeckt worden sind, als die Feuerwahr im Juli 1975 nach dem Löschen eines Brands in Hamburg-Ottensen auf mumifizierte Leichenteile in der Wohnung des 39-jährigen Mieters Fritz Honka gestoßen war.
„Der goldene Handschuh“ liest sich allerdings nicht wie ein reißerischer Thriller, der auf effektvolle Weise die bestialischen Morde und die Jagd auf einen gerissenen Täter schildert. Da sich Honka nur Frauen als Opfer wählte, die sich am Rande der Gesellschaft bewegt haben, sich für Alkohol und Unterkunft prostituierten und von niemandem vermisst worden sind, konnte er sich wie die meisten Kunden im „Goldenen Handschuh“ unbemerkt seinem Treiben widmen.
Strunk verlegt seinen Roman eher auf die ganz persönliche Geschichte eines Mannes, der unter schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist und dem später im Gerichtsprozess eine schwere „seelische Abnormität“ attestiert wird.
„Der goldene Handschuh“ ist vor allem eine treffende Milieustudie, die sich überhaupt nicht abwertend über die Figuren am Randbereich der Gesellschaft äußert. Indem Strunk auch einen Abkömmling einer wohlhabenden Reederei-Familie in der verrufenen Kneipe verkehren lässt, macht er deutlich, wie schmal der Grat zwischen Normalität und Wahnsinn, zwischen Anerkennung und Wut, Tugendhaftigkeit und Verkommenheit ist. Dabei bedient sich Strunk einer entwaffnend offenen Sprache, die zugleich brüllendkomische und tieftraurige Momente heraufbeschwört.

Heinz Strunk - „In Afrika“

Dienstag, 1. Februar 2011

(Rowohlt, 270 S., HC)
Mit seinen ersten beiden Büchern „Fleisch ist mein Gemüse“ und „Fleckenteufel“ hat der 1962 in Hamburg geborene Musiker, Schauspieler, Schriftsteller und „Studio Braun“-Komiker auf höchst unterhaltsame Weise die Hürden beschrieben, die man als junger Erwachsener gerade auf dem Land zu überwinden hat. In „Fleisch ist mein Gemüse“ war es noch die fröhliche Tanzkapelle, die auf Schützenfesten in der Lüneburger Heide Klassiker wie „An der Nordseeküste“ spielen musste, in „Fleckenteufel“ die christliche Ferienfreizeit in einem Zeltlager an der Ostsee, die Heinz Strunks Erlebnisse der Post-Adoleszenz Revue passieren ließen. Mittlerweile ist Strunk erwachsen und pflegt alljährlich das Ritual, mit seinem Freund C. in der Weihnachtszeit zu verreisen. Diesmal bucht C. eine Reise nach Kenia.
Strunk versucht noch verzweifelt, sich vor Reiseantritt einen vorzeigbaren Körper anzutrainieren, dann geht es auch schon los. Allerdings – und das scheint Comedy-Stars immer zu passieren – geht der Koffer unterwegs abhanden, so wie es Kollege Christoph Maria Herbst auf seiner „Traumschiff“-Reise („Ein Traum von einem Schiff“) ebenso ergangen ist. Und C., der aus Wien angereist kommt, schlägt mit eintägiger Verspätung auf, nur um im Hotel all die Klischees und Rentner zu erleben, vor denen man eigentlich Angst hat.
„Der Welcomedrink ist ein ekliger, dickflüssiger Schleim und erinnert von Aussehen, Geschmack und Konsistenz her an den Getränkesirup Tri Top. Wenn ich mich recht erinnere, reichte ca. eine halbe Verschlusskappe für ca. einhundert Liter Fruchtjauche, Tri Top dürfte somit das billigste Getränk der Welt gewesen sein. Zum Glück schon lange Geschichte. Oder behauptet sich Tri Top inzwischen im gutsortierten Fachhandel als Kultgetränk?“ (S. 81)
Als C. endlich eingetroffen ist, wollen sie sich an ein Treatment für eine Fernsehkomödie machen. Strunk beschreibt seine Erlebnisse am Pool, im Meer und auf den Straßen von Mombasa recht witzig und mit selbstironischer Note, doch ist der Schmunzel-Humor weit von dem krachenden Humor von Strunks „Frühwerken“ entfernt. „In Afrika“ lässt sich ebenso locker und unverbindlich weglesen wie Herbst‘ „Ein Traum von einem Schiff“, nur um am Ende festzustellen, dass Comedy-Stars ebenso schlechten Urlaub erleben wie Otto Normalverbraucher – nur schreiben sie darüber etwas witziger …