(Hanser, 384 S., HC)
Seit den frühen 1980er Jahren ist Tom Coraghessan Boyle mit
Romanen wie „Grün ist die Hoffnung“, „Der Samurai von Savannah“, „América“, „Drop
City“ und „Wenn das Schlachten vorbei ist“ zu einem genauen
Beobachter und Analyst der amerikanischen Psyche avanciert. Mit seinem neuen
Roman „No Way Home“ bewegt er sich allerdings auf bereits sehr ausgetretenen
Pfaden.Als der junge Assistenzarzt Terrence telefonisch benachrichtigt
wird, dass seine Mutter gestorben ist, macht er sich auf den Weg von Los Angeles
nach Boulder, Nevada, um die letzten Angelegenheiten seiner Mutter zu regeln.
Dazu gehört auch das nun ihm gehörende Haus und die Hündin Daisy. In einer Bar
lernt der 31-Jährige die attraktive Krankenhaus-Rezeptionistin Bethany kennen
und landet mit ihr gleich im Bett. Was für Terrence eher unverbindlich begonnen
hat, entwickelt sich schnell zu einer komplizierten Geschichte. Da Bethany von
ihrem Ex Jessie auf die Straße gesetzt worden ist, hat sie ihre Sachen seit ein
paar Wochen in einem Container gelagert, bis sie genug Geld für Miete und
Kaution für eine neue Wohnung gespart hat. Da passt es ihr gut in den Kram,
sich bei Terry ungefragt einzunisten und sich während seiner Abwesenheit auch
noch ihre Freundin Lutie ins Haus zu holen. Als Jessie, Highschool-Lehrer, Romanautor
und Biker mit hohem Gewaltpotenzial, hinter die Affäre seiner Ex kommt, fängt
er an, durchzudrehen, und macht Terry und Bethany das Leben zur Hölle. Auf der
anderen Seite kann sich Bethany noch immer nicht von Jessie lösen, was Terry
vor eine schwierige Entscheidung stellt…
„Basketballringe über Garagentoren, mittelalte Wagen in den Einfahrten, die Mülltonnen ordentlich aufgereiht am Bordstein, kein Schmutz, keine Penner – eine Modellstadt, entstanden aus dem Lager für die Arbeiter, die den Damm, das achte Weltwunder, gebaut hatten. Es war ein ruhiger Ort. Durchschnittlich. Es gab einen See. Boote. Touristen. Mehr als dreihundert Sonnentage pro Jahr. Würde er hier leben wollen? Die Frage zu stellen, hieß, sie zu beantworten, ganz gleich, was Bethany sich erhoffte.“
Mit seinem neuen Roman präsentiert Boyle eine nahezu
klassische Dreiecksgeschichte, wie sie in durchschnittlichen Netflix-Produktionen
thematisiert werden, wobei weder die drei Schlüsselcharaktere noch die Story
besonders interessant sind. Die „Spannung“ ergibt sich ohnehin vor allem
dadurch, dass Terry immer wieder gezwungen ist, nach Los Angeles zur Arbeit
zurückzukehren und so seinem Konkurrenten Jessie den Raum lässt, während Terrys
Abwesenheit sich an Bethany ranzumachen. Das ist recht humorfrei und nicht mal
besonders erotisch inszeniert, und Jessies Charakter als Mischung aus coolem
Highschool-Lehrer, draufgängerischem Biker und Autor von historischen Romanen
wirkt nicht besonders glaubhaft. Was „No Way Home“ am Ende etwas rettet,
ist Boyles Kniff, die Geschichte aus den wechselnden Perspektiven von
Terry, Bethany und Jessie zu erzählen, so dass man nie die ganze Wahrheit präsentiert
bekommt, aber auch die Protagonisten wissen nie so recht, was sie eigentlich
glauben sollen, vor allem als es zu körperlich beeinträchtigenden,
schmerzhaften Konfrontationen kommt. Boyles leicht verständliche Sprache
und die schlichten Dialoge erfordern keine große Aufmerksamkeit, so dass sich „No
Way Home“ ähnlich wie ein Netflix-Liebesdrama einfach und schnell konsumieren
lässt – um danach aber ebenso schnell wieder vergessen zu werden.