Posts mit dem Label Clive Barker werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Clive Barker werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Clive Barker – „Spiel des Verderbens“

Sonntag, 26. März 2017

(Knaur, 510 S., Tb.)
Nach sechs Jahren im Wandsworth-Gefängnis bekommt Marty Strauss die Gelegenheit, neu anzufangen. Ein gewisser Mr. Toy unterbreitet dem Häftling das Angebot, als persönlicher Leibwächter für den in die Jahre gekommenen Joseph Whitehead zu arbeiten, der als Selfmade-Mann mit der Whitehead Corporation eine der größten pharmazeutischen Firmen in Europa aufgebaut hat. Marty muss allerdings schnell feststellen, dass er von einem Gefängnis ins nächste gelangt ist. Das als „Asyl“ bezeichnete Anwesen stellt sich als wahre Festung dar, die der Firmenchef – und somit auch sein Leibwächter - nie verlässt.
Cover der späteren Heyne-Wiederveröffentlichung
Da Marty feststellen muss, dass seine Frau Charmaine kein Interesse mehr an einer Beziehung mit ihm hat, ist sein Freiheitsdrang auch nicht mehr besonders ausgeprägt. Außerdem findet er sehr schnell Gefallen an Whiteheads Tochter Carys, die allerdings von ihrem Vater mit Heroin versorgt wird, damit sie einigermaßen zurechtkommt.
Was Marty allerdings wirklich beunruhigt, ist der geheimnisvolle Mamoulian, der sich als einer der letzten „Europäer“ sieht und zusammen mit Breer, ebenfalls Mitglied einer weiteren aussterbenden Rasse, nämlich der Rasierklingenesser, bei Whitehead alte Schulden einzutreiben gedenkt. Marty erfährt, dass die Auseinandersetzung der beiden Kontrahenten vor sechzig Jahren in Warschau ihren Anfang nahm und nun in einer allumfassenden Apokalypse zu enden droht.
„Heiliger Jesus, dachte er, so musste die Welt enden. Eine Zimmerflucht, Autos auf der Straße, die nach Hause fuhren, und die Toten und beinahe Toten lieferten sich bei Kerzenlicht Handgemenge. Der Reverend hatte sich geirrt. Die Sintflut war keine Woge. Sie war blinde Männer mit Äxten; sie war die Großen auf den Knien, wie sie beteten, nicht durch die Hände von Narren sterben zu müssen, sie war das Jucken des Irrationalen, welches zur Epidemie geworden war.“ (S. 487) 
Der 1952 in Liverpool geborene Clive Barker kam über das Theater und den Film zur Schriftstellerei und fasste seine ersten Kurzgeschichten in den zwischen 1984 und 1985 veröffentlichten sechs „Büchern des Blutes“ zusammen, von denen bis heute immer wieder einzelne Geschichten verfilmt werden.
Durch seine drastisch unverblümte Darstellungsweise, seine ungebändigte Phantasie und seine bildgewaltige Sprache avancierte Barker in kürzester Zeit zum Erneuerer des Horror-Genres und lieferte 1986 mit „Spiel des Verderbens“ seinen ersten Roman ab, der beim Knaur Verlag in deutscher Erstausgabe in der kongenialen Übersetzung von Joachim Körber erschienen ist (aber mit einem so schlechten Cover, dass ich mich hier für das stimmungsvollere Cover der späteren Heyne-Wiederveröffentlichung entschied, die allerdings an Körbers Übersetzung herumgepfuscht hat).
Wie in seinen vorstellungskräftigen Kurzgeschichten kreiert Barker auch in seinem Romandebüt ein allumfassendes Grauen, das in diesem Fall aus den Scharmützeln des Krieges entstanden ist und aus der Gier der Protagonisten in weitschweifende Horror-Szenarien mündet.
Was mit dem Verstand schwer zu fassen ist, beschreibt Barker äußerst minutiös und fast schon genussvoll, so dass Schmerz und Tod nahezu eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Alltagsroutinen darstellen. Dazu nimmt sich Barker viel Zeit für die Beschreibung seiner außergewöhnlichen Figuren und der Atmosphäre, in der sich diese bewegen. Dass er sich dabei oft biblischer Motive bedient, hebt die Geschichte in einen mal sakralen, dann wieder ketzerischen Kontext. Wie Whitehead und Mamoulian im Finale für eine letzte Auseinandersetzung zusammentreffen, ist einfach großartig und entschädigt für manche Passagen, in denen die Story nicht so recht vorankommen mag.

Clive Barker – „Gyre“

Samstag, 11. Februar 2017

(Heyne, 599 S., Jumbo)
Als der 26-jährige Versicherungsangestellte Calhoun Mooney die ausgebüchste Nummer 33 der etwa vierzig Tauben seines Vaters wieder einfangen will, stürzt er bei einem waghalsigen Einfangmanöver vom Fenstersims eines Hauses in der Rue Street und einem außergewöhnlichen Teppich entgegen, der gerade vom Grundstück getragen wird. In ihm erkennt Cal eine fantastische Welt, die ein immerwährendes Abenteuer verheißt. Doch hinter diesem gewebten Kunstwerk sind auch der 52-jährige zwielichtige Händler Shadwell und die Zauberin Immacolata her, die die verkommene Welt der Menschen wie ihre bösartigen Schwestern als Königreich der Cuckoo bezeichnet. Immaculata hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Volk der Seher zu vernichten, aus dem sie einst verbannt worden ist, die Fuge zu finden und ihr lichtes Herz zu brechen. Sie will mit Shadwell zusammen die Fuge zur Auktion anbieten und die vier in der Fuge lebenden Familien des Volkes der Seher in die Sklaverei verkaufen oder zu einem trostlosen Dasein verdammen.
Die als Seherin begabte Mimi Laschenski hat bis zu ihrem Todestag über die Fuge gewacht, die in dem geheimnisvollen Teppich gewebt ist, und Legenden nach sich zog, in denen Dichtung und Wahrheit nicht mehr auseinandergehalten werden konnten. Nun ist es an ihrer Enkelin Suzanna, die vor der mutwilligen Zerstörung bedrohte Webwelt zu retten.
Zunächst steht ihr dabei Cal zur Seite, der einen wahnsinnigen Dichter als Großvater hatte und deshalb für die Welt der Fuge empfänglich ist. In einem gemeinsamen Traum erscheinen Suzanna und Cal die fünf märchenhaften, verschiedenen Familien der Seher entstammende Gestalten Lilia Pellicia, Frederick Cammell, Apolline Dubois, Jerichau St. Louis und das Baby Nimrod, die dem kleinen Stück des Teppichs entstiegen sind, das sich bei seinem Transport gelöst hat. Nach einem fürchterlichen Tumult, der sich bei der geplanten Auktion des Teppichs entfacht hat, kann Suzanna mit Jerichau und dem Teppich fliehen, doch nun haben sie nicht nur Shadwell und Immacolata im Nacken, sondern auch den bösartig-gierigen Inspektor Hobart.
Shadwell verkleidet sich als Prophet und zettelt mit seinen Gefolgsleuten einen Heiligen Krieg an, um die Fuge unter den Händen derjenigen sterben zu lassen, die ausgezogen sind, um sie zu retten …
„Es war, als hätte seine Maskerade ihm tatsächlich prophetische Gaben verliehen. Er hatte die Webarbeit gefunden, wie er gesagt hatte, und er hatte sie ihren Bewahrern abgenommen; er hatte seine Anhänger ins Herz der Fuge geführt und alle, die sich ihm widersetzt hatten, mit fast übernatürlicher Geschwindigkeit zum Schweigen gebracht. Bei seinem derzeitigen hohen Status gab es keinen anderen Weg nach oben mehr als den zur Göttlichkeit, und das Mittel dazu war von dort sichtbar, wo er stand.“ (S. 359) 
Mitte der 1980er Jahre sorgte der aus Liverpool stammende und in vielerlei künstlerischen Disziplinen beheimatete Clive Barker mit den sechs „Büchern des Blutes“ für eine nachhaltige Revitalisierung des Horror-Genres. Auch wenn viele der – meist leider unterirdischen - Verfilmungen vor allem seiner Kurzgeschichten wie „Underworld“, „Rawhead Rex“ und „Hellraiser“ Barkers hervorragenden Ruf in diesem Genre zementierten, entwickelte sich Barker vor allem als Autor phantastischer Werke weiter und präsentierte nach seinem Debütroman „Spiel des Verderbens“ 1987 sein erstes Epos „Weaveworld“, das hierzulande 1992 unter dem mysteriösen Titel „Gyre“ veröffentlicht worden ist.
Barker erweist sich mit diesem Werk als der wahrscheinlich visionärste Autor seiner Zunft. Scheinbar mühelos entwirft er ganze Welten, die inner- und unterhalb unserer wahrgenommenen Welt existieren und nur eine Fuge von ihr entfernt sind. „Gyre“ ist dabei Schöpfungsgeschichte und Apokalypse in einem, ein von entfesselten Imaginationen geprägtes Fantasy-Werk, das Bezug auf die Evangelien der Bibel aber auch auf die mystischen Traditionen der Welt nimmt und die Kraft von Liebe, Hoffnung und Träumen beschwört. Sein von höchst originellen, kaum mit dem Verstand fassbaren Ideen überquellender Stil regt auf nahezu jeder Seite die Fantasie des Lesers an, dass der Geschichte selbst oft schwer zu folgen ist.
Zwar bleibt das Figuren-Ensemble übersichtlich, doch machen die Charaktere so viele Transformationen durch, dass in jeder Kreatur unzählige weitere zu schlummern scheinen, jede davon so vielgestaltig, dass sie das Vorstellungsvermögen zu sprengen droht. Clive Barker hat in „Gyre“ fraglos seiner eigenen Vorstellungskraft keine Grenzen gesetzt, aber bei aller brillanter Fabulierkunst verliert er doch immer wieder die Dramaturgie seines komplexen Plots aus den Augen, so dass sich der Leser eher in den ausschweifenden Visionen verliert, als von der eigentlichen Geschichte gefesselt zu bleiben.
In späteren Epen wie der „Abarat“-Reihe, „Imagica“ und „Jenseits des Bösen“ ist es Barker besser gelungen, dieses Ungleichgewicht befriedigend zu lösen. Nichtsdestotrotz bietet „Gyre“ einfach eine grandiose Fülle an sprachlichen Zaubereien und fantasievollen Figuren und Settings, dass es eine Wonne ist, Barkers Visionen zu folgen.

Clive Barker – „Das scharlachrote Evangelium“

Sonntag, 12. Juli 2015

(Festa, 460 S., Tb.)
Nachdem eine Handvoll von Magiern mit dem N’guize-Ritual ihren Anführer Joseph Ragowski von den Toten wiedererweckt hat, muss dieser erfahren, dass ein Dämon den einst beachtlichen Kreis ihresgleichen auf die sechs Anwesenden reduziert hat. Kaum wird Ragowski über die tragische Entwicklung in Kenntnis gesetzt, taucht auch schon der besagte Dämon – Pinhead – auf, die letzten Bestandteile des Magischen Orders auszumerzen, der über Jahrhunderte hinweg im Schatten der Zivilisation agiert hatte. Doch damit ist sein Werk längst nicht beendet. Der Anführer der Zenobiten hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Lichtbringer Luzifer selbst herauszufordern und sich damit selbst auf den Thron der Hölle zu setzen.
Allerdings hat er es dabei mit Harry D’Amour zu tun, dem ehemaligen Polizisten, der sich nun in New York als Detektiv durchschlägt. Als seine gute Freundin Norma Paine, die einen engen Draht zu den Toten unterhält, mit dem Tod des Anwalts Carston Goode konfrontiert wird, ist es an Harry, dessen geheimes Haus in New Orleans aufzusuchen, von dem Goodes Frau keine Kenntnis haben darf. Goodes Haus entpuppt sich nicht nur als Ort der Magie und abartiger sexueller Praktiken, sondern er stößt auch auf Lemarchands geheimnisvollen Würfel, durch den der Dämon Felixson Eintritt in D’Amours Welt erhält. Der Detektiv entkommt der Auseinandersetzung mit Pinheads Gefolgsmann nur mit knapper Not, doch zum Ausruhen hat der Detektiv, der mit allerlei Schutzzaubern tätowiert ist, keine Zeit.
Pinhead, der wegen seiner geheimen Beschäftigung mit menschlicher Magie durch den Unverzehrten aus dem Orden verbannt wurde, hat sich Norma geschnappt und verlangt von D’Amour, die Dinge zu bezeugen, die Pinhead in Gang zu bringen versucht. Zusammen mit seinen Freunden Dale, Caz und Lana folgt D’Amour dem Zenobitenpriester in die Hölle, wo Luzifer und Pinhead eine epische Schlacht entfachen.
„Der Höllenpriester sah über die linke Schulter und flüsterte etwas in die Dunkelheit, die ihn umgab. Sie schien sich noch mehr zu verdichten, wie ein eifriger Komplize, der begierig jeden Befehl aufnahm. Harry war der stumme Beobachter der Geschehnisse, sein Kopf schwirrte von unbeantworteten Fragen. War diese seltsame Gestalt – die immer tiefer in ihren Selbstmordstuhl sackte, je mehr Klingen aus ihrem Körper gezogen wurden – wirklich der Gegenspieler, das leibhaftige Böse, der Gefallene, Satan? Er sah einfach zu bedauernswert aus, zu menschlich, wie er da auf seinem Todesthron saß. Die Vorstellung, dass dieses Geschöpf einst Gottes Liebling gewesen sein sollte, schien lächerlich.“ (S. 330) 
1995 hat der in Liverpool geborene und seit Jahren in Los Angeles lebende Autor, Illustrator, Maler und Filmemacher Clive Barker mit „Lord of Illusions“ seine aus den „Büchern des Blutes“ stammende Kurzgeschichte „Die letzte Illusion“ verfilmt und damit seine bis dato dritte und letzte Regiearbeit vorgelegt, nachdem der Film bei der Kritik und auch beim Publikum nicht allzu überschwänglich aufgenommen worden war. Barkers Versuch, mit Harry D’Amour eine Film-noir-Figur im Horror-Genre zu etablieren, wirkte wenig logisch und allzu holperig in der Inszenierung. Dabei hatte Barker mit „Hellraiser“, seiner ersten eigenen Adaption einer seiner Kurzgeschichten – „The Hellbound Heart“ – , einen modernen Klassiker des Horrorkinos geschaffen und mit den Zenobiten unvergessene Ikonen des Genres kreiert, die in unzähligen Sequels weiterhin auf der Leinwand ihr dämonisches Treiben zelebrierten.
Mit „Das scharlachrote Evangelium“ lässt Barker nun seine zwei wohl bekanntesten Figuren aufeinandertreffen und kreiert dabei ein Szenario, das ein wenig an Stephen Kings epische Schlacht in „The Stand – Das letzte Gefecht“ erinnert. Barker nimmt sich zunächst Zeit, die Geschichte von Harry D’Amour und seiner blinden Freundin Norma zu erzählen. Parallel dazu treibt Pinhead seine dämonische Vernichtungsarbeit, indem er zunächst die letzten verbliebenen menschlichen Magier tötet und ihren Leichen die Geheimnisse entnimmt, die ihn selbst noch mächtiger werden lassen, bevor er in der imponierenden Kathedrale der Hölle Luzifer selbst gegenübertritt.
Wie üblich bedeint sich Barker dabei der christlichen Mythologie und beweist eine enorme Vorstellungskraft, wenn er die Landschaft der Hölle in bildgewaltigen Szenarien beschreibt. Es ist wohl niemandem außer Clive Barker bislang gelungen, die Hölle in ebenso faszinierenden wie erschreckenden Bilder zu zeichnen und diese mit Dämonen zu bevölkern, deren Treiben jegliche menschliche Vorstellungskraft übersteigt. Während das Hollywood-Franchise „Hellraiser“ längst zu einer Karikatur des ursprünglichen Konzepts verkommen ist, lässt „Das scharlachrote Evangelium“ darauf hoffen, dass die Zenobiten zumindest in Barkers literarischen Ambitionen weiterhin eine so beeindruckende Rolle spielen.
Leseprobe Clive Barker - "Das scharlachrote Evangelium"

Clive Barker – „Mister B. Gone“/“Fahr zur Hölle, Mister B.“

Sonntag, 22. Februar 2015

(HarperCollins, 254 S., HC/Festa, 254 S., Tb.)
Mit seiner umfangreichen Anthologie von bis heute immer wieder verfilmten Kurzgeschichten, die ab 1984 in insgesamt sechs „Büchern der Blutes“ erschienen sind, hat sich der aus Liverpool stammende Künstler Clive Barker im Nu einen Namen im Horror-Genre gemacht, wurde von Stephen King als die „Zukunft des Horrors“ gepriesen und schuf mit der Verfilmung seiner eigenen Novelle „The Hellbound Heart“ unter dem Titel „Hellraiser“ einen der wichtigsten Horrorfilme des 20. Jahrhunderts. Seither hat Barker vor allem dunkle Fantasy und Kinderbücher veröffentlicht und sich als Maler etabliert. Hierzulande hat das Interesse an Barker allerdings stark nachgelassen.
So erscheint das 2007 von HarperCollins als edles Hardcover veröffentlichte Werk „Mister B. Gone“ erst sieben Jahre später als lieblos aufgemachtes Taschenbuch bei Festa.
Im Vergleich zur epischen „Abarat“-Reihe, deren vierter Band für den Sommer dieses Jahres angekündigt ist, kehrt Barker mit „Fahr zur Hölle, Mister B.“ wieder zu seinen Horror-Wurzeln zurück. Auf 250 kurzweiligen Seiten versucht der Dämon Jakabok Botch, den Leser seiner Lebensgeschichte zum Verbrennen des Buches zu animieren, das er in den Händen hält, aber natürlich will der Leser wissen, wie der Dämon überhaupt in dieses Werk gelangt ist.
Die Geschichte beginnt damit, dass Jakabok Botch mit seinem verhassten Vater Pappy G. in einem Abfallhaufen auf ein saftiges Steak und Bier stoßen, doch handelt es sich dabei um einen Köder, der die beiden Dämonen in ein Netz geraten lässt, das sie durch die neun Kreise der Hölle an die Oberwelt zieht. Allerdings kappt Jakabok unterwegs das Netz seines Vaters und trennt sich so für immer von ihm. In der Oberwelt sorgt der Dämon mit seinem verbrannten und entstellten Äußeren für Angst und Schrecken. Als er allerdings wieder in Gefangenschaft zu kommen droht, eilt ihm mit Quitoon ein Dämon zur Seite, der Jakabok stark beeindruckt.
„Quitoon kannte die Welt gut. Und er kannte nicht nur die Menschheit und deren Werke, sondern auch alles Mögliche, das ohne eindeutige Beziehung zwischen beiden existierte. Er wusste etwas über Gewürze, Parlamente, Salamander, Schlummerlieder, Flüche, Formen von Debatten und Krankheiten; über Rätsel, Ketten und Geisteszustände; über die Herstellung von Süßigkeiten, über Liebe und Witwen; über Geschichte für Kinder, über Geschichten für Erwachsene und Geschichten, die man sich an Tagen, wenn nichts eine Bedeutung zu haben scheint, selbst erzählen kann. Mir schien, als gäbe es kein einziges Thema, über das er nicht wenigstens ein bisschen Bescheid wusste. Und falls er über etwas Bestimmtes doch einmal nichts wusste, dann log er so unverfroren, dass ich jedes seiner Worte wie ein Evangelium akzeptierte.“ (S. 125) 
Gemeinsam ziehen sie im 14. Jahrhundert eine blutige Spur aus Feuer und Tod durch die Dörfer, die sie durchqueren. Nachdem sie unterwegs getrennt wurden, begegnen sie sich in Mainz wieder, wo die Schlacht zwischen Dämonen und Engeln entschieden zu werden scheint …
Der mittlerweile in Los Angeles lebende Clive Barker erweist sich in „Mister B. Gone“ einmal mehr als einfallsreicher Erzähler einer Geschichte, wie sie nur Barker zu kreieren versteht. Wenn er von Dämonen schreibt, betritt auch der Leser ganz neue Welten.
„Mister B. Gone“ zählt zwar nicht zu den besten Werken des Autors, aber ein kurzweiliges und dämonisches Lesevergnügen bietet es allemal.
Leseprobe Clive Barker - "Fahr zur Hölle, Mister B."

Clive Barker – „Das erste Buch des Blutes“

Sonntag, 17. März 2013

(Knaur, 304 S., Tb.)
“Blutbücher sind wir Leiber alle; wo man uns aufschlägt: lesbar rot.”
Dieses Motto, das der in Liverpool geborene Clive Barker seiner ersten Kurzgeschichten-Sammlung aus dem Jahre 1984 voranstellt, beschreibt treffend das, was den neugierigen Leser auf den kommenden gut 300 Seiten erwartet, nämlich das jeweils unvermittelte Eintauchen in eine Welt, in der es kein Erbarmen und keine Reue gibt, nur unvorstellbares Grauen, Leid und … viel Blut.
Gleich in der Auftaktgeschichte „Das Buch des Blutes“ führt uns Barker ohne große Einleitung auf die Straßen der Toten, die sich gelegentlich mit unserer Welt kreuzen, beispielsweise in dem einzeln stehenden Haus am Tollington Place 65, wo sich die Toten offensichtlich besonders lautstark zu Wort melden. Das hat zumindest das Institut für Parapsychologie der Universität Essex herausgefunden, das dort das zwanzigjährige Medium Simon McNeal als Medium eingesetzt hat. Der junge Mann hat sich allerdings nur einen Spaß erlaubt, der ihm Ruhm und umschwärmte Fernsehauftritte versprach. Doch die Toten lassen nicht gern mit sich spielen und bereiten dem Schwindler höllische Qualen.
In der vielleicht besten Geschichten der Sammlung, „Der Mitternachts-Fleischzug“, muss Leon Kaufman feststellen, dass seine große Liebe New York doch nicht so vollkommen ist, wie er sich das zwanzig Jahre lang vorgestellt hat und seit einem Vierteljahr, das er nun in der Stadt seiner Anbetung verbracht hat, erleben muss. Den eindrucksvollsten Beweis dafür bekommt Kaufman in dem ständigen Blutvergießen präsentiert, das die Straßen überschwemmt. Momentan treibt ein Schlächter in der U-Bahn sein Unwesen, und eines Tages wird Kaufman mit Schlächter konfrontiert.
„Sein Bewusstsein weigerte sich anzuerkennen, was seine Augen hinter der Tür sahen. Er verwarf das Schauspiel als widernatürlich-absurd, als geträumten Nachtmahr. Sein Verstand sprach ihm die Wirklichkeit ab, aber sein Fleisch war sich ihrer gewiss. Sein Körper starrte vor Entsetzen. Seine Augen konnten mit unbeweglich offenen Lidern die grausige Szene hinter dem Vorhang nicht ausblenden. Er stand an der Tür, während der Zug weiter dahinratterte, während sein Blut aus seinen Gliedmaßen zurückströmte und sein Hirn aus Sauerstoffmangel ins Taumeln geriet.“ (S. 57 in der Bertlesmann-Buchclub-Ausgabe). 
Ein Verwahrungszentrum für jugendliche Gewalttäter stellt die Bühne für „Schweineblut-Blues“ dar, in der ein ehemaliger Cop mit dem Verschwinden eines Jungen konfrontiert wird, dessen Geist offensichtlich noch in den Mauern der Anstalt haust. Doch das eigentliche Grauen spielt sich auf dem etwas abgelegenen Farmgelände ab, wo ein Schwein ganz besondere Opfer fordert. In „Das Geyatter und Jack“ wird das fruchtlose Bemühen eines Dämons beschrieben, sein Opfer Jack Polo in den Wahnsinn zu treiben, „Sex, Tod und Starglanz“ bietet eine etwas andere Variation des bekannten „Phantom der Oper“-Motivs. In der abschließenden Geschichte „Im Bergland: Agonie der Städte“ macht sich ein schwules Paar aus England mit dem Auto ins ehemalige Jugoslawien auf und wird Zeuge einer außergewöhnlichen Schlacht von zwei Zwillingsstädten, die jeweils ihre ganze Bevölkerung mobilisieren.
Mit seinem literarischen Debüt hat der Drehbuchautor, Theater- und Filmregisseur, Maler und Autor Clive Barker dem Horror-Genre unzweifelhaft ganz neue Impulse verliehen und war so Wegbereiter für den kurzzeitig aufflammenden „Splatterpunk“, in dem Horror ohne jegliche Tabus inszeniert worden ist. Barker erweist sich mit seinem ersten Output in literarischen Gefilden als einfallsreicher Geschichtenerzähler, der sich nicht lange mit einer Exposition aufhält, sondern den Leser und seine Protagonisten unvermittelt aus dem Alltag ins Grauen stößt, wo blutrünstige Dämonen, sexbesessene Monster und Welten voller Schmerzen ihr Dasein fristen. Dabei präsentiert sich Barker als sezierender Beobachter mit großem Stilbewusstsein. Es sollten noch fünf weitere Bücher des Blutes folgen sowie eine Vielzahl großartiger Horror- und Fantasy-Romane, mit denen sich Clive Barker als Meister seines Faches etablierte.

Clive Barker - „Abarat – In der Tiefe der Nacht“

Sonntag, 29. Januar 2012

(Heyne, 624 S. HC Leinen im Schuber)
In den 80er Jahren ist Clive Barker mit den „Büchern des Blutes“ als Erneuerer der Horror-Literatur weltberühmt geworden, indem er die Grenzen des Genres bis zum Extremen ausweitete und so zum Mitbegründer der harten Splatterpunk-Spielart erkoren wurde. Seither hat sich der in Liverpool geborene, in Beverly Hills lebende Roman- und Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Maler in den Bereich der dunklen Fantasy verlegt und Meisterwerke wie „Imajica“, „Gyre“ oder „Jenseits des Bösen“ abgeliefert. Was für seinen Kollegen Stephen King die siebenteilige Saga um den „Dunklen Turm“ gewesen ist, stellt für Clive Barker das mittlerweile auf fünf Bände angelegte Epos „Abarat“ dar, nämlich ein apokalyptisches Magnum Opus, das von berauschender Magie durchwebt ist.
Im Mittelpunkt der epischen Geschichte steht Candy Quackenbush, die als 15-Jährige in ihrer unspektakulären Heimatstadt Chickentown einmal über die Stadtgrenzen hinaus gewandert ist und von einer goldenen Wolke angezogen über das Meer Izabella nach Abarat gelangt ist, einem Archipel von 25 Inseln, die jeweils eine Stunde des Tages sowie ein außerhalb der Zeit repräsentieren. Als sie erfährt, dass sie allein den Schlüssel in der Hand hält, Abarat davor zu bewahren, von Lord Carrion in Dunkelheit versinken zu lassen, beginnt für sie eine abenteuerliche, lebensgefährliche Reise, die sie und ihre Gefährten – wie die Gesh-Ratte Malingo und die acht John-Brüder – von Insel zu Insel führen. Zu Beginn von “In der Tiefe der Nacht” muss sich Candy zunächst in Yebba Dim Day vor der Ratskammer verantworten. Sie wird angeklagt, ohne Einladung mit der festen Absicht nach Abarat gekommen zu sein, um Ärger zu stiften und Mater Motley zu ärgern. Zwar geht das Verhör glimpflich aus, doch Candy sieht sich veranlasst, die Hafenstadt auf dem Weg in die Straße der Dämmerung umgehend zu verlassen, denn Mater Motley hat bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt, Candy aufzuspüren und das Abarat nach ihren Vorstellungen neu entstehen zu lassen.
„Eine Dunkelheit zog auf. Eine riesige und unerbittliche Dunkelheit, die jeden Stern, der in den Stunden der Nacht leuchtete, auslöschen würde, genau wie sie jeden Mond zur selben Stunde verfinstern würde und zur selben Zeit alle Sonnen, die in den Himmeln des Tages strahlen, verdunkeln würde. Hätten die Propheten ihre Eitelkeit und Selbstsucht überwunden, als die ersten Vorzeichen der Dunkelheit in ihre Schädel gekrochen waren, und ihre Ängste miteinander geteilt, anstatt sich an ihnen festzuhalten wie an tödlichen Besitztümern, dann hätten sie vielleicht die tragischen Konsequenzen abwenden können, die ihr Neid und ihre Habgier nach sich zogen. Die Tragödie war nicht nur der Verlust dieser prophetischen Seelen, die dem Wahn und der Selbstzerstörung zum Opfer fielen. Die Tragödie war, dass das Abarat in einen Albtraum stürzte, der es auf ewig verändern würde und aus dem es kein Erwachen gab.“ (S. 176 f.) 
Candy stellt allerdings fest, dass sie selbst mit Magie umgehen kann. Doch selbst ihre unvorhergesehenen Kräfte scheinen gegen die grausamen Vorhaben von Mater Motley nichts ausrichten zu können. Erst als Candy zu verstehen beginnt, dass die drei Carrion-Generationen ein dunkles Geheimnis verbindet, gelingt Candy das rettende Ablenkungsmanöver …
Auch wenn der dritte „Abarat“-Band mit stolzen 78 € zu Buche schlägt, ist der Preis mehr als gerechtfertigt. Schließlich gelangen gerade mal 1650 nummerierte Exemplare dieses epochalen Fantasy-Schmuckstücks in den Handel, wobei die über 600 Hochglanzseiten mit mehr als 100 Illustrationen des Autors verziert sind, die dieser in zwölf Jahren in Öl auf Leinwand kreiert hat (für den gesamten „Abarat“-Zyklus).
Clive Barker will seinen Lesern so mehrere Ebenen des Zugangs zu seiner fantastischen Geschichte gewähren, der nicht immer leicht zu folgen ist, die aber vor überbordender Imagination und Sprachgewalt nur so strotzt. Ähnlich wie Walter Moers mit seinen Zamonien-Schmökern entfacht Clive Barker mit den „Abarat“-Büchern eine ganz eigene Welt voller skurriler Figuren, sonderbarer Magie und schillernden wie düsteren Welten zwischen dem Hernach und Einstweilen, dass es ein intellektueller Spaß sondergleichen ist, sich in diese fremden Welten entführen zu lassen.
Lesen Sie im Buch: Clive Barker – „Abarat – In der Tiefe der Nacht“

Clive Barker – „Imagica“

Dienstag, 18. Mai 2010

(Heyne, 835 S., Jumbo)
Als Charlie Estabrook das erste Mal der schönen Judith begegnete, war er sogleich hin und weg. Dass sie noch mit dem von der Frauenwelt weithin begehrten Künstler John Furie Zacharias, kurz Gentle genannt, liiert war, machte ihm nicht viel aus. Er wartete, bis seine Zeit gekommen war und heiratete das Objekt seiner Begierde, doch waren auch ihm nur fünf glückliche Jahre mit Judith vergönnt. Die anschließende Trennung rief einen solchen Schmerz der Demütigung bei ihm hervor, dass Charles nun seinen Chauffeur Chant damit beauftragt, einen Killer zu finden, der Judith ins Jenseits befördert. Pie‘oh‘pah soll der Beste seines Fachs sein und wird von Estabrook nach New York geschickt, wo sie mittlerweile mit einem neuen Mann lebt. Doch dann plagen den gehörnten Liebhaber Gewissensbisse, und er wendet sich an Gentle, den Killer aufzuhalten. Da Gentle gerade selbst eine weitere Trennung von einer Frau verarbeiten muss und von dem Händler Chester Klein keine Aufträge für Fälschungen erwarten kann, reist er ebenfalls nach New York und kann tatsächlich den Anschlag auf seine ehemalige Geliebte verhindern. Gentle ist allerdings so von Pie’oh’pahs gestaltwandlerischen Fähigkeiten fasziniert, dass er sich von Pie in ein Mysterium einweihen lässt, dass nur wenigen Eingeweihten vertraut ist: Die Erde ist nur eine von fünf Domänen.
Maestro Sartoris Versuch, die Fünfte Domäne mit den anderen vier zu vereinen und so den Riss in Imagica zu schließen, endete in einer Katastrophe, bei der viele Theurgen, Schamanen und Theologen ihr Leben verloren. Einige der Überlebenden versuchen seitdem in einer Organisation namens Tabula Rasa, das magische Wissen aus der Fünften Domäne zu tilgen. Doch es gibt immer noch viele Schlupflöcher zwischen den Domänen. So betreibt Oscar Edmond Godolphin regen Handel mit dem „Sünder“ genannten Kaufmann Hebbert Nuits-St. Georges aus Yzordderrex in der Zweiten Domäne, den er mit Götzenbildern, Fetischen und Reliquien aus der Fünften Domäne beliefert. Judith findet im Safe ihres Ex-Mannes Charles außergewöhnliche Gegenstände, mit denen sie selbst auf die Reise zwischen den Welten geht. Neugierig geworden, beginnt sie eine Beziehung mit Oscar, dem Bruder ihres Mannes, der seine eigene Zuflucht besitzt, die ihn in die Domänen bringt. Und als man Pie nach dem Leben trachtet, nimmt dieser Gentle auf einen abenteuerlichen Trip in die anderen Domänen. Sowohl Judith als auch Gentle erfahren auf ihren Reisen nach Imagica, dass der Unerblickte einst durch sein Reich wanderte und alle Kulte zerstörte, die er für unwürdig erachtete, meistens Göttinnen und Prophetinnen. Doch Gentle und Pie stoßen auf Huzzah, die zehnjährige Tochter des untalentierten Malers Aping, die offensichtlich noch die Gabe zu sehen besitzt. In ihren Träumen erblickte sie eine Göttin, Tishalullé, die in der Wiege nur darauf wartet, aus den Fluten aufzusteigen. Gentle erfährt, dass ihm eine ganz besondere Rolle dabei zufällt, die getrennten Domänen wieder zusammenzuführen. Doch bei dieser Mission sind etliche Gefahren zu bewältigen …
Clive Barkers Phantasie kennt offensichtlich keine Grenzen, und mit Leichtigkeit scheint er neue Welten, Wesen und Namen zu erfinden, die abenteuerliche Missionen erleben. Mit „Imagica“ ist dem visionären Künstler ein weiteres Meisterwerk gelungen, dessen Geschichte zwar im gegenwärtigen England wurzelt, aber schnell die dem Leser bekannte Geographie verlässt, um neue magische Welten zu erschließen, mythologische Systeme einzuführen und eine ganz einzigartige Apokalypse zu inszenieren, in der nichts so zu sein scheint wie zunächst angenommen. Diese erfrischend vielschichtige Auseinandersetzung zwischen Autokraten, selbsternannten Heilsbringern, schaurigen Dämonen, Scharlatanen, Dienern, Menschen und Göttinnen beschreibt Clive Barker in einer wundervoll eleganten, anspruchsvollen Sprache, dass es eine Wonne ist, seinen ausgefallenen Ideen und seinen phantasievollen Worten zu folgen. Das ist große Fantasy-Kunst!

Clive Barker - “Galileo”

(Heyne, 911 S., Tb.)
Angefangen hatte und berühmt wurde der in Liverpool aufgewachsene Clive Barker mit seiner sechs Bände umfassenden Kurzgeschichten-Sammlung “Die Bücher des Blutes”, die ihn gleich auf den Horror-Olymp katapultierten. In den letzten Jahren sind Barkers Geschichten zum einen immer umfangreicher geworden, zum anderen haben sie mit dem blutigen Splatter-Horror seiner literarischen Frühzeit nicht mehr viel gemein. So ist sein neues, über 900 Seiten umfassendes Werk “Galileo” nur noch am Rande gerade mal der Fantasy zuzuordnen, weist ansonsten aber alle Merkmale einer opulenten Familienchronik auf, die der Erzähler Maddox Barbarossa niederzuschreiben gedenkt.
Wertvolle Unterstützung erhält er dabei von seiner Stiefmutter Cesaria, die ihm durch die Übermittlung von Visionen an den Schicksalen nicht nur der beinahe unsterblichen Familie Barbarossa teilhaben lässt, sondern auch an denen des mächtigen Clans der Gearys, mit denen die Barbarossas durch Liebe und Hass fast unzertrennlich verbunden sind. Besondere Aufmerksamkeit richtet Maddox auf das Leben der jungen Rachel, die den reichen und herrschsüchtigen Mitch Geary heiratet, sich aber bald von ihm trennt und die Arme des geheimnisvollen Seefahrers Galileo Barbarossa flieht, der eine magische Anziehungskraft auf alle Frauen der Gearys auszuüben scheint. Clive Barker erzählt diese faszinierende Verbindung zwischen den beiden auf unterschiedliche Weise mächtigen Familien mit jenem phantastischen Einfallsreichtum und ausgereiften Stil, den man von ihm seit jeher gewohnt ist, aber gerade mit seinen letzten Romanen “Stadt des Bösen” und “Das Sakrament” an fesselnder Eindringlichkeit noch gewonnen haben.

Clive Barker - „Coldheart Canyon“

(Heyne, 875 S., Pb.)
In den 20er Jahren kauft Willem Matthias Zeffer in seiner Funktion als Impresario der Hollywood-Schönheit Katya Lupi ein imposantes, über 33000 kleine bemalte Kacheln umfassendes Mosaik dem Orden von St. Teodor in Rumänien ab und lässt es seiner Herrin nach Hollywood verschiffen, wo es minutiös in den Kellergewölben ihres mysteriösen Anwesens im Coldheart Canyon wiederhergestellt wird. Der nach der kaltherzigen Diva benannte Canyon erblüht in der goldenen Ära Hollywoods zum dekadenten Zentrum der Filmmetropole und stürzt so manchen Star ins Verderben.
Nun droht auch dem alternden Hollywood-Action-Star und Frauenschwarm Todd Pickett ein ähnliches Schicksal, als er dem Vorschlag des ätzenden Paramount-Chefs Gary Eppstadt folgt und sich einer Gesichtsoperation unterzieht. Doch Komplikationen erfordern, dass Pickett nach der OP untertaucht. Coldheart Canyon scheint der ideale Ort für den Heilungsprozess zu sein. Schnell gerät er in den Bann der schönen Katya, die noch immer wie eine 25-jährige aussieht und Todd im so genannten Teufelsland mit den verruchtesten Wesen und Sexualpraktiken vertraut macht…
„Coldheart Canyon“ wird als „Opus Magnum“ des „Hellraiser“-Schöpfers angepriesen und gefällt zumindest als satirischer Seitenhieb auf Hollywood, während die Beschreibungen von Teufelsland leider längst nicht mehr die visionäre Wucht früherer Romane wie „Imagica“ oder „Jenseits des Bösen“ entfalten. Aber gute Horror-Unterhaltung ist es allemal.

Clive Barker - „Abarat – Tage der Wunder, Nächte des Zorns“

(Heyne, 574 S., geb. im Schmuckschuber)
Es ist selten genug, dass deutsche Hardcover-Ausgaben in ihrer Aufmachung die englischen/amerikanischen Original-Ausgaben bei weitem übertreffen. Dem Heyne-Verlag ist das mit dem auf vier Bände angelegten „Abarat“-Zyklus von Horror-Papst Clive Barker („Hellraiser“, „Lord Of Illusions“) allerdings auf prächtige Weise gelungen. Auch der zweite Band des Fantasy-Epos, für das sich Disney bereits die Filmrechte gesichert hat, erscheint in auf 2000 nummerierte Exemplare limitierte Luxus-Ausgabe im aufwändigen Leinenband mit farbigem Kopfschnitt und im handgefertigten Schmuckschuber.
Der von Multitalent Clive Barker selbst prächtig und farbenfroh illustrierte zweite „Abarat“-Band schildert die weitere Reise des 15-jährigen Mädchens Candy Quackenbush, die eines Tages die Lincoln Street in Chickentown bis zum Rand der Stadt läuft und auf einmal, von einer goldenen Wolke angezogen, über das Meer Izabella nach Abarat gelangt, einem Archipel von 25 Inseln, eine Insel für jede Stunde des Tages und eine außerhalb der Zeit. Erst während der Reise wird ihr klar, dass es an ihr allein liegt, diese wunderbare Inselwelt vor Lord Carrion, dem Fürsten der Mitternacht, zu bewahren, der diese mit seinen Albträumen in Dunkelheit zu tauchen plant. So schickt er Houlihan, den Kreuz-und-quer-Mann, auf die Mission, dieses Mädchen einzufangen und zu ihm zu bringen. Doch Candy gelingt es, zusammen mit der Gesh-Ratte Malingo und weiteren Gefährten, von Insel zu Insel zu fliehen, von Tazmagor zu Orlandos Kappe bis zu den Pyramiden von Xuxux, wo die königlichen Familien zur letzten Ruhe gebettet wurden. Dort will Carrion die hungrige Beutelbrut aktivieren, seine finsteren Pläne zu vollenden …
Auch mit dem zweiten „Abarat“-Band ist Clive Barker ein schillerndes Fantasy-Meisterstück mit allerlei skurrilen Figuren, ausladenden Kulissen und spannenden Abenteuern gelungen, dessen Fortsetzung hoffentlich nicht lange auf sich warten lässt …
Lesen Sie im Buch: Clive Barker - "Abarat - Tage der Wunder, Nächte des Zorns"

Clive Barker - “Abarat”

(Heyne, 476 S., HC)
Wenn Fantasy- und Horror-Autoren Kinderbücher schreiben, laufen sie oft zu absoluter Hochform auf, siehe Neil Gaiman (“Caroline”, "Der Sternwanderer") oder Stephen King („Die Augen des Drachen“). Auch „Hellraiser“-Schöpfer Clive Barker hat mit „Haus der verschwundenen Jahre“ bereits ein wundervolles, selbst illustriertes Kinderbuch geschrieben, nun legt er mit dem auf vier Bände angelegten „Abarat“-Zyklus auf fantasiereiche Weise nach.
Im ersten Band wird die Geschichte des jungen Mädchens Candy Quackenbush erzählt, die das dröge Dasein im einzig von der Hühnerzucht lebenden Kaff Chickentown satt hat, zumal ihr Vater seinen Job wegen Trunkenheit in der Hühnerfabrik verloren hat und nun der Familie daheim das Leben zur Hölle macht. Als ihr auch noch ihre Lehrerin für einen Aufsatz über Chickentown eine Sechs verpasst, hat Candy endgültig genug und flieht die Lincoln Street bis zu ihrem Ende entlang, wo sie wogendes Grasland und eine riesige Wolke erwartete. Noch ein paar Schritte weiter und sie entdeckt einen Leuchtturm und ein Geschöpf mit acht Augenpaaren, den Meisterdieb John Mischief mit seinen sieben John-Brüdern. Er übergibt ihr einen wertvollen Schlüssel, womit Candys Abenteuer erst richtig beginnt. Auf der Flucht vor dem Monster Mendelson Shape, einem Diener des Herrn der Mitternacht, muss sie das Licht im Leuchtturm entzünden, dann nähert sich das geheimnisvolle Izabella-Meer, das die 25 Inseln des Abarat beherbergt, eine für jede Stunde des Tages und eine außerhalb der Zeit. Schnell wird Candy klar, dass verschiedene böse Mächte hinter dem Mädchen aus dem „Hernach“ und ihrem Schlüssel her sind, aber Candy bewegt sich ungewöhnlich sicher in der Welt der Monster, Feen und Zauberer. Ihre schwierige Aufgabe ist es, nichts weniger als das Archipel von Abarat vor dem Herrn der Mitternacht zu retten…
Inspiriert von den wunderschönen Hardcover-Ausgaben im Schuber von Clive Barkers „Das Sakrament“ und „Dieb der Zeit“ des Verlags edition phantasia veröffentlicht nun auch Heyne den ersten Band von „Abarat“ im schmucken, nummerierten, limitierten Leinen-Hardcover und Schmuckschuber auf Hochglanzpapier mit vielen Ölbild-Illustrationen des Autors. Disney plant übrigens zwei Spielfilme und eine Fernsehserie zu „Abarat“.
Lesen Sie im Buch: Clive Barker - "Abarat"

Clive Barker - „Clive Barker’s A-Z Of Horror"

(Harper Prism, 256 S., HC)
Clive Barker ist nicht nur ein großartiger Romancier, sondern ebenso wie Stephen King ein profunder Kenner und Liebhaber des Horror-Genres. Im Begleitbuch zur BBC-Fernsehserie „Clive Barker’s A-Z Of Horror“ nimmt der kenntnisreiche Filmemacher, Maler und Schriftsteller den Leser auf eine persönliche Reise durch die Geschichte des Horrorfilms.
Auf der einen Seite bekommt man unter A wie „American Psycho“ nicht nur Hintergründiges zu Filmen wie „Psycho“, „Texas Chainsaw Massacre“ und „Das Schweigen der Lämmer“ geboten, sondern auch Infos zum „Psycho“-Autor Robert Bloch und zu populären Serienmördern, erhält unter J wie „Japan“ einen Überblick über japanische Monsterfilme oder unter Q wie „Quiet Men“ Filmographien von Roger Corman, Vincent Price und Boris Karloff. Auf der anderen Seite wird man mit Barkers wichtigsten Einflüssen selbst vertraut, beispielsweise mit dem Grand-Guignol-Theater, das Barkers frühen Theaterproduktionen inspiriert hat, oder Grimms Märchen. Und das alles wird auf Hochglanzpapier mit vielen tollen Farb- und Schwarz-Weiß-Bildern, reichlichen Zitaten von Horror-Machern und Illustrationen vom Meister selbst präsentiert.

Clive Barker – „Stadt des Bösen“

(Heyne, 779 S., Tb.)
Im Frühjahr 1848 brechen 83 Menschen von Independence, Missouri, Richtung Westen auf, wo sie einen Ort des Überflusses zu finden hoffen, doch die beschwerliche Reise forderte vor allem im heißen Sommer immer mehr Tote. Von den 32 Kindern, die anfangs zum Treck zählten, ist nur noch eines übrig, die hagere und unscheinbare zwölfjährige Maeve O’Connell, deren Vater Harmon immer wieder ausschweifend von seinen Ambitionen im Westen erzählt. Während seine Mitreisenden bescheidene Träume von einem Wald, einer Holzhütte, gutem Boden und frischem Wasser hegen, will Harmon in Oregon eine ruhmreiche, strahlende Stadt mit Namen Everville errichten, die er so oft in Träumen gesichtet hat. „Träume sind Türen, Mr. O’Connell“, waren die ersten Worte, die der geheimnisvolle Mr. Owen Buddenbaum zu ihm sagte. Everville sei der Name eines irischen Fabelwesens, das Männer in ihren Träumen besucht, doch mehr hat Maeve ihrem Vater an Informationen über Everville nie entlocken können. Der Gemeinschaft sind O’Connells Ambitionen aber dermaßen suspekt, dass sie ihn mit dem Teufel im Bunde sehen und ihn heimtückisch ermorden. Maeve kann ihm noch das Versprechen geben, dass sie Everville erbauen wird, dann wird sie von einer mysteriösen Kreatur mit Flügeln himmelwärts entführt und an einen offensichtlich heiligen Ort gebracht, wo sie den Frevel begeht, bei einer Hochzeit zu sprechen. Ihr Retter Coker Ammiano muss mit Maeve flüchten, um nicht für das folgende Blutvergießen zwischen den Clans verantwortlich gemacht werden zu können. Coker berichtet Maeve von der Essenz, wo Menschen seltsame Länder, Tiere, Städte, Bücher, Monde und Sterne träumen. Obwohl der Ort nicht für Fleisch und Blut gemacht wurde, haben sich immer wieder Taschenspieler, Dichter und Magier dorthin verirrt und Kinder gezeugt, die teils Menschen sind und teils nicht. Coker will mit Maeve gerade die Schwelle zur Essenz übertreten, als sie Buddenbaum entdeckt, von wem sie noch erfahren will, was Everville für ihn bedeutet, und so bleibt auch Coker bei ihr.
Währenddessen hat Noah an dem Ort, an dem Maeve mit ihren Worten die Zeremonie gestört und die Katastrophe herbeigeführt hat, an der Stelle, wo sich die Schwelle zwischen Kosm und Metakosm befindet, Everville aufgebaut. Er würde an der Schwelle warten, bis jemand das Tor erneut öffnete …
Als die Drehbuchautorin Tesla Bombeck, die vor fünf Jahren den Untergang der kalifornischen Kleinstadt Palomo Grove miterlebt hat und seitdem auch den einst als Affen geborenen, nun menschlich gewordenen Raul in sich trägt, nach Everville kommt, wo sich der große Widersacher Fletcher befinden soll, finden dort gerade die Vorbereitungen zum großen Festival statt. Während der Rechtsanwalt Erwin Toothaker das dunkle Geheimnis über die Gründung von Everville zu lüften versucht, kommt Morton seiner Frau Phoebe Cobb und ihrem Liebhaber Joe Flicker auf die Spur, muss diese Entdeckung allerdings mit dem Leben bezahlen. Joe flüchtet aus der Stadt und trifft in den Bergen Noah, der Joe darum bittet, ihn die zehn Schritte zum Ufer von Essenz zu bringen, wofür er Joe eine Menge Macht auf der anderen Seite der Schwelle verspricht. Während Joe aus erster Hand das Meer der Träume entdeckt, erfährt seine Phoebe durch Tesla alles Wissenswerte über den Kampf zwischen Fletcher und dem Jaff, der Palomo Grove in Schutt und Asche legte, die Essenz und die Insel Ephemeris. Offensichtlich befindet sich in Everville der Kreuzweg, der von Mächten besucht wird, die eine neue Ära einleiten wollen.
„Ich glaube, wir nähern uns dem Ende unseres Daseins, wie wir es kennen. Wir werden einen Sprung auf der Evolutionsleiter machen. Und damit ist dies eine gefährliche und wunderbare Zeit“, erklärt Tesla ihrer neuen Weggefährtin Phoebe. Wie gefährlich das Leben in Everville geworden ist, muss nicht nur Toothaker schmerzhaft am eigenen Leib erfahren, als sein Körper von dem Schamanen Kissoon eingenommen wird, damit dieser die „Kunst“, die größte Macht der Welt, erlangen kann. Aber auch Buddenbaum, der Todesjunge Tommy-Ray und der aufs Übersinnliche spezialisierte Detektiv Harry D’Amour mischen in dem apokalyptischen Spektakel mit, das Everville und seine Einwohner und Besucher für immer verändern wird …
Fünf Jahre nach seinem großen Fantasy-Epos „The Great & Secret Show“ (auf Deutsch etwas prosaischer als „Jenseits des Bösen“ erschienen) legt Clive Barker mit „Everville“ (leider etwas zu reißerisch mit „Stadt des Bösen“ ins Deutsche übertragen) eine fulminante Fortsetzung vor, die das unvollendete Geschehen in Palomo Grove nun nach Everville verlagert, wo sich nun die Schwelle zwischen dem Kosm und Metakosm, zwischen der Gegenwart und Traumwelt befindet. Mit großer Sprachgewandtheit und grenzenloser Phantasie entfesselt Clive Barker ein farbenprächtiges Gemälde voller schillernder Figuren und magischer Vorgänge in faszinierenden Welten, wobei er souverän die großen Themen wie Liebe, Leben, Tod, Glaube und Daseinsformen im Dies- wie Jenseits abhandelt.

Clive Barker – „Jenseits des Bösen“

(Heyne, 597 S., Jumbo)
„Erinnerungen, Prophezeiungen und Phantasiegespinste, Vergangenheit, Zukunft und der Augenblick des Traums dazwischen – sie alle schaffen ein Land, das einen einzigen, unsterblichen Tag lang existiert. Das zu wissen, ist Weisheit. Es sich nutzbar zu machen, ist die Kunst.“
Und diese Kunst, von der Clive Barker im Prolog schreibt, will der einfache Postmitarbeiter Randolph Ernest Jaffe, erlernen. Er stößt eher zufällig auf sie, als er im Winter 1969 von seinem Vorgesetzten Homer damit beauftragt wird, die Säcke an Irrläufern, die irgendwann immer in Omaha, Nebraska, landen, weil sich weder der Osten und noch der Westen des Landes dafür zuständig fühlt, zu sichten und zu sortieren, die Geldscheine und Schecks und Wertgegenstände zu sammeln und den Rest zu verbrennen. Doch zwischen all den Liebes-, Abschieds- und Erpresserbriefen, verloren gegangenen Romanen und Rezepten kristallisiert sich für Jaffe eine fundamentale Wahrheit heraus, um das Meer der Meere, um Träume, eine Insel, das Ende der Welt und ihren Anfang und eben die Kunst.
Als er genügend Informationen zusammengetragen hat, bringt er Homer um, verbrennt alle Briefe und macht sich auf den Weg, um die Kunst zu finden. Er sammelt Erfahrungen, erlebt alle körperlichen Empfindungen und trifft auf Kissoon, der Jaffe von der Essenz und den darin schwimmenden Inseln, den Ephemeriden, erzählt. Doch Jaffe bleibt nicht, um sich mit Kissoon zu verbünden, er will mehr, und mit dem Wissenschaftler Richard Wesley Fletcher scheint Jaffe in Maine einen passenden Suchenden gefunden zu haben. Fletcher hat sich darum bemüht, die Kraft in lebenden Organismen, die für die Evolution verantwortlich sind, zu isolieren und im Labor zu synthetisieren. Elf Monate später ist es soweit. Die Substanz, die Fletcher Nuncio, den Boten, nennt, soll die Große Arbeit vollenden, mit der Menschen über sich selbst hinauswachsen können. Doch Fletcher ahnt schnell, dass die Substanz bei Jaffe nicht in guten Händen sein würde. Fletcher und Jaffe bekriegen sich und können einander doch nicht besiegen. Völlig erschöpft landen sie im Sommer des Jahres 1971 in der Kleinstadt Palomo Grove. Als sich die vier Freundinnen Arleen Farrell, Trudi Katz, Joyce McGuire und Carolyn Hotchkiss in einem offenbar über Nacht entstandenen See im Wald abkühlen wollen, werden sie von einer unheimlichen Macht unter Wasser gezogen und verändert wieder an die Oberfläche gespült. Allesamt fühlen sie sich auf merkwürdige Weise auserwählt. Joyce lässt sich von ihrem Schwarm Randy Krentzman schwängern, Carolyn von ihrem Nachbarn, dem Mittfünfziger Edgar Lott und Trudi von dem Gärtner der lutheranischen Kirche, während die Kleinstadtschönheit Arleen sich in der örtlichen Bar von jedem besteigen lässt, der sich in die Schlange einreiht, als Einzige aber nicht schwanger wird. Die unrühmliche Geschichte über den „Bund der Jungfrauen“ sorgt lange Zeit für Gesprächsstoff im Ventura County. Als im April des nächsten Jahres Trudi ihren Sohn Howard Ralph, Carolyn ihre Tochter Linda und Joyce die beiden Zwillinge Jo-Beth und Tommy-Ray zur Welt bringen, bricht der Bund der Jungfrauen auseinander. Siebzehn Jahre später kehrt Howard aus Chicago in seine Heimatstadt zurück, um herauszufinden, wer er eigentlich ist, und verliebt sich ausgerechnet in Jo-Beth, die von ihrer Mutter ausdrücklich gewarnt wird, sich mit Howard auch nur zu treffen. Der Jaff und Fletcher versuchen, ihre Kinder für sich zu gewinnen, damit diese den Kampf zu Ende ausfechten können, den die beiden Suchenden begonnen haben …
Clive Barker hat mit seinen sechs „Büchern des Blutes“ das Horror-Genre revitalisiert, mit seinen folgenden Romanen aber mehr den Bereich der epischen Fantasy abgedeckt. „Jenseits des Bösen“ ist ein grandioses Epos mit vielen Protagonisten und unzähligen Leidenschaften, magischen Wünschen und endzeitlichen Auseinandersetzungen, voller sprachlicher Brillanz und überbordender Fantasie, die gerade im letzten Drittel, als die Protagonisten die sagenumwobene Essenz erreichen, wortgewaltig zum Ausdruck kommt. Einziges Manko: Bei aller sprachlicher Virtuosität und schillernder Imagination verliert Barker manchmal die Geschichte selbst aus dem Fokus und führt den Leser auf manchmal komplex angelegte Nebenschauplätze, die die Spannung der Story untergraben. In seinem Setting erinnert es etwas an Stephen Kings Endzeit-Drama „The Stand – Das letzte Gefecht“, doch trumpft Barker in seinem Werk mit einer viel vitaleren Vision, schillernderen Welten und einer sprachlichen Größe auf, die Ray Bradbury zur Ehre reichen würde. Jahre später entstand mit „Stadt des Bösen“ eine noch umfangreichere Fortsetzung.

Clive Barker - „Cabal“

(Edition Phantasia, 215 S., Pb.)
Nachdem Clive Barker mit seinen „Büchern des Blutes“ für eine literarischen Sensation gesorgt und dann auch noch mit seinem Regiedebüt „Hellraiser“ neue Maßstäbe im Horror-Genre gesetzt hatte, verfilmte er auch seine Novelle „Cabal“ selbst, die nun in leicht überarbeiteter Form wieder als Taschenbuch erhältlich ist. „Cabal“ erzählt die Geschichte des von schrecklichen Albträumen geplagten Aaron Boone, der von seinem Psychiater Dr. Decker erfährt, dass es sich nicht um reine Albträume handelt, sondern dass Boone tatsächlich für einige abscheuliche Serienmorde verantwortlich sein soll.
Bevor die Polizei ihn greifen kann, flieht Boone und macht sich dabei auf die Suche nach dem legendären Midian, das den Ausgestoßenen eine Heimat bieten soll. Zwar wird Boone von der unter einem Friedhof lebenden Gemeinschaft von Monstern aufgenommen, doch gleichzeitig hat er die Polizei auf die Spur gebracht, die schwer bewaffnet nicht nur Boone den Garaus machen will …
In Barkers faszinierenden Novelle erscheinen die Ungeheuer menschlicher als die Menschen; dazu entwirft das künstlerische Multitalent eine schillernde Mythologie, die auch im Film kongenial umgesetzt wurde.

Clive Barker - „Hellraiser“

(Edition Phantasia, 128 S., Pb.)
Während “Die Bücher des Blutes” den literarischen Durchbruch für Clive Barker bedeuteten, sorgte “Hellraiser” für den erfolgreichen Einstieg des britischen Autors im Filmbereich. Der Film, der bis heute sieben Sequels nach sich zog, basierte auf der 1986 veröffentlichten Novelle „The Hellbound Heart“, die im Zuge des Filmerfolgs auch hierzulande erschien. Nun ist die faszinierende Geschichte in neuer Übersetzung von Joachim Körber und mit Clive Barkers Illustrationen als Neuausgabe erhältlich.
Der ruhelose Abenteurer Frank Cotton ruft mit Hilfe einer mysteriösen Puzzlebox die Zenobiten herbei, schaurige wie faszinierende Vertreter des Ordens der klaffenden Wunde, die Frank neue Erfahrungen jenseits von Lust, Schmerz und Ekstase schenken. Doch die Qualen werden Frank zu viel, er flüchtet, verliert aber seine körperliche Hülle, die erst durch einen Tropfen Blut sich zu regenerieren beginnt und dann mehr Fleisch benötigt, um vollständig in fleischlicher Form zurückzukehren. Da kommt ihm Julia, die gelangweilte Frau seines Bruders Rory, gerade recht. Doch Rorys Tochter Kirsty macht dem Paar einen Strich durch die Rechnung, entwendet die Box und landet dafür in der Klapse …
Mit üppiger Phantasie und gar nicht zimperlichen Beschreibungen beschwört Clive Barker die verführerische Lust des Schreckens herauf.