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John Jay Osborn – „Liebe ist die beste Therapie“

Sonntag, 2. Dezember 2018

(Diogenes, 286 S., HC)
Steve und Charlotte sind Mitte Dreißig, haben zwei Kinder und eigentlich alles, was zu einem glücklichen Leben gehört. Allerdings sind Charlotte als Universitätsdozentin und Steve als Teilhaber einer großen Private-Equity-Firma so stark in ihren jeweiligen beruflichen Alltag eingebunden, dass die Ehe darüber zerbrochen ist. Nun leben sie seit einigen Monaten getrennt, haben das Haus, das Steve beleihen musste, um seine Teilhaberschaft zu finanzieren, für zweihunderttausend Dollar verkauft und in neue Wohnungen gezogen. Doch obwohl erst Steve und dann auch Charlotte eine außereheliche Affäre hatten, hängen sie zu sehr aneinander, um sich einfach scheiden zu lassen.
Um ihrer Ehe noch eine Chance zu ermöglichen, suchen sie die bereits zweifach geschiedene Paartherapeutin Sandy auf, die durch ihren Art der Fragestellungen tatsächlich dafür sorgt, dass sich Steve und Charlotte nach und nach die Dinge anvertrauen, die sie in der Ehe gestört haben, wie sie sich jetzt fühlen mit dem Wissen um die Affären und die Verletzungen, die sie einander zugefügt haben. Alte Gewissheiten werden hinterfragt, Vertrauen muss wiederaufgebaut werden, doch scheinen gewisse Verabredungen nicht förderlich für die schrittweise Annäherung zu sein. 
„Abmachungen sorgten für Stagnation, fand Sandy. Warum sollte man den Status quo solch einer Ehe erhalten wollen? Warum waren die beiden denn sonst hier, wenn nicht, um gründlich etwas zu ändern?“ (S. 67) 
Gleich mit seinem ersten Roman „The Paper Chase“ (1971) hat der US-amerikanische Anwalt, Jura-Professor und Autor John Jay Osborn einen Bestseller veröffentlicht, der 1973 erfolgreich mit Timothy Bottoms und dem für seine Darstellung Oscar-prämierten John Houseman verfilmt worden ist. Bis 1981 veröffentlichte Osborn drei weitere Romane. Nachdem er auch Drehbücher für Fernsehserien und -filme wie die Serien-Adaption von „The Paper Chase“, „L.A. Law“ und „Spenser: For Hire“ geschrieben hatte, legt er nach vielen Jahren mit „Liebe ist die beste Therapie“ wieder einen Roman vor, der sich wie ein äußerst intimes Kammerspiel liest.
Die Handlung spielt sich nämlich nur in der Praxis von Paartherapeutin Sandy ab. Ereignisse wie ein Wochenende, das Steve beispielsweise mit seiner privaten Kochlehrerin Gabriella verbringt, werden dann erst im Nachhinein während der Therapiesitzungen aufgearbeitet. Auffällig ist nur der grüne Sessel im viktorianischen Stil, der so gar nicht zu der übrigen Einrichtung passt, aber im Verlauf der Therapie eine immer wichtigere Rolle spielt.
Doch die eigentliche Spannung bezieht der Roman aus der Frage, ob es Steve und Charlotte gelingt, mehr aus der Chance von 1 zu 1000 herauszuholen, ihre Ehe retten zu können. Hier sorgt Sandy mit teils überraschenden, nachbohrenden und teilweise provozierenden Fragen dafür, dass sich ihre Patienten ihrer wahren Gefühle bewusst werden und diese auch so kommunizieren. Denn sehr schnell wird klar, dass weder materielle Nöte, noch zu wenig Liebe zur Trennung geführt haben, sondern eine fehlerhafte Kommunikation. Wie sich Steve und Charlotte unter professioneller Anleitung miteinander unterhalten und dabei ganz neue Erkenntnisse gewinnen und Veränderungen im eigenen Verhalten ebenso wie in dem des Gegenübers wahrnehmen, macht „Liebe ist die beste Therapie“ durchaus lesenswert, ist aber in erster Linie für diejenigen interessant, die auch mal an diesem Punkt einer Beziehung standen. Davon abgesehen gelingt es Osborn sehr gut, seine Figuren allein durch die Gesprächskultur, die er in Sandys Praxis entwickelt, zu charakterisieren, allerdings ist in diesem Rahmen die Entwicklung der Figuren auch vorhersehbar, der Spannungsbogen entsprechend moderat ausgefallen.
Leseprobe John Jay Osborn - "Liebe ist die beste Therapie"