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Cody McFadyen – (Smoky Barrett: 5) „Die Stille vor dem Tod“

Donnerstag, 29. Dezember 2022

(Lübbe, 478 S., HC) 
Der 1968 in Fort Worth, Texas, geborene Cody McFadyen hat sich mit seiner Reihe um die unerschrockene wie geniale FBI-Ermittlerin Smoky Barrett auf eine besondere Nische des literarischen Thrillers spezialisiert, die in der Welt des Films dem Genre des „Torture Porns“ ihre Entsprechung finden würde. Dabei geht es nicht in erster Linie um die besonders raffinierte Lösung komplexer Morde – auch wenn es uns die Klappentexte der Bücher weismachen wollen -, sondern vor allem um die Darstellung der grausamsten Verbrechen, die man sich nur vorstellen kann. 
Das fängt bei McFadyen bereits damit an, dass er seine Ich-Erzählerin, die kleine, aber taffe FBI-Agentin Smoky Barrett, dem Publikum zunächst als Opfer eines psychopathischen Killers macht. Joseph Sands drang in ihr Haus ein, fesselte ihren Mann Matt, vergewaltigte Smoky vor seinen Augen mehrere Male und zerschnitt ihr mit einem Messer das Gesicht, bevor er Matt tötete. Smoky konnte sich zwar befreien, doch als sie ihren Peiniger töten wollte, erschoss sie auch ihre Tochter Alexa, die er als Schutzschild missbrauchte. 
Nach einer langen Therapie bei Dr. Childs konnte sie wieder ihren Dienst ausüben und machte sich mit ihrem bewährten Team aus dem misanthropischen James, der lebenslustigen Callie und dem zuverlässigen Alan weiter auf die Jagd nach Serienkillern. McFadyen folgt in seiner Dramaturgie den Gesetzen der Hollywood-Sequels von Torture-Porn-Filmen wie „Saw“ und „Hostel“ – mit jedem Teil muss es blutiger und brutaler werden, um das Publikum bei der Stange zu halten. Leider macht McFadyen den Fehler, dieses Gesetz über die Qualität seiner Geschichte zu setzen, so dass er mit „Die Stille vor dem Tod“ am Tiefpunkt der Reihe angelangt ist. 
Obwohl Smoky Barrett bereits seit siebeneinhalb Monaten schwanger ist, lässt sie sich nicht davon abbringen, mit ihrem Team zu einem besonders grausamen Tatort nach Colorado zu fliegen, wo innerhalb eines Wohnblocks drei Familien bestialisch abgeschlachtet wurden. Als Smoky den von Polizisten – eigentlich - abgesicherten Tatort betritt, wird sie von einem Teenager-Mädchen mit einer Schrotflinte bedroht. Sie erzählt Smoky von zwei absolut bösen Männern, die Grausamkeiten nur zu ihrem Vergnügen verüben, sich an der Hoffnungslosigkeit und Resignation ihrer Opfer weiden würden. Das Vorgehen dieser beiden Männer wäre einer Person bekannt geworden, die der Kirche des Fundamentalen Ich angehören, aber einen eigenen Plan verfolgen würde. 
Das Mädchen erzählt Barrett von einem Bunker, der unter dem Gelände liegen würde, und einem Milgram-Experiment, dann wird sie wie von ihr vorhergesagt erschossen. Da sich Smoky vor Angst eingenässt hat, wird sie von Alan und Callie zu den Darbys in der Nachbarschaft gebracht, wo sie sich duschen und umziehen kann. Wenig später gelingt es Ben Darby, seine Frau Veronica zu erschießen, Smoky in seine Gewalt zu bringen und in den Bunker zu entführen, wo sich der Marine-Offizier als sadistischer Psychopath entpuppt. Zwar gelingt es Smoky, Ben zu töten, doch als sie durch die Flure des hochmodern eingerichteten Bunkers streift, packt sie das pure Grauen, denn hier finden sich nicht nur eine exakte Kopie der Bürotoilette, sondern auch eine kunstvolle Videoprojektion, die das Massaker von Nanking im Jahr 1937 wiedergeben, Glaskäfige, in denen nackte Menschen wie Tiere gehalten werden, und sogar eine Vitrine, in der detailgetreu die Nacht nachgestellt wurde, in der Matt und Alexa starben. In den darauffolgenden Monaten hat sich Assistant Director Jones offensichtlich als Verräter erwiesen, der sich ohne ein Abschiedsbrief in seinem Badezimmer erhängte. Außerdem ist Smokys Haus bis auf die Grundmauern abgebrannt, ihr Mann Tommy hat nach einem Kampf fast ein Auge verloren, und James ist, nachdem seine Mutter getötet wurde, völlig untergetaucht. Natürlich fängt sich Smoky nach den traumatischen Erlebnissen wieder – mit Unterstützung ihres Therapeuten Dr. Childs. Zusammen mit ihrem Team macht sie James in einem Hotel in Las Vegas ausfindig, bringt ihn dazu, zur Gruppe zurückzukehren und Jagd auf die beiden bösen Männer zu machen, die sich als der Wolf und der Folterer der Öffentlichkeit vorstellen und Ungeheuerliches vorhaben… 
„Noch nie bin ich einer Kreatur gegenübergetreten, die eine so schallende Ohrfeige für die Schöpfung war. Ich muss meinen ganzen Willen aufbringen und meinen Verstand beruhigen mit dem Gedanken, dass die Bestie in Ketten ist; schließlich ist es so, dass als säße ich einem leibhaftigen Raubtier gegenüber, so nahe, dass ich seinen stinkenden Atem riechen kann.“ (S. 440) 
Was verbreitet noch mehr Grauen als EIN sadistischer Serienvergewaltiger und -mörder? Na klar: EIN GANZER HAUFEN sadistischer Serienvergewaltiger und -mörder! Nach diesem offenbar simplen Rezept versucht der auf Superlative des Grauens spezialisierte McFadyen in seinem fünften Smoky-Barrett-Roman dem zuvor schon Unvorstellbaren noch eins draufzusetzen. Allerdings hängt er seine Leserschaft diesmal schon auf den ersten fünfzig Seiten komplett ab, wenn er eine hochschwangere FBI-Agentin an einen Tatort mit drei abgeschlachteten Familien ziehen lässt, die dann auch noch unter den unglaublichsten Umständen gekidnappt und in ein „Museum des Todes“ verschleppt wird, das sich als größtes Schreckenskabinett entpuppt, das sich der menschliche Geist in seinen düstersten Winkeln nur vorstellen kann. 
Detailliert beschreibt McFadyen die umfassenden Überwachungssysteme, die Arrangements von Vergewaltigung, Folter und Mord in den ausgestellten Vitrinen; Material, das bis in die intimsten Bereiche auch von Smoky Barretts Leben vordringt. Gut 100 Seiten verbrennt McFadyen mit den Beschreibungen und Empfindungen, die seine Protagonistin beim Durchqueren des groß angelegten Bunker-Projekts erlebt, bis seine Heldin von ihren Kollegen entdeckt wird. 
Statt jedoch endlich mit der Ermittlungsarbeit zu beginnen, fügt der Autor einen Zeitsprung ein, wobei ihm zwei Zeitungs-Kolumnen und ein Internet-Blog dazu dienen, die Ereignisse in der Zwischenzeit zu thematisieren. Da soll auf einmal der so vertrauenswürdige Vorgesetzte von Smoky Barrett, AD Jones, seine eigenen Leute verraten und ein Video von Barretts Vergewaltigung an den Wolf, den Folterer und ihre Gruppe verscherbelt und sich dann umgebracht haben? Merkwürdigerweise wird diese Theorie nicht weiter verfolgt, sondern als gegeben hingenommen, ebenso das Abfackeln von Barretts Haus, wo sich der starke Tommy – mit Unterstützung von Smokys Adoptivtochter Bonnie - natürlich gegen einen russischen Hünen durchsetzen konnte, und der grausame Mord an der Mutter von Smokys Kollegen James, den sie dann erst einmal aus der selbstgewählten Versenkung aufspüren muss. 
Alles in allem ist es einfach starker Tobak, den McFadyen hier präsentiert. Irgendwann lässt der Autor seine Protagonistin fragen: „Glaubst du, das könnte funktionieren? In der wirklichen Welt?“ Diese Frage muss der Leser eindeutig verneinen. Zumal die fadenscheinige Auflösung, wer als Kopf hinter der Bande steckt, dem ganzen Irrsinn noch die Krone aufsetzt. Trotz des offenen Endes will man hoffen, dass „Die Stille vor dem Tod“ das Ende der Smoky-Barrett-Reihe und den schriftstellerischen Ambitionen von Cody McFadyen bedeutet. 

 

Cody McFadyen – (Smoky Barrett: 3) „Das Böse in uns“

Mittwoch, 21. Dezember 2022

(Lübbe, 446 S., HC) 
Mit seinen ersten beiden Romanen um die Top-FBI-Ermittlerin Smoky Barrett, „Die Blutlinie“ und „Der Todeskünstler“, hat der sich kalifornische Weltenbummler und Schriftsteller Cody McFadyen in die internationalen Bestseller-Listen und die Herzen hartgesottener Thriller-Fans geschrieben. Als Markenzeichen entpuppte sich dabei die detailverliebte Brutalität, die nicht nur die ermittelnde Ich-Erzählerin zu spüren bekam, sondern nun auch die Opfer der Serienkiller erleiden müssen, die Barrett mit ihren hochqualifizierten und ebenso motivierten Kollegen James, Alan und Callie zur Strecke bringen wollen. Insofern stellte sich für den nachfolgenden Band die Frage, ob McFadyen in dieser Hinsicht noch einen draufsetzen wollte oder sich auf literarische Qualitäten besinnen würde. 
Auf persönlichen Wunsch von FBI-Direktor Rathbun wird FBI-Agentin Smoky Barrett ins ferne Virginia geschickt, wo sie sich mit dem Mord an der jungen Lisa Reid beschäftigen soll. 
Der Fall ist nicht nur deshalb besonders spektakulär, weil das Opfer in einem Flugzeug 10.000 Meter über der Erde erstochen wurde, was erst nach der Landung aufgefallen ist, sondern sie ist die offiziell verstoßene Tochter des texanischen Kongressabgeordneten Dillon Reid – verstoßen deshalb, weil es sich bei Lisa eigentlich um den transsexuellen Dexter handelt, der sich zu einer Geschlechtsumwandlung entschieden hat. Die politische Dimension, die eine besondere Sensibilität im Umgang mit der Presse erfordert, macht Smoky aber weniger zu schaffen als die Tatsache, dass bei der Obduktion des Opfers an der Einstichstelle ein Silberkreuz mit einem Totenschädel und der eingravierten Zahl 143 entdeckt wird. Natürlich wird der vermeintliche Sitznachbar der jungen Frau tot in seiner Wohnung aufgefunden. Als wenig später auch in Los Angeles eine junge Frau auf die gleiche Weise ermordet und ebenfalls mit einem Silberkreuz – diesmal mit der Zahl 142 – aufgefunden wird, sind sich Smoky und ihre Kolleg:innen sicher, es mit einem Serienmörder zu tun zu haben. Dabei entspricht die runde Wunde am rechten Brustkorb jener Stichwunde, die der heilige Longinus Jesus nach dessen Tod mit einem Speer zugefügt haben soll, was Barretts Team in die Kreise katholischer Gemeinden führt. 
Schließlich tauchen im Internet Videos von einem selbsternannten „Prediger“ auf, in denen er seine vermeintlich geläuterten Opfer mit den Sünden ihrer Vergangenheit konfrontiert. Schließlich kündigt der Prediger in seinem neuen Video an, als nächstes ein junges Mädchen zu töten, sollte ihn das FBI vorher nicht geschnappt haben. Barrett und ihrem Team läuft die Zeit davon… 
„Er ist gerissen. Seine Ideen sind nicht neu, doch die Art und Weise, wie er sie verbreitet, lässt Umsicht und eine gewisse Ehrfurcht erkennen. Er verbirgt kein anderes Motiv hinter dem, was er sagt. Er glaubt an seine eigenen Worte. Sie sind es, die ihn vorantreiben. Doch was sind das für Worte? Letztendlich geht es um Wahrheit und Wahrhaftigkeit, um Lügen und Sünde und ihre religiöse Bedeutung.“ (S. 362)
Cody McFadyen überrascht zunächst mit einer gelungenen Einführung, die nicht nur einmal rekapituliert, was Smoky Barrett vor ca. drei Jahren ihr selbst und ihrer Familie durch den Serienkiller Julian Sands angetan worden ist, sondern sehr einfühlsam mit dem Gespräch zwischen der Ermittlerin und der Mutter von Lisa Reid die Probleme thematisiert, die mit der transsexuellen Natur des Kindes einer hochrangigen Politikers zusammenhängen. Allerdings wird dieser Aspekt der Geschichte nicht genauer aufgearbeitet, sondern dient nur als Auftakt weiterer grausamer Morde, die sehr schnell deutlich machen, dass der Täter irgendwie hinter die intimsten Geheimnisse seiner Opfer gekommen sein muss, die ihre Sünden gebeichtet und sich längst auf einem tugendhaften Pfad befunden haben, als der Killer sie vor die Kamera zerrte. 
Zu ¾ des Buches schildert McFadyen nicht nur die einzelnen Schritte der Ermittlungsarbeit von Barretts Team, sondern lässt auch einige private Themen in die Handlung einfließen, so Callies bevorstehende Hochzeit, für die sich die ehemalige CIA-Auftragskillerin Kirby als Wedding Planner engagiert, James‘ überraschendes Outing als Homosexueller sowie der Wunsch von Smokys Adoptivtochter Bonnie, endlich auf eine normale Schule gehen zu dürfen, nachdem sie zuvor von Smokys Freundin Elaina Privatunterricht erhalten hatte. 
Doch je mehr sich das FBI dem Prediger nähert, desto mehr driftet McFadyen wieder in alte Verhaltensmuster zurück, beschreibt die abartigsten Verbrechen, in denen Geistliche Inzest ausüben und zehnjährige Mädchen junge Kätzchen genussvoll erwürgen und verbuddeln. Spätestens wenn McFadyen in die verirrte Gedankenwelt des psychopathischen Predigers einzutauchen versucht, werden bis zum Erbrechen religionsphilosophische Fragen erörtert, die dem überkonstruierten Finale die ganze Spannung rauben. Wer aber eine unbändige Lust verspürt, in die tiefsten nur vorstellbaren Abgründe des menschlichen Denkens und Handelns einzutauchen, ist mit „Das Böse in uns“ bestens bedient. 

 

Cody McFadyen – (Smoky Barrett: 2) „Der Todeskünstler“

Sonntag, 18. Dezember 2022

(Lübbe, 556 S., HC) 
Mit seinem ersten Roman „Die Blutlinie“ erwies sich der US-amerikanische Schriftsteller Cody McFadyen als besonders kompromissloser Vertreter der Psycho-Thriller-Garde, stellte er mit der FBI-Agentin Smoky Barrett doch eine gerade mal einsfünfzig große Protagonistin vor, die selbst Opfer eines brutalen Verbrechers wurde: Jonathan Sands hat sie nicht nur mehrfach vor den Augen ihres Mannes Matt vergewaltigt und ihr das Gesicht zerschnitten, sondern ihn auch vor ihren Augen ermordet. Als wäre das noch nicht genug des Terrors, hat Smoky bei dem Versuch, Sands zu erschießen, ihre eigene Tochter Alexa, die er als Schutzschild benutzte, getötet. 
Mittlerweile hat sich Smoky wieder so weit erholt, dass sie ihre Freundinnen Callie und Elaina zu sich einlädt, die Sachen von Matt und Alexa zu entsorgen. Ihr Chef AD Jones bietet ihr einen Job als Ausbilderin in Quantico an, doch bevor sie sich entscheiden kann, wird mit einer neuen Mordserie konfrontiert. 
Als Callie Thorne und Lieutenant Barry Franklin zu einem Tatort in Canoga Park gerufen, wo die 16-jährige, blutverschmierte Sarah Kingsley – mit einer Schusswaffe an ihrer Schläfe - ausdrücklich nach Smoky verlangt. In der Wohnung finden die Cops die nackten und ebenfalls blutüberströmten Leichen von Sarahs Pflegeeltern, Mr. und Mrs. Dean, sowie ihres Adoptivbruders Laurel Kingsley, dazu verstörende Gemälde aus Blut. Sarahs Aussage zufolge kennt sie den Killer, den sie den „Todeskünstler“ nennt, seit sie acht Jahre alt ist und er ihre Eltern ermordet hat. Seither hat es sich dieser Psychopath zur Aufgabe gemacht, alle Menschen, die Sarah liebt, zu foltern und zu töten. 
Smoky bringt Sarah bei Elaina und Alan unter, lässt sie von der taffen Kirby Mitchell bewachen und versucht, durch Sarahs Tagebuch auf die Spur des Killers zu kommen. Der hat in Granada Hills einen weiteren Mann und ein junges Mädchen umgebracht. Als das FBI in der Vergangenheit des Mordopfers José Vargas wühlt, stoßen sie auf eine Spur, die ihn mit einem Ring von Menschenhändlern in Verbindung bringt. Je mehr sich Smoky und ihre Kollegen mit Sarahs Tagebuch auseinandersetzen, desto mehr scheint sich als Motiv des Todeskünstlers Rache herauszukristallisieren, doch der Killer keine Spuren hinterlässt, bleibt seine wahre Identität weiterhin verborgen… 
„Killer sind Killer, und was sie tun, ist unverzeihlich, doch es gibt eine gewisse Tragik bei denen, die zu Killern gemacht wurden. Man kann es sehen, an ihrer Wut. Ihr Tun hat weniger mit Lust zu tun, mehr mit Raserei und Brüllen. Sie brüllen den Vater an, der sie missbraucht hat, die Mutter, die sie geschlagen hat, den Bruder, der sie mit Zigaretten verbrannt hat. Sie beginnen mit Hilflosigkeit und enden mit Tod. Man schnappt sie und sperrt sie ein, weil es getan werden muss, doch man spürt keine Befriedigung dabei.“ (S. 514) 
Was Filmemacher wie Eli Roth („Cabin Fever“, „Hostel“), James Wan („Saw“) und Alexandre Aja („High Tension“, „The Hills Have Eyes“) als Torture-Porn-Genre etablierten, fand in der Literatur ihre Entsprechung bei den Horror-Autoren des Splatterpunk bzw. bei Richard Laymon und Jack Ketchum.  
Cody McFadyen wandelte bereits mit seinem Debüt „Die Blutlinie“ eher auf den Pfaden der ultraharten Horror-Linie als seiner prominenten Kollegen James Patterson, Jeffery Deaver, Thomas Harris oder Jilliane Hoffman. McFadyen taucht zwar ebenso tief in die seelischen Abgründe seiner Protagonisten, lässt dabei allerdings nichts der Fantasie offen. Was allein seine taffe FBI-Agentin Smoky Barrett ertragen musste, deckt eigentlich ein Dutzend brutaler Gewaltverbrechen ab, so unvorstellbar wirkt die Kette aus Folter, Mord und Schmerz. Smoky, die mit Bonnie die verstummte Tochter ihrer ermordeten besten Freundin Annie aufzieht, wird auch in „Der Todeskünstler“ als Ich-Erzählerin etabliert, die sich mit ihrem Team aus erstklassigen Spezialisten auf die Jagd nach einem extrem rachsüchtigen Killer macht. 
Bei der Figurenzeichnung kennt der Autor keine Grautöne. Hier sind die Guten, engagierte, witzige und auch schräge Agenten, dort die Bösen, psychisch gestörte Killer, die über keinerlei Skrupel verfügen, auch die bestialischsten Morde an Unschuldigen zu begehen. 
„Der Todeskünstler“ ist kein Stoff für schwache Nerven, aber auch keine große Literatur. McFadyen entwickelt die größtmöglich vorstellbaren Grausamkeiten, die Menschen begehen könnten, und webt daraus einen Stoff, der Albträume verursacht. Das ist zuweilen recht spannend, aber durch die eindimensionalen Figuren und den höchst unglaubwürdigen Plot ist das Lesevergnügen arg eingeschränkt und nur für „Liebhaber“ des ultraharten Thrillers zu empfehlen. 

 

Dan Brown – (Robert Langdon: 5) „Origin“

Sonntag, 15. Dezember 2019

(Lübbe, 670 S., HC)
Edmond Kirsch, milliardenschwerer Fachmann für Spieltheorie und computerbasierte Modellrechnungen, trifft sich in der legendären Bibliothek von Montserrat mit drei prominenten Vertretern unterschiedlicher Religionen, um ihnen von seiner Entdeckung zu berichten, die Grundlage für eine demnächst geplante öffentliche Präsentation sein soll, die die Grundfesten aller Religionen erschüttern wird. Doch kaum hat er dem spanischen Bischof Antonio Valdespino, der zudem ein enger Vertrauter des spanischen Königs ist, dem jüdischen Philosophen Rabbi Yehuda Köves und Al-´Allāma Seyd al-Fadl seine brisanten Erkenntnisse vorgestellt, werden sowohl der Rabbi als auch der muslimische Religionsführer ermordet.
Währenddessen wird der an der Harvard University lehrende Professor für Symbologie Robert Langdon von seinem früheren Studenten Edmond Kirsch eingeladen, an seiner unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindenden Präsentation im Guggenheim Museum von Bilbao teilzunehmen. Doch während der beeindruckenden Einleitung zur Multimedia-Präsentation, in der Kirsch Antworten auf die zentralen Fragen der Menschheit – Woher kommen wir? – Wohin gehen wir? – zu geben beabsichtigt, wird Kirsch von einem Admiral der spanischen Marine, dessen Name kurzfristig auf die Gästeliste gesetzt worden war, erschossen. Im anschließenden Chaos können Langdon und die bildschöne Leiterin des Museums, Ambra Vidal, zusammen fliehen.
Die Verlobte des spanischen Thronfolgers Júlian hat vor der Präsentation viel Zeit mit Kirsch verbracht und führt Langdon in Kirschs Wohnsitz in Barcelona, wo sie mithilfe von Kirschs KI-Assistenten Winston die so brutal gestoppte Präsentation der Öffentlichkeit zugängig machen wollen. Allerdings benötigen sie dazu ein siebenundvierzig Zeichen langes Passwort, um Zugang zu der offensichtlich nicht nur von radikalen Kirchenvertretern gefürchteten Präsentation zu bekommen. Während sich die Gerüchte mehren, dass ausgerechnet Bischof Valdespino hinter dem Attentat steckt, fürchtet vor allem auch Ambra um ihr Leben.
„Wenn Edmond tatsächlich zwei der größten Mysterien des Lebens gelöst hatte – was konnte daran so gefährlich und zerstörerisch sein, dass man ihn ermordet hatte, um ihn daran zu hindern, seine Entdeckung der Welt zu offenbaren?
Langdon hatte keine Ahnung. Er wusste nur eines mit Sicherheit: Die Entdeckung hatte mit dem Ursprung des Menschen zu tun.
Was kann so schockierend sein am Ursprung des Menschen? An seiner Bestimmung?“ (S. 270) 
Nach „Illuminati“, „Sakrileg“, „Das verlorene Symbol“ und „Inferno“ begibt sich der berühmte Symbologe Robert Langdon in „Origin“ bereits das fünfte Mal auf eine gefährliche Schnitzeljagd, die der amerikanische Bestseller-Autor Dan Brown mit bewährter Raffinesse inszeniert, indem er berühmte Kunstwerke und Bauwerke als zentrale Punkte auf der abenteuerlichen Reise seines sympathischen Protagonisten setzt. Dabei widmet sich Brown auch einem überraschend aktuellen Thema, nämlich den weltweit erschreckenden Ausmaßen terroristischer Anschläge, die im Namen religiöser Überzeugungen verübt werden. Ohne auf vereinzelte Terroranschläge konkret einzugehen, beschwört Brown Philosophen, Dichter, Politiker und Künstler wie William Blake, Friedrich Nietzsche, Charles Darwin, Winston Churchill, Antoni Gaudí und Paul Gauguin herauf, um die Widersprüche und Gegensätze zwischen religiösen Überzeugungen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen aufzuzeigen. Brown hat sich seither mit den großen Mythen vor allem der christlichen Religionen, mit den geheimnisvollen Symbolen berühmter Kunstwerke und großen wissenschaftlichen Entdeckungen auseinandergesetzt. Nun scheint er den letzten großen Geheimnissen auf den Grund gehen zu wollen. Die vermeintliche Beantwortung der eingangs thematisierten Fragen bilden das Spannungsgerüst von „Origin“. Der Leser bekommt erst die ersehnten Antworten, wenn Langdon das Passwort zu entschlüsseln vermag, wobei er einmal mehr von einer attraktiven jungen Frau begleitet wird, die mehr als nur Sympathie für den klugen Mann zu empfinden beginnt. Auf der immerhin 670 Seiten langen Odyssee begleiten wir Robert Langdon, Ambra Vidal und Kirschs kinetisch-intelligenten Assistenten Winston zu verschiedenen Bauwerken und historischen Städten, bekommen die Hintergründe zu William Blakes Gedichten, Gaudís außergewöhnlichen Bauwerken und naturwissenschaftlichen Experimenten erklärt, bis wir zur entscheidenden Frage vordringen, wie Naturwissenschaft und Religion vielleicht miteinander ausgesöhnt werden können.
Das ist ebenso spannend, lehrreich wie unterhaltsam geschrieben und beweist einmal mehr, wie gut Dan Brown das Interesse seiner riesigen Fangemeinde zu fesseln versteht. Dabei trägt der Autor schon mal etwas dick auf und bläht seine Schnitzeljagd auch unnötig mit kunsthistorischen Bezügen auf, aber als Leser fühlt man sich dadurch nicht nur gut unterhalten, sondern auch auf kurzweilige Weise belehrt.
Leseprobe Dan Brown - "Origin"

Dan Brown – (Robert Langdon: 4) „Inferno“

Dienstag, 16. Juli 2019

(Lübbe, 686 S., HC)
Als Robert Langdon, Professor für Kunstgeschichte und Symbologie an der Harvard University, mit Kopfschmerzen in einem Krankenhaus aus einem Albtraum aufwacht, hat er keine Ahnung, wo er ist und wie er dahingekommen ist. Von der jungen Ärztin Dr. Sienna Brooks und ihrem älteren Kollegen Dr. Marconi erfährt Langdon, dass er angeschossen worden sei und wegen des daraus resultierenden Traumas offensichtlich die Erinnerungen an die letzten beiden Tage verloren habe. Bevor Langdon aber weitere Informationen erhalten kann, stürmt eine bewaffnete Frau namens Vayentha ins Krankenhaus und erschießt Dr. Marconi, Langdon kann aber mit Dr. Brooks in ihre Wohnung flüchten.
Wie sich herausstellt, ist Langdon ohne sein Wissen im Besitz eines Biotubes, der nur mit seinem Fingerabdruck zu öffnen ist. Darin befindet sich aber nicht wie erwartet ein Pathogen, sondern ein Projektor, der Sandro Botticellis „La Mappa dell’Inferno“ abbildet, das von „Inferno“, dem ersten der drei Bücher aus Dante Aligheris berühmten Werk „Die göttliche Komödie“ inspiriert wurde. Allerdings entdeckt Langdon auffällige Manipulationen, wobei ihm vor allem die umgestellte Buchstabenkombination „Cerca Trova“ ins Auge fällt.
Die Phrase „Suche, und du wirst finden“ ist Langdon aus seinem Albtraum vertraut, außerdem soll Langdon bei seinem Eintreffen im Krankenhaus immer wieder die Worte „Ve … sorry. Ve … sorry“ gemurmelt haben. Langdon wird klar, dass Botticellis manipuliertes Bild auf den Palazzo Vecchio hinweist, denn „Ve .. sorry“ sollte keine Entschuldigung sein, sondern auf den Biografen und Künstler Giorgio Vasari verweisen, der die Phrase „Cerca Trova“ in seinem berühmten Schlachtengemälde „Battaglia di Marciano“ versteckt hat.
Während die hochintelligente Ärztin und der Symbologe fieberhaft vor der Attentäterin flüchten, die es offensichtlich auf Langdon abgesehen hat, und dahinterkommen wollen, was genau Langdon finden soll, versucht die Direktorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, Dr. Elisabeth Sinskey, unter Einsatz eines Seuchenbekämpfungsteams in Florenz den Plan des ebenso brillanten wie besessenen Genforschers Bertrand Zobrist zu vereiteln, das Problem der Überbevölkerung durch die Freisetzung eines Pathogens zu lösen. Da sie sich nicht erklären kann, warum Langdon plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist, macht sie sich Sorgen um seine Position in diesem Wettlauf gegen die Zeit.
Auf wessen Seite steht er eigentlich?
Sinskey kannte Langdon zwar erst seit wenigen Tagen, doch verfügte sie über eine gesunde Menschenkenntnis und weigerte sich daher zu glauben, dass man einen Mann wie ihn mit Geld verführen konnte. Und doch hat er gestern Abend den Kontakt zu uns abgebrochen. Jetzt sah es so aus, als würde er mit dem Gegner gemeinsame Sache machen. Haben Zobrists Anhänger ihn von dem irrsinnigen Vorhaben überzeugt?“ (S. 392) 
Nach „Illuminati“, „Sakrileg – The Da Vinci Code“ und „Der verlorene Symbol“ präsentiert Bestseller-Autor Dan Brown mit „Inferno“ den vierten Band um den charismatischen amerikanischen Wissenschaftler Robert Langdon, der etliche Bücher zu seinen Fachgebieten der Mystik, okkulten Gesellschaften und Kunstgeschichte veröffentlicht hat und über ein eidetisches Gedächtnis verfügt. Das hilft ihm natürlich auch bei der erneuten Schnitzeljagd durch die Kunst- und Weltgeschichte, die den Symbologen und den Leser von Florenz über Venedig bis nach Istanbul führt. Brown verbindet dabei einen konventionellen Thriller-Plot mit recht ausgiebigen Exkursen und Erklärungen zu den einzelnen Stationen der Schnitzeljagd, vor allem natürlich zu Dantes „Göttlicher Komödie“, aber auch zu den imponierenden Museen und Kirchen, in denen beispielsweise Dantes Totenmaske und andere Kunstwerke ausgestellt sind, die für Langdons „Suche und finde“-Mission von Bedeutung sind. Dass die Verbindung von Thriller-Spannung und Vermittlung von Allgemeinwissen nach altbekanntem Muster verläuft, stört wenig, denn unterhaltsam ist das Konzept nach wie vor, auch wenn die Charakterisierung der Figuren unter dem waghalsigen Tempo leidet. Allein Sienna Brooks erhält eine interessante Hintergrundgeschichte und avanciert schließlich neben Langdon zur zentralen Figur des Romans.
„Inferno“ macht aber nicht nur die Meisterwerke der Renaissance wieder lebendig, sondern thematisiert mit der populationsapokalyptischen Gleichung, die die Probleme der Überbevölkerung zusammenfasst, auch ein sehr aktuelles Problem – und eine auch hier kontrovers diskutierte Lösung. Ron Howard verfilmte wie zuvor schon „Illuminati“ und „The Da Vinci Code“ auch „Inferno“ mit Tom Hanks in der Hauptrolle des Robert Langdon. Da er über weite Strecken auf seine geliebte Mickey-Mouse-Sammleruhr verzichten musste, die ihn daran erinnern soll, dass er das Leben leichter nimmt und öfter lacht, blieb der Humor in „Inferno“ aber gänzlich auf der Strecke.
Leseprobe Dan Brown - "Inferno"

Dan Brown – (Robert Langdon: 3) „Das verlorene Symbol“

Donnerstag, 26. Februar 2015

(Lübbe, 765 S., HC)
Robert Langdon, Harvard-Professor und prominenter Symbologe, wird von seinem väterlichen Mentor Peter Solomon gebeten, sich umgehend mit ihm im Capitol Building in Washington zu treffen, wo er kurzfristig einen Vortrag über die freimaurerische Geschichte der Stadt halten soll. Doch als er die Rotunde des Kapitols betritt, entdeckt er mit Schrecken die abgetrennte Hand seines Förderers, die tätowierten Zeigefinger und Daumen zur Decke ausgestreckt. Langdon erkennt sofort, dass es sich bei der tätowierten Hand um eine Mysterienhand handelt, die der Meister einem Suchenden als Einladung entgegenstreckt, sich einer Elite anzuschließen, die das geheime Wissen sämtlicher Zeitalter hütet, wie die Legenden meinen.
Langdon muss erfahren, dass nicht Solomon ihn nach Washington bringen ließ, sondern ein Verrückter, der erwartet, dass Langdon ihm ein mystisches Portal öffnet, das eine Welt uralter Geheimnisse und verborgenen Wissens enthüllen würde. Um sein Ziel zu erreichen, hat Mal’akh, wie sich der Adept selbst nennt, nicht nur Peter Solomon in seiner Gewalt, sondern auch dessen Schwester Katherine, die als Noetik-Wissenschaftlerin in dem von ihrem Bruder im Smithsonian Institut eingerichteten Labor kurz davor steht, den wissenschaftlichen Kenntnisstand in bisher unerforschte Gefilde auszuweiten.
Überrascht ist Langdon von der Tatsache, dass auch die CIA ein großes Interesse daran zu haben scheint, was es mit den Alten Mysterien auf sich hat, die der Grund für die unerfreulichen Ereignisse sind, denen Langdon und die Solomons ausgesetzt sind.
„Mal’akh hatte Dinge erfahren, von denen er nichts geahnt hatte, darunter von Katherines Labor und ihren atemberaubenden und zugleich schockierenden Entdeckungen. Die Wissenschaft wird immer mächtiger, hatte Mal’akh erkannt, doch ich werde nicht zulassen, dass sie den Unwürdigen den Weg erhellt. Katherines Arbeit beantwortete alte philosophische Fragen mit moderner Naturwissenschaft. Erhört jemand unsere Gebete? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Haben Menschen Seelen? Es war unglaublich, aber Katherine hatte alle diese Fragen tatsächlich beantwortet – und noch andere mehr. Naturwissenschaftlich. Abschließend. Die Methoden, die sie benutzte, waren unwiderlegbar. Mit den Ergebnissen ihrer Experimente würde sie selbst die größten Skeptiker überzeugen. Wurden diese Informationen veröffentlicht, musste das Bewusstsein der Menschen sich grundlegend verändern.“ (S. 321) 
Um sowohl die Forderungen des Entführers der Solomons zu erfüllen als auch deren Leben zu retten, begibt sich Langdon mit Inoue Sato, der Direktorin des CIA-Office of Security, und Reverend Galloway auf eine Schnitzeljagd durch Washington, die Symbole einer durch die Freimaurer gehüteten Pyramide zu entschlüsseln.
Dan Brown hat mit „Illuminati“ (2003) und „Sakrileg“ (2004) nicht nur zwei internationale und mit Tom Hanks erfolgreich verfilmte Bestseller geschrieben, sondern auch das Interesse der Leserschaft an den dunklen Machenschaften der katholischen Kirche, an der scheinbar unüberwindbaren Kluft zwischen Religion und Wissenschaft, an den Mythen um den Orden der Templer und den Heiligen Gral geweckt.
Das Konzept, kulturgeschichtliche Fakten, die Faszination für geheimnisvolle Rituale und das verborgene Wissen der Alten Mysterien mit einer Thriller-Handlung zu verknüpfen, verfolgt Brown auch im dritten Roman um Robert Langdon. Der Plot unterscheidet sich dabei kaum von seinen Vorgängern, nur dass diesmal nicht der Vatikan („Illuminati“) oder der Heilige Gral („Sakrileg“) im Mittelpunkt des Geschehens stehen, sondern die Freimaurer.
Was „Das verlorene Symbol“ dabei so lesenswert macht, sind nicht allein die Ideen, die den Freimaurern zugrunde liegen, sondern einmal mehr die Verbindung zwischen Wissenschaft und Glaube. Die Botschaft, die der Roman vermittelt, könnte als Leuchtfeuer in einer Zeit dienen, die nach wie vor von religiösem Fanatismus und Intoleranz geprägt ist. Allerdings kolportiert Brown das Wesen der Freimaurer recht unreflektiert und weist ihnen, wie es die USA-Gründungsväter Benjamin Franklin und George Washington sicher geplant haben, die Rolle der Wahrheitshüter zu. Das wirkt dann doch oft arg vereinfacht, entspricht aber wiederum den eindimensional gestrickten Figuren, deren Dialoge sich so hölzern lesen wie Wikipedia-Einträge.
Davon abgesehen bietet „Das verlorene Symbol“ aber kurzweilige Thriller-Unterhaltung mit komprimierten Einblicke in die Geschichte der Freimaurer.
Leseprobe Dan Brown - "Das verlorene Symbol"

David Baldacci – Camel Club: 1: „Die Wächter“

Sonntag, 27. November 2011

(Lübbe, 589 S., HC)
West-Point-Absolvent Reuben Rhodes war nach drei Dienstzeiten in Vietnam dem militärischen Geheímdienst zugeteilt worden, kehrte aber der militärischen Laufbahn bald den Rücken zu und wandte sich verschiedenen Protestbewegungen gegen den Krieg zu, bis er einen Job in einer Lagerfirma annahm. Caleb Shaw darf sich zweier Doktortitel in Politikwissenschaften und Literatur rühmen, arbeitet nun aber in der Raritätenabteilung der Kongressbibliothek. Milton Farb zeichnet sich durch eine geistige Brillanz aus, die ihm einen Job in der Forschung für die Nationale Gesundheitsbehörde eintrug, aber eine Zwangsstörung mit starken paranoiden Symptomen führte ihn in eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wo er Oliver Stone kennenlernte.
Einst diente Stone seinem Land als John Carr im Geheimdienst, wurde für tot erklärt und verbringt seine Tage nun als Friedhofswärter und campierte in einem Zelt vor dem Regierungskomplex in Washington, um dort mit Gleichgesinnten gegen die Verschleierungspolitik von Präsident Brennan und seinem Kabinett zu protestieren.
„Vor langer Zeit hatte er den Camel Club zu dem Zweck gegründet, den Mächtigen auf die Finger zu schauen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf deren Treiben zu lenken, sobald die Machtelite krumme Dinger drehte – und das kam öfters vor. Seitdem blieb Stone vor der 1600 Pennsylvania Street auf Posten, schrieb seine Beobachtungen auf, trat für Werte ein, die andere Leute anscheinend nicht mehr als wichtig erachteten – Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zum Beispiel. Allmählich aber fragte er sich, ob der ganze Aufwand lohnte.“ (S. 69f.) 
Gemeinsam bilden die vier als selbsternannte Wächter über die kleinen und großen Skandale im Regierungsgeschäft den sogenannten „Camel Club“. Getreu dem Motto „Ich will die Wahrheit wissen“ analysieren sie das aktuelle Tagesgeschehen und nehmen sich vor, Geheimdienstzar Carter Gray zu stürzen, der als rechter Hand des Präsidenten in den Augen des Clubs zu viel Macht in seinen Händen hält. Als sie in der Nähe ihres geheimen Versammlungsortes zufällig Zeuge eines Mordes werden, kommen sie einem Komplott auf die Spur, bei dem der Präsident entführt und die Schuld den Syrern in die Schuhe geschoben wird, deren Hauptstadt Damaskus in Schutt und Asche gelegt werden soll. Stone und seinen Gefolgsleuten bleibt mit der Unterstützung von Secret-Service-Agent Alex Ford nicht viel Zeit, die Drahtzieher der Verschwörung zu identifizieren …
„Die Wächter“ bildet den interessanten Auftakt einer neuen Reihe des amerikanischen Thriller-Autors David Baldacchi („Der Präsident“), in der von der Gesellschaft und Regierung ausgesonderte Elite-Köpfe einen ambitionierten Club bilden, der sich nichts weniger auf die Fahnen geschrieben hat, als gegen Verfehlungen der Regierung und ihrer Apparate vorzugehen. Baldacci etabliert zwar sympathische Figuren, verleiht ihnen aber leider wenig Profil. Dieses Manko wird hoffentlich in den Folgebänden behoben. Die Story hat in sich, wirkt aber auch über die Maßen spektakulär und deshalb wenig glaubwürdig. Davon abgesehen, ist ihm der Plot extrem spannend gelungen, so dass man weiteren Bänden in der „Camel Club“-Reihe durchaus gespannt entgegensehen darf.

David Baldacci – Camel Club 4: – „Die Jäger"

Donnerstag, 26. Mai 2011

(Lübbe, 494 S., HC)
Nachdem Oliver Stone alias John Carr die Villa des früheren Geheimdienstchef Carter Gray in die Luft gesprengt hatte, sprang er von der Klippe in die Chesapeake Bay und befindet sich seitdem auf der Flucht. Er macht sich immer noch Vorwürfe, für den Tod seines Freundes Milton Farb verantwortlich gewesen zu sein. Wie Carr, die Trickbetrügerin Annabelle Conroy, Kongressbibliothekar Caleb Shaw und Hafenarbeiter Reuben Rhodes gehörte das Computer-Genie Farb dem illustren „Camel Club“ an, einer Gruppe von Verschwörungstheoretikern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, der Wahrheit zu dienen und sie ans Licht zu bringen.
CIA-Agent Joe Knox wird von seinem Chef General Macklin Hayes beauftragt, John Carr ausfindig zu machen, nachdem Carter Gray in seinem Auto und Senator Roger Simpson in dessen Haus erschossen wurden. Die Spur führt Knox direkt zur inzwischen aufgelösten Abteilung 666 der CIA, zuständig für „politische Destabilisierung“, und damit zu Oliver Stone.
Dieser muss nach einer Schlägerei im Zug nach New Orleans mit den jugendlichen Beteiligten an der nächsten Station aussteigen und landet so in dem kleinen Bergwerksstädtchen Divine, wo einige seltsame Todesfälle unter Jugendlichen Stone dazu anregen, diese etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Doch damit bringt er sich einmal selbst in tödliche Gefahr. Währenddessen findet Knox heraus, dass John Carr einst ein gefeierter Kriegsheld gewesen ist, dem ausgerechnet Knox‘ eigener Chef Hayes damals aus unerfindlichen Gründen die Medal of Honor verweigerte und auch noch seine Familie tötete. Je näher er Carr/Stone kommt, desto mehr beschleicht Knox das Gefühl, dass Hayes ein falsches Spiel mit ihm und dem Gejagten spielt.
„Weil Carr aussteigen wollte, hatte man seine Familie ausgelöscht. Knox konnte kaum glauben, dass seine Regierung einen Mann, der ihr so viele Jahre treu gedient hatte, so mies behandelte, doch in der Realität konnte es sich durchaus so abgespielt haben.
Knox schlenderte in sein mit Bücherregalen gesäumtes Arbeitszimmer. Er jagte einen Mann, den die eigene Regierung hintergangen hatte. Gewiss, es gab überzeugende Hinweise darauf, dass Carr sowohl Gray als auch Simpson getötet hatte. Knox blickte auf das Foto seiner Frau, das an einer Wand hing. Was hätte er getan, hätte er erfahren, dass sie von diesen beiden Männern ermordet worden sei? Er setzte sich in einen Sessel, starrte auf den Fußboden und gestand sich ein, dass er vermutlich genauso wie John Carr gehandelt hätte.“ (S. 220 f.)
In Divine kommt nicht nur Oliver Stone einer Serie von bislang ungeklärten Morden auf die Spur, sondern auch einem Drogenkartell, das für den Wohlstand in der kleinen Bergwerkgemeinde verantwortlich ist. Doch auch Knox, Hayes und Stones Freunde vom Camel Club sind auf dem Weg nach Divine, wo Knox und Stone längst ihr Todesurteil erwarten.
Mit dem vierten Band der „Camel Club“-Reihe schlägt David Baldacci von Beginn an ein hohes Tempo an, setzt er doch nahtlos an das furiose Finale von „Die Spieler“ an. Oliver Stone, der seit Jahren den Wechsel vom Jäger zum Gejagten vollzieht und sich überall, wo er incognito auftaucht, für Gerechtigkeit sorgen will, hat es einmal mehr mit Schwerstverbrechen auf höchster Regierungsebene zu tun, darf sich aber wieder auf seine treuen Freunde verlassen, die ihn aus der letztlich lebensbedrohlichen Situation befreien. Bis dahin bietet „Die Jäger“ Spannung und Action satt. Die Figuren sind vielleicht etwas eindimensional gezeichnet, sowohl die Guten als auch die Bösen, doch das tut dem Lesevergnügen absolut keinen Abbruch.
Lesen Sie im Buch: Baldacci, David - Die Jäger

Cody McFadyen – „Der Menschenmacher“

Donnerstag, 3. März 2011

(Lübbe, 605 S., HC)
Ein halbes Jahr nachdem David Rhodes seine alleinerziehende Mutter durch einen Autounfall verloren hatte, wurde er der sechsjährige Junge von einem Mann namens Robert Gray adoptiert, ebenso wie die fast gleichaltrigen Charlie Carter und Allison. Nahezu zehn Jahre lang wurden die drei Kinder von ihrem Ziehvater auf jede erdenkliche Art misshandelt, gequält, im dunklen Keller weggesperrt. Jede nicht erfüllte Anforderung, die dazu dienen sollte, die Kinder in ein höheres Dasein zu „evolvieren“, wurde bitter bestraft.
Doch eines Tages konnten die Kinder ihrem Gefängnis entkommen und ihren Peiniger töten. Seither hat jeder auf seine eigene Weise alles daran gesetzt, sein Leben dem Kampf gegen Kinderpornographie und Kinderprostitution zu widmen. David wurde Schriftsteller und erreichte bereits mit seinem ersten Thriller einen internationalen Bestseller. Seine Fähigkeit, die Menschen mit seinen Worten zu fesseln, kam seiner Stiftung Innocence Foundation zugute, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kindern in Not zu helfen, Kinderpornographieringe auszuheben und Menschenhändlerbanden auffliegen zu lassen. Charlie hat sich zu einem Elitesoldaten ausbilden lassen und übernimmt den schmutzigen Teil der Aufgabe. Mit dem Wissen, wie ihre Brüder gegen die Grausamkeit Kindern gegenüber vorgingen, konnte Allison jedoch nicht mehr ihren Dienst beim FBI ausüben. Doch nach zwanzig Jahren werden die drei Adoptivgeschwister mit ihrer grausamen Vergangenheit konfrontiert. Eine Videobotschaft an jeden von ihnen und Geiselnahmen machen deutlich, dass das Böse aus ihrer Vergangenheit offensichtlich noch nicht vollständig ausgemerzt worden ist. Wenn sie nicht binnen 36 Stunden eine bestimmte Ärztin, die Abtreibungen vornimmt, töten, müssen auch die ihnen nahestehenden Geiseln dran glauben. David, Charlie und Allison machen sich auf eine erschreckende Odyssee in ihre alte Heimat und stoßen auf entsetzliche Hintergründe:
„Wir wissen, dass Bob, als Kind selbst misshandelt wurde. Er wurde von seiner Mutter gequält. Sein Vater war Prediger und starb wahrscheinlich schon, als Bob noch ein kleiner Junge war. Nach allem, was wir wissen, war der Vater ein ultra-fanatischer religiöser Eiferer. Ein christlicher Fundamentalist sozusagen. Wir wissen außerdem, dass Bob noch kein Killer war, bevor er nach Vietnam ging, aber er war mit Sicherheit einer, als er zurückkam. Er kannte kaum noch Grenzen. Er war ein abgebrühter, brutaler Psychopath, lange bevor er uns drei adoptiert hat.“ (S. 426)
Nach vier Bestsellern um die psychisch wie physisch mit Narben übersäte Polizistin Smoky Barrett hat Cody McFadyen mit seinem neuen Roman „The Innocent Bone“, der etwas arg reißerisch als „Der Menschenmacher“ ins Deutsche übertragen wurde, einen kleinen Exkurs unternommen und sich eines brisanten wie schrecklichen Themas angenommen. Zwar bemüht er die üblichen Erklärungen von religiösem Fanatismus, Brutalität in der Erziehung und philosophische Verwirrungen, um das kaum vorstellbare Grauen zu erklären, dass nicht nur die drei Adoptivgeschwister, sondern auch ihre Angehörigen erleiden müssen, aber McFadyen schildert ihre schreckliche Geschichte sehr überzeugend, psychologisch nachvollziehbar und letztlich auch spannend, um „Der Menschenmacher“ in einem furiosen Finale münden zu lassen, das es wirklich in sich hat.
Lesen Sie im Buch: Mcfadyen, Cody - Der Menschenmacher

Cody McFadyen – (Smoky Barrett: 4) „Ausgelöscht“

Mittwoch, 16. Dezember 2009

(Lübbe, 459 S., HC)
Smoky Barrett, Koordinatorin für das US-Bundesamt zur Analyse von Gewaltverbrechen beim FBI, verbringt mit ihrem Lebensgefährten Tommy gerade ein paar unbeschwerte Tage auf Hawaii, ehe sie in Los Angeles schnell wieder der brutale Alltag einholt. Vor dreieinhalb Jahren wurde Smoky Opfer eines abscheulichen Verbrechens, als der Psychopath Joseph Sands ihren Mann Matt zu Tode folterte, sie selbst vergewaltigte und verstümmelte und schließlich ihre Tochter Alexa als Schutzschild benutzte, als Smoky den Peiniger ihrer Familie erschoss.
Doch als wäre dieses Erlebnis nicht schon traumatisch genug gewesen, musste Smoky den Verlust ihrer besten Schulfreundin Annie King betrauern, deren Tochter Bonnie sie schließlich adoptierte. Zurück in L.A. nimmt Smoky als Trauzeugin an der Hochzeit ihrer Freundin und Kollegin Callie Thorne teil, als Smoky eine beunruhigende SMS mit der Botschaft „Ich bin ganz nah. Und ich habe ein Geschenk für Sie, Special Agent Barrett“ erhält. Wenig später fährt ein schwarzer Mustang vor und wirft eine halbnackte Frau auf den Asphalt. Wie die Ermittlungen ergeben, handelt es sich um die Polizistin Heather Hollister, die vor acht Jahren spurlos verschwunden ist und von ihrem Mann vor kurzem für tot erklärt wurde, worauf er ihre stattliche Lebensversicherung kassieren konnte. 
Wie Smokys Team herausfindet, wollte sich Heather vor ihrer Entführung scheiden lassen, so dass ihr Mann nach wie vor als Tatverdächtiger gilt – im Gegensatz zu Heathers Geliebtem Jeremy Abbott, der in derselben Nacht verschwand wie Heather. Mit dem damals ermittelnden Detective Daryl Burns versuchen Smoky & Co Heather zu befragen, doch leider kann sie sich an absolut nichts erinnern. Dafür geraten Smoky und ihr Team selbst unvermittelt ins Visier des Killers, der den meisten seiner Opfer durch Lobotomie jeglicher Erinnerungen und Persönlichkeit beraubt …
Mit Smoky Barrett hat der amerikanische Autor Cody McFadyen eine sympathische Heldin erschaffen, die dermaßen qualvolle Erfahrungen machen musste, an denen die meisten Menschen höchstwahrscheinlich zerbrochen wären. Doch angetrieben von dem starken Verlangen, anderen Menschen das Leben zu retten, zählt sie zu den besten Ermittlern beim FBI und kann sich hervorragend in die Psyche der grausamen Serientäter hineinversetzen.  
McFadyen schildert die schwierigen Ermittlungen auf extrem spannende Weise und vor allem psychologisch sehr eindringlich und einfühlsam, so dass der Leser nie Smokys aufwühlendes Seelenleben aus den Augen verliert. 
Wie seine Vorgänger ist „Ausgelöscht“ mit einer hypnotischen Sogkraft ausgestattet, bei dem das grausame Geschehen immer von interessanten wie beunruhigenden Emotionen und Gedanken unterfüttert wird. Diese Qualität macht den vierten Smoky-Barrett-Roman schon jetzt zu einem der absoluten Thriller-Highlights des Jahres!

Dan Brown - (Robert Langdon: 2) „Sakrileg“

Dienstag, 15. Dezember 2009

(Lübbe, 605 S., HC)
Nachdem Robert Langdon, Harvard-Professor für religiöse Symbolologie, in Dan Browns erstem Bestseller „Illuminati“ seinen erfolgreichen Einstand feiern durfte, schaffte es auch sein neues Abenteuer, „Sakrileg“, innerhalb kürzester Zeit auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Schließlich versteht es der amerikanische Autor Dan Brown mit seinen Büchern perfekt, einige der interessantesten Aspekte aus der Kirchen- und Kunstgeschichte in packenden Thriller zu beleuchten. In „Sakrileg“ geht es dabei um nicht weniger als das Bemühen der katholischen Kirche und der ultrakonservativen Sekte Opus Dei, die Heilsgeschichte, wie sie in den vier Evangelien des Neuen Testaments geschrieben stehen, mit allen Mitteln als die einzige Wahrheit zu verteidigen.
Vor allem wird dabei die Prieuré de Sion, die 1099 gegründete Orden der Bruderschaft von Sion, bekämpft, die sich der Behütung des Heiligen Grals verschrieben hat, aber plant, zu einem bestimmten Zeitpunkt ihr mächtiges Geheimnis zu lüften. Als Langdon nach Paris zu einem Vortrag eingeladen wird, wird mit Jacques Saunière, dem Museumsdirektor des Louvre, der Großmeister des Ordens, ermordet aufgefunden. In den wenigen Minuten, die ihm noch blieben, bis er an der Bauchschusswunde sterben sollte, hinterließ er eine merkwürdige Nachricht. Zusammen mit Saunières Enkeltochter, der Kryptologin Sophie Neveux, macht sich der des Mordes an Saunière verdächtige Langdon auf eine aufregende Schnitzeljagd, bei der sie dem Geheimnis des Heiligen Grals gefährlich nahe kommen…
Sicherlich entsprechen einige von Dan Browns kunsthistorischen und religionsgeschichtlichen Deutungsversuchen nicht immer dem wissenschaftlichen Konsens, aber seine gewagten Thesen regen auf jeden Fall zum Nachdenken und Diskutieren an und sind vor allem in absolut spannende Thriller verpackt.