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Owen Nicholls – „Dies ist kein Liebesfilm“

Samstag, 10. Oktober 2020

(Atlantik, 367 S., Pb.) 
London am 4. November 2008. In dieser Nacht wird der neue US-amerikanische Präsident gewählt. Der libertäre Tom veranstaltet in seiner Wohnung eine Wahlparty und hofft, dass der Republikaner John McCain gegen Barack Hussein Obama gewinnt, während seine gut dreißig, Mitte zwanzigjährigen Gäste nicht libertär sind. Doch Tom, der Konfrontationen liebt und vor allem über ein großes Haus, gutes Gras und ein enzyklopädisches Wissen über das asiatische Kino verfügt, hat auch Ellie eingeladen, in die sich der Filmvorführer Nick auf den ersten Blick verliebt. Doch Nick ist sich seiner eigenen Unzulänglichkeiten allzu bewusst, als dass er auf eine dauerhaft funktionierende Beziehung mit dieser selbstsicheren, hübschen, lustigen und coolen Frau hofft, mit der er sich auch noch vortrefflich über Filme unterhalten kann. 
Wider Erwarten lässt sich die talentierte Fotografin auf eine Beziehung mit Nick ein, zieht mit ihm sogar in eine gemeinsame Wohnung. Doch nach vier Jahren ist der Zauber vorbei. Als Barack Obama wiedergewählt wird, steht Nick vor dem Trümmerhaufen seines Lebens. Ellie hat ihn verlassen, weil er keine andere Träume hat, außer als Filmvorführer zu arbeiten, statt seine Karriere als Drehbuchautor zu starten, während sie selbst nach New York geht, um für Associated Press zu arbeiten. Die Tatsache, dass sein Kino auf digitale Projektionen umrüstet und Nick damit arbeitslos wird, dass seine Eltern ihr Haus verkaufen, um nach Neuseeland auszuwandern, und dass seine Schwester Gabby schwanger ist, lässt Nick vor allem verzweifeln und immer wieder an Ellie denken … 
„Ich bin genauso an der Trennung beteiligt wie sie, und mir das einzugestehen ist in etwa so, als würde ich bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker aufstehen. Was ich immer noch nicht weiß, ist, warum. Ich habe den Verdächtigen. Mich. Den Ort. Ein Wohnung in Clapham. Ich muss nur noch die Mordwaffe finden. Auf der Liste stehen noch immer vier Gründe, und alle sind stichhaltig. Ich denke darüber nach, was in den letzten Monaten passiert ist. Es gibt sicher Faktoren, die ich verdränge. Ob ich für diese Faktoren verantwortlich bin oder nicht, vermag ich noch nicht zu sagen, Ich bin noch nicht bereit für die Wahrheit. Doch die Wahrheit ist irgendwo da draußen.“ (S. 175) 
Dass Owen Nicholls eine große Affinität zum Kino hat, wird auf fast jeder Seite seines Debütromans „Dies ist kein Liebesfilm“ deutlich. Das fängt damit an, dass sich sein Ich-Erzähler in Ellie verliebt hat, nachdem sie auf „Cinema Paradiso“ verweist, als er ihr seine berufliche Tätigkeit offenbart, führt zu mehreren Erwähnungen, wie schlecht „Star Wars – Die dunkle Bedrohung“ im Vergleich zu den früheren „Star Wars“-Filmen von George Lucas sein, oder dass es schon mit dem Teufel zugehen müsse, wenn auf „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ nicht noch „Vier Todesfälle und eine Hochzeit“ folgt. 
Filmfreunde werden bei „Dies ist kein Liebesfilm“ auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen. Interessant ist auch der Ansatz, den Anfang und das Ende der Beziehung zwischen Nick und Ellie mit der Wahl und Wiederwahl von Barack Obama als Präsiden der USA zu verknüpfen. Zwischen diesen beiden Eckdaten hin- und herspringend erzählt Nicholls wechselnd zwischen dem Kennenlernen, dem Alltag und der Entfremdung in dieser Beziehung, wobei auch die Trennung von Ellies Eltern nach dreißig Jahren Ehe thematisiert wird. Doch trotz der an sich geschickt aufgebauten Dramaturgie und der meist flüssigen, witzigen Dialoge entwickelt „Dies ist kein Liebesfilm“ keine so starke Sogwirkung wie die Bestseller seiner britischen Kollegen Nick Hornby („High Fidelity“, „Juliet, Naked“) oder David Nicholls („Ewig Zweiter“, „Zwei an einem Tag“). Durch die „Unterbrechungen“, in denen auch Ellies Perspektive thematisiert wird, und die wechselnden Zeitebenen werden zwar immer wieder einzelne Aspekte der gescheiterten Beziehung aufgearbeitet, aber eine besondere Tiefe in der Plotentwicklung entsteht dadurch nicht. Letztlich werden einfach Motive offenbart, an denen jede Beziehung kranken und zerbrechen könnte. Für diese Erkenntnis hätte es nicht einen zwar witzig geschriebenen und mit schönen Verweisen aus der Popkultur versehenen, aber nicht besonders fesselnden Roman gebraucht.