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Thomas Harris – „Schwarzer Sonntag“

Sonntag, 4. August 2013

(Heyne, 349 S., Tb.)
Mit Hannibal Lecter hat der amerikanische Schriftsteller Thomas Harris eine Serienkiller-Ikone geschaffen, die in „Roter Drache“ erst als Nebenfigur eingeführt worden war und in „Das Schweigen der Lämmer“ so richtig aufdrehen durfte. Doch bereits mit seinem 1975 veröffentlichten Debütroman „Schwarzer Sonntag“ hat sich Harris als Meister im Kreieren psychopathischer Figuren erwiesen.
Hafez Nadscheer, Chef der Eliteeinheit Jihaz al-Rasd (RASD), des Geheimdienstes der El-Fatah, leitet den „Schwarzen September“ und hält nichts von der Rückgabe Palästinas an die Araber. Stattdessen glaubte er an das läuternde Feuer der Massenvernichtung. In diesem Glauben fand er in Dahlia Iyad, Abu Ali und dem Waffenexperten Muhammad Fasil tatkräftige Verbündete.
Der „Schwarze September“ war ebenso für die Aktionen in Italien und Frankreich verantwortlich wie für den Überfall auf das Olympische Dorf in München. Nun plant die Organisation einen vernichtenden Schlag gegen die USA. Dabei hat sich Dahlia Iyad die Unterstützung des labilen U.S.-Navy-Piloten Michael J. Lander gesichert, der nach seiner Kriegsgefangenschaft in Vietnam aus dem Dienst geschieden ist und nun ein Luftschiff über dem Tulane-Stadion navigiert. Dort plant der „Schwarze September“ am 12. Januar zum Super-Bowl-Spiel zuzuschlagen, wenn sich unter den 80000 Zuschauern auch der Präsident der Vereinigten Staaten befindet.
Nachdem ein israelisches Killer-Kommando unter Führung von Kabakov Nadscheer und Abu Ali außer Gefecht gesetzt hat, liegt es allein an Dahlia, die Operation zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Doch Kabakov hat zusammen mit den amerikanischen Geheimdiensten längst die Witterung aufgenommen.
„Die amerikanische Zelle des ‚Schwarzen September‘ hatte sich inzwischen bestimmt vollständig abgeriegelt und auch die Verbindung zur Guerillaführung in Beirat gekappt. Es würde verdammt schwer sein, sie aufzuspüren. Der Schock, den das Phantombild ausgelöst hatte, würde die Terroristen noch tiefer in ihren Bau treiben. Sie mussten ganz in der Nähe sein – sie hatten nach der Explosion zu schnell reagiert. Warum hatte dieser verfluchte Corley bloß das Krankenhaus nicht genügend überwachen lassen? Was war im Hauptquartier des ‚Schwarzen September‘ in Beirut geplant worden, und wer war dabei gewesen? Nadscheer. Nadscheer war tot. Die Frau. Sie hielt sich versteckt. Abu Ali? Ali war tot. Man konnte nicht mehr feststellen, ob Ali bei den Planungen dabei gewesen war, aber es war sehr wahrscheinlich, denn Ali gehörte zu den wenigen Männern auf der Welt, denen Nadscheer vertraut hatte. Ali war Psychologe gewesen. Aber Ali war auch noch vieles andere gewesen. Wozu brauchten sie einen Psychologen?“ (S. 194) 
Über 35 Jahre vor den Anschlägen des 11. September 2001 hat Thomas Harris bereits das erschreckende Szenario eines verheerenden terroristischen Anschlags auf amerikanischem Boden entwickelt. Der Plot ist dabei so spannend konstruiert, die psychischen Befindlichkeiten der Figuren so überzeugend gezeichnet, dass es nicht verwundern kann, dass bereits dieses Debüt erfolgreich verfilmt worden ist.  
Thomas Harris hat seine Meisterschaft sicher erst mit den Hannibal-Lecter-Romanen erreicht, aber „Schwarzer Sonntag“ zeigt bereits deutlich die Stärken des Bestseller-Autors auf, der zwar nur alle Jubeljahre etwas veröffentlicht, dann aber immer einen großen Wurf abliefert.

Thomas Harris – „Das Schweigen der Lämmer“

Samstag, 27. Juli 2013

(Heyne, 358 S., Tb.)
Der amerikanische Schriftsteller Thomas Harris lässt zwar nur alle Jubeljahre mit einem neuen Werk von sich hören, doch wenn es soweit ist, gehören ihm die Bestseller-Listen auf der ganzen Welt, und die Film-Produzenten schlagen sich bereits während der Entstehung eines neuen Thrillers um die Filmrechte. Schließlich sind nicht nur alle – leider an nur einer Hand abzuzählenden – Romane des Autors erfolgreich verfilmt worden, mit Dr. Hannibal Lecter hat Harris eine Kult-Figur des soziopathischen Serienkillers geschaffen, der durch Anthony Hopkins auch noch grandios auf der Leinwand verkörpert worden ist.
Nachdem er in „Roter Drache“ (1981) nur einen kurzen Auftritt als Berater bei einem aktuellen Fall des FBI hatte, steht er im sieben (!) Jahre später entstandenen Sequel schon etwas mehr im Mittelpunkt der Geschehnisse. Unter dem Vorwand, einen Fragebogen zur Erstellung einer Datenbank für psychologische Diagramme in ungelösten Fällen ausfüllen zu lassen, schickt Special Agent Jack Crawford von der Abteilung für Verhaltensforschung die angehende Agentin Clarice Starling nach Baltimore, um im State Hospital für geistesgestörte Straftäter zu versuchen, ein paar Antworten von Dr. Hannibal Lecter zu erhalten. Tatsächlich lässt sich Lecter auf ein Gespräch mit Crawfords Schützling ein und bietet sogar seine Mithilfe im „Buffalo Bill“-Fall an.
Der Killer wird so genannt, weil er seine weiblichen Opfer regelrecht häutet und seine Spuren geschickt verwischt, indem er die Leichen in Flüssen entsorgt. Nach dem vielversprechenden Auftakt bindet Crawford Starling in die laufenden Ermittlungen mit ein.
 „Es gab keinen klaren Zusammenhang zwischen dem Ort, wo Bill die jungen Frauen entführte, und dem, wo er sie ablud. In den Fällen, in denen die Leichen rechtzeitig genug für eine Festsetzung der Todeszeit gefunden wurden, erfuhr die Polizei etwas weiteres über den Killer: Bill ließ sie eine Zeitlang am Leben. Diese Opfer starben erst eine Woche bis zehn Tage nach ihrer Entführung. Das bedeutete, dass er einen Ort haben musste, an dem er sie festhalten konnte, sowie einen Ort, wo er ungestört arbeiten konnte. Es bedeutete, dass er kein ziellos herumreisender Mensch war. Er glich eher einer Falltürspinne. Mit seinen eigenen Verstecken. Irgendwo.“ (S. 77) 
Als die Tochter von Senatorin Martin entführt wird, läuft der Polizei die Zeit davon. Lecter ist nur bereit, seine Fähigkeiten zur Ergreifung des Täters bereitzustellen, wenn ihm die Senatorin im Gegenzug eine Zelle mit Aussicht in einem Bundesgefängnis zusagt. Doch dann kann Dr. Lecter fliehen …
Bereits mit „Roter Drache“ hat Thomas Harris den prototypischen Serienkiller-Thriller verfasst und mit genauen psychologischen Betrachtungen die Faszination für diese abnorm veranlagten Serientäter geschürt. Seither hat es unzählige Nachahmer sowohl in der Spannungsliteratur als auch unter Hollywoods Filmemachern gegeben, doch mit „Das Schweigen der Lämmer“ hat Harris die Latte in Sachen Spannungsaufbau noch höhergelegt. Die Figuren Jack Crawfords, der neben den komplexen Ermittlungen im „Buffalo Bill“-Fall noch seine sterbenskranke Frau zu pflegen hat, der FBI-Schülerin Clarice Starling, die unbedingt weiter an dem Fall mitarbeiten möchte, und nicht zuletzt des hochintelligenten Dr. Hannibal Lecter sind so lebendig herausgearbeitet, die Ermittlungsarbeit so präzise und kurzweilig beschrieben, dass der Roman atemloses Lesevergnügen bis zum furiosen Finale verspricht.
Mit „Hannibal“ sollte erst 1999 die lang ersehnte Fortsetzung folgen …
Leseprobe Thomas Harris – „Das Schweigen der Lämmer“

Thomas Harris – „Roter Drache“

Donnerstag, 25. Juli 2013

(Heyne, 447 S., Tb.)
Nach grausamen Morden in Birmingham und Atlanta, wo nach gleichen Mustern in Vollmondnächten zwei Familien abgeschlachtet worden sind, sucht Jack Crawford vom FBI den Sonderermittler Will Graham auf, der vor einigen Jahren bei der Festnahme des Serienkillers Dr. Hannibal Lecter schwer verletzt worden war und sich seither vorwiegend um seine Familie und sein Boot kümmert. Crawford kann Graham überreden, sich die beiden Tatorte anzusehen und bei den weiteren FBI-Ermittlungen in Washington beratend zu unterstützen.
Tatsächlich erhält Graham bei den Besichtigungen der betreffenden Häuser wertvolle Hinweise auf den Täter, erhofft sich aber durch den Besuch bei Hannibal Lecter weitere Erkenntnisse, die ihn auf die Spur der sogenannten „Zahnschwuchtel“ bringen, wie der Killer nach Auswertung der Gebissspuren an den weiblichen Opfern genannt wird. Der unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in einer psychiatrischen Anstalt inhaftierte Lecter wird schließlich von dem „roten Drachen“, wie sich der Killer später selbst nennt, über einen Brief auf Toilettenpapier kontaktiert, und über die Kleinanzeigen im „Tattler“ wollen die beiden Serienkiller in Kontakt bleiben. Währenddessen macht sich vor allem Graham weitere Gedanken über die Natur der „Zahnschwuchtel“.
„Der Mann, der die Familien Jacobi und Leeds ausgelöscht hatte, hatte irgend etwas an ihnen anziehend gefunden, wodurch er zu der Tat getrieben worden war. Er könnte sie zum Beispiel sehr gut gekannt haben – was Graham hoffte -, oder aber er hatte sie überhaupt nicht gekannt. Allerdings war sich Graham sicher, dass der Mörder sie zu Gesicht bekommen haben musste, bevor er sich entschlossen hatte, sie zu ermorden. Er hatte sie ausgesucht, weil irgend etwas an ihnen ihn angesprochen hatte, wobei das Hauptgewicht dieser Anziehung aller Wahrscheinlichkeit nach bei den Frauen zu suchen war. Doch was war dieses gewisse Etwas, das diesen Familien zum Verhängnis geworden war?" (S. 106) 
Allerdings rennt dem FBI und Graham die Zeit davon, denn bis zum nächsten Vollmond ist es nicht mehr lange hin …
Im Auftakt der „Hannibal Lecter“-Reihe, der bislang die ebenfalls allesamt verfilmten Bände „Das Schweigen der Lämmer“, „Hannibal“ und „Hannibal Rising“ folgten, spielt Hannibal Lecter noch eine Nebenrolle, doch reichen die wenigen Szenen, die sich mit ihm befassen, bereits aus, um eine nachhaltige Faszination für diese vielschichtige, intellektuell herausragende und doch so abnorme Figur zu entwickeln.
Im Mittelpunkt des 1981 veröffentlichten und 1988 erstmals in deutscher Sprache erschienenen Psycho-Thrillers stehen vor allem zwei Personen: der ebenfalls psychisch angeschlagene Ermittler Will Graham, der sich durch ein erhöhtes Einfühlungsvermögen an Tatorten und für den Tathergang auszeichnet, und der „rote Drache“ auf der anderen Seite.
Thomas Harris gelingt es auf einzigartige Weise, vor allem die fehlgeleitete Psyche des Täters so transparent darzustellen, dass seine Motivationen absolut nachvollziehbar erscheinen. Gerade daraus, die Gedanken und Gefühle des von Williams Blakes Gemälde „Der große, rote Drache und die mit der Sonne bekleidete Frau“ inspirierten Täters verstehen zu können, bezieht der extrem spannende Roman seine Faszination, aber auch die detaillierte Ermittlungsarbeit von Graham und dem FBI ist fantastisch beschrieben. So entwickelt sich ein intellektueller Wettkampf, dessen Auswirkungen noch lange nachhallen.
Leseprobe Thomas Harris – “Roter Drache”

Thomas Harris - „Hannibal Rising“

Donnerstag, 1. Oktober 2009

(Hoffmann und Campe, 345 S., HC)
Wenn man sich erst einmal mit einem psychopathischen Serienkiller angefreundet hat, will man irgendwann vielleicht auch erfahren, wie diese Bestien zu dem geworden sind, was sie sind. So geschehen bei Norman Bates, dessen Kindheitstraumata wir nach drei „Psycho“-Filmen in „Psycho IV: The Beginning“ zu sehen bekamen, und nun ist es nach „Roter Drache“, „Das Schweigen der Lämmer“ und „Hannibal“ auch an der Zeit, etwas tiefer in die Vergangenheit von Hannibal Lecter einzutauchen. Thomas Harris, dem das seltene Glück zuteil geworden ist, dass alle seine Romane auch verfilmt worden sind, schrieb parallel zu seinem neuen Roman passenderweise gleich das Drehbuch dazu, so dass der Film zum Roman auch schon Mitte Februar in den deutschen Kinos zu sehen ist. Hannibal wächst in der von Hannibal dem Schrecklichen (1365-1428) erbauten Burg Lecter in Litauen auf und muss zum Ende des Zweiten Weltkriegs in dem Jagdhaus, in dem die Familie die Kriegswirren zu überleben versuchte, miterleben, wie nicht nur seine Eltern von desertierten Osttruppen-Soldaten ermordet werden, sondern auch seine geliebte Schwester Mischa. Wenig später greifen sowjetische Soldaten den völlig verstörten und verstummten Jungen im Wald auf und bringen ihn ins nächste Dorf.
1946 wird Hannibal im Alter von dreizehn Jahren von seinem Onkel Robert nach Frankreich geholt und entwickelt für die japanische Frau seines Onkels, Lady Murasaki, zunehmend zärtlichere Gefühle. Der aufgeweckte und extrem gelehrige Junge beginnt mit medizinischen Studien und begeht seinen ersten Mord an einem Metzger, der Lady Murasaki zu beleidigen wagte. Auch wenn ihm die Tat nicht nachgewiesen werden konnte, steht Hannibal fortan unter Verdacht des Polizeiinspektors Popil. Doch Hannibal, der nur noch von dem Wunsch angetrieben wird, Rache an all jenen zu nehmen, die seine Familie auslöschten, entzieht sich immer wieder geschickt dem Zugriff der Polizei … Thomas Harris ist mit „Hannibal Rising“ ein vielschichtiges Psychogramm eines jungen Menschen gelungen, der mit großer intellektueller Präzision und ohne jegliche emotionale Beteiligung seine Auffassung von Gerechtigkeit lebt.

Thomas Harris - „Hannibal“

(Hoffmann und Campe, 527 S., HC)
Dass sich Thomas Harris mit der Fortsetzung seines Psychothriller-Megaerfolgs „Das Schweigen der Lämmer“ Zeit lassen würde, war vorherzusehen. Immerhin vergingen bislang stets jeweils mindestens sechs Jahre zwischen seinen Romanen, die allesamt Bestseller und verfilmt wurden, nur wurde bislang keines seiner Bücher dermaßen heiß erwartet wie die zwangsläufige Fortsetzung des 1988 veröffentlichten, unter der Regie von Jonathan Demme mit Jodie Foster und Anthony Hopkins verfilmten Hits „Das Schweigen der Lämmer“. Wenn man „Hannibal“ zur Hand nimmt und die ersten Seiten liest, kommt es einem nicht so vor, als lägen über elf Jahre zwischen dem zweiten und dritten Hannibal-Lecter-Roman, so lebendig ist einem das nervenaufreibende Psycho-Duell zwischen der jungen, noch in der Ausbildung befindlichen FBI-Agentin Clarice Starling und dem hochintelligenten Psychokiller Dr. Hannibal Lecter noch in Erinnerung.
Dass Starling unter Mithilfe von Lecter schließlich den gesuchten Serienmörder Jame Gumb ausfindig und unschädlich machen konnte, war allerdings für die Karriere der jungen Agentin nicht unbedingt förderlich. Der frühe Überraschungserfolg brachte viele Neider auf den Plan, die Starling einige Steine in den Weg auf der Erfolgsleiter gelegt haben. Mittlerweile steht Starling mal hier, mal dort auf Abruf bereit und wird gleich die tragische Hauptfigur einer verpfuschten Drogenrazzia, bei der zwei ihrer Kollegen ebenso draufgehen wie die zu verhaftende Drogenproduzentin Evelda Drumgo, worauf Starling auf der Titelseite des National Tattler als „Killermaschine des FBI“ bezeichnet wird. FBI-Direktor Tunberry möchte Starling zur Beruhigung der Massen opfern, doch kann Jack Crawford, der Starlings Karriere von Beginn an gefördert hat, in letzter Minute mit einem Deal verhindern. Starling, die kurz nach dem Drogenrazziadebakel einen Brief von Hannibal Lecter erhält, soll sich mit Mason Verger treffen, der früher Patient bei Lecter gewesen ist und - wenn auch grausig von ihm verstümmelt - der einzig Überlebende unter Lecters Opfern ist. Er hat ein Kopfgeld auf Lecters Ergreifung ausgesetzt und scheut vor keinen Mitteln zurück, Lecter auch zu fassen zu kriegen.
Neben der weiterhin faszinierenden Beziehung zwischen Lecter und Starling erhält „Hannibal“ seine atemlose Spannung eben gerade auch durch dieses prickelnde Psychoduell zwischen Patient und Doktor, zwischen Täter und Opfer.