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Luca Kieser – „Pink Elephant“

Mittwoch, 25. September 2024

(Blessing, 302 S., HC) 
Der aus Tübingen stammende Luca Kieser, der sowohl Ethik und Philosophie als auch Sprachkunst studierte, zählt fraglos zu den vielversprechenden Talenten unter den deutschsprachigen Autoren, landete doch bereits sein 2023 veröffentlichtes Romandebüt „Weil da war etwas im Wasser“ auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Nun legt er mit dem Coming-of-Age-Roman „Pink Elephant“ nach, haderte allerdings zunächst mit seinem Ansatz, als weißer Schriftsteller eine Geschichte über die Freundschaft zwischen einem deutschen Jungen aus der Mittelschicht und zwei Jungen mit Migrationshintergrund zu erzählen. 
Vincent stammt aus einer klassischen Mittelschichtsfamilie, der Vater Arzt, die Mutter Assistentin eines Landtagsabgeordneten mit Ambitionen zum Oberbürgermeister. Doch statt mit Gleichaltrigen seines Schlages in Tübingen abzuhängen, freundet sich Vince während der Fußball-WM in Deutschland im Jahr 2006 mit Ali und Tarek an. Die Faszination für die für viele fremdartige Kultur begnügt sich nicht mit Postern von Bushido und Tupac in seinem Zimmer, Vincent probiert auch verschiedene Mittel aus, seine allzu weiße Haut zu bräunen. Seine Eltern haben dafür wenig Verständnis, können aber wenig dagegen tun, dass ihr Sohn sogar die Schule schwänzt, um mit seinen neuen Freunden Shisha zu rauchen, Wodka zu klauen, Döner abzustauben oder einfach nur Playstation zu zocken. 
Als sich Ali verzweifelt aus dem Fenster stürzt, weil er dem durch den älteren „O“ ausgeübten Druck nicht mehr gewachsen ist, und schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wird, muss sich Vincent entscheiden, welche Weichen er für sein weiteres Leben stellt… 
„Es gab Witze, die ich nicht verstand. Und es gab Witze, die ich nicht verstehen konnte. Hier wusste ich jetzt nicht, worüber sie lachten, keiner von den dreien war Türke – mein Blick rutschte die Beine hinab, und das Logo meiner Schuhe leuchtete zu mir herauf. Es kam mir auf einmal vor wie ein Zeichen dafür, dass ich von nichts eine Ahnung hatte.“ (S. 232) 
Mit „Pink Elephant“ liefert Luca Kieser definitiv einen etwas anderen Coming-of-Age-Roman ab, denn Teenager-Freundschaften zwischen „weißen“ Deutschen und Teenagern mit Migrationshintergrund finden in der deutschsprachigen Literatur kaum statt. Die heimische Fußball-WM von 2006 gibt den dabei nicht nur den zeitlichen Rahmen der Geschichte vor, sondern fungiert mit den Spielen der Gruppenphase und den K.O.-Spielen auch als Orientierung für die Punkte auf der Timeline, wenn die Zeitebenen fast unmerklich wechseln. Aber auch Alis Fenstersturz sorgt für die zeitliche Einordnung der Handlung, die sich grob in die Zeit vor Alis Verzweiflungstat und in die danach einteilen lässt. 
Kieser setzt sich dabei kaum mit dem elterlichen Umfeld der drei Freunde auseinander, hier müssen Eckpunkte zu ihrem beruflichen Umfeld reichen, so sehr ist der kompakte Roman auf Vincent, Tarek und Ali fixiert. Und auch hier bekommt die Leserschaft nur ungefähre Einblicke in das Seelenleben der Figuren. Das erschließt sich eher aus der Handlung, den immer wieder eingestreuten Zitaten aus Songs von Eko Fresh, Summer Cem, Azad, Massiv und natürlich Bushido, die als thematisches Leitmotiv gelten dürfen. Es ist nicht leicht für Vincent, sich im Spannungsfeld zwischen Seinesgleichen auf der einen und Ali und Tarek auf der anderen Seite zu finden und zu behaupten. Natürlich spielen hier spießbürgerliche Traditionen und rassistische Ressentiments eine Rolle, wobei Kieser nicht davor gefeit ist, einige Klischees zu bedienen. Echte Tiefe gewinnen seine jugendlichen Protagonisten nämlich nicht. Auf der anderen Seite stellt „Pink Elephant“ ein authentisch wirkendes Abbild der multikulturellen Lebenswirklichkeit nicht nur von „weißen“ deutschen Teenagern dar und überzeugt durch eine lebendige, mitreißende Sprache.