Richard Laymon – „Das Inferno“

Donnerstag, 15. Juli 2010

(Heyne, 639 S., Tb.)
Jeden Morgen setzt sich der 32-jährige Stanley Banks mit der Tageszeitung um 8 Uhr morgens ans Fenster, um den Sportteil zu lesen, doch eigentlich will er nur beobachten, wie seine hübsche Nachbarin Sheila ihre Joggingrunden zieht. Doch seine an den Rollstuhl gefesselte Mutter Alma, zu der er nach dem Tod seiner Frau Thelma zurückgezogen ist, macht ihm das Leben zur Hölle.
Da kommt es Stanley ganz gelegen, als ein Erdbeben Los Angeles erschüttert und er seine nervende Mutter mit einem von der Decke herabgefallenen Putzbrocken erschlagen kann. Nun hat er freie Bahn zu Sheilas Haus, wo er das Objekt seiner Begierde nackt und hilflos in der verschütteten Badewanne entdeckt. Währenddessen wird Sheilas Ehemann Clint im Büro von den Erschütterungen überrascht. Da sein Wagen im Parkhaus eingesperrt ist, lässt er sich von der jungen Sekretärin Mary mitnehmen, die gerade in einen Autounfall verwickelt gewesen war und nun völlig verstört den abgetrennten Kopf eines Mannes auf ihrem Beifahrersitz anstarrt. Zusammen mit der 13-jährigen Em müssen die beiden bald ohne Marys BMW den Heimweg antreten und sich dabei mit so einigen unangenehmen Typen herumschlagen. Clints Tochter Barbara nimmt derweil mit Peter, Earl und Heather an einer Fahrstunde teil und muss tatenlos zusehen, wie Fahrlehrer Wellen aus Sorge um seine Tochter die Flucht nach Downtown antritt. Auch die vier Teenager erleben am eigenen Leib, wie Plünderer und Freaks durch das zerstörte Los Angeles ziehen. Am schlimmsten hat es jedoch Sheila erwischt. Während die zunächst dankbar ist, dass Stan sie befreien will, muss sie bald erkennen, dass Stan jeden brutal aus dem Weg räumt, der die ersehnte Zweisamkeit zwischen ihm und Sheila zu stören wagt …
Vor dem realistischen Hintergrund eines Erdbebens entwickelt Richard Laymon in seinem 1995 veröffentlichten Horror-Thriller „Quake“, der jetzt endlich erstmals in deutscher Sprache erschienen ist, ein erschreckendes Szenario, das beschreibt, wie zivilisierte Menschen augenblicklich in die Barbarei zurückfallen, sobald sie keine Strafen für ihr Tun zu befürchten haben. Plünderungen, Folterungen, Morde und Vergewaltigungen prägen das Treiben auf den aufgebrochenen Boulevards und in den Trümmern zerstörter Häuser. Laymon beschreibt diese Gräueltaten mit gewohnt plastischen Worten, doch er setzt dem allgegenwärtigen Blutrausch auch humanitäre Elemente wie Nächstenliebe, Mut, Tapferkeit und Aufopferungsbereitschaft entgegen, mit denen Menschen teilweise über sich hinauswachsen, eigene Schwächen überwinden und den Zusammenhalt mancher Zweckgemeinschaften stärken. Der Autor bedient sich dabei einer schnörkellosen, einfachen Sprache, arbeitet viel mit Dialogen und entwickelt ohne Anlauf ein actionreiches Blut- und Sex-Spektakel. Fans härteren Horrors werden wieder begeistert sein!

John Katzenbach - „Der Täter“

Samstag, 10. Juli 2010

(Knaur, 591 S., Tb.)
Gerade als Simon Winter, ein ehemaliger Detective bei der Mordkommission von Miami Beach, seinem Leben mit der Pistole ein Ende setzen will, klopft seine Nachbarin, Sophie Millstein, an seine Tür und erzählt ihm verzweifelt, dass sie jemanden entdeckt hat, der 1943 in Berlin für den Verrat ihrer Familie an den Nazis verantwortlich gewesen sei. Damals gab es viele wie ihn, sogenannte „Greifer“, Juden, die für die Gestapo andere Juden verrieten.
Aber der „Schattenmann“ war der schlimmste von allen, berichtet die aufgelöste alte Frau dem lebensmüden Ex-Cop. Winter kann die alte Dame beruhigen und bringt sie sicher in ihre Wohnung zurück. Doch der Schein trügt. Noch in der Nacht wird die arme Mrs. Millstein von einem unbekannten Täter erwürgt, unter ihr, ebenfalls erwürgt, ihre Katze. Zeugen haben einen jungen Schwarzen vom Tatort flüchten gesehen, und der ermittelnde Detective Walter Robinson findet bald einen Pfandleiher, wo er eine Kette der Toten wiederfindet. Während Robinson einen Drogensüchtigen jagt, der offensichtlich schon für andere Einbrüche in der Gegend verantwortlich gewesen ist, unternimmt Winter eigene Nachforschungen, die allerdings bei alten Freunden der Toten beginnen, Rabbi Rubinstein, Irving Silver und Frieda Kroner. Sie können zunächst nicht glauben, dass der Schattenmann noch immer auf ihrer Spur ist, doch dann mehren sich die Zeichen, dass der diabolische Juden-Killer sein Werk von damals vollenden will … Vor dem geschichtlichen Hintergrund des Holocaust entwickelt der amerikanische Erfolgsautor John Katzenbach die spannende Jagd nach einem Phantom. Neben der packenden Geschichte gefallen aber auch die Charakterzeichnungen der beiden engagierten Ermittler.

John Katzenbach - „Das Opfer“

(Droemer, 654 S., HC)
Es gibt One-Night-Stands, die man ganz schnell vergessen und am besten gar nicht erst erlebt haben möchte. Das denkt auch die attraktive Kunststudentin Ashley Freeman, nachdem sie sich mit dem geheimnisvollen, aber gut aussehenden Michael O’Connell eingelassen hat. Dieser ist nämlich absolut nicht davon abzubringen, dass Ashley und er für immer zusammengehören. Ein Nebenbuhler landet so im Rollstuhl, ein Privatschnüffler, den Ashleys Familie anheuert, um Michael mit Nachdruck von seinem Wahn abzubringen, tot in einer Gasse.
Schnell wird Ashleys Familie klar, dass man selbst mit einer gerichtlichen Verfügung bei diesem cleveren Psychopathen nicht viel ausrichten kann. Also nehmen Ashleys Vater, der Geschichtsprofessor Scott Freeman, seine geschiedene Frau, die Anwältin Sally, ihre Lebensgefährtin Hope und Ashleys Großmutter Catherine den Kampf gegen Michael in die eigene Hand. Auf der Suche nach einem Angriffspunkt werden die Freemans schnell in Michaels Vergangenheit fündig und hecken einen teuflischen Plan aus, der alle Beteiligten für immer verändern wird … John Katzenbach hat sich mit „Die Anstalt“ und „Der Patient“ als hervorragender Thriller-Autor schnell einen Namen machen können. Mit „Das Opfer“ ist ihm ein beklemmender Stalker-Thriller gelungen, den man gar nicht mehr aus der Hand legen kann!