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Don Winslow – (Danny Ryan: 2) „City of Dreams“

Dienstag, 30. Mai 2023

(HarperCollins, 368 S., HC) 
Mit seinen teilweise verfilmten – „Bobby Z“ als „Kill Bobby Z“ (2007) und „Zeit des Zorns“ als „Savages“ (2012) – Büchern hat sich Don Winslow in die erste Garde US-amerikanischer Thriller-Autoren katapultiert, wird von Fans wie Kritikern gleichermaßen verehrt. Entsprechend wehmütig wurde deshalb Winslows Ankündigung vor einigen Jahren aufgenommen, dass er seine schriftstellerische Karriere an den Nagel hängen wolle, um sich in der Politik zu engagieren und so zu verhindern mithelfen, dass Donald Trump noch einmal US-Präsident wird. 
Doch bis es so weit ist, hat der Autor noch eine abschließende Trilogie angekündigt, von der nach dem Auftakt mit „City on Fire“ nun mit „City of Dreams“ endlich der zweite Teil vorliegt, der nahtlos an den ersten Roman anknüpft. 
Im Krieg zwischen der italienischen und irischen Mafia sorgte ein millionenschwerer Heroin-Deal für eine tragische Wendung. Peter Moretti sollte von den Mexikanern vierzig Kilo Heroin auf Kommission empfangen, die der Moretti Captain Frankie Vecchio abfangen wollte, um zu verhindern, dass ihn die Morettis ausschalten. Also bot er der Gegenseite einen Deal an, den Danny Ryan nicht ablehnen konnte, denn indem er den Stoff kaperte, würde er den Morettis den Hahn abdrehen und auf einen Schlag den langjährigen Krieg zwischen den Murphys und den Morettis beenden. 
Allerdings steckte der korrupte FBI-Agent Phil Jardine mit den Italienern unter einer Decke. Dessen Plan sah vor, die Lieferung abzufangen, einen Teil zu beschlagnahmen, den Großteil aber den Morettis – nach Abzug einer hübschen Provision für Jardine – zurückzugeben, während die Murphys in den Bau wandern würden. Der FBI-Mann beschlagnahmte in einer publikumswirksamen Razzia zwölf Kilo Heroin und verfrachtete John Murphy in den Knast, tötete Dannys Bruder Liam. 
Danny Ryan gelang es zwar, zehn Kilo Heroin für sich zu behalten, doch hat er den Stoff letztlich im Meer versenkt. Nun befindet sich Ryan auf der Flucht, denn sowohl die Mafia, als auch das FBI und die Cops wollen Ryan tot oder im Gefängnis sehen. 
Um sich ein neues Leben mit seinem Sohn Ian aufbauen zu können, geht Danny einen Deal mit dem CIA-Mann Harris ein, lässt sich Waffen von ihm beschaffen, um das von Domingo „Popeye“ Abbarca geführte Baja-Kartell um ihr Bargeld zu erleichtern. Doch statt wie geplant unterzutauchen, bekommt Danny Wind von einem Film, „Providence“, der in Hollywood über den Krieg zwischen den Morettis und Murphys thematisiert, und steigt nicht nur in die Produktion des Films ein, sondern verliebt sich auch noch in die psychisch labile Hauptdarstellerin Diane Carson, die seine verstorbene Frau spielt. Das bringt natürlich neue Probleme mit sich, als die Affäre in den Medien ausgeschlachtet wird… 
„Okay, denkt Danny, ich sitze in der Scheiße. Drei Morddrohungen – Petrelli, Harris und jetzt Marks. Und genau in dieser Reihenfolge auch gefährlich. Petrelli wird einen klassischen Mafiamord inszenieren, den Job an einen Untergebenen delegieren, wahrscheinlich Faella, und der sucht sich einen anderen Mafioso, gibt ihm den Auftrag. Das Übliche. Harris ist schon was anderes. Regierung, CIA. Die haben ihre eigenen Killer, Typen vom Militär, sind sich aber auch nicht zu fein, mit dem organisierten Verbrechen zusammenzuarbeiten. Und jetzt Marks, er spricht in Pacos Namen, und der wiederum im Namen der Bosse. Wenn die mich tot sehen wollen, bin ich tot.“ (S. 295f.) 
Wie schon in „City on Fire“ lässt Don Winslow sein Publikum auch in „City of Dreams“ kaum Zeit zum Luftholen. In einem wahnwitzigen Tempo treibt der versierte Autor die Handlung voran, schickt seinen Protagonisten Danny Ryan auf eine abenteuerliche Odyssee, bei der immer neue Überlegungen ins Spiel kommen, eine neue Zukunft für sich, seinen Sohn und seine Crew aufzubauen. Der Plan, unter dem Radar zu bleiben, löst sich mit der medienwirksamen Affäre, die Ryan mit der Schauspielerin Diane Carson beginnt, allerdings in Luft auf. 
Geschickt entwickelt Winslow einen Plot, der Ryan mit neuen Herausforderungen und Verhandlungspartnern konfrontiert. Raum für Figurenentwicklung gibt es allerdings kaum. Bei den unzähligen Beteiligten und Handlungssequenzen sticht vor allem die Hollywood-Episode heraus, die einen schillernden Einblick in eine Filmproduktion präsentiert und die emotionalen Tiefen, in die sich Ryan begibt, etwas mehr auslotet. „City of Dreams“ ist ein echter Pageturner, der ebenso wie sein Vorgänger nach einer Verfilmung schreit und den Abschluss der Trilogie mit Spannung erwarten lässt. 

 
Leseprobe Don Winslow - "City of Dreams"

Don Winslow – (Danny Ryan: 1) „City on Fire“

Montag, 13. Juni 2022

(HarperCollins, 398 S., HC) 
Der in New York geborene und in Rhode Island aufgewachsene Don Winslow avancierte vor allem durch seine 2005 begonnene epische Kartell-Saga („Tage der Toten“, „Das Kartell“, „Jahre des Jägers“) zum internationalen Krimi-Bestseller-Autor, der seine Schriftsteller-Laufbahn mit einer Reihe um den Privatdetektiv Neal Carey begonnen hatte. Seither sind etliche weitere Romane entstanden, fürs Kino adaptiert worden (u.a. durch Oliver Stone) und Jahre ins Land gezogen. Mit nunmehr 68 Jahren will Winslow das Schreiben zugunsten seines Kampfes gegen Donald Trump aufgeben und legt mit „City on Fire“ den Auftakt seiner letzten Trilogie vor. 
Rhode Island im August 1986. So wie schon ihre Väter zieht es Danny Ryan und seine Frau Terri, Jimmy und Angie Mac, Pat und Sheila Murphy sowie Liam Murphy mit seiner derzeit angesagten Flamme von Dogtown jeden Sommer nach Goshen Beach. Sie alle sind in Providence aufgewachsen, wo sie im selben Viertel leben wie ihre Eltern und sich fast täglich sehen. Doch diesen Sommer läuft einiges aus dem Ruder. Als Danny sieht, wie eine atemberaubend schöne Frau aus dem Wasser steigt, ist dies der Anfang einer Kette von Ereignissen, die mehr als nur einen Bandenkrieg auslöst. 
In Dogtown herrschen strenge Regeln, die Geschäftsbereiche der Gewerkschaften, Schmuggel, Prostitution, Drogen und Glücksspiel sind fair zwischen den Iren und Italienern aufgeteilt. Danny, der als Einzelkind aufwuchs, nachdem seine Mutter das Weite gesucht hatte, als er noch ein Baby war, fühlte sich seit jeher bei der Großfamilie der Murphys wohl und hat es geschafft, durch die Heirat mit Terri Teil der Familie zu werden, während sein Vater Marty, der einst das Sagen in Dogtown hatte, zunehmend dem Alkohol verfiel. Der Alkohol sorgt auch auf dem Strandfest des italienischen Paten Pasco Ferry für einen Eklat. 
Als Paulie aus dem Moretti-Clan mit der Strandschönheit namens Pam bei der Party auftaucht, grabscht der angetrunkene Heißsporn Liam Paulies Freundin an die Brust und wird von Paulie anschließend krankenhausreif geschlagen. Dort bandelt ausgerechnet Pam mit dem Verletzten an und gießt so noch mehr Öl in das Feuer in dem drohenden Bandenkrieg zwischen den Iren und den Italienern. Als sich die Nachricht in einer Bar herumspricht und Frankie Vecchio von der Moretti-Crew Wind davon bekommt, erschießt Paulie den Mann, der sich auf seine Kosten lustig gemacht hat, und setzt so eine Spirale der Gewalt in Gang, die weit über Dogtown hinaus für ungeliebte Aufmerksamkeit sorgen könnte. 
Liam heuert einen Killer von außerhalb an, um Paulie auszuschalten, worauf alle Dämme brechen. FBI-Agent Jardine versucht vergeblich, die Protagonisten des Bandenkrieges als Informanten zu gewinnen, doch verfolgt er auch seine eigene Agenda. Die Nachricht, dass Terri einen bösartigen Tumor in der Brust hat, zwingt Danny zu einem waghalsigen Coup… 
„Er weiß, dass er auf den Rand einer Klippe zuspaziert, aber irgendwie kann er seine Füße nicht dazu bringen anzuhalten – links, rechts, links, rechts -, immer weiter auf den Abgrund zu. Es ist, als würde ihn etwas antreiben, etwas außerhalb seiner selbst, das sich seiner Kontrolle entzieht.“ (S. 324) 
Don Winslow, der schon in seiner Kindheit die antiken Epen von Homer und Virgil verschlang, setzt den drei Teilen seines neuen Romans jeweils Zitate aus deren Werken „Aeneis“ und „Ilias“ voran und schlägt so die Brücke von der Antike zur Neuzeit. Im Gegensatz zu dem Kontinent umspannenden Epos um den Drogenkrieg lässt Winslow den Auftakt seiner neuen Trilogie fast ausschließlich in Dogtown spielen, entfesselt auf engstem Raum aber ein höllisches Inferno mit unzähligen Beteiligten. 
Dabei skizziert Winslow meist nur kurz, wer mit wem gegen wen intrigiert und kontraktiert, hält sich nicht lange mit Charakterisierungen seiner Figuren auf, sondern lässt sie einfach ihrer Geschäfte nachgehen, die immer mehr aus dem Ruder laufen. Die Gier nach Macht, nach Selbstbestätigung und Absicherung der Familie entwickelt sich zu einem furios inszenierten Schlagabtausch, bei dem keiner dem anderen mehr trauen kann und jeder versucht, das Beste aus der zunehmend verfahrenen Situation zu machen. 
Mit emotional berührenden Momenten geht der Autor sehr sparsam um. Da versucht Dannys mittlerweile zu Reichtum gekommene Mutter ihre Versäumnisse nachzuholen, indem sie all ihren Einfluss nutzt, um Danny und Terri alles Mögliche zur Unterstützung zukommen zu lassen, während Danny wiederum versucht, seinem Kind eine Zukunft zu bieten, die nicht auf einer Sünde aufgebaut ist, und seinen Vater in Sicherheit vor der Rache der Italiener zu bringen. 
Davon abgesehen schildert Winslow in leicht verständlicher Sprache in hohem Tempo ein Labyrinth der Gewalt, das er allerdings nicht übermäßig ausschlachtet. Dafür ist es umso faszinierender, wie eine einzelne Figur so eine zerstörerische Kettenreaktion auslösen kann, die niemand zu stoppen in der Lage zu sein scheint. Mit einer Leseprobe zu „City of Dreams“ darf man sich als Leser auch schon auf das nächste Kapitel der Trilogie einstimmen, während Sony und 3000 Pictures bereits an einer Verfilmung von „City on Fire“ arbeiten.