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Tom Wolfe – „Back To Blood“

Samstag, 9. Februar 2013

(Blessing, 768 S., HC)
Der fünfundzwanzigjährige Cop Nestor Camacho wurde gerade erst zu Miamis Marine Patrol versetzt, da gerät er durch einen kühnen Rettungsversuch in die Schlagzeilen, als er einen kubanischen Flüchtling vom Mast einer Luxusyacht holt. Das von etlichen Schaulustigen und den Medien beobachtete Spektakel wirkt sich allerdings nicht positiv auf Nestors Karriere aus, denn für seine kubanische Familie, Freunde und Mitbürger ist er ein Verräter am eigenen Volk, während ihn die amerikanische Bevölkerung als Helden feiert.
Nestors Freundin, die psychiatrische Krankenschwester Magdalena, flüchtet in die Arme ihres prominenten Chefs, der sich wiederum durch einen pornografiesüchtigen Patienten in die Elite von Miamis Gesellschaft einschleicht. Nachdem bei YouTube auch noch ein Video auftaucht, in dem Nestor mit einem Kollegen auf einen Afroamerikaner losgeht und ihn wüst beleidigt, muss der Cop seine Dienstwaffe und –marke abgeben. Doch in seiner Freizeit geht er dem engagierten Journalisten John Smith zur Hand, der Nestor im Miami Herald als Helden gefeiert hat und den Cop nun zur Aufdeckung eines gigantischen Kunstschwindels benötigt. Ausgerechnet Nestors Ex-Freundin Magdalena entwickelt sich zur wertvollen Augenzeugin, nachdem sie die Gunst von Sergej Koroljow, russischer Oligarch und Förderer der Kunstszene in Miami, erringen konnte. Doch statt den Ausflug in die schillernde Welt des charmanten und attraktiven Mannes von Welt zu genießen, wird Magdalena in Sergejs Umfeld so gedemütigt wie noch nie in ihrem Leben.
„Sergej ist genau jetzt im siebten Himmel … Er ist zufrieden, wenn er den ganzen Abend hier an diesem Tisch sitzen kann … an diesem riesigen Zehnertisch, nur er und seine kleine chocha, vor einem endlosen weißen Ozean mit glitzernden Pailletten. Es ist nicht zu übersehen! Da ist er! Der mächtigste Mann im Saal! … Ihr Elend kann er nicht mal ansatzweise begreifen … Bitte, mein attraktiver Retter, bitte, bring mich weg von hier … errette mich vor den tausend beschämenden, bemitleidenden, ausweichenden Blicken … aber neeeeeiiiiin, er muss aufs Podest, ganz nach oben, muss sich zur Schau stellen … Seht her, der Zar! … aus Hallandale, Florida, Russlands Herzland.:::::: Endlich endlich endlich endlich – und dieses endlich fühlte sich an wie endlich, nach fünf Jahren höllischer Qualen – endlich schlug Sergej vor, zu der großen Party auf Star Island zu fahren. Sein Abgang war wie sein Auftritt … die Schmeicheleien, die Umarmungen, die in Ohr gebrüllten Nettigkeiten, und Sergej mittendrin, über zwei Meter groß, die Brust aufgepumpt, während sie alle sprangen … Und Magdalena? Sie existierte nicht mehr. Sie schauten einfach durch sie durch.“ (S. 618) 
Tom Wolfe, der zusammen mit Zeitgenossen wie Norman Mailer und Truman Capote in den 60er Jahren den New Journalism mitbegründete und erst 1987 mit „Fegefeuer der Eitelkeiten“ sein gefeiertes Romandebüt veröffentlichte, zählt zu den großen Stilisten seiner Zunft und versteht es wie kaum ein Zweiter, gesellschaftliche Milieus treffend zu beobachten und zu charakterisieren. Im Mittelpunkt seines neuen, fast 800 Seiten umfassenden Werks nimmt er sich kulturellen Schmelztiegel Miamis vor, indem nicht nur die Reichen und Schönen zu leben verstehen, sondern auch Kubaner, Haitianer, Afroamerikaner und Latinos ihr Leben verbringen. Geschickt spannt Wolfe den Bogen von einer eigentlich alltäglichen Polizeiaktion über die Medien, die ebenso abhängig von ihrer Kundschaft und den Anzeigenkunden ist wie der Polizeichef von der Gunst des Stadtrats. Es dreht sich eben alles um Geld und Macht. Das wird Nestor, dem einfachen Polizisten mit kubanischem Hintergrund, erst allmählich klar, als er an der Seite des Journalisten John Smith in andere gesellschaftlichen Sphären vordringt und ihre dunklen Machenschaften kennenlernt. Seine Ex-Freundin Magdalena tut dies auf andere, aber ebenso Spuren hinterlassende Weise. Wolfe beschreibt diesen einzigartigen Clash of Cultures mit bissigem Witz, aber ohne eine seiner Charaktere zu verurteilen.  
„Back To Blood“ ist bei aller epischer Länge eine überraschend kurzweilige Gesellschaftssatire, die in ihrem manchmal zu lautmalerischen Stil anstrengt, aber überwiegend nah bei seinen charismatischen Figuren bleibt.
Lesen Sie im Buch: Wolfe, Tom - Back to Blood

Tom Wolfe - „Ich bin Charlotte Simmons“

Freitag, 27. November 2009

(Blessing, 791 S., HC)
Tom Wolfe zählt nicht unbedingt zu den produktivsten Schriftstellern. Der preisgekrönte Sachbuchautor erzielte 1987 mit seinem Romandebüt „Fegefeuer der Eitelkeiten“ gleich einen von Brian de Palma verfilmten Hit. Nun liegt mit „Ich bin Charlotte Simmons“ erst sein dritter Roman vor. Der aber hat es in sich. Auf fast 800 Seiten gewährt er tiefe Einblicke in das rege, absolut nicht standesgemäße Treiben auf einer amerikanischen Elite-Uni.
Die junge, überaus strebsame Charlotte Sometimes ist die erste aus dem 900-Seelen-Kaff Sparta in North Carolina, die ein Stipendium für die traditionsreiche Dupont University in Pennsylvania erhält. Doch schon beim Einzug in die Freshmen-Unterkunft wird Charlotte etwas mulmig zumute. Ihre Zimmergenossin Beverly spielt fraglos in einer ganz anderen Liga. Schon früh schleppt sie Jungen ab und schickt Charlotte ins „Sexil“. Dabei wurde ihr von der Resident Assistant Ashley doch gesagt, dass diese Art von „Heimzest“ allgemein ziemlich verpönt sei. Auch das strikte Alkoholverbot wird bei jeder Gelegenheit mühelos umgangen. Während sich die unbedarfte Charlotte in den Waschräumen der gemischten Unterkunft nur noch ekelt, fühlt sie sich bald ziemlich allein und wird so doch empfänglicher für die Annäherungsversuche drei ganz unterschiedlicher Männer. Da ist auf der einen Seite der fast schon berühmte Basketballstar Jojo, der es als einziger Weißer in die Startmannschaft des Teams geschafft hat, seine Aufsätze aber von seinem Tutoren Adam schreiben lassen muss, weil er einfach nichts in der Birne hat. Adam wiederum nähert sich Charlotte als einer der wenigen, wie er glaubt, Intellektuellen auf dem Campus, während Hoyt der allgemeine Mädchenschwarm ist, der schon darum wettet, die Frauen in sieben Minuten rumzukriegen … Tom Wolfe beschreibt seine Charaktere sehr präzise, ebenso das soziale Umfeld und die Gepflogenheiten von Sex, Drugs und Rap. Das ist höchst amüsant zu lesen und kann durchaus als treffendes Portrait der amerikanischen Jugendkultur gelten.