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Robert McCammon – (Matthew Corbett 2-1) – „Matthew Corbett und die Königin der Verdammten Band I“

Samstag, 24. Mai 2025

(Luzifer Verlag, 424 S., HC)
Robert McCammon zählte seit Ende der 1970er Jahren zu den bekanntesten Horrorautoren, auch wenn er stets in zweiter Reihe hinter den Großen wie Stephen King, Peter Straub, Dean Koontz oder Clive Barker stand. Allerdings überwarf er sich nach einigen erfolgreichen Genreromanen mit seinem Verlag, weil er dem Horror-Genre nicht verhaftet bleiben wollte – und nahm sich schließlich eine mehrjährige Auszeit. Zehn Jahre nach seinem Roman „Gone South“ (dt. „Durchgedreht“) legte der US-Amerikaner mit „Speaks the Nightbird“ den Beginn einer Reihe um den Ermittler Matthew Corbett vor, der in zu Beginn des 18. Jahrhunderts ungewöhnliche Fälle bearbeitet. Nachdem der Luzifer Verlag das Buch in zwei Bänden unter dem Titel „Matthew Corbett und die Hexe von Fount Royal“ in deutscher Erstveröffentlichung vorgelegt hatte, erschien auch die nachfolgende Geschichte „Matthew Corbett und die Königin der Verdammten“ in zwei Bänden.
Nachdem Matthew Corbett als Gerichtsdiener für den reisenden Richter Isaac Woodward in den Carolina-Kolonien gearbeitet hatte, zog es ihn nach New York, wo er nun ebenfalls als Gerichtsdiener für Richter Powers arbeitet, bei der örtlichen Zeitung als Setzer aushilft und ein Zimmer unter dem Dach bei der Töpferei-Familie Stokelys bewohnt. Die wachsende Stadt mit derzeit 5000 Einwohnern steht unter Schock, als der angesehene Arzt Dr. Godwin erstochen und mit merkwürdigen Schnitten um die Augen herum aufgefunden wird. Marmaduke Grigsby, Herausgeber der einzigen Zeitung in der Stadt, hat den Täter als „Maskenschnitzer“ bezeichnet und so die Unruhe in der Bevölkerung nur noch mehr angestachelt. Matthew hat zunächst noch eine eigene Fehde zu begleichen, nämlich Rache an dem sadistischen Waisenhausbesitzer Eben Ausley zu nehmen, der sich nicht nur an Matthew selbst, sondern auch an dessen Freund John Five vergangen hat. Doch Matthew kann seinen Freund nicht zu einer Aussage vor Gericht überreden, das Ausley seiner gerechten Strafe zuführen würde. Doch als auch Ausley Opfer des gefürchteten Maskenschnitzers wird, hat Matthew ganz andere Sorgen. Da Richter Powers in den Ruhestand gehen wird, muss sich Matthew eine neue Anstellung suchen. Während er selbst nach Hinweisen auf die Identität des Schnitzers sucht, macht Matthew die Bekanntschaft von Mrs. Herrald, die Matthew in ihre Dienste nehmen würde, wenn er sich denn bei seiner ersten Aufgabe bewährt und von ihrem Gehilfen Greathouse in verschiedene Kampftechniken eingewiesen wird. Besonders verdächtig erscheinen Matthew einige angesehene Leute der Stadt, so auch Wachtmeister Lillehorne und Reverend Wade, der ausgerechnet in der Nähe des anrüchigen Etablissements von Madam Blossom gesehen wurde.

„Matthew schien es, dass eine potenzielle Verbindung zwischen Dr. Godwin, Deverick und nun ausgerechnet Ausley vielleicht in der Geschäftswelt lag, sofern es überhaupt eine gab. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass es sich vielleicht um die falsche Fährte handelte. Denn wie, um alles in der Welt, konnte der Leiter eines Waisenhauses mit einer Sucht nach dem Spieltisch in enger Beziehung zu einem wohlhabenden Großhändler stehen, der sich von den bitteren Straßen Londons nach oben gekämpft hatte? Und weiter: Wie war ein überragender und allgemein bewunderter Arzt mit diesen beiden Männern verbunden?“ (S. 326f.)

Robert McCammon hatte sich vor allem mit seinen Südstaaten-Romanen und vor allem mit dem Coming-of-Age-Drama „Boy’s Life“ als hervorragender Stilist etabliert, und diese Fähigkeit spielt er in seiner historischen Mystery-Krimi-Reihe um den jungen Ermittler Matthew Corbett voll aus. Der Autor verwendet das noch junge New York mit wenigen tausend Einwohnern als Kulisse für eine atmosphärisch dichte Story, die an „Jack the Ripper“ ebenso denken lässt wie an die Krimis von Sherlock Holmes. Es sind vor allem die lebendigen Beschreibungen der Gasthäuser, dem Treiben auf den dreckigen Straßen und am Hafen, aber auch die bildhaften Charakterisierungen der vielen Figuren, die McCammon im Verlauf der gemächlich inszenierten Handlung einführt. 
Da es sich bei „The Queen of Bedlam“ – so der 2007 veröffentlichte Originaltitel – in der deutschen Ausgabe um zwei Bände handelt, entwickelt sich die Spannung nur sehr langsam. Man muss sich beim Lesen stets vor Augen halten, dass die eigentliche Zuspitzung der Handlung und die Verbindung zur titelgebenden Königin der Verdammten erst im nächsten Band erfolgt. So darf man sich erst in Ruhe mit dem weiteren Werdegang des ambitionierten Ermittlers auseinandersetzen und seinen nicht immer freundlichen Bekanntschaften mit Zeugen, Familienangehörigen, Verdächtigen und zwielichtigen Gestalten jeglicher gesellschaftlicher Herkunft folgen. Es hilft zumindest, ein Gefühl für die Lebensumstände im New York des Jahres 1702 zu bekommen.

Robert McCammon – „Boy’s Life“

Freitag, 28. Juli 2023

(Luzifer Verlag, 582 S., HC) 
Nach seinem 1978 veröffentlichten Debüt „Baal“ avancierte der 1952 geborene US-amerikanische Schriftsteller Robert R. McCammon in den 1980er Jahren mit Romanen wie „Bethany’s Sin“ (dt. „Höllenritt“), „The Night Boat“ (dt. „Tauchstation“), „They Thirst“ (dt. „Blutdurstig“), „Usher’s Passing“ (dt. „Das Haus Usher“) und „Swan Song“ (dt. „Nach dem Ende der Welt“) nach Stephen King, Peter Straub, Clive Barker und Dean Koontz zu einem der interessantesten Horror-Autoren, doch sorgte offenbar ein Zerwürfnis mit seinem damaligen Verleger über die von McCammon gewünschte Ausweitung seiner Genre-Vorlieben für eine zehnjährige Schaffenspause. 
Zuvor erschien 1991 mit „Boy’s Life“ einer der besten Romane des Schriftstellers. Nachdem Knaur den Titel 1992 im Taschenbuch als „Unschuld und Unheil“ erstveröffentlicht und Area 2004 eine günstige Hardcover-Ausgabe nachgeschoben hatte, legte der Luzifer Verlag 2020 eine broschierte Neuauflage mit dem Originaltitel „Boy’s Life“ nach. 
Der zwölfjährige Cory Jay Mackenson lebt 1964 in der Kleinstadt Zephyr im Süden Alabamas. Wenn er nicht gerade mit seinen Freunden Johnny Wilson, Davy Ray Callan und Ben Sears abhängt, vergnügt er sich mit Superhelden-Comics und Magazinen wie „Berühmte Monster der Filmgeschichte“, „Screen Thrills“, „National Geographics“ und „Popular Mechanics“. Eines Märzmorgens begleitet Cory seinen Vater auf dessen Milchtour, auf die er auch Kunden südlich in der Nähe von Saxon’s Lake beliefert. Als sie am Park vorbei aus Zephyr hinaus in den Wald fahren, als plötzlich ein Auto aus der bewaldeten Kurve auf sie zufährt, von der Route Ten abkommt, die Böschung hinunterfährt und in den tiefen See stürzt. Sein Vater will den Fahrer retten, kann aber nur noch registrieren, dass dieser bereits tot war, splitternackt, mit ans Lenkrad gefesselten Händen und einer Tätowierung mit einem Totenkopf mit nach hinten zeigenden Flügeln auf der Schulter, bevor der Wagen für immer auf den Grund des Sees sinkt. Als Sheriff Amory mit den Ermittlungen beginnt, wird die Identität des unbekannten Toten nicht gelüftet. 
Der einzige weitere Hinweis auf die Tat stellt eine grüne Feder dar, die Cory unter seinem Schuh entdeckt, und eine Gestalt, die der Junge am Waldrand gesehen hat. Während sein Vater fortan von nächtlichen Alpträumen heimgesucht wird, verbringt Cory die nachfolgenden Sommerferien vor allem damit, das Geheimnis um die Feder und den vielleicht sogar aus Zephyr stammenden Mörder zu ergründen. Dabei macht Cory auch die Bekanntschaft der übersinnlich begabten Lady, die Corys Vater schließlich den vielleicht entscheidenden Tipp gibt. 
Cory verfügt nicht nur über eine blühende Fantasie, sondern auch ein enormes Ausdrucksvermögen, so dass er seine Erlebnisse in eine Geschichte einfließen lässt, die nicht nur einen Preis beim jährlichen Literaturwettbewerb der Stadt gewinnt, sondern auch dem Mörder signalisiert, dass Cory vielleicht mehr gesehen hat, als seine Geschichte andeutet. Als im Herbst noch immer keine Spur zu dem Mörder zu führen scheint, macht Cory zunehmend beunruhigende Entdeckungen…
„Was ich in der stillen Oktoberluft spürte, wenn Halloween näher rückte, waren nicht die Spukgestalten aus Plastik, sondern gigantische, mysteriöse Kräfte, die am Werk waren. Diese Kräfte konnte man nicht benennen. Man konnte sie weder als kopflosen Reiter, heulenden Werwolf noch grinsenden Vampir bezeichnen. Diese Kräfte waren so uralt wie die Welt und das Gute oder Böse in ihnen so rein und unverfälscht wie die Naturelemente. Statt Monster unter meinem Bett zu sehen, sah ich die Armeen der Nacht ihre Schwerter und Äxte für einen Kampf in Nebelschwaden schärfen.“ 
In der langen Aufzählung seiner Danksagung erwähnt Robert R. McCammon so unterschiedliche Einflüsse wie die Produktionen der Hammer Film Studios und ihre Stars Peter Cushing und Christopher Lee, aber auch Edgar Allan Poe, Edgar Rice Burroughs, Roger Corman, James Bond, Hans Christian Andersen, Vincent Price und nicht zuletzt Ray Bradbury, der in seinen Romanen und Erzählungen wohl am eindrücklichsten seine ausgeprägte Fabulierkunst dazu nutzte, um den Zauber und die Magie kindlicher Vorstellungskraft zu beschreiben. 
In „Boy’s Life“ macht der Ich-Erzähler Cory Mackenson gleich zu Beginn klar, dass der 1500-Seelen-Ort Zephyr voller Magie sei, und obwohl ebenfalls schnell der Mord an dem Mann in den Fokus rückt, der nackt, ans Lenkrad gefesselt und bereits ermordet mit seinem Auto für immer im Saxon’s Lake versinkt, dreht es sich bei dem epischen Roman nicht nur um „Die Suche nach einem Mörder“, wie der Untertitel andeutet, sondern um eine tiefgründige Coming-of-Age-Geschichte, in der der junge Protagonist viel zu schnell mit den Schrecken des Todes konfrontiert wird, aber auch die Magie von Urzeitmonstern und rasenden Fahrrädern kennenlernt. 
McCammon erzeugt mit seiner bildgewaltigen Sprache einen magischen Sog, entwickelt ein Gespür für interessante Figuren und lässt seinen kindlichen Helden ganz gewöhnliche, aber auch ebenso besondere Abenteuer erleben, bis er mit hartnäckig ausgeprägter Sherlock-Holmes-Logik dem Mörder auf die Spur kommt. In der packenden Mischung aus Entwicklungs-, Mystery- und Kriminalroman hat Robert R. McCammon Anfang der 1990er Jahre ein großartiges literarisches Werk kreiert, das locker in einem Atemzug mit Stephen Kings „Es“ und Dan Simmons„Sommer der Nacht“ genannt werden muss.