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Jussi Adler-Olsen – (Carl Mørck: 8) „Opfer 2117“

Samstag, 26. Oktober 2019

(dtv, 588 S., HC)
Der 32-jährige spanische Journalist Joan Aiguader hadert mit seinem Schicksal. Er ist nicht nur total abgebrannt und kann nicht mal die zwei Euro für den Kaffee bezahlen, den er an der Promenade am Strand von Barcelona bestellt hat, sondern hat vier weitere Absagen für seine Kurzgeschichten zu verkraften. Doch dann entdeckt er ein Fernsehteam am Strand, das auf die „Tafel der Schande“ und die darauf gezählten Flüchtlinge hinweist, die seit Jahresbeginn im Mittelmeer ertrunken sind, und eine Reportage über einen Mann bringt, dessen Leiche erst vor wenigen Stunden am Badestrand Ayia Napa auf Zypern angeschwemmt wurde. Der eben noch völlig niedergeschlagene Joan spürt auf einmal seinen journalistischen Instinkt, „borgt“ sich das Geld für die Flüge nach Zypern und zurück und will mit der Reportage über den ertrunkenen Mann die Welt aufrütteln. Vor Ort wird Joan jedoch Zeuge einer weiteren Welle von angeschwemmten Leichen, darunter die einer alten Frau, die Joans Aufmerksamkeit fesselt. Tatsächlich scheint sich sein Blatt zum Guten zu wenden, als er mit seiner Story und dem Foto der alten Frau die Titelseite bei Hores del dia schmückt. Doch wie sich herausstellt, ist die alte Frau, die als „Opfer 2117“ bekannt geworden ist, nicht ertrunken, sondern wurde ermordet, während der zuvor in der spanischen Fernsehreportage erwähnte tote Mann als Anführer einer Terrorzelle identifiziert worden ist.
Während Joan damit beauftragt wird, die ganze Geschichte hinter dieser Tragödie zu erzählen, identifiziert Assad die alte Frau auf dem Foto als Lely Kababi, jene Frau, bei der seine Familie damals in Syrien Zuflucht fand, als sie aus dem Irak geflohen waren. Bei der Sichtung des weiteren Fotomaterials zu dem Fall, das ihm seine alte Arbeitskollegin Rose aus anderen Zeitungen zur Verfügung stellt, entdeckt Assad nicht nur seine Frau Marwa und eine seiner Töchter, sondern bekommt es mit seinem größten Widersacher Ghaalib zu tun, der nicht nur die beiden Frauen in seiner Gewalt hat, die Assad alles bedeuten, sondern einen gewaltigen Terroranschlag in Deutschland plant. Carl Mørck, Assads Chef beim Kopenhagener Sonderdezernat Q, das sich sonst nur mit alten ungelösten Fällen befasst, begleitet Assad auf dem Weg nach Frankfurt, während die wieder zurückgekehrte Rose mit ihrem Kollegen Gordon einem 22-jährigen Jungen namens Alexander nachjagt, der das Schicksal von Opfer 2117 zum Anlass nimmt, mit seinem Samuraischwert loszuziehen, um wahllos Menschen zu töten, sobald er bei dem Computer-Spiel „Kill Sublime“ Level 2117 erreicht hat. Währenddessen folgen Carl, Assad und der Verfassungsschutz den Terroristen nach Berlin …
„Assad atmete tief durch: Vielleicht begriffen sie jetzt endlich, wogegen sie antraten: Ghaalib war das personifizierte Böse. Nichts weniger als das. Lange starrte er auf den Zettel. Er habe nicht viel Zeit, stand da. Nicht viel Zeit! Und Berlin war so unendlich groß!“ (S. 400) 
Seit seinem 1997 veröffentlichten Debütroman, der in Deutschland unter dem Titel „Das Alphabethaus“ erschienen ist, wurde der aus Kopenhagen stammende Jussi Adler-Olsen vor allem durch seine 2007 initiierte Reihe um Carl Mørck und das Kopenhagener Sonderdezernat Q zum internationalen Bestseller-Autor. Mit „Opfer 2117“ präsentiert Adler-Olsen nicht nur den bereits achten Teil der Reihe, die auch kontinuierlich für das Kino adaptiert wird, sondern auch einen ungewöhnlich aktuellen Fall, der vor allem die bisher so geheimnisvolle Geschichte von Assad endlich lüftet – wenn auch auf extrem dramatische Weise.
Geschickt verleiht der Autor der Tragödie der andauernden Flüchtlingskatastrophe über die bloße Anhäufung von Opferzahlen hinaus ein individuelles Gesicht und verbindet sie mit der Familiengeschichte von Assad – und stellt diese auch noch in den ebenso aktuellen Kontext des Terrorismus. Als würde dies für eine packende, vielschichtige Story noch nicht reichen, fahnden die in Kopenhagen gebliebenen Q-Mitarbeiter Rose und Gordon nach einem psychisch labilen jungen Mann, der seine Wut gegen die Gleichgültigkeit in der Welt mit seinem Samuraischwert Ausdruck verleihen will. Das ist selbst bei knapp 600 Seiten, die der Autor mit seiner Geschichte füllt, ein anspruchsvolles Unterfangen, das ihm zum größten Teil bravourös gelingt.
Indem er ständig die Perspektiven zwischen Carl, Assad, Joan, Alexander, Ghaalib, gelegentlich auch Rose und Gordon wechselt, hält er das Tempo hoch. Dazu sorgen die ersten Terrorzwischenfälle in Frankfurt für Spannung, zu der auch Assads Erinnerungen an seine erste Begegnung mit Ghaalib und dessen Vorbereitungen zu seiner finalen Konfrontation mit seinem Erzfeind ihren Anteil beitragen. Für die emotionale Komponente sorgen nicht nur die traurigen Schicksale der toten Flüchtlinge, sondern vor allem Assads Sorge um das Schicksal der – zählt man die tot aufgefundene Lely dazu – vier wichtigsten Frauen in seinem Leben und Carls Beziehung zu Mona, die mit 51 Jahren noch ein Kind von Carl erwartet.
Bei so vielen Themen bleibt zwangsläufig die Tiefe auf der Strecke. Vor allem der Nebenplot mit Alexander wirkt dabei nicht glaubwürdig und trägt leider auch zum ärgerlich konstruierten Happy End bei. Adler-Olsen hätte gut auf diesen Handlungsstrang verzichten können und so der im Fokus stehenden Geschichte um Opfer 2117 und der Vereitelung von Ghaalibs Terrorplänen mehr Aufmerksamkeit widmen können. So wirken die Sprünge zwischen den Protagonisten, Zeiten und Orten doch sehr gehetzt und oberflächlich. Von diesem Manko abgesehen, bietet „Opfer 2117“ aber rasant erzählte, actionreiche Spannung mit brisant aktuellen, sehr persönlich gestalteten Themen und nach wie vor sympathisch gezeichneten Figuren, unter denen hier vor allem Assad endlich deutliche Konturen gewinnt.
Leseprobe Jussi Adler-Olsen "Opfer 2117"

Jussi Adler-Olsen – (Carl Mørck 7) „Selfies“

Sonntag, 23. April 2017

(dtv, 576 S., HC)
Die Sozialarbeiterin Anne-Line Svendsen hat schon so einige schlechte Entscheidungen in ihrem Leben getroffen, auch in beruflicher Hinsicht. Da sie bei Männern stets die falsche Wahl getroffen hat, lebt sie als übergewichtiger Single in Kopenhagen und übt ihren Job zunehmend mit Widerwillen aus. Bei Sozial-Schmarotzern wie Michelle Hansen, Denise F. Zimmermann und Jazmine Jørgensen, die nicht bereit sind, für ihren Lebensunterhalt etwas zu tun und sich immer dreistere Tricks einfallen lassen, um das System zu hintergehen, dreht sich ihr der Magen um.
Nachdem ihr bei einer Routineuntersuchung Brustkrebs diagnostiziert wurde, scheint Anneli, wie sich selbst gern nennt, nichts mehr zu verlieren zu haben, und schmiedet einen perfiden Plan, die drei durch gemeinsames Schicksal geschmiedete Freundinnen, mit geklauten Autos zu überfahren. Auf der anderen Seite beschließen die drei jungen Frau, sich ebenfalls ihrer ätzenden Sachbearbeiterin zu entledigen …
Währenddessen steht Vizepolizeikommissar Carl Mørck unter besonderem Druck. Scheinbar sind unerklärlich niedrige Aufklärungsquoten des Sonderdezernats Q zum Polizeipräsidenten gelangt, so dass das im Keller untergebrachte Dezernat für ungelöste alte Fälle davorsteht, aufgelöst oder zumindest personell reduziert zu werden. Da erhält Mørck einen Anruf seines ehemaligen, mittlerweile pensionierten Kollegen Marcus Jacobsen, der einen Zusammenhang zwischen dem jüngsten Mord an der 67-jährigen Rigmor Zimmermann und einem ganz ähnlichen Fall erkennt, als vor zwölf Jahren die Lehrerin Stephanie Gundersen unter ähnlichen Umständen ums Leben kam. Interessanterweise war die Zimmermann die direkte Nachbarin von Rose Knudsen, der psychisch angeschlagenen, aber sehr geschätzten Kollegin in Mørcks kleinen Team. Als der vermeintliche Unfalltod ihres herrschsüchtigen und sadistischen Vaters wieder aufgerollt wird, geht es Rose so schlecht, dass sie sich das Leben nehmen will …
„Er seufzte. Ein unerträglicher Gedanke, dass diese Frau, die sie alle so gut zu kennen glaubten, mit so zerstörerischen, alles überschatteten Gefühlen zu kämpfen hatte. Gefühlen, die sie nur durch harsches Auftreten in den Griff zu bekommen glaubte.
Und trotz all der Düsternis in ihrem Innern hatte sie immer noch die Kraft gefunden, ihn, Carl, zu trösten, wenn er selbst niedergeschlagen war.“ (S. 191f.) 
Seit 2007 begeistert der dänische Schriftsteller Jussi Adler-Olsen die internationale Krimileserschaft mit seiner Reihe um Carl Mørck und dem von ihm geleiteten Sonderdezernat Q – allerdings in unterschiedlicher Qualität. Dass der siebte Band „Selfies“ leider der bislang unausgereifteste ist, liegt nicht nur an dem ambitionierten, aber missglückten Unterfangen, gleich fünf Mordfälle auf unterschiedlichen Ebenen aufzuklären, sondern gleich zu Anfang an der wenig überzeugenden und sehr klischeehaften Einführung der drei Unterschicht-Schlampen mit den dafür typischen Namen Michelle, Denise und Jazmine.
Wie die drei jungen Frauen zu Freundinnen werden und ebenso wie ihre Sachbearbeiterin gegenseitig Mordgelüste entwickeln, hat Adler-Olsen sehr oberflächlich inszeniert. Der Fokus auf diese unglaubwürdige Konstellation führt leider dazu, dass die anderen vom Sonderdezernat Q – teilweise in Zusammenarbeit mit der regulären Mordkommission aus dem zweiten Stock – bearbeiteten Fälle nur angerissen werden.
Vor allem das plötzliche Verschwinden von Rose und die Beschäftigung mit ihrem im Stahlwerk umgekommenen Vater erhält so nicht die Aufmerksamkeit, die die sympathische Rose mit ihren massiven psychischen Problemen verdient hätte. Zu allem Überfluss müssen sich Carl Mørck und Co. auch noch mit dem übereifrigen Fernsehteam von Station 3 herumplagen.
So bleiben nicht nur die übrigen Mitstreiter des Dezernats Q eher blass, sondern finden die einzelnen Fälle eher im Galopp ihre Auflösung.
Adler-Olsen würde sich in Zukunft sich selbst und seinen Lesern wie Kritikern sicher einen Gefallen tun, wenn er sich mehr auf seine sympathischen Ermittler des Sonderdezernats und auf weniger als eine Handvoll Fälle konzentrieren würde, um so mehr erzählerische Tiefe und Spannung zu erzeugen.
Leseprobe Jussi Adler-Olsen - "Selfies"

Jussi Adler-Olsen – „Takeover – Und sie dankte den Göttern …“

Sonntag, 8. November 2015

(dtv, 592 S., HC)
Nach siebenundzwanzig Jahren, die die Halbindonesierin Nicky Landsaat auf der Schattenseite von Amsterdam verbracht hat, sind ihre Examensnoten von der Handelshochschule so gut, dass sie ihrem tyrannischen Vater und ihren bereits vom rechten Weg abgekommenen Geschwistern Bea und Henk entfliehen kann. Als sie im August 1996 die Einladung zu einem Traineekursus bei der Investmentfirma Christie N.V. erhält, gelingt es ihr tatsächlich, trotz der verspäteten Anmeldung einen der begehrten Trainee-Plätze zu ergattern und das Vertrauen des Geschäftsführers Peter de Boer zu gewinnen.
Der hat nicht nur mit einer Anklage durch die Eltern seiner Frau Kelly mit kämpfen, die ihm vorwerfen, Kelly in den Selbstmord getrieben zu haben, sondern bekommt es auch mit dem undurchsichtigen wie skrupellosen Marc de Vires zu tun. Dieser unterhält Kontakte zur CIA unterhält und beauftragt de Boer mit einem heiklen Auftrag im Irak, den er nicht ablehnen kann. Um herauszufinden, was de Vires vorhat, schleust sich Nicky als Kindermädchen für dessen Neffen Dennis ein …
„Als sie de Vires‘ Korrespondenz entdeckte, überlegte Nicky einen Augenblick lang, den Computer auszuschalten. In diesem sehr kurzen Moment beschlich sie nicht nur eine ungute Ahnung von Unglück, Blut und Gewalt. Ihr wurde plötzlich auch das Ausmaß ihrer Neugier bewusst, ihr Ehrgeiz und besonders die von Liebe kaum noch zu unterscheidende Hingabe, die sie für Peter de Boer empfand und für alles, was er repräsentierte. Nicky feuchtete ihre Fingerspitzen an, rieb sie aneinander und ließ sie dann über die Tastatur gleiten, als zöge eine übernatürliche Kraft sie an einen vom Schicksal bestimmten Ort.“ (S. 308) 
Seit der norwegische Thriller-Autor Jussi Adler-Olsen mit seiner Reihe um Carl Mørck vom Sonderdezernat Q die internationalen Bestsellerlisten gestürmt hat, erscheinen zwischenzeitlich auch Adler-Olsens ältere Werke, die bislang aber nicht an die Qualität seiner Erfolgsreihe anschließen konnten. Das trifft auch auf „Takeover“ zu. Dabei beginnt der Roman vielversprechend: Eine junge Frau bekommt die Chance, dem Elend, in dem ihre Familie lebt, mit ihrer hervorragenden Ausbildung zu entkommen, und lässt sich auf eine gefährliche Beziehung mit ihrem Gönner Peter de Boer ein, die weit über berufliches Engagement hinausgeht. Doch auch wenn Adler-Olsen die schwierigen Familienverhältnisse sowohl bei den Landsaats als auch bei den de Boers und den de Vires‘ herauszuarbeiten versucht, wirken die Charakterisierungen nur skizziert, so dass der Leser kaum Identifikationsmöglichkeiten mit den Figuren bekommt, am ehesten wohl mit der taffen Protagonistin Nicky Landsaat.
Was dem Roman allerdings fast zum Verhängnis wird, sind die irgendwann unüberschaubaren politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Verwicklungen, die den Lauf der Geschichte immer wieder ins Stocken geraten lassen. Adler-Olsen macht in „Takeover“ viele Fässer auf. Es geht um wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, bei dem jedes noch so unlautere Mittel recht ist, es geht um familiäre Tragödien und schließlich um den Krieg um Öl, in den nicht nur der Irak und Kuwait verwickelt sind, sondern natürlich auch die USA, so dass die CIA auch ihre Finger im Spiel hat.
So bietet der komplexe Plot viele Möglichkeiten für Verrat, Intrigen, Gewalt, Folter und Mord, aber auch für ebenso viele Wendungen, Nebenhandlungen und Ablenkungsmanöver.
Immerhin gelingt es dem Autor, bei der zerfaserten Dramaturgie dennoch Spannung aufzubauen. Mørck-Fans werden mit diesem hochpolitischen und komplexen Thriller nicht unbedingt was anfangen können, aber lesenswert ist dieses Frühwerk aus dem Jahr 2003 (und neu aufgelegt im Jahr 2008) allemal. Schließlich sind die hier angerissenen Themen nach wie vor hochaktuell.
Leseprobe Jussi Adler-Olsen - "Takeover"

Jussi Adler-Olsen – (Carl Mørck 6) „Verheißung“

Donnerstag, 2. April 2015

(dtv, 596 S., HC)
Der Anruf eines Kollegen von der Insel Bornholm hält Carl Mørck davon ab, sein geplantes Nickerchen zu halten. Doch bevor Christian Habersaat sein Anliegen überhaupt vorbringen kann, wimmelt ihn der Leiter des Sonderdezernats Q im Polizeipräsidium von Kopenhagen schon ab. Einen Tag später erschießt sich Habersaat bei seiner Verabschiedung im Bürgerhaus von Listed und ruft nun doch Mørck und seine beiden Assistenten Rose und Assad auf den Plan. Als sie vor Ort Habersaats Wohnung untersuchen, stoßen sie auf einen Fall, der den Verstorbenen offensichtlich siebzehn Jahre lang beschäftigt hat.
Im November 1997 ist nämlich die hübsche wie junge Alberte Goldschmid kopfüber in einem Baum hängend tot aufgefunden wurden. Der Fahrer, der offensichtlich Unfallflucht begangen hatte, ist nie ausfindig gemacht worden. Bei ihren Nachforschungen stoßen Mørck und sein Team auf Geschichten, in denen auf der einen Seite die verstorbene Alberte allerhand Männern den Kopf verdreht hat, auf der anderen Seite scheint es einen spirituellen Anführer gegeben zu haben, der mit seinem Charisma und seinem blendenden Aussehen ebenfalls allerlei Frauenherzen eroberte. Allerdings bekommen Mørck & Co. nicht mehr als den Namen Frank in Verbindung mit dem Guru heraus, aber offensichtlich erscheint, dass die Begegnung von Alberte und Frank tödliche Konsequenzen nach sich trug …
„,In mir macht sich immer mehr das Gefühl breit, dass wir auf der richtigen Spur sind. Habersaat hatte recht. Ich kann mir vorstellen, dass Frank größenwahnsinnig wurde. Empfand sich vielleicht als eine Art Messias. Und es lief ja alles wie gewünscht – bis diese Alberte dazwischenkam.‘
‚Wie meinst du das?‘
,Dass sie für ihn aus irgendeinem Grund zum Klotz am Bein wurde. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit, allerdings eine ziemlich schreckliche: Vielleicht sollte Alberte geopfert werden? Ein Mord, von dem Frank und seine Kommunarden nicht wollten, dass man ihn mit dem Sonnenkult in Verbindung bringt. Ein Sonnenopfer, das bezeichnenderweise genau in dem Moment dargebracht wurde, als die Sonne aufging.‘“ (S. 434) 
Bereits zum sechsten Mal ermitteln Carl Mørck und seine Mannschaft vom Sonderdezernat Q in einem alten Fall. Der wird aber erst durch den Selbstmord eines entfernten Kollegen wieder untersucht, und Mørcks Truppe hat einiges zu tun, die Umstände eines vermeintlichen Unfalls zu rekonstruieren, in den offensichtlich eine Truppe von Hippies und spirituellen Heilsuchenden verwickelt gewesen sind, deren Anführer sich einen merkwürdigen Namen zugelegt hat.
Daneben hat Mørck auch noch mit dem Tod seines Cousins Ronny zu tun und am Rande auch mit dem Fall, der Carl und seinen alten Kollegen Hardy für immer verändert hat.
Wie gewohnt bezieht ein Krimi aus der Mørck-Reihe seinen Unterhaltungswert nicht allein aus den besonderen Umständen, einen uralten Fall wieder aufzurollen, was die Spuren- und Zeugensuche zu einer echten Herausforderung machen, sondern auch aus den besonderen Bedingungen, unter denen Mørck, Assad und Rose miteinander umgehen und die regelmäßig für den knackigen Wortwitz sorgen, der die „Sonderdezernat Q“-Reihe so einzigartig macht.
Davon abgesehen gewährt „Verheißung“ interessante Einblicke in die schwedische Hippieszene und die Mechanismen, mit denen charismatische Männer zu spirituellen Führern werden.
Dass die Schnitzeljagd nach Beweisen und Zeugen so einige irrige Annahmen hervorbringt und zu einem überraschenden Finale führt, macht den sechsten Fall für das Sonderdezernat Q zu einer spannenden Lektüre, bei der sich psychologische Elemente, trockener Humor und eine souveräne Erzählweise wunderbar verdichten.
Leseprobe Jussi Adler-Olsen - "Verheißung"

Jussi Adler-Olsen – (Carl Mørck 4) „Verachtung“

Samstag, 15. Dezember 2012

(dtv, 542 S., HC)
Nachdem skandinavische Krimi-Autoren wie Henning Mankell und Hakan Nesser jahrelang dafür gesorgt haben, weltweit erfolgreich auf sich aufmerksam zu machen, schien mit der „Millennium“-Trilogie des viel zu früh verstorbenen Stieg Larsson der Höhepunkt der skandinavischen Thriller-Literatur erklommen worden zu sein. Auf der Suche nach ebenbürtigen Autoren ist die Bücherwelt zwar noch nicht wirklich fündig geworden, doch mit dem dänischen Schriftsteller Jussi Adler-Olsen bevölkert seither ein höchst talentierter Mann mit seinen Geschichten um das Sonderdezernat Q die Bestsellerlisten und erfreut sich zunehmender Beliebtheit auch beim deutschen Publikum.
Nach „Erbarmen“, „Schändung“ und „Erlösung“ präsentiert Adler-Olsen mit „Verachtung“ bereits den vierten Roman aus der Reihe um den kauzigen Ermittler Carl Mørck und seinem sehr speziellen Team beim Sonderdezernat Q, das sich im Kopenhagener Polizeipräsidium um alte, nicht abgeschlossene Fälle kümmert. Diesmal landet die Akte von Rita Nielsen auf dem Tisch des Dezernats, die in den Siebzigern und Achtzigern in Kolding einen Escort- und Begleitservice leitete und im November 1987 spurlos verschwand. Als sich Mørck, Assad und Rose an die Ermittlungen machen, stoßen sie zunächst auf weitere vermisste Personen aus dieser Zeit und offensichtliche Verbindungen zwischen ihnen. Da ist auf der einen Seite der rassistische Gynäkologe Curt Wad, der mit seiner Partei „Klare Grenzen“ gerade versucht, ins Parlament zu gelangen, auf der anderen Seite Nete Rosen, die eine schlimme Zeit in einem Frauengefängnis auf Sprogø verbracht hat. Vor allem die Machenschaften der „Klare Grenzen“-Köpfe bereiten den Ermittlern mehr als nur Bauchschmerzen.
„Carl warf Assad einen prüfenden Blick zu. Dieser Fall ging Assad mehr an die Nieren als andere Fälle, Gleiches galt für Rose. Ganz klar, beide waren Menschen mit Narben auf der Seele, aber trotzdem erstaunte es Carl, dass sich Assad dermaßen engagierte, dass ihn die Sache offenbar so erschütterte. ‚Wenn man Frauen auf eine Insel deportieren kann und damit durchkommt‘, fuhr Assad unbeirrt fort, ‚und wenn man massenhaft gesunde Embryos töten und Frauen sterilisieren kann, wenn man das einfach so kann, dann kommt man mit allem durch. Das denke ich, Carl. Und wenn man daraufhin auch noch im Folketing sitzt, wird es richtig kritisch.‘“ 
Das trifft allerdings auch auf die Ermittler zu. Denn je näher Mørck & Co. sich den Machenschaften der rechten Partei nähern, desto heftiger reagieren sie darauf, ihre dunklen Geheimnisse zu bewahren. Dabei schrecken sie vor keinen Mitteln zurück.
Adler-Olsen hat mit „Verachtung“ ein höchst brisantes Thema, das auf einem tatsächlichen Missstand in der dänischen Geschichte beruht, in eine höchst packende Thrillerhandlung gepackt. Daneben bleibt auch immer ein wenig Zeit, in die persönlichen Befindlichkeiten der drei sympathischen, doch ganz unterschiedlichen Protagonisten einzutauchen, doch könnte davon in Zukunft ruhig mehr zu lesen sein. Denn wie sich Mørck seiner angebeteten Mona nähert, ist schon amüsant geschildert, lässt aber viel Raum zur Entwicklung. Und auch Assads mysteriöser Hintergrund wird nur unzureichend erhellt. Doch die rasante und intelligent verquickte Geschichte packt den Leser mit einer Wucht, dass dieses kleine Manko schnell entschuldigt wird. Schließlich bleibt die Hoffnung auf noch viele weitere Bände aus dieser Reihe …
Leseprobe Jussi Adler Olsen - "Verachtung"

Jussi Adler-Olsen - (Carl Mørck 3) „Erlösung“

Montag, 11. Juli 2011

(dtv, 591 S., Pb.)
Das Sonderdezernat Q des Polizeipräsidiums in Kopenhagen widmet sich unter der Leitung von Carl Mørck alten ungelösten Fällen. Mørck , seinem muslimischen Assistenten Assad und der eigenwilligen Rose fällt eine Flaschenpost aus dem Jahre 1996 in die Hände, die zunächst an der Küste von Schottland aufgefunden wird, aber viele Jahre unbeachtet im Küstenstädtchen Wick auf der Polizeiwache herumstand.
Nach ersten Analysen durch die schottischen Kollegen versucht die Mannschaft des Sonderdezernats das mit Blut beschriebene, kaum noch leserliche Schriftstück zu entziffern und fügt durch Hilfe von Kollegen die Textfragmente wie ein Puzzle zusammen. Während die Ermittler auf den Namen Poul Holt stoßen, der den Hilferuf unterschrieben hat, gehen Carl Mørck & Co aber auch einer Reihe von Brandstiftungen nach, bei denen offenbar schon vorher verbrannte Leichen aufgefunden werden, deren Einkerbungen am kleinen Finger darauf schließen lassen, dass die Opfer einer religiösen Sekte angehören. In diese Richtung führt auch die Suche nach Poul Holt. Und schon wird Carl Mørck klar, warum sich der Kidnapper ausgerechnet Kinder aus einer der vielen Sekten auswählt, die in der dänischen Gesellschaft integriert sind.
„‘Der Entführer sucht sich eine kinderreiche Familie aus“, fuhr Carl fort, während er nach Gesichtern Ausschau hielt, an die zu wenden es sich lohnte. ‚Eine Familie, die – als Zeugen Jehovas – in vielerlei Hinsicht isoliert in der sie umgebenden Gesellschaft lebt. Eine Familie, die relativ starr in ihren Gewohnheiten verankert ist und ein außerordentlich restriktives Leben führt. Eine Familie, die zuletzt auch noch vermögend ist, nicht wirklich steinreich, aber reich genug. Aus dieser Familie wählt der Mörder zwei Kinder aus, die innerhalb der Kinderschar irgendwie einen besonderen Status haben. Er entführt sie beide, und nachdem das Lösegeld bezahlt ist, ermordet er das eine und lässt das andere frei. Jetzt weiß die Familie, wozu er imstande ist. Der Mörder droht dann, er sei bis in alle Zukunft bereit, ohne Vorwarnung ein weiteres Geschwisterkind umzubringen, sollte er den Verdacht hegen, die Familie habe sich mit der Polizei oder der Gemeinde in Verbindung gesetzt oder versuche auf eigene Faust, ihn zu finden.“ (S. 266)
Carl Mørck und sein Team haben alle Hände voll zu tun, die Identität des gewieften Kidnappers und Killers zu ermitteln. Er bewegt sich nicht nur unter verschiedenen Namen, sondern auch mit raffinierten Verkleidungen durch seine „Fanggebiete“ und schreckt vor keinen Mitteln zurück, seine Spuren hinter sich zu verwischen.
Nachdem der vorangegangene zweite Fall „Schändung“ nicht ganz die Erwartung erfüllen konnte, die der furiose Erstling „Erbarmen“ geschürt hat, nimmt Adler Olsen mit „Erlösung“ von Beginn an so richtig Fahrt auf. Die Reihe von ausgetüftelt organisierten Kindesentführungen und –morden in den Reihen dänischer Glaubensgemeinschaften, die es vorziehen, unter sich zu bleiben, geht dem Leser schnell nahe. Der Autor beschreibt sowohl das perfide Handeln des Kidnappers/Killers als auch die Leiden seiner Mitmenschen, die nur ahnen, dass hinter seiner bürgerlichen Maske etwas Böses lauert. Den Wettlauf gegen die Zeit, die das Sonderdezernat Q beim Auffinden der vermissten Kinder zu absolvieren hat, ist actionreich und extrem spannend geschrieben. So muss ein moderner Thriller sein! Einzig die interessanten Persönlichkeiten des Sonderdezernats könnten noch besser ausgeleuchtet werden. Hier sorgt der erfrischende Humor im Umgang zwischen den Kollegen für wohltuende Ablenkung von dem harten Fall, aber Privates wird wieder nur häppchenweise abgerissen. Das macht zumindest neugierig auf die Folgebände.
Lesen Sie im Buch "Erlösung"

Jussi Adler-Olsen – (Carl Mørck 1) „Erbarmen“

Freitag, 26. November 2010

(dtv, 424 S., Pb.)
Nachdem der Kripobeamte Carl Mørck nach einer Schießerei noch immer nicht verwunden hat, dass ein Kollege tödlich verletzt wurde und Hardy ab dem Hals abwärts gelähmt im Krankenhaus liegt, nimmt er nur zu gern das Angebot seines Chefs Marcus Jacobsen an, das neue Dezernat „Q“ zu leiten, das sich mit alten ungelösten Fällen befassen soll. Das bedeutet zwar die räumliche Versetzung in den fensterlosen Keller, doch hier hat der Sonderermittler alle Freiheiten und mit dem syrischen Asylanten Hafez el Assad einen Assistenten, der sich nicht nur um die technischen Angelegenheiten in den abgeschiedenen Räumlichkeiten kümmert und mit seinem Charme so einige Gefälligkeiten von den Sekretärinnen der Dienststelle einfordern kann, sondern sich auch als intelligenter Beobachter und Ermittler erweist. Er stößt seinen Chef auf den Fall der Politikerin Merete Lynggaard, die vor fünf Jahren nach dem Aufenthalt auf einer Fähre spurlos verschwunden und mittlerweile für tot erklärt worden ist.
Mørck braucht nicht lange, um festzustellen, dass die Ermittlungen seines Kollegen Bak damals äußerst schlampig durchgeführt worden sind. Zusammen mit dem eifrigen Assad macht Mørck Meretes autistischen Bruder Uffe ausfindig und ermittelt auch in dem politischen Umfeld der Vermissten. Als wichtige Spur erweist sich der Besuch bei einem Fotografen, der Merete wie ein Paparazzi verfolgt und überall fotografiert hat. So stoßen sie auf ein einst einflussreiches dänisches Industrieunternehmen und eine offene Rechnung, die offensichtlich jemand begleichen will. Noch ahnen Mørck und Assad nicht, dass ihnen die Zeit davonläuft, denn Merete wird seit Jahren von ihren Entführern in einem dunklen Raum gefangen gehalten. Ihr Todesdatum steht längst fest …
Was „Erbarmen“ so spannend macht, sind die zwei so unterschiedlichen, über mehrere Jahre hinweg parallel verlaufenden Handlungsstränge – hier die posttraumatische Bewältigung eines gescheiterten Polizeieinsatzes und der Aufbau einer neuen Ermittlungsbehörde; dort die Entführung und Folterung einer attraktiven, aber unnahbaren Politikerin. Gespannt wartet der Leser auf die Zusammenführung dieser zunächst losen Enden. Erfrischend ist vor allem das außergewöhnliche Ermittlerduo. Der obrigkeitsmüde Mørck wird aus dem ihm zugeteilten Assistenten Assad nicht richtig schlau, aber wie gut die beiden letztlich zusammenarbeiten, ist schon manchmal recht erheiternd wie effektiv. Das Motiv für die Tat wirkt allerdings nicht recht schlüssig, doch davon abgesehen bietet dieser dänische Thriller vielschichtige Spannung!

Jussi Adler-Olsen – (Carl Mørck 2) „Schändung“

(dtv, 464 S., Pb.)
Nach der erfolgreichen Aufklärung des Verschwindens der aufstrebenden Politikerin Merete Lynggaard und dem verdienten Sommerurlaub hat es Sonderdezenat-Q-Leiter Carl Mørck erneut mit einem ungelösten alten Fall zu tun. Im Sommer 1987 wurde ein Geschwisterpaar, ein achtzehnjähriger Junge und ein siebzehnjähriges Mädchen, brutal ermordet in einem Sommerhaus in Rørvig aufgefunden. Verdächtigt wurde eine Gruppe von Internatsschülern, deren Eltern zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen zählten. Mittlerweile sind die Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten: Ditlev Pram hat eine Reihe von privaten Kliniken gegründet, Torsten Florin ist ein international renommierter Modedesigner, Ulrik Dybbøl Jensen Aktienhändler an der Kopenhagener Börse und der mittlerweile verstorbene Kristian Wolf war ein erfolgreicher Schiffsreeder gewesen.
Nur zwei der damals verdächtigten Jugendlichen fallen aus der Reihe: Kimmie Lassen hatte zwar auch zum Jet-Set gehört, doch fehlt von ihr mittlerweile jede Spur. Und Bjarne Thøgersen, der den Mord neun Jahre nach der Tat gestanden hatte und dafür im Gefängnis saß, kam als Einziger aus bescheidenen Verhältnissen. Mørck leuchtet zunächst nicht ein, warum ihm sein Assistent Assad die Akte vorgelegt hat, wenn es doch zu einer Verurteilung gekommen ist, doch als sich Mørck, Assad und die neue Aushilfe Rose etwas näher mit dem Fall zu befassen beginnen, unterbindet Mørcks Vorgesetzter Jacobsen weitere Ermittlungen. Doch Mørck, von jeher ein Rebell gegen jede Obrigkeit, leckt nun erst recht Blut und versucht, die untergetauchte Kimmie aufzuspüren. Wie sich herauskristallisiert, hat sie noch eine eigene Rechnung mit ihren drei Internatskameraden von damals offen, und Pram, Florin und Dybbøl versuchen ihrerseits, die Querulantin aus dem Verkehr zu ziehen …
Mit dem sympathischen wie unorthodoxen Ermittlerduo Mørck und Assad hat der norwegische Thriller-Autor Jussi Adler-Olsen mit "Erbarmen" eine Reihe ins Leben gerufen, die gern als legitime Nachfolger von Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie gefeiert wird. Tatsächlich sind die beiden Sonderermittler von ähnlich schräger Natur wie Larssons Journalist Mikael Blomkvist und die Ermittlerin Lisbeth Salander, doch hören die – vagen – Gemeinsamkeiten hier auch schon auf. Von der atmosphärischen Dichte der brillanten Thriller des verstrobenen Schweden sind Adler-Olsens Werke weit entfernt. Zwar ist auch „Schändung“ äußerst spannend und kurzweilig geschrieben, aber die stereotyp gezeichneten Bösewichte aus der High Society, mit denen es Mørck & Co. hier zu tun haben, wirken nicht allzu überzeugend. Auch durfte man sich erhoffen, dass die kauzige Beziehung zwischen Mørck und Assad weiter vertieft wird, doch erfährt der Leser in dieser Hinsicht nichts Neues. Dafür bringt die resolute Aushilfe Rose frischen Wind ins Sonderdezernat Q. Auf den nächsten Fall des Trios darf man sich also doch freuen.