(dtv, 464 S., Pb.)
Nach der erfolgreichen Aufklärung des Verschwindens der aufstrebenden Politikerin Merete Lynggaard und dem verdienten Sommerurlaub hat es Sonderdezenat-Q-Leiter Carl Mørck erneut mit einem ungelösten alten Fall zu tun. Im Sommer 1987 wurde ein Geschwisterpaar, ein achtzehnjähriger Junge und ein siebzehnjähriges Mädchen, brutal ermordet in einem Sommerhaus in Rørvig aufgefunden. Verdächtigt wurde eine Gruppe von Internatsschülern, deren Eltern zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen zählten. Mittlerweile sind die Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten: Ditlev Pram hat eine Reihe von privaten Kliniken gegründet, Torsten Florin ist ein international renommierter Modedesigner, Ulrik Dybbøl Jensen Aktienhändler an der Kopenhagener Börse und der mittlerweile verstorbene Kristian Wolf war ein erfolgreicher Schiffsreeder gewesen.
Nur zwei der damals verdächtigten Jugendlichen fallen aus der Reihe: Kimmie Lassen hatte zwar auch zum Jet-Set gehört, doch fehlt von ihr mittlerweile jede Spur. Und Bjarne Thøgersen, der den Mord neun Jahre nach der Tat gestanden hatte und dafür im Gefängnis saß, kam als Einziger aus bescheidenen Verhältnissen. Mørck leuchtet zunächst nicht ein, warum ihm sein Assistent Assad die Akte vorgelegt hat, wenn es doch zu einer Verurteilung gekommen ist, doch als sich Mørck, Assad und die neue Aushilfe Rose etwas näher mit dem Fall zu befassen beginnen, unterbindet Mørcks Vorgesetzter Jacobsen weitere Ermittlungen. Doch Mørck, von jeher ein Rebell gegen jede Obrigkeit, leckt nun erst recht Blut und versucht, die untergetauchte Kimmie aufzuspüren. Wie sich herauskristallisiert, hat sie noch eine eigene Rechnung mit ihren drei Internatskameraden von damals offen, und Pram, Florin und Dybbøl versuchen ihrerseits, die Querulantin aus dem Verkehr zu ziehen …
Mit dem sympathischen wie unorthodoxen Ermittlerduo Mørck und Assad hat der norwegische Thriller-Autor Jussi Adler-Olsen mit "Erbarmen" eine Reihe ins Leben gerufen, die gern als legitime Nachfolger von Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie gefeiert wird. Tatsächlich sind die beiden Sonderermittler von ähnlich schräger Natur wie Larssons Journalist Mikael Blomkvist und die Ermittlerin Lisbeth Salander, doch hören die – vagen – Gemeinsamkeiten hier auch schon auf. Von der atmosphärischen Dichte der brillanten Thriller des verstrobenen Schweden sind Adler-Olsens Werke weit entfernt. Zwar ist auch „Schändung“ äußerst spannend und kurzweilig geschrieben, aber die stereotyp gezeichneten Bösewichte aus der High Society, mit denen es Mørck & Co. hier zu tun haben, wirken nicht allzu überzeugend. Auch durfte man sich erhoffen, dass die kauzige Beziehung zwischen Mørck und Assad weiter vertieft wird, doch erfährt der Leser in dieser Hinsicht nichts Neues. Dafür bringt die resolute Aushilfe Rose frischen Wind ins Sonderdezernat Q. Auf den nächsten Fall des Trios darf man sich also doch freuen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen