Posts mit dem Label Jeffery Deaver (Colter Shaw) werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Jeffery Deaver (Colter Shaw) werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Jeffery Deaver – (Colter Shaw: 3) „Vatermörder“

Donnerstag, 6. Juli 2023

(Blanvalet, 478 S., HC) 
Mit seiner 1997 initiierten Reihe um den querschnittsgelähmten Forensik-Experten Lincoln Rhyme und seiner Assistentin, der jungen Polizistin Amelia Sachs, hat Jeffery Deaver längst ein internationales Publikum in den Bann gezogen, zog eine Kinoadaption mit Denzel Washington und Angelina Jolie in den Hauptrollen ebenso nach sich wie eine zehnteilige Fernsehserie, die allerdings nach einer Staffel abgesetzt worden ist. Ähnlich wie sein Kollege David Baldacci hat Deaver aber längst weitere Romanreihen entwickelt und schreibt davon unabhängige Werke. 
Nach „Der Todesspieler“ und „Der böse Hirte“ legt der US-amerikanische Bestseller-Autor nun mit „Vatermörder“ den dritten Band um Colter Shaw vor, dessen Profession darin besteht, vermisste Personen aufzuspüren. 
Colter Shaw will die Mission seines ermordeten Vaters Ashton fortführen. Also legt er mit seiner Yamaha eine weite Reise bis zum Mission District von San Francisco zurück, wo sich in der Alvarez Street das Versteck des ehemaligen Fachmanns fürs Überleben befindet. Colters Vater hatte als Professor und Amateurhistoriker ein immenses Misstrauen gegenüber einflussreichen Konzernen, Unternehmern, Politikern und Institutionen entwickelt, die die Grauzone zwischen Legalität und Illegalität ausnutzen, um ihre ganz eigenen Interessen durchzusetzen. 
Im Kampf gegen diese Art der Korruption war Ashton Shaw mit einigen Freunden und Kollegen auf die BlackBridge Corporate Solutions gestoßen, die nicht nur im Bereich der Wirtschaftsspionage tätig ist, sondern auch einen besonders schmutzigen „urbanen Image-Plan“ verfolgt, bei dem ganze Stadtviertel mit kostenlosen Drogen überschwemmt werden, um die Kriminalitätsrate in die Höhe und die Grundstückspreise in den Keller schießen zu lassen, worauf die Bauunternehmen die begehrten Objekte zu Spottpreisen aufkaufen können. Wie Colter bei seinen weiteren Recherchen erfährt, ist BlackBridge hinter einem Dokument her, das Amos Gahl, ein ebenfalls getöteter Freund von Colters Vater, in einer BlackBridge-Kuriertasche entwenden konnte. 
Während BlackBridge nichts unversucht lässt, um an dieses Dokument zu gelangen, bekommt Colter unerwartete Schützenhilfe von seinem Bruder Russell, den er immer verantwortlich für den Mord an Ashton Shaw gehalten hat. Gemeinsam machen sie sich auf eine ungewöhnliche Schnitzeljagd. 
„Bevor sein Vater zum Anwesen zurückgekehrt und wenig später ums Leben gekommen war, hatte er sich ein letztes Mal in San Francisco aufgehalten. Womöglich hatte er genau in diesem Sessel die Hinweise zusammengetragen, die jemanden – seinen Sohn, wie sich herausstellt – dazu bringen sollten, seine Mission fortzuführen und BlackBridge Corporate Solutions zu Fall zu bringen, sofern Ashton keinen Erfolg haben würde.“ (S. 370) 
Mit dem dritten Band um den Vermissten-Aufspürer und Spurenexperten Colter Shaw präsentiert Jeffery Deaver nicht nur einen gewohnt spannenden Thriller-Plot, sondern taucht auch tiefer ein in die bislang kaum entschlüsselte Familiengeschichte. Auch in „Vatermörder“ erinnert sich der Serienheld an das Überlebenstraining, das Ashton Shaw seinen beiden Söhnen und deren Schwester angedeihen ließ, aber vor allem rückt das schwierige Verhältnis zwischen Colter und seinem älteren Bruder Russell, der mittlerweile seine eigenen Wege geht und für eine geheime Regierungsorganisation arbeitet, in den Fokus. Allerdings geht Deaver dabei nicht besonders in die Tiefe. Da die beiden Brüder kaum ein Wort miteinander reden, gewinnt ihre Beziehung noch kein tiefes Profil, bietet aber Raum für Entwicklung in den nachfolgenden Romanen. 
Die Thriller-Handlung rund um BlackBridge ist zwar actionreich und spannend, folgt aber durchweg konventionellen Pfaden und bietet kaum Überraschungen. Dass Colter nebenbei noch versucht, das Leben einer ganzen Familie zu retten, für die ein Tötungsbefehl existiert, sorgt zwar für Abwechslung, zerfasert aber auch die dramaturgische Stringenz. 
An die Klasse der ersten beiden Colter-Shaw-Bände kann „Vatermörder“ nicht ganz anknüpfen, doch bewegt sich der Thriller leicht über dem Genre-Durchschnitt.  

Jeffery Deaver – (Colter Shaw: 2) „Der böse Hirte“

Montag, 21. März 2022

(Blanvalet, 512 S., HC) 
Bevor Jeffery Deaver 1997 mit „The Bone Collector“ den ersten und später erfolgreich mit Denzel Washington und Angelina Jolie verfilmten Roman seiner Lincoln-Rhyme-Reihe veröffentlichte, hatte er bereits einige andere Werke veröffentlicht, aber bis heute ist er vor allem für seine bislang schon vierzehn Romane um den querschnittsgelähmten Ermittler bekannt. Der Erfolg dieser Reihe hat Deaver allerdings nicht davon abgehalten, über die Jahre auch andere Reihen zu entwickeln, wobei sich seit 2007 die Reihe um die Verhörspezialistin Kathryn Dance etabliert hat. Mittlerweile ist mit Colter Shaw eine weitere Figur auf den Plan getreten. Nach „Der Todesspieler“ ist nun mit „Der böse Hirte“ der zweite Teil um Shaw erschienen, dessen Profession darin besteht, vermisste Personen aufzuspüren. 
Colter Shaw wird damit beauftragt, den 27-jährigen Adam Harper aus Tacoma und seinen 20-jährigen Freund Erick Young aus Gig Harbor zu finden, die in Verbindung mit einem Hassverbrechen gesucht werden. Den beiden jungen Männern wird vorgeworfen, neben Schmierereien auf Synagogen und Kirchen in überwiegend schwarzen Gemeinden auch auf einen Prediger und Hausmeister geschossen zu haben. Allein die vom Pierce County ausgesetzte Prämie von 50.000 Dollar lockt auch Colters ungemütlichen Konkurrenten Dalton Crowe an. Bei dem Besuch der Eltern findet Shaw heraus, dass Erick nach dem Tod seines jüngeren Bruders Mark vor sechzehn Monaten eine schwere Zeit durchmachte. Offenbar hat Erick beim Besuch des Grabes seines Bruders auf dem Friedhof Adam kennengelernt, der seine Mutter verloren hatte. 
Unterwegs erhält Shaw die Nachricht, dass die Polizei die Spur der beiden Flüchtigen aufgenommen hat. Als sich Shaw der Verfolgung anschließt, beobachtet er mit Schrecken, wie sich Adam mit glückseligem Ausdruck im Gesicht die Klippen hinunterstürzt. Durch seine Assistentin Mack erhält Shaw Hinweise auf eine Art Selbsthilfegruppe, die Osiris-Stiftung. Shaw schleicht sich unter falschem Namen in die Stiftung ein, deren Anwesen sehr abgeschieden in den Bergen liegt und strengsten Sicherheitsvorkehrungen unterliegt. Da er tatsächlich auch einen Bruder verloren hat, fällt ihm das erste Gespräch bei der Aufnahme nicht schwer. 
„Hier, in diesem kleinen Raum, im Gespräch mit einem einfühlsamen, klugen und sympathischen Mann, hatte die Tarnung schlichtweg versagt. Shaw, nicht Skye, saß hier als Gefährte der Stiftung und litt tatsächlich unter dem tragischen Verlust seines Bruders. Er nahm wirklich an der erste Phase des Prozesses teil, weil er sich erneuern wollte. Er wünschte sich im Ernst, zum Auszubildenden aufzusteigen und dann ein Geselle und Angehöriger des Inneren Kreises zu werden und das begehrte silberne Amulett zu erhalten.“ (S. 228) 
Shaw spielt seine Rolle so gut, dass er von Meister Eli für ein beschleunigtes Förderprogramm auserwählt wird, doch was er im Laufe seines Aufenthalts dort erlebt, lässt ihn am gesunden Menschenverstand zweifeln … 
Wie die ausführliche Bibliographie am Ende des Buches dokumentiert, hat Deaver ausgiebig zum Thema Sekten recherchiert und seine daraus gewonnenen Erkenntnisse in seinem neuen Colter-Shaw-Roman verarbeitet. Die Suche nach zwei mutmaßlichen jungen Straftätern führt den Prämienjäger direkt ins Herz einer Organisation, die nichts dem Zufall überlässt, kaum Spuren im Internet aufweist und ganz auf das Charisma des Stiftungsgründers Eli aufbaut, dem seine Jünger größtenteils völlig verfallen sind. 
Deaver beschreibt die inneren Prozesse der Osiris-Stiftung sehr anschaulich und würzt den Plot immer wieder mit ein paar Action-Einlagen, Verfolgungsjagden, Nahkämpfen, unterbricht zum Finale hin aber den Spannungsbogen, um auf Shaws ursprüngliche Mission zurückzukommen, ein offenbar gefährliches Geheimnis um seinen verstorbenen Vater zu lüften. Schließlich brachte es Shaw fast eine tödliche Auseinandersetzung mit dem Killer Ebbitt Droon ein. 
„Der böse Hirte“ liest sich flüssiger als Deavers Lincoln-Rhyme-Romane, ist weniger komplex aufgebaut und geschrieben, behandelt die Sekten-Thematik auf einem weitgehend oberflächlichen Niveau, das letztlich den Rahmen für einen spannenden Plot bildet, aber wenig Raum für psychologisch ausgefeilte Figuren bietet. Der zweite Colter-Shaw-Roman bietet routiniert inszenierte Spannung vor dem Hintergrund eines nicht mehr ganz so populären Themas, kann aber mit der Klasse von Deavers Reihen und Lincoln Rhyme und Kathryn Dance nicht ganz mithalten.  

Jeffery Deaver – (Colter Shaw: 1) „Der Todesspieler“

Montag, 9. November 2020

(Blanvalet, 510 S., HC) 
Colter Shaw hat gerade einen unbekannten Mann in die Flucht geschlagen, der es offensichtlich auf sein Wohnmobil im Oak View Wohnmobilpark in der Bay Area abgesehen hatte, als er von seinen Nachbarn, die sein Haus in Florida hüteten, einen neuen Auftrag übermittelt bekommt. Colter ist nämlich Prämienjäger, der vor allem vermisste Personen aufspürt und dafür die ausgesetzten Belohnungen kassiert. Obwohl er gerade in privater Mission unterwegs ist, interessiert ihn der Fall eines vermissten Mädchens im Silicon Valley. Die neunzehnjährige Studentin Sophie „Fee“ Mulliner lebte mit ihrem Vater und dem Pudel Luka zusammen, den sie nie zurücklassen würde, wie Colter von ihrem Vater erfährt, der eine Belohnung von 10.000 Dollar für Hinweise auf den Verbleib seiner Tochter ausgesetzt hat. 
Die örtliche Polizei war bislang weitgehend untätig gewesen, da kein Hinweis auf ein Verbrechen vorliegt und keine Lösegeldforderung eingetroffen ist. Colter knöpft sich zunächst Sophies Ex-Freund Kyle Butler vor, der aber aufrichtig erschüttert über Sophies Verschwinden wirkt. Im Quick Byte Café in Mountain View stößt Colter auf einen ersten Hinweis. Bei der Sichtung der Videoüberwachung entdeckt er einen Mann, der womöglich einen Peilsender bei Sophie angebracht haben könnte. Als er Sophies möglichen Weg mit ihrem Fahrrad zu rekonstruieren versucht, findet er tatsächlich an einer Böschung ihr Handy und Spuren, die auf einen Unfall mit ihrem Fahrrad hindeuten. Doch nach wie vor steckt die Polizei nicht viel Energie in die Sache. Im Quick Byte Café lernt Colter schließlich die attraktive Gamerin Maddie Poole kennen, die ihn in die Welt der Computerspiele einführt und ihm die nächste heiße Spur liefert: Nachdem Sophie von Colter nämlich in einem Fabrikgebäude gerettet werden konnte, scheinen sich die Hinweise zu verdichten, dass der Täter ein psychopathischer Spieler sein könnte, der nach dem Muster eines Spiels namens „Der flüsternde Mann“ vorgeht. 
Tatsächlich verschwindet kurz darauf mit dem homosexuellen Blogger Henry Thompson eine weitere Person. Zusammen mit Maddie versucht Colter, in der hart umkämpften Welt des Computerspiele-Markt die entscheidende Spur zu finden, denn mit den steigenden Levels wird es für die Opfer schwieriger, sich aus ihren prekären Situationen auch zu befreien … 
„Der Spieler folgte lediglich der vorgegebenen Handlung. Er war an den Schauplatz von Sophie Mulliners Gefangenschaft zurückgekehrt, um das Mädchen zu jagen. Hier hatte er das Gleiche getan. Er war eine Weile auf Abstand geblieben, damit Henry Thompson sein Signalfeuer entzünden könnte – genau wie Sophie eine Chance zum Ausbruch aus dem Raum erhalten hatte. Dann war er zurückgekommen, um das Spiel zu beenden.“ (S. 304) 
Seine Thriller-Reihe um den querschnittsgelähmten Ermittler Lincoln Rhyme hat Jeffery Deaver weltberühmt gemacht. Nun startet er mit „Der Todesspieler“ eine neue Serie um einen charismatischen Protagonisten, der einen höchst interessanten Hintergrund aufweist und seit zehn Jahren gegen Belohnung vermisste Personen aufspürt, womit er sich ganz bewusst von Kopfgeldjägern abgrenzt. Deaver startet seinen Roman gleich mit einer satten Portion Action und Spannung, führt den ebenso im Computerspiel unbewanderten Colter zusammen mit seiner Leserschaft immer tiefer in die Welt der virtuellen Abenteuer. Deaver erweist sich als Meister darin, die Spannungsschreibe konstant, aber langsam anzuziehen. Immer wieder erweist sich Colter dabei als cleverer als die Polizei. Erst mit dem lesbischen Detective Standish, die den zuvor tatenlosen Wiley abgelöst hat, erhält er kompetente Unterstützung, die ihm zuvor nur die Profi-Gamerin Maddie gewähren konnte. Bis sie den wahren Täter endlich identifizieren, nimmt der Plot allerdings etliche Wendungen, die nicht immer überzeugend wirken und die Geschichte unnötig in die Länge ziehen, aber dieses Spiel beherrscht Deaver virtuos. Das Computerspiel-Thema wird hier nicht nur vom wirtschaftlichen Aspekt her betrachtet, sondern bekommt hier im Zusammenhang mit dem Geschäft um gesammelte persönliche Informationen und auch Fake-News und Meinungsbildung eine beunruhigende Bedeutung. Seinen Protagonisten stellt er quasi nebenbei vor, immer wieder sorgen Colters Erinnerungen an seine Kindheit dafür, seinen familiären Hintergrund zu erhellen. So erfahren wir, dass Colter im Alter von vier Jahren mit seiner Familie aufs Land gezogen ist, auf ein riesiges Anwesen in den Ausläufern der Sierra Nevada, wo seine Eltern Ashton und Mary Dove ihn und seine Brüder Russell und Dorion in die Regeln des Spurenlesens, Jagens und Überlebens in der Wildnis einführten. Zusammen mit seinem erfolgreich absolvierten Jura-Studium hat Colter also die besten Voraussetzungen, um der Polizei beim Aufspüren der vermissten Personen zu helfen. Aber auch die private Mission, zu der Colter am Anfang aufgebrochen ist, hat es in sich und wird ihn und die gespannten Leser auch in den hoffentlich bald folgenden Fortsetzungen gut unterhalten.