Der forensische Anthropologe David Hunter will sich gerade auf den Weg zu Freunden machen, die das Feiertagswochenende in den Cotsworlds verbringen, als er einen Anruf von Detective Inspector Bob Lundy aus Essex erhält. Hunter wird gebeten, bei der Bergung einer Wasserleiche zu helfen. Dabei soll es sich um den vor sechs Wochen spurlos verschwundenen 31-jährigen Leo Villiers handeln, der sich von seinem wohlhabenden Vater Sir Stephen Villiers losgesagt und eine Affäre mit einer verheirateten Frau namens Emma Darby gehabt haben soll, die vor einigen Jahren als Fotografin aus London hergezogen war und ebenfalls vermisst wird.
Doch nach der Bergung der stark verwesten Leiche, die in dem schlammigen Mündungsgebiet der Backwaters den Elementen ausgesetzt war, und einem wenig später aufgetauchten Fuß, der zur Leiche passt, stellt sich heraus, dass es sich nicht um Villiers handeln kann. Da Hunters Wagen im Wasser zu Schaden gekommen ist und Hunter selbst sich einen Infekt eingefangen hat, muss er noch einige Tage in der Gegend verweilen und kommt in einem abgeschiedenen Bootshaus unter, das dem grimmigen Andrew Trask gehört.
Zu seiner Schwägerin Rachel Darby entwickelt Hunter nach anfänglich kühlem Beginn eine mehr als freundschaftliche Beziehung, doch mit der Zeit erweist sich der Aufenthalt in den Backwaters als schwierige Angelegenheit.
„Alle nicht unmittelbar in die Ermittlungen Eingeweihten glaubten nach wie vor, Leo Villiers wäre tot und dass es seine Leiche wäre, welche die Polizei aus dem Mündungsgebiet geborgen hatte. Und ich setzte mich gerade mit der Familie einer Vermissten zum Abendessen an einen Tisch und tat, als wüsste ich nicht, dass ihr mutmaßlicher Mörder noch am Leben war.Während sich die Identifizierung des Toten weiter hinzieht, wird die Tochter des Automechanikers Coker in der heruntergekommenen Hütte des geistig verwirrten Edgar Holloway ermordet aufgefunden. Als Rachel und Hunter einige von Emmas Fotos unter die Lupe nehmen, führen die Hinweise zu dem Turm einer verfallenen Festung vor dem Mündungsgebiet, wo sich eine weitere Tragödie ereignet …
Was hatte ich mir dabei gedacht?“ (S. 289)
David Hunter ist - endlich! - zurück. Nachdem bei seinem letzten Einsatz für die Polizei zwei Polizisten gestorben waren und ein leitender Polizeibeamter den Dienst quittieren musste, ist der forensische Anthropologe bei allen Polizeistellen im Lande eigentlich zur Persona non grata geworden und deshalb auch im eigenen Institut in London nicht mehr allzu beliebt.
Deshalb kommt ihm der Einsatz in den unwirtlichen Backwaters eigentlich ganz recht, für den ihn ein Detective Chief Inspector empfohlen hat, mit dem Hunter an einem Mordfall in Norfolk zusammengearbeitet hatte. Davon abgesehen verweist Beckett in seinem fünften Roman zur Vergangenheit von David Hunter nur noch auf die psychotische Serienmörderin Grace Strachan, an die Hunter noch immer erinnert wird.
„Totenfang“ überzeugt zunächst in der detaillierten Beschreibung der besonderen Atmosphäre in den Backwaters. So wie Beckett die zerklüftete, von den Gezeiten geprägte Mündungslandschaft beschreibt, steigt dem Leser der Geruch von Seetang, Salzwasser und Krebsen ebenso in die Nase wie sich die Ruinen der Festungstürme und die triste Szenerie in Cruckhaven vor dem inneren Auge aufbauen. Dazu nimmt sich der in Sheffield lebende Brite viel Zeit, um die einzelnen Figuren zu charakterisieren und ihre geheimnisvollen Verflechtungen miteinander allmählich aufzulösen. Das ist bis zum packenden Finale psychologisch feinsinnig konstruiert, dramaturgisch stimmig aufgebaut und mit einigen schönen Wendungen gespickt, dass die Lektüre jederzeit ein kurzweiliger Hochgenuss ist.
Leseprobe Simon Beckett - "Totenfang"
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