(Luzifer Verlag, 444 S., HC)
Die mehrjährige Schaffenspause, in der sich der einst
prominente Horror-Autor Robert R. McCammon („Blutdurstig“, „Die
schwarze Pyramide“) von seinem angestammten Genre lösen wollte, hat
offenbar Wunder gewirkt. Denn mit der 2002 begonnenen Serie um den jungen
Matthew Corbett, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Gerichtsdiener und
Hobby-Ermittler seine Karriere startet, hat McCammon eine erfolgreiche
Reihe initiiert, die mittlerweile sieben Bände umfasst. Die ersten beiden Werke
– „Speaks the Nightbird“ und „The Queen of Bedlam“ – sind sogar
so umfangreich gelungen, dass der Luzifer Verlag die deutschen Übersetzungen in
jeweils zwei Hardcover-Bänden veröffentlichte. Nachdem im ersten Band von „Matthew
Corbett und die Königin der Verdammten“ die drei New Yorker Geschäftsleute
Dr. Godwin, Pennford Deverick und Eben Ausley von dem sogenannten
„Maskenschnitzer“ bestialisch ermordet wurden, hat sich unser junger Held auf
die Suche nach dem Täter gemacht und dabei Bekanntschaft mit Mrs. Herrald und
ihrem Gehilfen Greathouse geschlossen, die Corbett für ihre Ermittlungs-Agentur
in ihre Dienste zu nehmen wünschten.
Matthew Corbett und Greathouse folgen einer Einladung von
Dr. Ramsendell nach Philadelphia, der durch Marmaduke Grigsbys Zeitung „Der
Ohrenkneifer“ auf die Anzeige der Herrald Vertretung in New York gestoßen ist
und die Ermittler bittet, die Identität einer Patientin herauszufinden, die in
ihrer Anstalt nach modernen Methoden betreut wird und nur als die „Königin“
bekannt ist. Ramsendell und sein Kollege Dr. Hulzen fragen sich, warum sich die
Patientin in ihrem in sich eingeschlossenen Zustand befindet, und hoffen, durch
weitere Nachforschungen einen besseren Behandlungszugang zu finden. Der einzige
Kontakt, der Corbett und Greathouse zur Verfügung steht, ist der Anwalt Dr.
Primm, der sich um die jährliche Zahlung für die Unterbringung der unbekannten
Frau kümmert und größten Wert auf ihre Anonymität legt. Als sich die beiden
Ermittler in dem Zimmer mit dem vornehmen Ambiente einen ersten Eindruck von
der Person verschaffen wollen, fragt die alte Dame nur, ob die „Antwort des
Königs“ inzwischen eingetroffen sei. Corbett versucht sich vorzustellen, wie
die Verbindung von Deverick, dessen Namen die alte Dame wohl zu kennen scheint,
zum Maskenschnitzer aussehen mag, aber auch die Verbindung zwischen dem Mörder,
der Königin der Verdammten und den drei Mordopfern. Bei seinen Recherchen
erfährt Corbett, dass Deverick nach seinem Erfolg in New York seine Aktivitäten
auch auf Philadelphia ausgedehnt hatte und zwischenzeitlich sogar eine Seereise
nach London unternommen hatte, obwohl er wegen seiner Verdauungsbeschwerden
ungern gereist ist. Schließlich macht Corbett die Bekanntschaft von Mr. Chapel,
der sehr an dem Notizbuch interessiert ist, das Ausley bei sich geführt hatte
und nun verschwunden zu sein scheint. Wie Corbett auf dem mondänen Landsitz von
Mr. Chapel erfährt, bestand offenbar eine Geschäftsbeziehung zwischen dem von
Ausley geleiteten Waisenhaus und Mr. Chapel, der die größten Talente unter den
Jungen in seine eigenen Dienste übernahm. Nun wird Corbett auch langsam klar,
was die Königin in dem Tollhaus mit dem mysteriösen Maskenschnitzer gemein hat…
„Diese Königin der Verdammten sah den Strudel der Menschheit mit all seinen Freuden und Tragödien, seiner Weisheit und Verrücktheit. Diese Königin der Verdammten knobelte, trank in großen Zügen und raufte sich gelegentlich. Aber hier war sie nun einmal, in ihrem nachtschwarzen Gewand mit Laternenlicht, das wie gelbe Diamanten strahlte. Hier war sie, schwieg über ihre Gedanken und schrie ihr Verlangen heraus. Hier war sie, an der Grenze zur Neuen Welt.“ (S. 434)
Da die amerikanische Originalausgabe als ein Band
veröffentlicht worden ist, geht der zweite Band in der deutschen Ausgabe
nahtlos mit Teil 3 des Buches weiter. Und nun erfahren wir Leser auch endlich,
was es mit dem Buchtitel auf sich hat. Mit der Bekanntschaft der Königin der
Verdammten und Corbetts Aufenthalt bei Mr. Chapel erhält der Plot einen neuen
Schwerpunkt, dazu kommt auch die leicht romantisch angehauchte Beziehung
zwischen Corbett und Berry Grigsby. Während der erste Band noch den Gothic
Touch von „Penny Dreadful“ verströmte, wechselt die Atmosphäre im zweiten
Band zu einem klassischen Sherlock-Holmes-Plot, wobei Matthew Corbett die
Darlegung seiner Schlussfolgerungen fast aus dem Nichts vorträgt. Das sorgt
zwar für einige Wendungen und dramatische Entwicklungen, doch die bedrückende Stimmung
des ersten Bandes wird nicht mehr erreicht. McCammon ist zweifellos ein hervorragender
Stilist mit einem guten Gespür für interessante Plots, doch verliert er sich
hier zu sehr in Ausschweifungen auf Kosten stimmiger Charakterisierungen.
Gerade das Ensemble auf dem Landsitz von Mr. Chapel mit der mannstollen Charity
LeClaire und dem preußischen Grafen Dahlgren verkommen zur bloßen Karikatur.
Nach vielversprechendem Beginn mit dem ersten Band fällt die Geschichte von „Matthew
Corbett und die Königin der Verdammten“ im zweiten Band leider merklich ab.