Robert R. McCammon – „Botin des Schreckens“

Samstag, 28. September 2024

(Knaur, 622 S., Tb.) 
Der US-amerikanische Schriftsteller Robert R. McCammon zählte mit seinen seit den späten 70er Jahre veröffentlichten Romanen wie „Baal“, „Höllenritt“, „Blutdurstig“ und „Wandernde Seelen“ zur zweiten Garde des Horror-Genres, das fest in den Händen von Größen wie Stephen King, Dean Koontz, Peter Straub, James Herbert, Ramsey Campbell und Clive Barker lag. Nachdem McCammon dem Genre den Rücken kehren wollte, ging es mit seiner Karriere allerdings bergab, obwohl er dann erst seine besseren Bücher veröffentlichte. Den Auftakt machte 1990 der Psychothriller „Mine“, der hierzulande von Knaur im vertrauten Design seiner Horror-Reihe veröffentlicht und als solches auch vermarktet wurde. 
Laura Clayborne, Chefredakteurin bei der in Atlanta erscheinenden „Constitution“, freut sich auf ihr erstes Baby, schreibt bis zur Entbindung aber weiterhin Buchrezensionen für den Kulturteil der Zeitung. Unter den Büchern, die gerade mit der Post eingetroffen sind, befindet sich auch „Verbrennt dieses Buch!“ von dem Alt-Hippie Mark Treggs, was sie an ihre eigene Hippie-Zeit zurückdenken lässt. Währenddessen stößt Mary „Terror“ Terrell, Gründungsmitglied der terroristischen Vereinigung „Sturmfront“ auf eine geheimnisvolle Botschaft im „Rolling Stone“-Magazin, die sie mit dem damaligen Befehlshaber Jack Gardiner in Verbindung bringt. 
Nachdem die Polizei fünf der zehn Sturmfront-Mitglieder schon vor Jahren liquidiert hatte, die seit August 1969 für verschiedene terroristische Attentate verantwortlich gewesen waren, befinden sich die fünf übrigen Sturmfrontler auf der Flucht. Mary will sich sofort auf den Weg zum in der Botschaft verschlüsselt erwähnten Treffpunkt machen, will ihrem geliebten Jack aber auch ihr „gemeinsames“ Kind präsentieren. Da es Mary selbst nicht vergönnt gewesen ist, Kinder zu bekommen, beschließt sie, eines zu entführen. 
Da kommt ihr Lauras frisch geborener David gerade recht, den sie ihr als Krankenschwester verkleidet direkt aus den mütterlichen Armen entführt. Laura, die gerade erst erfahren hat, dass ihr Mann seit Wochen schon eine Affäre hat, merkt schnell, dass das FBI wenig in der Hand hat, um die bald als Mary Terror identifizierte Entführerin ausfindig zu machen. Doch Laura ist eine zu allem entschlossene Mutter, ihr Kind zurückzugewinnen. Über Mark Treggs findet Laura den Kontakt zur ehemaligen Sturmfrontlerin Bedelia „Didi“ Morse und so eine echte Vorstellung davon, wo Mary Terror mit Lauras Baby hinwill. Mit Earl van Diver, einem ehemaligen Polizisten, den Mary damals schwer verletzt hatte, befindet sich noch ein weiterer Jäger auf Mary Terrors Fährte… 
„Westwärts, nach Kalifornien, dachte er. Auf der Suche nach Jack Gardiner. Es war alles auf Band. Das drahtlose SuperSnooper-Abhörgerät, das er in einer getöpferten Vase in Bedelia Morse‘ Wohnzimmer versteckt hatte, hatte ihre Stimmen eingefangen. Nach Kalifornien sollte es also gehen, dem Land der Spinner und der Schwulen. Ein guter Platz, um einem Alptraum den Garaus zu machen.“ (S. 426) 
Nach seinen letzten Horror-Romanen „Nach dem Ende der Welt“ und „Die schwarze Pyramide“ bewies McCammon mit „Botin des Schreckens“, dass er auch ohne übernatürliche Horror-Elemente spannende und vor allem glaubwürdigere Geschichten zu erzählen vermag. Sorgfältig bereitet er die schicksalhafte Begegnung der jungen Mutter Laura Clayborne und der psychisch labilen Mary Terrell vor, indem er beide Figuren ausführlich einführt, so dass nach der Entführung von Lauras David, den Mary nur Drummer nennt, schnell klar wird, dass weder Laura noch Mary von ihren jeweiligen Missionen abzubringen sind. 
Zwar kommt „Botin des Schreckens“ nicht ohne Längen aus, doch die Verfolgungsjagd, die die beiden Frauen von Atlanta bis nach Kalifornien führt, wobei sie immer wieder auf gewaltsame Weise aneinandergeraten, ist trotz des vorhersehbaren Finales gut und packend geschrieben. Vor allem die Motivationen der beiden Frauen sind psychologisch tiefgründig und glaubhaft ausgearbeitet. Mit „Unschuld und Unheil“ (bzw. „Boy’s Life“) und „Durchgedreht“ untermauerte McCammon sein schriftstellerisches Talent, bevor er sich eine zehnjährige Auszeit nahm, um mit der „Matthew Corbett“-Reihe eindrucksvoll zurückzukehren.



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