David Baldacci – Camel Club 4: – „Die Jäger"

Donnerstag, 26. Mai 2011

(Lübbe, 494 S., HC)
Nachdem Oliver Stone alias John Carr die Villa des früheren Geheimdienstchef Carter Gray in die Luft gesprengt hatte, sprang er von der Klippe in die Chesapeake Bay und befindet sich seitdem auf der Flucht. Er macht sich immer noch Vorwürfe, für den Tod seines Freundes Milton Farb verantwortlich gewesen zu sein. Wie Carr, die Trickbetrügerin Annabelle Conroy, Kongressbibliothekar Caleb Shaw und Hafenarbeiter Reuben Rhodes gehörte das Computer-Genie Farb dem illustren „Camel Club“ an, einer Gruppe von Verschwörungstheoretikern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, der Wahrheit zu dienen und sie ans Licht zu bringen.
CIA-Agent Joe Knox wird von seinem Chef General Macklin Hayes beauftragt, John Carr ausfindig zu machen, nachdem Carter Gray in seinem Auto und Senator Roger Simpson in dessen Haus erschossen wurden. Die Spur führt Knox direkt zur inzwischen aufgelösten Abteilung 666 der CIA, zuständig für „politische Destabilisierung“, und damit zu Oliver Stone.
Dieser muss nach einer Schlägerei im Zug nach New Orleans mit den jugendlichen Beteiligten an der nächsten Station aussteigen und landet so in dem kleinen Bergwerksstädtchen Divine, wo einige seltsame Todesfälle unter Jugendlichen Stone dazu anregen, diese etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Doch damit bringt er sich einmal selbst in tödliche Gefahr. Währenddessen findet Knox heraus, dass John Carr einst ein gefeierter Kriegsheld gewesen ist, dem ausgerechnet Knox‘ eigener Chef Hayes damals aus unerfindlichen Gründen die Medal of Honor verweigerte und auch noch seine Familie tötete. Je näher er Carr/Stone kommt, desto mehr beschleicht Knox das Gefühl, dass Hayes ein falsches Spiel mit ihm und dem Gejagten spielt.
„Weil Carr aussteigen wollte, hatte man seine Familie ausgelöscht. Knox konnte kaum glauben, dass seine Regierung einen Mann, der ihr so viele Jahre treu gedient hatte, so mies behandelte, doch in der Realität konnte es sich durchaus so abgespielt haben.
Knox schlenderte in sein mit Bücherregalen gesäumtes Arbeitszimmer. Er jagte einen Mann, den die eigene Regierung hintergangen hatte. Gewiss, es gab überzeugende Hinweise darauf, dass Carr sowohl Gray als auch Simpson getötet hatte. Knox blickte auf das Foto seiner Frau, das an einer Wand hing. Was hätte er getan, hätte er erfahren, dass sie von diesen beiden Männern ermordet worden sei? Er setzte sich in einen Sessel, starrte auf den Fußboden und gestand sich ein, dass er vermutlich genauso wie John Carr gehandelt hätte.“ (S. 220 f.)
In Divine kommt nicht nur Oliver Stone einer Serie von bislang ungeklärten Morden auf die Spur, sondern auch einem Drogenkartell, das für den Wohlstand in der kleinen Bergwerkgemeinde verantwortlich ist. Doch auch Knox, Hayes und Stones Freunde vom Camel Club sind auf dem Weg nach Divine, wo Knox und Stone längst ihr Todesurteil erwarten.
Mit dem vierten Band der „Camel Club“-Reihe schlägt David Baldacci von Beginn an ein hohes Tempo an, setzt er doch nahtlos an das furiose Finale von „Die Spieler“ an. Oliver Stone, der seit Jahren den Wechsel vom Jäger zum Gejagten vollzieht und sich überall, wo er incognito auftaucht, für Gerechtigkeit sorgen will, hat es einmal mehr mit Schwerstverbrechen auf höchster Regierungsebene zu tun, darf sich aber wieder auf seine treuen Freunde verlassen, die ihn aus der letztlich lebensbedrohlichen Situation befreien. Bis dahin bietet „Die Jäger“ Spannung und Action satt. Die Figuren sind vielleicht etwas eindimensional gezeichnet, sowohl die Guten als auch die Bösen, doch das tut dem Lesevergnügen absolut keinen Abbruch.
Lesen Sie im Buch: Baldacci, David - Die Jäger

Cormac McCarthy – „Kein Land für alte Männer“

Freitag, 20. Mai 2011

(Rowohlt, 284 S., HC)
Als sich Hobbyjäger Llewelyn Moss im vulkanischen Geröll der texanischen Wüste nach Antilopen Ausschau hält, entdeckt er durch sein Fernglas drei Pick-ups und Broncos auf dem Schwemmland, die darum verstreuten Männer schienen tot zu sein. Moss untersucht die Fahrzeuge, findet zunächst eine Wagenladung mit Drogen, dann neben all den Toten auch einen schwerverletzten Mann, der um Wasser bittet. Doch Moss geht der blutigen Spur eines weiteren Mannes nach, der es allerdings nicht weit geschafft hat. Moss nimmt aber den Koffer mit über zwei Millionen Dollar an sich und macht sich auf den Weg nach Hause, wo seine 19-jährige Frau Carla Jean auf sich wartet und er den Koffer versteckt.
Nachts kommt Moss auf die nicht so clevere Idee, dem Mann doch noch Wasser zu bringen, denn auf nun nehmen die schwer bewaffneten Männer, die um ihr Geld betrogen worden sind, Moss mit einem Kugelhagel in Empfang. Lew kann zwar entkommen, weiß aber, dass er sich von nun sein Leben lang auf der Flucht befinden wird, denn eins ist sicher: Die Gangster werden nicht eher Ruhe geben, bis sie ihr Geld zurück haben. Dabei ahnt Moss nicht einmal, dass ihm mit Chigurh ein stoischer Killer auf der Spur ist, der wahlweise mit seinem Bolzenschussgerät oder anderen schweren Waffen, die er seinen Gegnern abnimmt, alles ausmerzt, was seiner Mission im Wege stehen könnte. Allein der zuständige County-Sheriff Bell weiß, in welcher Gefahr sich Moss befindet, und will ihn finden, bevor Chigurh oder die Behörden Moss in die Zange nehmen.
Als Moss im Krankenhaus seine Wunden nach seiner ersten Begegnung mit Chigurh behandeln lässt, bekommt er Besuch von Wells, einem weiteren Killer, der Chigurh außer Gefecht setzen und das Geld wieder zurückbringen soll. Vergeblich versucht er Moss vor Augen zu führen, was Chigurh für ein Typ ist.
„Sie können keinen Deal mit ihm machen. Ich sage es Ihnen nochmal. Selbst wenn Sie ihm das Geld gäben, er würde sie trotzdem umbringen. Auf diesem Planeten lebt kein Mensch, der jemals auch nur ein unfreundliches Wort zu ihm gesagt hat. Sie sind alle tot. Das sind keine sehr sonnigen Aussichten. Er ist ein eigenartiger Mann. Man könnte sogar sagen, er hat Prinzipien. Prinzipien, die über Geld oder Drogen oder dergleichen hinausgehen.
Warum erzählen Sie mir überhaupt von ihm?
Sie haben nach ihm gefragt.
Und warum geben Sie mir Antwort?
Wahrscheinlich, weil ich glaube, dass es mir meinen Job erleichtern würde, wenn ich Sie dazu bringen könnte zu begreifen, in welcher Lage Sie sind. Ich weiß nichts über Sie. Aber ich weiß, dass Sie ihm nicht gewachsen sind. Sie glauben, Sie sind es. Aber Sie sind es nicht.“ (S. 141)
Tatsächlich sind weder Wells noch Lew dem gnadenlosen Killer gewachsen, der mit stoischer Beharrlichkeit seine Mission zu erfüllen gedenkt. Tatenlos muss der von seinen Vietnam-Erinnerungen noch immer mit schlechtem Gewissen geplagte Sheriff Bell verfolgen, wie Chigurgh seine Blutspur durch Texas zieht. Ihm ist ebenso klar wie jedem anderen Beteiligten, dass es für niemanden Erlösung gibt.
Der für sein apokalyptisches Road Movie in Romanform „Die Straße“ mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Autor Cormac McCarthy („All die schönen Pferde“) beschreibt in den von den Coen-Brüdern meisterhaft verfilmten Werk „Kein Land für alte Männer“, wie selbst die abgeschiedensten Wüstenregionen in Amerikas Süden von hässlicher Gewalt, Geldgier und Mordlust verdorben wird. Vor allem in den immer wieder eingeschobenen, von Selbstvorwürfen und Ratlosigkeit triefenden Gedanken-Monologen des Sheriffs wird deutlich, dass es kein Heilmittel gegen die durch den Menschen vorangetriebene Zerstörung gibt. So muss er als fassungsloser Beobachter hinnehmen, wie Unschuldige entweder per Gerichtsbeschluss oder durch die willkürliche Lust eines Killers dem Tode geweiht sind.
Cormac McCarthy kennt nur Punkt und Komma als Satzzeichen, Gänsefüßchen für wörtliche Rede sind ihm fremd. Insofern bedarf es einer gewissen Gewöhnung, sich mit seiner Sprache anzufreunden, aber die schnörkellosen, doch poetischen Beschreibungen dieser ans Groteske grenzenden Katz-und-Maus-Jagd, bei der es keine Gewinner gibt, fasziniert mit magischer Sogkraft.
Lesen Sie im Buch "Kein Land für alte Männer"

David Benioff – „Stadt der Diebe“

Dienstag, 17. Mai 2011

(Heyne, 384 S., Tb.)
Der siebzehnjährige Lew erlebt in Piter des Jahres 1942 eine Zeit großer Entbehrungen. Der vorher schon in Armut lebende Junge muss erleben, wie alles, was zu Kleinholz gemacht werden konnte, bereits in Ofen verfeuert wurde, sämtliche Haustiere und sogar Tauben waren geschlachtet. Als Teil des Feuerlöschtrupps verbringt der Junge viel Zeit auf dem Dach seines Wohnblocks, wo er eines Abends beobachtet, wie ein deutscher Soldat tot vom Himmel fällt. Doch gerade als Lew und seine Freunde den Toten seiner Habseligkeiten berauben, wird der kleine Trupp von Soldaten überrascht, die in der Regel kurzen Prozess mit Deserteuren und Plünderern machen. Weil Lew seiner angebeteten Vera bei der Flucht hilft, wird er selbst gefangen genommen und ins Kresty-Gefängnis in eine Zelle mit dem mutmaßlichen Deserteur Kolja gesperrt.
Die beiden jungen Männer erhalten vom Oberst eine Gnadenfrist: Wenn sie bis zum nächsten Donnerstag ein Dutzend Eier für die Hochzeitstorte seiner Tochter besorgen können, kommen sie mit dem Leben davon und erhalten ihre Freiheit zurück. Allerdings müssen sie bald feststellen, dass in Leningrad nirgendwo Eier aufzutreiben sind, weshalb Kolja vorschlägt, ins fünfzig Kilometer entfernte Mga zu gehen, das allerdings hinter den deutschen Linien liegt.
„Schlafen war vernünftiger, als nach Mga zu marschieren – wo die Deutschen zu Tausenden warteten – und nach Hühnern zu suchen. Alles war vernünftiger als das. Aber so vehement ich auch gegen diese absurde Idee protestierte, wusste ich doch von Anfang an, dass ich mitkommen würde. Kolja hatte recht: In Leningrad gab es keine Eier. Aber das war nicht der einzige Grund mitzukommen. Kolja war ein Aufschneider, ein Besserwisser, ein Juden schindender Kosak, aber sein Selbstbewusstsein war so absolut und ungetrübt, dass es schon nicht mehr wie Arroganz wirkte, sondern lediglich wie das Merkmal eines Mannes, der mit seinem heroischen Schicksal im Einklang war. So hatte ich mir meine Abenteuer nicht vorgestellt – ich wollte der Hauptdarsteller sein, nicht die Witzfigur am Rand -, doch die Realität scherte sich von Beginn an nicht um meine Wünsche, sondern gab mir einen Körper, der bestenfalls geeignet war, in einer Bibliothek Bücher zu sortieren, und träufelte mir so viel Angst in die Adern, dass ich mich nur im Treppenhaus zusammenkauern konnte, wenn es brenzlig wurde. Vielleicht würden meine Arme und Beine eines Tages kräftige Muskeln entwickeln und die Angst ablaufen wie schmutziges Badewasser. Ich wünschte, ich hätte daran geglaubt, doch das tat ich nicht. Ich war mit dem Pessimismus der Russen wie der Juden gestraft, zwei der schwermütigsten Völker der Welt. Aber auch wenn keine Größe in mir steckte, so hatte ich doch vielleicht das Talent, Größe in anderen zu erkennen, sogar in denen, die mich am meisten in Rage brachten.“ (S. 148 f.)
Der 1970 geborene Autor David Benioff ist ein begnadeter Autor. Bereits sein 2002 veröffentlichter Debütroman „25 Stunden“ wurde erfolgreich von Spike Lee verfilmt, und seither ist Benioffs Talent, filmreife Geschichten zu schreiben, in Hollywood gern angenommen. Er verfasste die Drehbücher zu Khaled Hosseinis Bestseller-Verfilmung „Der Drachenläufer“, zu Wolfgang Petersens „Troja“ und zu „X-Men Origins: Wolverine“, verfilmte sein Drehbuch zu „When The Nines Roll Over“ im Jahre 2006 sogar selbst. Mit „Stadt der Diebe“ hat Benioff, wie er im Vorwort schreibt, die eindrucksvolle Geschichte seines Vaters niedergeschrieben und sie auf seine eigene Art und Weise mit sehr lebendigen Charakteren ausgestattet, die in die unmöglichsten Situationen geraten. Bei allen Entbehrungen, die der Zweite Weltkrieg zum Ende hin für die Russen mit sich brachte, ist es Benioff gelungen, die Menschlichkeit, Warmherzigkeit und den Humor in seiner Geschichte hervorzuheben und so ein Meisterwerk zu schaffen, das man gar nicht mehr aus der Hand legen mag.
Lesen Sie im Buch: Benioff, David - Stadt der Diebe