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David Nicholls – „Ewig Zweiter“

Sonntag, 15. Januar 2012

(Kein & Aber, 384 S., HC)
Stephen C. McQueen wartet seit Beginn seiner jetzt elfjährigen Schauspielkarriere auf den großen Durchbruch. Bislang hat es für den Namensvetter des großen amerikanischen Darstellers Steve McQueen („Bullitt“) nur für die Darstellung von sechs Leichen gereicht und eine Hauptrolle als Sammy das Eichhörnchen. Und nun spielt der 32-Jährige die Zweitbesetzung der Hauptrolle in einem Stück über Lord Byron am Hyperion Theatre in London.
Wochenlang wartet er darauf, dass sein Freund Josh Harper, der jüngst von den Leserinnen einer Frauenzeitschrift zum zwölftsexiesten Mann der Welt gekürt wurde, seine Rolle nicht antreten kann, damit Stephen dem Publikum endlich zeigen kann, was in ihm steckt. Seine Ex-Frau Alison nimmt Stephens Ambitionen ebenso wenig ernst wie seine aufgeweckte siebenjährige Tochter Sophie, doch Stephen glaubt nach wie vor unerschütterlich an seine Chance.
„Was Ruhm anging, wollte er gar nicht prominent sein, oder zumindest nicht so weltberühmt wie Josh Harper. Er musste sein Bild nicht auf Kühlschrankmagneten oder Happy Meals entdecken. Auch hatte er nicht das Verlangen, seine alten Kippen bei eBay versteigert zu sehen, oder das dringende Bedürfnis, in Restaurants den besten Tisch zu ergattern, oder den geheimen Wunsch, im Urlaub auf der Privatinsel eines Freundes per Teleobjektiv schmerbäuchig in Badehosen abgelichtet zu werden. Ruhm interessierte Stephen nur als unvermeidlicher, wenn auch nicht unangenehmer Nebeneffekt guter Arbeit. Alles, was er wollte, war Vollbeschäftigungsruhm. Anerkennungsruhm. Was es umso frustrierender machte, in einem Schauspieljob festzustecken, der praktisch keine Schauspielerei erforderte.“ (S. 33) 
Als Josh ihn zu einer privaten Party einlädt, hofft seine Zweitbesetzung darauf, wichtige Kontakte zu Agenten, Produzenten und Regisseuren knüpfen zu können, dabei wollte Josh ihn nur als zusätzlichen Kellner engagieren. Wenigstens lernt Stephen auf der Party Joshs außergewöhnliche Frau Nora kennen und verliebt sich sofort in sie. Stephen gerät zwischen alle Fronten, als er zufällig Zeuge wird, wie Josh in der Garderobe seine Kollegin vögelt, und Josh ihn natürlich bittet, Nora nichts von seinen sexuellen Eskapaden zu erzählen. Doch genau das würde Stephen am liebsten tun, weil er mit dieser Enthüllung Nora in seine Arme treiben könnte. Stattdessen wird sein Leben noch komplizierter, als es ohnehin schon gewesen ist …
Bereits mit seinem Romandebüt „Keine weiteren Fragen“ hat sich der britische Autor David Nicholls eines Antihelden angenommen, den er auf sympathische Weise durch ein verkorkstes Leben taumeln ließ. Dass das Konzept auch im Nachfolgewerk vollkommen aufgeht, ist Nicholls sehr lebendiger Sprache, der authentischen Zeichnung seiner Figuren und eines überzeugenden Plots zu verdanken, der mit viel augenzwinkerndem Humor vorangetrieben wird, ohne seinen Protagonisten der Lächerlichkeit preiszugeben.

David Nicholls - "Keine weiteren Fragen"

Freitag, 16. Dezember 2011

(Kein & Aber, 439 S., HC)
Ein wenig stolz ist er schon, als er 1985 an der Langley-Street-Gesamtschule ein spitzenmäßiges Abitur hinlegt, doch darüber hinaus hat der zwar volljährige, ansonsten aber in jeder Hinsicht lebensunerfahrene Brian Jackson nicht viel vorzuweisen. Nachdem er in den Ferien bei einem Elektronik-Versandhandel gejobbt hat, freut sich der mit Akne übersäte Jüngling auf den Beginn seines Studiums.
Mit Beginn seiner akademischen Lehre hofft Brian, endlich die Weltgewandtheit, Souveränität und Attraktivität zu gewinnen, die ihm bislang so schmerzhaft abgegangen ist. Doch bereits die Ankunft im Richmond House erweist sich als ernüchternd.
„Meine Bude ist ein Loch. Das Zimmer besitzt den ganzen Reiz und Charme vom Schauplatz eines Verbrechens; Ein-Personen-Matratze auf einem Bettgestell aus Metall, Kleiderschrank und Schreibtisch aus passendem Sperrholz, zwei Holzimitat-Regalbretter aus Resopal. Die Teppiche sind schlammbraun und offenbar aus gepresstem Schamhaar gewebt. Ein schmutziges Fenster vom Schreibtisch geht auf die Mülltonnen hinaus, während ein gerahmtes Schild die Verwendung von Reißzwecken an den Wänden bei Todesstrafe verbietet. Aber ich wollte eine Mansarde, und jetzt hab ich eine Mansarde. Machen wir das Beste draus.“ (S. 35) 
Brian bewirbt sich mit seinem Team für das populäre wie anspruchsvolle Fernsehquiz „University Challenge“, ist aber nur als Ersatzmann eingeplant. Wenn es nach Teamchef Patrick ginge, würde Brian bei den Proben gar nicht anwesend sein müssen, da sich Brian in seine Team-Kollegin Alice verguckt hat. Doch der Weg, ihr Herz zu gewinnen, erweist sich als ebenso steinig, wie es Brians bisherigen Lebensweg angemessen scheint. Und auch seine Präsentation im Team und der Umgang mit KommilitonInnen sparen nicht an unrühmlichen Episoden. Doch irgendwie mogelt sich Brian auf seine unbekümmerte Art durchs universitäre Leben und scheint seinen Zielen immer näher zu kommen …
Mit „Keine weiteren Fragen“ hat der in London lebende Ex-Schauspieler und Drehbuchautor David Nicholls („Cold Feet“, „I Saw You“, „Rescue Me“) ein beeindruckendes, vor allem umwerfend komisches Debüt als Romancier hingelegt. Sein Protagonist ist ein spätpubertierender, überheblicher wie unsicherer Loser, wie er im Buche steht, doch zeichnet Nicholls ihn auf liebenswerte Art, die beim Leser immer wieder Mitleid für den Antihelden hervorruft. Dabei verleiht er dem Geschehen das passende 80er-Jahre-Flair mit vor allem musikalischen Verweisen (Kate Bush, Led Zeppelin etc.) und versteht es, der amüsanten Geschichte immer wieder neue zwerchfellerschütternde Aspekte zu verleihen.