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James Patterson – (Women’s Murder Club: 19) „Das 19. Weihnachtsfest“

Dienstag, 3. Oktober 2023

(Blanvalet, 382 S., Pb.) 
Nachdem sich James Patterson mit der 1993 gestarteten Reihe um den in Washington lebenden Polizeipsychologen Alex Cross zu einem internationalen Bestseller-Autoren gemausert hatte, veröffentlichte er 2001 nicht nur den bereits siebten Band um Alex Cross, sondern mit „1st To Die“ („Der 1. Mord“) auch den Auftakt einer neuer Reihe, die in San Francisco angesiedelt ist und in der Sergeant Lindsay Boxer mit ihren weiblichen Verbündeten den Kampf gegen das Verbrechen aufnimmt. 
Zunächst war noch Andrew Gross Pattersons Co-Autor, seit dem vierten Band weiß der ehemalige Leiter einer Werbeabteilung die ansonsten unbekannte Maxine Paetro an seiner Seite. Allerdings kommt dieses Arrangement nur Pattersons ohnehin üppig gefülltem Portemonnaie zugute, während die Qualität der Women’s-Murder-Club-Reihe seit Jahren darunter leidet. Da macht „Das 19. Weihnachtsfest“ leider keine Ausnahme. 
Vier Tage vor dem Weihnachtsfest unternimmt Sergeant Lindsay Boxer mit ihrem Mann Joe, ihrer dreieinhalbjährigen gemeinsamen Tochter Julie und ihrer in die Jahre gekommenen Border-Collie-Hündin Martha einen fröhlichen Spaziergang durch die bunt geschmückten Straßen von San Francisco. Ihre Freundin, die Staatsanwältin Yuki Castellano, freut sich mit ihrem Mann Brady, der neben seiner Funktion als Lieutenant der Mordkommission momentan auch noch das Amt des Polizeichefs bekleidet, auf einen gemütlichen Abend im Schlafzimmer. Dieses Vergnügen bleibt der investigativen Journalistin Cindy Thomas und ihrem Lebensgefährtin Rich Conklin verwehrt, hat sie doch ein wichtiges Interview vor sich. Die Pathologin Claire Washburn ist mit ihrem Mann Edmund auf dem Weg nach San Diego, wo sie in den Winterferien ein Kompaktseminar für den Masterstudiengang in Kriminalmedizin abhalten soll. 
Doch die fröhliche Weihnachtsstimmung wird empfindlich getrübt, als Boxer und ihr Partner Conklin während ihrer Mittagspause am 21. Dezember einen Ladendieb erwischen und von ihm im Verhör auf einen spektakulären Raub hingewiesen werden, der von einem mysteriösen Mann namens Loman geplant worden ist. In Folge der Ermittlungen stoßen Boxer und ihre Kollegen allerdings auf verschiedene Orte, wo der Raub stattfinden soll. Neben dem de Young Museum stehen auch eine Internet-Firma, ein Attentat auf den Bürgermeister Caputo und der Flughafen von San Francisco auf der möglichen Liste, was immer mehr polizeiliche und militärische Kräfte der Stadt auf den Plan ruft. Doch was hat dieser Loman wirklich vor? 
Wenn Patterson und Paetro zu Beginn von „Das 19. Weihnachtsfest“ kurz abstecken, wie die einzelnen Mitglieder des Clubs der Ermittlerinnen ihre Vorweihnachtstage verbringen, kommt kurz Hoffnung auf, dass sich der Plot um etwas mehr dreht als nur um einen gewöhnlichen Kriminalfall, doch dagegen spricht schon der knapp bemessene Raum von fast hundert, jeweils ca. dreiseitigen Kapiteln, die schnell von Lindsay Boxer und ihrem Partner Rich Conklin in Beschlag genommen werden, wenn sie auf eine Schnitzeljagd nach irreführenden Hinweisen zu einem spektakulären Raubüberfall gehen, der allerdings nur skizzenhaft thematisiert wird. 
Patterson und seine Co-Autorin setzen allein auf eine forcierte Handlung, bei dessen Inszenierung die Figuren nur schemenhaft umrissen werden und zu denen die Leserschaft keine Beziehung aufbauen kann. Leider ist nicht mal der Loman-Raub ein besonders interessanter Fall, so dass an der Story letztlich nur ungewöhnlich erscheint, dass die anfangs so glücklich beschriebenen Paare über die Feiertage wegen des immensen Arbeitspensums einige Krisen zu bewältigen haben. Es ist allerdings bezeichnend, dass die Chance zu einer psychologisch tieferen Charakterisierung fahrlässig vertan wird. 
Das trifft auch auf die am Rande erwähnten Nebenschauplätze wie Cindys Reportage über die Weihnachtsbräuche von Einwanderern zu, mit der die Autoren die Möglichkeit gehabt hätten, etwas mehr über die soziale Struktur in San Francisco in den Plot einfließen zu lassen. „Das 19. Weihnachtsfest“ erweist als alles andere als ein festliches Vergnügen, da die Protagonistinnen kaum Gelegenheit bekommen, Profil zu gewinnen. Stattdessen wird ein unnötig aufgebauschter Kriminalfall in den Fokus gestellt, dessen Auflösung ebenfalls bar jeder Überraschung ist.  

James Patterson – (Women’s Murder Club: 18) „Die 18. Entführung“

Sonntag, 30. Juli 2023

(Blanvalet, 432 S., Pb.) 
Für sein Erstlingswerk „The Thomas Berryman Number“ (dt. „Der Auftrag“) wurde James Patterson, ehemaliger Werbetexter und Leiter einer Werbeagentur, 1977 noch mit dem Edgar Allan Poe Award für den besten Debütroman ausgezeichnet, doch mit der literarischen Qualität ist es bei dem Oeuvre des US-amerikanischen Bestseller-Autoren, der 2010 mehr Bücher verkauft haben soll als seine prominenten Kollegen Dan Brown, John Grisham und Stephen King zusammen, nie besonders gut bestellt gewesen. Dass seine Romane ganzjährig in den internationalen Bestsellerlisten vertreten sind, dafür sorgt nicht zuletzt Pattersons Legion von Co-Autoren, die seine Entwürfe zu fertigen Romanen verarbeiten. So ist Maxine Paetro bei der 2001 begonnenen Erfolgsreihe den „Women’s Murder Club“ oder „Club der Ermittlerinnen“ bereits seit dem vierten Band mit am Start. Der 18. Band „Die 18. Entführung“ setzt die Thriller-Reihe recht unspektakulär fort. 
Als die gebürtige Bosnierin Anna Sotovina in der Nähe ihrer Wohnung in San Francisco Slobodan Petrović entdeckt, traut sie kaum ihren Augen. Der serbische Kriegsverbrecher, der auch für den Tod ihres Mannes und ihres gemeinsamen Babys verantwortlich gewesen ist, wurde doch von dem internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag rechtskräftig verurteilt und dürfte sich ganz gewiss nicht frei in San Francisco bewegen. Nachdem ihre Anzeige beim FBI nicht weiterverfolgt wird, macht sie zufällig die Bekanntschaft von FBI-Special Agent Joe Molinari, der der völlig verstörten jungen Frau mit der entsetzlichen Brandnarbe im Gesicht schnell Glauben schenkt, nachdem er auf eigene Faust eigene Ermittlungen aufgenommen hat. Offenbar hat Petrović einen Deal ausgehandelt, bei dem er vermeintlich höherrangige Offiziere denunzierte und Immunität genießt, solange er keine Straftat begeht. 
Während der FBI-Mann Petrović, der unter dem Namen Antonije „Tony“ Branko ein Steak-Restaurant in der Stadt führt. Währenddessen ermittelt Molinaris Frau, Detective Lindsay Boxer, mit ihrem Partner Rich Conklin im Fall von drei spurlos verschwundenen Lehrerinnen. 
Als mit Carly Myers die erste der drei Freundinnen misshandelt, vergewaltigt und erdrosselt in der Dusche eines Motelzimmers aufgefunden wird, scheint den Kriminalbeamten die Zeit davonzulaufen, denn alles deutet darauf hin, dass der/die Täter nicht zum ersten und letzten Mal so vorgegangen sind. Schließlich wird sogar Petrović mit den Entführungen und Misshandlungen der drei Lehrerinnen in Zusammenhang gebracht, doch Beweise lassen sich dafür schwer finden… 
„Welchen Wert hatte die Aussage eines namenlosen Zeugen, der Petrović vielleicht nur deshalb angeschwärzt hatte, um das Gericht milde zu stimmen? Selbst der Bericht über die Menschenjagden im Wald war ja durch nichts sonst belegt. Joe und ich sprachen darüber und kamen zu dem naheliegenden Schluss, dass weder das SFPD noch das FBI diese in Europa begangenen und von namenlosen Zeugen benannten Verbrechen näher untersuchen konnten.“ (S. 328) 
Patterson und Paetro setzen bei dem 18. Fall des „Women’s Murder Club“ auf hochgradig emotionale Themen. In der zufälligen Begegnung zwischen dem verurteilten serbischen Kriegsverbrecher Slobodan Petrović und einem seiner Opfer wird die Problematik angerissen, fundierte Beweise für die unzähligen Schreckenstaten von Kriegsverbrechern vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vorlegen zu können, doch liegt der Fokus in dem vorliegenden Roman auf der persönlichen Tragödie, die Anna Sotovina im Bosnien-Krieg erleiden musste und den schrecklichen Erinnerungen, die sie durch das Wiedersehen mit ihrem Schänder in ihrer neuen Wahlheimat in San Francisco heimsuchen. 
Lindsay Boxers Weggefährtinnen, die Bloggerin Cindy Thomas, die Gerichtsmedizinerin Claire Washburn und die Staatsanwältin Yuki Castellano, spielen bei diesem Fall kaum eine oder gar keine Rolle, vielmehr spielen sich SFPD-Beamtin und der Special Agent die Bälle zu, um sowohl Beweise dafür zu finden, dass Petrović wieder straffällig geworden ist, als auch das Verschwinden der Lehrerinnen bzw. die damit zusammenhängenden Morde aufzuklären. Das wird in gewohnt einfacher Sprache in kurzen Kapiteln routiniert abgespult und kommt ohne große Wendungen zu einem früh vorhersehbaren und Ende. Echte Spannung kommt bei einem so geradlinig inszenierten, wendungsarmen Plot leider kaum auf. 

James Patterson – (Alex Cross: 26) „Pain“

Sonntag, 5. März 2023

(Blanvalet, 414 S., Tb.) 
Seit James Patterson 1993 mit „Morgen Kinder wird’s was geben“ den ersten, mit Morgan Freeman in der Hauptrolle als „Im Netz der Spinne“ auch erfolgreich verfilmten Roman um den smarten Detective Alex Cross veröffentlicht hat, legt der Bestseller-Autor nahezu im Jahrestakt einen neuen Thriller in der Reihe vor, die nicht nur zu den langlebigsten, sondern auch erfolgreichsten Thriller-Roman-Serien weltweit zählt. Allerdings erreicht Patterson nach den furiosen ersten Bänden mittlerweile kaum noch deren Intensität und Spannung. Auch der mittlerweile 26. Band, „Pain“, bietet konventionelle Spannung ohne besondere Raffinesse. 
An einem regnerischen Märznachmittag werden Alex Cross, ehemaliger Detective bei der Metropolitan Police von Washington, D.C., und FBI-Verhaltensforscher, und sein früherer Partner und bester Freund John Sampson im Hochsicherheitsgefängnis Greensville, Virginia, der Hinrichtung von Mikey Edgerton beiwohnen, nachdem er als schuldig des Mordes an acht Frauen verurteilt worden war. 
Edgerton selbst beteuert bis zum Ende seine Unschuld und verkündet, von Cross und Sampson hereingelegt worden zu sein, und seine Familie schwört Rache an den beiden mutmaßlich Verantwortlichen. Als sie sich nach Edgertons Exekution auf dem elektrischen Stuhl wieder auf den Weg zurück nach Washington machen, ereilt sie die Nachricht über den Fund einer nackten Frauenleiche. Im Schoß der Toten findet die Polizei eine an Cross gerichtete, von einem mysteriösen „M“ unterzeichnete Nachricht, die darauf hinweist, dass Edgerton womöglich zu Unrecht verurteilt wurde. 
Doch nicht nur Cross wurde von M an der Nase herumgeführt, sondern auch der FBI-Verhaltensforscher Martin Forbes, der angeklagt worden ist, die Verdächtigen eines Sexsklaven-Rings ermordet zu haben. Auf der Jagd nach dem ominösen M meint Cross seinem alten Widersacher Kyle Craig zu begegnen, der eigentlich tot sein sollte. Die raffinierten Methoden, mit denen M sowohl Cross und Sampson als auch dem FBI immer drei Schritte voraus zu sein scheint, erinnern aber tatsächlich an den brillanten Verbrecher. Als auch noch Cross‘ Sohn Ali von M entführt wird, muss sich der fürsorgliche Familienvater und ehrgeizige Ermittler aber mit der Möglichkeit auseinandersetzen, zu spät zu kommen… 
„Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass M mich in die Enge getrieben hatte, ganz egal, wie dieses Sie wissen, was ich meine, nicht wahr? gemeint gewesen war. Damit war er in meinen Kopf eingedrungen, hatte mich in einen Zustand der Verwirrung und der wachsenden Nervosität versetzt.“ (S. 267) 
Es gehört längst zur erfolgreichen Masche, ist zum unverkennbaren Kennzeichen dieser Thriller-Reihe geworden, dass es der erfolgreiche Verhaltensforscher und Psychotherapeut Alex Cross immer mit den gewieftesten, intelligentesten und grausamsten Verbrecher-Genies zu tun bekommt, die die Menschheit hervorzubringen vermag. In „Pain“ handelt es sich um den geheimnisvollen „M“, der Cross scheinbar seit Jahren schon verfolgt, ihn mit Nachrichten verspottet und die Polizei und das FBI auf falsche Fährten und zu Verdächtigen führt, denen M geschickt Indizien unterjubelt, so dass diese unschuldig verurteilt werden. Man könnte vermuten, dass auch Patterson ähnlich wie John Grisham oder Stephen King ein Plädoyer gegen die Todesstrafe halten oder zumindest das Justizsystem hinterfragen würde, doch weit gefehlt. Die Alex-Cross-Reihe hält wacker die Fahne für die Strafverfolgungsbehörden hoch, proklamiert fleißig, dass jeder geniale Verbrecher überführt werden kann. Es braucht eben nur einen brillanten Ermittler wie Alex Cross, um dem Bösen Einhalt zu gebieten. 
Als Cross zum Ende hin endlich die Möglichkeit erhält, mit seinem Widersacher zu sprechen und ihn mit psychologischem Geschick den Aufenthaltsort von Ali zu entlocken versucht, hätte die Chance bestanden, der Frage nach der Natur des Bösen auf den Grund zu gehen, doch Cross und sein Schöpfer verpassen diese Gelegenheit zugunsten fadenscheiniger Psychologisierungen. 
So bietet „Pain“ letztlich nur die übliche temporeiche Schnitzeljagd, die durch einige private Herausforderungen in der Cross-Familie wie Jannies durch eine langwierige Erkrankung stockende Karriere als Läuferin bzw. Siebenkämpferin etwas aufgelockert wird.  

James Patterson & David Ellis – „Stadt der Vergeltung“

Montag, 27. Februar 2023

(Goldmann, 476 S., Tb.) 
Der gelernte Anwalt David Ellis hat schon einige eigene Romane veröffentlicht und für seinen 2002 veröffentlichtes Debüt „Line of Vision“ sogar gleich den renommierten Edgar Allan Poe Award eingeheimst. Hierzulande ist er vor allem als Co-Autor für den Fließband-Bestseller-Autor James Patterson bekannt, mit dem er beispielsweise die Thriller „Ocean Drive 7“, „Im Netz der Schuld“, „Unerbittlich“, „Todesgier“ und „Todesflammen“ realisiert hat, doch kommen all die Werke, die Patterson mittlerweile mit Co-Autoren umsetzt, nie an die Qualität seiner noch eigenverantwortlich geschriebenen Frühwerke der populären Reihen um Alex Cross und den Women’s Murder Club heran. Das trifft leider auch auf „Stadt der Vergeltung“ zu. 
Nachdem Detective Billy Harney einen Skandal aufgedeckt hatte, der alle wichtigen Akteure, selbst den Bürgermeister von Chicago, zu Fall brachte, Reformen und Versetzungen in Gang setzte und ihm selbst eine Kugel im Kopf einbrachte, steht Harney nach erfolgreicher Reha wieder vor der Rückkehr in den Polizeidienst. Polizeipräsident Tristan Driscoll hat die Turbulenzen zwar unbeschadet überstanden, ist aber nicht zuletzt wegen der schlechten Presse, die dem aufgedeckten Skandal folgte, Harney gegenüber nicht besonders wohlwollend eingestellt. 
Umso überraschter ist der Detective, dass er der jüngst ins Leben gerufenen SOS zugeteilt wird. Die Elite-Einsatztruppe der Special Operations Section soll zwar Schwerverbrechen im gesamten Stadtgebiet von Chicago nachgehen, schwerpunktmäßig aber in der West Side die dort berüchtigten wilden Schießereien unterbinden. Gleich der erste Fall, den Harney mit seiner neuen Partnerin, Carla Griffin, hat es in sich. Eine Schießerei in dem Viertel K-Town fordert vier Opfer. Alles sieht nach einem typischen Vorfall von Gangkriminalität aus, doch unter den Opfern befindet sich auch ein sehr junges Mädchen und ein Baby. Harney suchen unmittelbar Erinnerungen an die Tragödie von vier Jahren heim, als erst seine kleine Tochter an einem Schlaganfall starb und sich dann seine depressive Frau, die Anwältin Valerie Blinderman, mit einem Kopfschuss das Leben nahm. Wegen der daraus resultierenden Proteste aus der Bevölkerung drängen die Verantwortlichen natürlich auf eine schnelle Aufklärung. 
Als Damien „Junior“ Peppers, einer der Todesschützen aus der Truppe von Gangsterboss Jericho, hingerichtet und mit der Tatwaffe in seinem Wagen, entdeckt wird, scheint der Fall bereits aufgeklärt zu sein, doch für Harney sieht die Sache zu einfach aus, und das tote Mädchen, das osteuropäischer Herkunft zu sein schien und als Evie bekannt war, passt für ihn nicht in das Schema einer aus dem Ruder gelaufenen Drogensache. Ebenso wenig wie der wegen Mordes inhaftierte Antoine Stonewald, den Val vor ihrem Tod noch zu verteidigen versuchte. Offenbar versucht ein Mädchenhandel-Ring, seine Spuren zu verwischen, die sogar bis zu einem der letzten Fälle von Harneys Frau zurückreichen… 
„Stadt der Vergeltung“ bietet dem hartgesottenen James-Patterson-Fan gewohnt temporeiche Action im gewohnten Format. In knackig kurzen und entsprechend einfachen Sätzen in zwei- bis vierseitigen Kapiteln bekommt es der Ich-Erzähler Billy Harney mit einem besonders „kniffligen“ Fall zu tun. Dabei geben sich Patterson und sein Co-Autor nicht viel Mühe, ihren Protagonisten allzu sorgfältig einzuführen. Zwar wird der vorgebliche Selbstmord seiner Frau Val in Harneys Träumen und Erinnerungen immer wieder thematisiert und im weiteren Verlauf der Handlung sogar zunehmend in den Mittelpunkt gerückt, doch der eingangs erwähnte Skandal, der Harney gleichsam als Held und Verräter dastehen ließ, wird beispielsweise nicht näher mit Hintergrundinformationen unterfüttert. Stattdessen drücken Patterson und Ellis von Beginn an aufs Tempo, führen unzählige Figuren ein, mit deren Charakterisierung sich nicht lange aufgehalten wird, und bringen eine Geschichte ins Rollen, bei der Drogengeschäfte, Menschenhandel und vor allem Korruption in den eigenen Reihen munter durcheinandergewirbelt werden. Trotz einiger recht konstruiert wirkender Wendungen steuert die Morde zu Beginn auf eine teilweise sehr vorhersehbare Auflösung hin. So stellt „Stadt der Vergeltung“ einen Patterson-typischen Cop-Thriller dar, der über ein sehr hohes Tempo, aber über wenig dramaturgisches Geschick oder tiefgründige Figurenzeichnungen verfügt. Gerade die Beziehungen zwischen Billy, seiner Schwester Patti und ihrem im Gefängnis sitzenden Vater hätten viel sorgfältiger herausgearbeitet werden können.  

Bill Clinton & James Patterson – „Die Tochter des Präsidenten“

Sonntag, 25. September 2022

(HarperCollins, 560 S., Tb.) 
In „The President Is Missing“, der ersten Zusammenarbeit zwischen Thriller-Bestseller-Autor James Patterson und dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, hatte der Demokrat Jonathan Duncan als Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur gegen ein Komplott von Mitgliedern des Königshauses von Saudi-Arabien und der russische Regierung zu kämpfen, die die Supermacht USA zu schwächen versuchten, sondern auch gegen ein drohendes Amtsenthebungsverfahren und seine innerparteiliche Konkurrentin, Vizepräsidentin Katherine Brandt. 
Mit ihrem zweiten gemeinsamen Thriller präsentieren Clinton & Patterson keine Fortsetzung, sondern ein ganz neues Set-up an Figuren, die sich diesmal keiner Bedrohung durch Cyber-Terroristen ausgesetzt sehen, sondern der Entführung der Präsidententochter. Geblieben ist allerdings ein unkritischer Patriotismus und die Idealisierung der Figur des Präsidenten als Retter der Welt. 
Mit dem erneut fehlgeschlagenen Versuch, den weltweit gesuchten Terroristen Asim al-Aschids im lybischen Nafusa-Gebirge auszuschalten, bei dem ein Navy SEAL sowie al-Aschids Frau und drei Töchter getötet wurden, hat Vize-Präsidentin Pamela Barnes die Gunst der Stunde genutzt und ihren Wahlkampf gegen den amtierenden Präsidenten Matthew Keating gewonnen. Während sich Keating in der Abgeschiedenheit am Lake Marie in New Hampshire den Freuden des Landlebens hingibt, hat seine Frau Samantha, Professorin der Boston University, ihre Arbeit als Archäologin wieder aufgenommen und geht in Hitchcock, Maine, mit ihren Studenten Spuren von baskischen Fischern nach. 
Doch das Leben der ehemaligen Präsidentenfamilie wird auf den Kopf gestellt, als Keatings 19-jährige Tochter Mel mit ihrem Freund Tim Kenyon auf eine Bergwandertour zum Mount Rollins geht und entführt wird. Zwar hat Keatings als Ex-Präsident keine weitreichenden Befugnisse mehr, doch als Präsidentin Barnes nicht auf die Forderungen von Asim al-Aschid eingeht, nimmt Keating als ehemaliger SEAL das Schicksal selbst in die Hand, stellt mit seinem Personenschützer David Stahl ein Team zusammen und macht sich auf den Weg nach Libyen, wo sich der Terrorist nach Auswertung der Videoaufnahmen, in denen al-Aschid mit Keatings Tochter zu sehen gewesen ist, offenbar aufhält. Doch die Operation wird durch die Einmischung auch eines ehrgeizigen chinesischen Geheimdienstlers und selbst US-amerikanischer Befehlshaber empfindlich gestört. Vor allem macht sich Keatings Frau Vorwürfe, diese bedrohliche Situation nicht früher verhindert zu haben, bekam sie doch während des Präsidentschaftswahlkampfes brisantes Material über Richard Barnes, den Ehemann und Stabschef der Herausforderin Pamela Barnes zugespielt. 
„… es ist alles meine Schuld, Matt. Ich hatte den Schlüssel zu deiner Wiederwahl in der Hand – den USB-Stick mit der Aufzeichnung von Richard Barnes‘ Perversionen -, aber ich habe ihn nicht benutzt. Ich konnte ihn nicht benutzen. Und ich wollte ihn nicht benutzen.“ (S. 192) 
James Patterson sagt selbst über sich: „Ich bin schnell. Ich bin ein Ja-Nein-Typ, ich hasse Vielleichts.“ Seine Thriller sind leicht und schnell zu lesende Geschichten, in denen es so gut wie keine Grauschattierungen gibt, nur Helden auf der einen und die Bösen auf der anderen Seite. Für nachdenkliche Zwischentöne ist auch in „Die Tochter des Präsidenten“ kein Raum, obwohl das Buch für Patterson-Verhältnisse mit über 500 verhältnismäßig eng bedruckten Seiten ungewöhnlich dick ausgefallen ist. 
Dass der ehemalige US-Präsident Bill Clinton großen Anteil an der Ausweitung des Plots gehabt haben soll, ist schwer vorstellbar. Dafür wirkt zum einen die Sprache zu einheitlich, zum anderen ist die Selbstheroisierung des Ex-Präsidenten, den das Autoren-„Duo“ als Ich-Erzähler etabliert hat, dermaßen überzogen, dass Clinton schon an einem Gott-Komplex leiden müsste, sollte er die Figur des Ex-Präsidenten auch nur halbwegs nach realen Vorbildern geschaffen haben. Der Plot bietet souverän inszenierte Spannung, die allerdings in jeder Hinsicht wie am Reißbrett konstruiert wirkt. 
Während die Terroristen und der chinesische Geheimdienstler Jiang Lijun als Abziehbilder des Schreckens dargestellt werden, wirken die Beschreibungen der SEALs wie Texte aus einer Werbebroschüre für die Spezialeinheiten des amerikanischen Militärs. Dazu gesellen sich intrigante, machtbesessene Politiker, selbstaufopferungsvolle Personenschützer und clevere junge Frauen, in denen mehr steckt, als man ihnen zutrauen würde, aber am Ende ist es natürlich der Präsident selbst, der zum großen Helden avanciert. 
Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hätten auch die für Patterson sonst üblichen 350 Seiten gereicht. So bietet „Die Tochter des Präsidenten“ extrem leichte und temporeiche, aber überraschungsarme Thriller-Kost, die zudem leider von klischeehaften Figuren getragen wird. Es scheint fast so, dass Bill Clintons Name nur auf dem Cover platziert worden ist, da der vorangegangene Thriller „Die Frau des Präsidenten“ mit dem völlig unbekannten Co-Autor Brendan DuBois längst nicht an den Erfolg von „The President Is Missing“ anknüpfen konnte.  

James Patterson – „Die 17. Informantin“

Dienstag, 31. Mai 2022

(Limes, 382 S., Pb.) 
Seit seinem 1976 erschienenen und gleich mit dem Edgar Allan Poe Award für das Beste Erstlingswerk ausgezeichneten Thriller „The Thomas Berryman Number“ (dt. „Der Auftrag“) hat sich der US-amerikanische Schriftsteller James Patterson vor allem mit seiner 1993 initiierten Reihe um den Psychologen und Detective Alex Cross in die Herzen der Thriller-Fans geschrieben. Aber auch die Bücher um den „Women’s Murder Club“ oder „Club der Ermittlerinnen“, die 2001 mit „1st to Die“ ihren Anfang nahm, finden sich regelmäßig auf den Bestseller-Listen wieder. Mit „Die 17. Informantin“ liegt nun schon der 17. Titel der Reihe vor. 
Yuki Castellano, stellvertretende Bezirksstaatsanwältin von San Francisco, bekommt einen äußerst interessanten Fall auf den Tisch. Der Werbeproduzent Marc Christopher wirft seiner direkten Vorgesetzten Briana Hill, mit der er auch einige Zeit lang liiert gewesen ist, vor, dass sie ihn mit vorgehaltener Pistole zum Geschlechtsverkehr gezwungen hat. Zwar zeigt sich Castellanos Chef, Leonard „Red Dog“ Parisi, etwas skeptisch, was die Erfolgsaussichten betrifft, steht aber voll hinter seiner engagierten Staatsanwältin. 
Da Christopher zum einen die angezeigte Vergewaltigung mit einer in seinem Wecker installierten Kamera gefilmt hat und zum anderen mit Paul Yates einen Kollegen als Zeugen benennt, der ebenfalls seine Erfahrungen mit Hill machen durfte, sieht Castellano sowohl der Anhörung vor der Grand Jury als auch dem anschließenden Prozess gelassen entgegen. Doch als Christopher seine Aussage vor Gericht unnötig ausschmückt, beginnt Castellano an der Glaubwürdigkeit des Werbefilmproduzenten zu zweifeln. 
Währenddessen wird ihre Freundin Lindsay Boxer, Detective beim San Francisco Police Department, von der Obdachlosen Millie Cushing auf mehrere Morde an Obdachlosen hingewiesen, für die allerdings die Kollegen im Bezirk Mitte zuständig sind. Als sie zusammen mit ihrem Partner Richard Conklin Informationen zu den Morden sammelt, bekommt Boxer den Eindruck, dass ihre Kollegen Stevens und Moran wenig tun, um die Morde aufzuklären. Doch Boxer kommt mit ihren eigenen Ermittlungen zu den Mordfällen auch nicht voran. 
„Das Tatmuster dieses Täters bestand darin, wehrlose Obdachlose in der Dunkelheit und aus nächster Nähe zu erschießen, und zwar irgendwo, wo es keine Überwachungskameras gab. Und dann puff. Vom Winde verweht. Dass dieser Irre so dicht an seine Opfer herangekommen war, bedeutete, dass sie keine Angst vor ihm gehabt hatten. Sie hatten nicht geschrien, waren nicht weggelaufen, hatten sich nicht gewehrt. Vielleicht kannten sie ihn. Vielleicht war er sogar einer von ihnen.“ (S. 255) 
James Patterson und seine seit Jahren bewährte Co-Autorin Maxine Paetro folgen in „Die 17. Informantin“ bewährten Mustern. Die parallel entwickelten Handlungsstränge der Ermittlungen zu den Morden an den Obdachlosen und der Prozess gegen Briana Hill wegen Vergewaltigung sorgen durch die bewährt kurzen, meist drei- bis vierseitigen Kapitel, für hohes Tempo, die schlichte Sprache lässt den Leser quasi durch den Plot fliegen. 
Im Gegensatz zu den immer globaleren Schreckensszenarien, denen sich Alex Cross gegenübersieht, gefällt die Plot-Struktur in der „Women’s Murder Club“-Reihe nach wie vor durch ein bodenständiges und glaubwürdiges Setting. Allerdings geben sich Patterson/Paetro kaum noch Mühe mit der Figurenzeichnung. Die Gerichtsmedizinerin Claire Washburn und die Reporterin Cindy Thomas werden hier nur am Rande erwähnt. Bei Yuki Castellano kommen noch Beziehungsprobleme mit ihrem abwesend wirkenden Mann Brady ins Spiel, bei Lindsay gesundheitliche Probleme – das war’s. 
So bietet „Die 17. Informantin“ flott und routiniert inszenierte Thriller-Kost, die allerdings ohne jeglichen Tiefgang auskommt. 

James Patterson – (Alex Cross: 10) „Und erlöse uns von dem Bösen“

Samstag, 2. April 2022

(Blanvalet, 352 S., Tb.) 
Colonel Geoffrey Shafer, auch als „Wiesel“ bekannt, weilt gerade in Salvador und will sich mit einem 13-jähriges Mädchen vergnügen, als er in die Fänge eines Verbrechers gerät, der in Sachen Grausamkeit in einer weit höheren Liga spielt als er selbst. Der „Wolf“ hat nämlich ein Team zusammengestellt, in dem jeder für eine ganz spezielle Aufgabe engagiert worden ist, ohne den gesamten Plan zu kennen. In dem der Wolf eine zuvor evakuierte Wohnwagensiedlung in Sunrise Valley, Nevada, dem Boden gleichmacht, weckt er wie gewünscht das Interesse des FBI. Direktor Burns lässt Alex Cross, der gerade ein paar Tage mit seinem Sohn Alex in Seattle, Washington, verbracht hatte und sich nun mit seiner in San Francisco lebenden Freundin Jamilla Hughes vom dortigen Morddezernat trifft, direkt zum Tatort fliegen. 
Doch das Attentat in Nevada ist für den Wolf nur eine Aufwärmübung. Es folgen nicht zuvor evakuierte Dörfer in Nordengland und bei Lübeck, die von der Landkarte gebombt werden, dann übermittelt der Wolf gegenüber dem FBI, der CIA und dem Heimatschutz seine Forderungen. Er verlangt zwei Milliarden Dollar und die Freilassung etlicher Gefangener, sonst würde er New York, London, Washington und Frankfurt auslöschen. Wie ernst es dem Wolf ist, unterstreicht er mit einem erfolgreichen Attentat auf CIA-Chef Thomas Weir. Von nun an folgt Cross einzelnen Spuren nach New York, London, Paris, doch alle Spuren, die zum Wiesel oder zum Wolf führen, enden in einer Sackgasse … 
„Von nun an glichen die Ereignisse einer wahnwitzigen Achterbahnfahrt, wilder als alles, was man ich hätte vorstellen können. Das letzte Ultimatum lief in wenigen Stunden ab, und niemand, weder in der Chefetage noch unten bei den einfachen Streifenpolizisten, hatte eine Ahnung, was geschah. Vielleicht wusste der Premierminister etwas? Oder der Präsident? Der Kanzler Deutschlands? Jede Stunde, die verstrich, machte es schlimmer. Dann kamen die Minuten. Es gab nichts, was wir tun konnten. Nur beten, dass das Lösegeld bezahlt wurde.“ (S. 193) 
Seit 1993 schreibt James Patterson an einer der erfolgreichsten Thriller-Serien überhaupt. Doch seit den ersten beiden, jeweils auch verfilmten Bänden „Along Came a Spider“ („Morgen Kinder wird’s was geben“) und „Kiss the Girls“ („…denn zum Küssen sind sie da“) unterliegt die „Alex Cross“-Reihe großen qualitativen Schwankungen. 
Einen Tiefpunkt hat Patterson definitiv mit „Und erlöse uns von dem Bösen“ erreicht. Nach dem Motto, nur mit Superlativen noch Spannung erzeugen und die Leser bei Laune halten zu können, hat der US-amerikanische Bestseller-Autor hier nicht nur ein höchst unglaubwürdiges Szenario entwickelt, sondern galoppiert quasi im ungebremsten Eiltempo durch einen Plot, in dem ausgerechnet natürlich Alex Cross die Welt vor einer umfassenden Katastrophe rettet, nachdem er in Lichtgeschwindigkeit erst durch die Vereinigten Staaten und dann durch Europas Metropolen London und Paris gehetzt ist, immer mal wieder seine Familie hier und da besucht und sich darüber klar zu werden versucht, mit welcher der Frauen, die was von ihm wollen, er sich auf eine Beziehung einlassen könnte. 
Leider vergisst Patterson, bei dem aberwitzigen Tempo sowohl die Glaubwürdigkeit seiner Geschichte als auch die Charakterisierung seiner Figuren. Stakkato-mäßig lässt der Autor seinen Superhelden in extrem kurzen Kapiteln von Schauplatz zu Schauplatz hetzen, während er überlegen muss, wer eventuell in den Reihen von FBI und CIA Kontakt zu dem Wolf haben und ein Verräter sein könnte bzw. wer überhaupt hinter der Identität des Wolfs steckt. Hier wäre auf jeden Fall viel weniger viel mehr gewesen.  

James Patterson – (Alex Cross: 25) „Danger“

Donnerstag, 4. November 2021

(Blanvalet, 444 S., Tb.) 
James Pattersons Thriller-Serie um den Kriminalpsychologen Alex Cross zählen seit Jahren zu den erfolgreichsten Thrillern weltweit – schließlich wurden bereits zwei von ihnen mit Morgan Freeman in der Hauptrolle („…denn zum Küssen sind sie da“, 1997, und „Im Netz der Spinne“, 2001) und einmal mit Tyler Perry („Alex Cross“, 2012) auch verfilmt. Im Jubiläumsband lässt der US-amerikanische Bestseller-Autor seinen sympathischen Protagonisten gleich gegen mehrere Auftragskiller antreten, die sukzessive die politische Elite der USA eliminieren. 
Fünf Tage nach der Beerdigung der 47-jährigen US-Präsidentin Catherine Grant, die überraschend im Oval Office tot zusammengebrochen war, erschießt Sean Lawlor die US-Senatorin Elizabeth Walker vor ihrem Haus. Bei den Ermittlungen bezieht der zuständige FBI Special Agent Ned Mahoney sowohl Alex Cross im Rahmen seiner Beratertätigkeit für das FBI als auch Alex‘ Frau Bree Stone, Chief of Detectives des Metropolitan Police Department in Washington, in das Team ein. 
Lawlor kann sich nur kurz über sein Honorar für den erledigten Auftrag freuen, denn von seiner Kollegin Kristina Varjan wird er mit einer Klaviersaite erdrosselt. Als der bekannte Gangster Fernando Romero nach einer Schießerei mit anschließender Geiselnahme den Mord an der Senatorin gesteht, scheint der Fall schnell zu den Akten gelegt werden zu können, doch in kurzer Abfolge fallen auch der amerikanische Präsident, der Sprecher des Abgeordnetenhauses, der Außenminister und die Finanzministerin Attentaten zum Opfer, worauf Larkin, der auf den Präsidentenposten nachgerückt ist, das Kriegsrecht ausruft. Alex Cross und seine Leute haben nicht viel Zeit, die offensichtliche Verschwörung aufzudecken, denn das Land droht im Chaos zu versinken … 
„Ich konnte verstehen, wieso die Leute kurz vor der Panik waren. Niemand wusste, wer oder was hinter den Attentaten steckte oder was als Nächstes kommen würde. Diese Angst und dazu die Unsicherheit reichten völlig aus, um die Menschen an den Rand ihrer psychischen Belastbarkeit zu drängen, und ich ging fest davon aus, dass es schon bald zu ersten Plünderungen und Aufständen kommen würde.“ (S. 262) 
Alex Cross hat es in seinen vielen Berufsjahren bereits mit den raffiniertesten Killern zu tun, aber für sein 25. (Roman-)Abenteuer hat sich sein Schöpfer noch mal was ganz Besonderes ausgedacht. In „Danger“ werden einfach mal die Superlative bemüht, und zwar in Reihe. Patterson begnügt sich nicht damit, nur eine hochrangige Politikerin durch einen Auftragsmörder eliminieren zu lassen, nein, es muss gleich mehr als eine Handvoll der hochrangigsten Staatsmänner und -frauen und eine ganze Schar von bestens vorbereiteten und koordinierten Killern sein, die die USA zu destabilisieren versuchen. Nebenbei avanciert Alex‘ sonst nur als Bankspieler eingesetzte Sohn Damon beim Basketballspiel gegen die stark favorisierte Mannschaft aus Georgetown natürlich als Matchwinner, nachdem Damons Schwester Jannie ohnehin schon als Leichtathletik-As Furore gemacht hat. 
Patterson drückt wie gewohnt stark aufs Tempo. Die über 100 sehr kurzen Kapitel und die einfache Sprache lassen das Publikum kaum Atem holen, allerdings bleibt bei so viel Action die erzählerische Tiefe auf der Strecke. Weder die Attentäter, die meist recht schnell wieder vom Spielfeld genommen werden, noch die politischen Scharmützel in der Frage um die rechtmäßige Präsidentschaftsnachfolge. Dazu wirkt es einfach unglaubwürdig, dass Cross als Kriminalpsychologe dem Präsidenten die Idee zur Ermittlungsstrategie vorlegt. 
Außerdem wirken die Nebenhandlungen wie Cross‘ Umgang mit seiner neuen Klientin, die er in seiner Teilzeit-Praxis betreut, und die anonymen Zettel mit dem Hinweis, dass Cross den Verfasser der Zeilen bitte aufhalten solle, eher störend, was zudem auf Kosten der Haupthandlung und ihrer Figuren geht. So ist „Danger“ zwar ein flott geschriebener und auch spannender Thriller geworden, der aber weit entfernt von Pattersons besten Arbeiten ist. 

James Patterson – (Women’s Murder Club: 9) „Das 9. Urteil“

Dienstag, 19. Januar 2021

(Limes, 350 S, HC) 
Um sich mit ihrer heimlichen Geliebten Heidi ein neues Leben aufbauen zu können, ist die Highschool-Lehrerin Sarah Wells unter die Juwelendiebe gegangen. Sie bricht dabei so erfolgreich in die Häuser bestens situierter Menschen ein, während diese im Erdgeschoss Partys veranstalten oder ihr Abendessen einnehmen, dass sie bereits von der Presse den Spitznamen „Hello Kitty“ verpasst bekommen hat. Als sie allerdings in das Haus der bekannten Hollywood-Schauspielers Marcus Dowling und seiner Frau Casey eindringt, kommt das Ehepaar allerdings früher ins Schlafzimmer zurück als erwartet, und Sarah muss sich im Kleiderschrank verstecken, wo sie zunächst einen Streit, dann den Versöhnungssex hörte, um dann endlich aus dem Fenster zu klettern, nachdem sie die regelmäßigen Atemgeräusche der Schlafenden wahrgenommen hatte. 
Obwohl sie dabei ein Wandtischchen umwirft und Casey dadurch aufweckt, gelingt Sarah die Flucht. Doch dann erfährt sie aus den Nachrichten, dass Casey erschossen wurde und sie selbst als Tatverdächtige gilt. Detective Lindsay Boxer und ihr Partner Rich Conklin übernehmen die Ermittlungen in diesem Raubmord übernehmen, haben es aber vor allem mit einer viel brutaleren Mordserie zu tun. Ein Mann, der in Parkhäusern belebter Shopping Malls junge Mütter und ihre Kinder tötet, hinterlässt jeweils das mit dem Lippenstift seiner Opfer geschriebene Kürzel FKZ in verschiedenen Kombinationen an den Tatorten. So bekommt Lindsay kaum Zeit, um die glückliche Beziehung mit Joe zu genießen, aber auch ihre Freundinnen, die Staatsanwältin Yuki Castellano, die Reporterin Cindy Thomas und die Pathologin Claire Washburn, bekommt sie kaum zu sehen. Schließlich wendet sich der Lippenstift-Mörder direkt an die Öffentlichkeit, verlangt zwei Millionen Dollar und bringt Lindsay als Überbringerin des Geldes in eine gefährliche Situation … 
„Ich gebe es zu. Für einen irrationalen Augenblick lang zuckte die Wut in mir auf. Das eigene Leben für etwas aufs Spiel zu setzen, woran man glaubt, das ist eine Sache. Aber von einem Killer als Roboter benutzt zu werden, als Opfer bei einer Aktion, die man selbst für falsch, ja, für Wahnsinn hält … das ist etwas ganz anderes.“ (S. 201) 
Die Thriller-Serien, die James Patterson um den Polizeipsychologen Alex Cross und um den Club der Ermittlerinnen entwickelt hat, sind regelmäßig auf den vorderen Plätzen der internationalen Bestseller-Listen zu finden. Das bedeutet allerdings nicht, dass Patterson mit seinen Co-Autoren stets hochklassigen Lesestoff abliefert. „Das 9. Urteil“ – das Patterson wie seit dem 4. Band der Reihe um den Women’s Murder Club mit Maxine Paetro verfasst hat – baut vor allem auf rasante Action, die in meist zwei- bis dreiseitigen Kapiteln in großer Schrift abgehandelt wird. 
Dass bei zwei Fällen, die natürlich wieder miteinander zusammenhängen und jeweils Seriencharakter besitzen, auf 350 Seiten kaum Raum für die Schilderung detaillierter Ermittlungsarbeit noch feine Figurenzeichnung bleibt, dürfte jedem Leser bewusst sein. Ärgerlich wird es nur, wenn beide hier präsentierten Fallserien so unglaubwürdig in Motivation und Ausführung wirken. Eine verheiratete Highschool-Lehrerin wird auf einmal zu einer raffinierten Juwelendiebin, die in an sich hochgesicherte Privatanwesen eindringt und stets unentdeckt entkommt? Ein Kriegsveteran ist so traumatisiert, dass er Frauen und ihre Kinder umbringt? Allein diese Prämissen machen „Das 9. Urteil“ zu einem äußerst faden Ritt durch einen allein auf Action getrimmten Plot, dessen durchweg fehlende Glaubwürdigkeit durch immer neue abstruse Entwicklungen und Zusammenhänge getoppt wird. 
Kein Wunder, dass „Das 9. Urteil“ das vorletzte Buch der Reihe ist, das hierzulande in der Erstausgabe als Hardcover erschienen ist, ab Fall 11 nur noch als Paperback. 

James Patterson - (Alex Cross: 24) „Hate“

Freitag, 23. Oktober 2020

(Blanvalet, 447 S., Tb.) 
Der zwölfjährige Timmy Walker lauert mit seinem iPhone in einem Waldstück einem jungen lesbischen Liebespaar auf, als er während der Videoaufnahme von einem sich nähernden Transporter überrascht wird. Als die beiden Mädchen in den weißen Wagen gezerrt werden, ist der Junge geistesgegenwärtig genug, ein paar Bilder von dem Fahrzeug zu schießen, doch dann wird er selbst zum Opfer der Unbekannten … Die beiden entführten Teenager tauchen ebenso wie andere blonde Mädchen auf der Website killingblondechics4fun.org.co auf, auf die John Sampsons neuen Partnerin Ainsley Fox in einem Chatroom gestoßen ist und auf der Snuff Movies präsentiert werden, die die Misshandlung und Tötung von blonden jungen Frauen zeigen. 
Eine Überprüfung durch Keith Karl „Krazy Kat“ Rawlins, einem als freier Mitarbeiter für das FBI tätigen Computer-Spezialisten, ergibt zwar, dass die Tötungen gefälscht sind, doch fehlt von den gekidnappten Mädchen jede Spur. 
Alex Cross kann sich mit diesem Fall eigentlich gar nicht beschäftigen, steht er doch wegen eines mutmaßlichen Doppelmordes vor Gericht. Cross soll zwei unbewaffnete Menschen erschossen haben, die ihre Gesichter mit dem Konterfei des psychopathischen Killers Gary Soneji maskiert waren, mit dem Cross erstmals vor gut fünfzehn Jahren zu tun hatte. Doch sein bester Freund und Partner Sampson hält Cross über den Fall der entführten Mädchen auf dem Laufenden. Als während des Prozesses Videos als Beweismittel zugelassen werden, die die tödlichen Schüsse, die Cross in einer Lagerhalle auf die tatsächlich unbewaffnet erscheinenden Verdächtigen abgegeben hat, aus drei verschiedenen Perspektiven dokumentieren, beginnen sich nicht nur bei den Geschworenen, sondern auch in Cross‘ Familie Zweifel an seiner Unschuld zu entwickeln … 
„Ich wollte fliehen, wollte mir eine neue Identität zulegen und mich auf einer Südseeinsel verkriechen, wollte alles, nur nicht nach Hause kommen und Bree, Nana Mama und den Kindern berichten, was Rawlins mir gerade gesagt hatte. Sie hatten keine Waffen in der Hand gehabt. Ich war im besten Fall geistig verwirrt gewesen, im schlimmsten Fall ein Ausbund des Bösen. Aber so oder so würde ich in einem Bundesgefängnis landen, und zwar vermutlich für den Rest meines Lebens.“ (S. 227) 
Seit seinem ersten Roman um den schwarzen Kriminalpsychologen Alex Cross, der sowohl für das FBI als auch das Metropolitan Police Department von Washington, D.C., außergewöhnliche Fälle zu lösen hilft, zählt James Patterson zu den erfolgreichsten Bestseller-Autoren weltweit. Mit „Hate“ erscheint bereits der 24. Band der Reihe um den charismatischen Psychologen und Ermittler, der nicht nur mit dem Chief Detective Bree Stone verheiratet ist, sondern auch drei bemerkenswerte Kinder hat, von denen Damon gerade das College besucht, Jannie trotz ihrer Fußverletzung eine glänzende Karriere als Läuferin bevorsteht und Ali als Jüngster im Bunde schon etwas in die Fußstapfen seines Vaters tritt. Wie gewohnt bewegt sich Patterson bei seinem Plot auf mehreren Ebenen. Dass sein Protagonist Alex Cross diesmal selbst vor Gericht steht, wo er unter anderem von seiner Nichte Naomi verteidigt wird, verleiht „Hate“ seine besondere Würze und wärmt noch einmal die alte Feindschaft zwischen Cross und Soneji auf, dessen Sohn Dylan Cross nicht vergeben kann, dass er auch seine Mutter erschossen hat. Die Beweislage ist so vertrackt, dass nicht mal die IT-Spezialisten beim FBI auf dem vorgelegten Videomaterial Manipulationen entdecken können. Trotz des vorhersehbaren Endes des Prozesses wirkt hier allerdings die Art der Auflösung wenig glaubhaft. Viel interessanter und auch spannender ist der Fall um die entführten und misshandelten blonden Mädchen konstruiert. Hier erweist sich Patterson als routinierter Dramaturg wendungsreicher Entwicklungen, die zu einem packenden Showdown führen. Erfreulicherweise lässt der Autor auch Raum für Einblicke in Cross‘ Privatleben. Zwar bleibt seine Frau Bree recht blass, dafür nimmt vor allem der clevere Ali eine größere Rolle bei der Aufklärung des Falles ein, und auch Jannies sportliche Karriere wird etwas ausführlicher thematisiert. Zum actionreichen Finale überspannt Patterson etwas den Bogen der Glaubwürdigkeit, aber letztlich zählt „Hate“ doch wieder zu den besseren Alex-Cross-Thrillern. 

James Patterson – (Women's Murder Club: 16) „Der 16. Betrug“

Sonntag, 4. Oktober 2020

(Limes, 396 S., Pb.) 
Lindsey Boxer, Sergeant beim San Francisco Police Department, und ihr Partner Rich Conklin, sind gerade in eine Sonderkommission zur Terrorismusbekämpfung berufen worden und haben gerade verhindern können, dass der von ihnen beschattete mutmaßliche Terrorist J. mit seiner Sprengweste größeren Schaden anrichten konnte als sich während der Verfolgungsjagd selbst in Luft zu jagen. Doch die Freude über den Erfolg gegen die international agierende Terrorgruppe GAR (Great Antiestablishment Reset) hält nicht lange an. Einen Monat später feiert Boxer mit Joe Molinari, von dem sie seit sechs Monaten getrennt lebt, in einem Fischrestaurant am Pier 9 ihren Hochzeitstag, wo die beiden Zeugen werden, wie das naturwissenschaftliche Museum Sci-Tron am gegenüberliegenden Pier 15 nach einer Explosion zusammenstürzt. 
Als Boxer und ihr Mann am Tatort eintreffen, werden sie auf einen Mann aufmerksam, der das Spektakel mit vor Entzücken geweiteten Augen beobachtet, und stellen ihn zur Rede. Er stellt sich als Connor Grant vor und gibt zu, das Sci-Tron in die Luft gesprengt zu haben, woraufhin ihn Boxer festnimmt und Joe beim Versuch, eine eingeklemmte Frau aus den Trümmern zu retten, selbst schwer verletzt wird. Doch die Gerichtsverhandlung entwickelt sich zum Alptraum für die Strafverfolgungsbehörden. Yuki Castellano, die vor einem Jahr nach einer Nahtoderfahrung einen Job beim Prozesshilfeverein angenommen hatte, kehrt zu ihrem alten Vorgesetzten, Freund und Mentor in die Bezirksstaatsanwaltschaft zurück, um Grant, der 25 Tote und 45 teilweise schwer Verletzte zu verantworten hat, den Prozess zu machen. Der Naturwissenschaftslehrer Grant feuert jedoch nicht nur seine Anwältin, sondern erweist sich als Anwalt in eigener Sache als so geschickt, dass ihn die Geschworenen nicht zweifelsfrei verurteilen können. Zusammen mit ihren Freundinnen, zu denen neben Yuki auch die Gerichtsmedizinerin Claire Washburn und die Reporterin Cindy Thomas zählen, versucht Boxer herauszufinden, was Grant für ein perfides Spiel treibt … 
„Hatten wir nach etwas gesucht, was gar nicht existiert? War Connor Grant vielleicht doch genau der, der er zu sein behauptete – ein Highschool-Lehrer mit einem großen und weiten Geist? Und wenn ja, warum wurde ich dann dieses Gefühl nicht los, dass er uns alle an der Nase herumgeführt hatte und mit einem Massenmord davongekommen war? War Grant ein Geheimnis, das nie aufgedeckt werden würde?“ (S. 366) 
Neben seiner extrem erfolgreichen Thriller-Serie um den Polizeipsychologen Alex Cross, in der seit 1993 mittlerweile insgesamt 28 Romane erschienen sind, von der die ersten beiden mit Morgan Freeman („Im Netz der Spinne“, „… denn zum Küssen sind sie da“) und der zwölfte mit Tyler Perry („Alex Cross“) verfilmt wurden, hat sich die 2001 begründete Reihe um den „Club der Ermittlerinnen“ längst zum zweiten Bestseller-Standbein von James Patterson gemausert. Zwar hat der Titel des 16. Abenteuers – „Der 16. Betrug“ – mal wieder überhaupt keinen Bezug zum Romangeschehen, doch präsentiert Patterson gewohnt leicht geschriebene, flotte Thriller-Unterhaltung. Dabei kann er sich einmal mehr auf die bewährte Zusammenarbeit mit Maxine Paetro verlassen, die mit dem bestverkaufenden Thriller-Autor nicht nur seit dem vierten Roman bei „Woman’s Murder Club“ die groben Handlungsskizzen des Thriller-Stars fertigstellt, sondern auch bei Pattersons weniger bekannten Reihen involviert ist. 
Einmal mehr verweist schon die imponierende Kapitelanzahl von 97 darauf, dass das Publikum vor allem handlungsintensive Spannung vorgesetzt bekommt, bei der Figuren, Schauplätze und Entwicklungen so schnell wechseln, dass kaum Zeit zum Luftholen, aber leider auch kein Raum für eine tiefergehende Figurenzeichnung bleibt. 
Die zweite Handlungsebene um den sogenannten „lautlosen Killer“, der seinen Opfern ein nicht nachweisbares Mittel spritzt, dass die Muskeln und damit die Atmung lähmt, trägt nur dazu bei, die Action auf einem konstant hohen Niveau zu halten,  aber nicht zur Qualität des Plots. Stattdessen hätten sich Patterson und seine Co-Autorin ausführlicher mit der Geschichte von Lindsays Annäherung an ihren Mann beschäftigen sollen, den sie verlassen hat, nachdem er ihr seine Spionage-Tätigkeit für die CIA verschwiegen hatte und eines Tages spurlos verschwand, wobei offensichtlich auch eine Frau beteiligt gewesen ist. Und auch die gemeinsame Ermittlungsarbeit von Lindsay, Yuki, Cindy und Claire kommt viel zu kurz. Patterson-Fans bekommen davon abgesehen aber gewohnt packende Thriller-Unterhaltung mit terroristischem Hintergrund geboten, wobei die Auflösung sowohl des Nebenplots als auch der Geschichte um den Verdächtigen Connor Grant sehr hastig ausfällt. 

Bill Clinton & James Patterson – „The President Is Missing“

Freitag, 22. Juni 2018

(Droemer, 477 S., HC)
US-Präsident Jonathan Duncan muss sich vor einem Sonderausschuss des Repräsentantenhauses unter der Leitung von dessen Sprecher Lester Rhodes Rechenschaft darüber ablegen, ob er vor kurzem Kontakt zu Suliman Cindoruk, dem meistgesuchten Terroristen der Welt, aufgenommen hat und sogar dafür verantwortlich ist, seine Liquidierung in Algerien vereitelt zu haben. Sollte dem Präsidenten ein Vergehen nachgewiesen werden, muss er mit einem Amtsenthebungsverfahren rechnen. Doch bevor die Anhörung am Montag auf dem Programm steht, wird dem ehemaligen Staatsanwalt und Gouverneur von North Carolina durch eine junge Frau ein Passwort übermittelt, das nur dem innersten Kreis des Präsidenten-Stabes bekannt sein sollte.
Dass „Dark Ages“ in die Hände von Cyber-Terroristen gelangt ist, bedeutet nichts Gutes, denn das betreffende Computer-Virus droht weltweit alle computergestützten Systeme lahmzulegen. Erste Zwischenfälle bei der Wasseraufbereitung und auf ein medizinisches Labor demonstrieren dem Irakkrieg-Veteran, dass es die „Söhne des Dschihad“ ernst meinen.
Da Duncan davon ausgehen muss, dass einer seiner acht engsten Mitarbeiter der Verräter sein muss, zieht er sich mit dem mysteriösen Informanten Augie und einer Handvoll Vertrauter auf eine abgelegene Farm und bestellt die Regierungschefs aus Deutschland, Russland und Israel ein, um die Krise zu bewältigen, denn der Countdown bis zur Aktivierung des Virus tickt erbarmungslos runter. Doch während er die größte Krise zu bewältigen hat, die man sich vorstellen kann, wird Duncan immer wieder durch Erinnerungen an seine durch Krebs getötete Frau, eine lebensbedrohliche Autoimmunkrankheit und die politischen Spielchen seiner Verbündeten/Feinde aus dem Konzept gebracht.
„Falls uns das Virus weiterhin standhält, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als die drakonischsten Maßnahmen zu ergreifen, um die Menschen davon abzuhalten, sich im Kampf um Nahrung, sauberes Wasser und Obdach gegenseitig umzubringen.
Wenn es so weit kommt, sind wir nicht mehr wiederzuerkennen. Dann sind wir nicht länger die Vereinigten Staaten von Amerika oder das, was die Welt jemals darunter verstanden hat.“ (S. 348) 
Bestseller-Autor James Patterson und der von 1993 bis 2001 als US-Präsident regierende Bill Clinton haben mit „The President Is Missing“ einen gemeinsamen Thriller vorgelegt, wie ihn „nur ein US-Präsident schreiben kann“ – so die Verlagswerbung. Tatsächlich hat James Patterson, der ein halbes Dutzend Auftragsschreiber beschäftigt, die aus seinen Exposés Romane formen, auch hier ein Treatment vorgelegt, das Bill Clinton mit seiner langjährigen Erfahrung im Weißen Haus zu einem durchaus temporeichen Thriller verarbeitet hat.
Dabei dient die Angst vor dem erschreckenden Worst-Case-Szenario mit seinen apokalyptischen Auswirkungen als treibender Motor für die dramaturgische Spannung, die durch einen aus der Türkei stammenden, aber nicht muslimischen Terroristen, einen Countdown, den unvermeidlichen Verräter, politische Machtspielchen und diverse überraschende Wendungen auf die Spitze getrieben wird. Besonders glaubwürdig ist das nicht. Der als Ich-Erzähler auftretende US-Präsident Jonathan Duncan tritt hier als von den Tragödien des Lebens und des Krieges sowie den gesundheitlichen Schäden gehandicapter, aber willensstarker Präsident auf, der bei allen auftretenden Problemen sehr souverän wirkt – im Gegensatz zu Bill Clinton, der während seiner Amtszeit vor allem fast über die Lewinsky-Affäre gestolpert wäre und offenbar mehrmals die Möglichkeit besaß, Osama bin Laden zu töten. Insofern wirkt „The President Is Missing“ wie ein verzweifelter Versuch Clintons, auf literarische Weise seine eigene Geschichte aufzuwerten, was besonders sauer in der abschließenden Rede aufstößt, die Duncan nach der natürlich überstandenen Krise ans Volk hält und sich darin für die „ständige Erweiterung von Bildungs- und Berufschancen, ein vertieftes Verständnis von Freiheit und einen gestärkten Gemeinsinn“ stark macht. Damit bezieht er natürlich auch Stellung gegen den amtierenden US-Präsidenten Trump, ohne ihn namentlich zu erwähnen.
Die Charakterisierung des Präsidenten fällt dabei schon sehr selbstgefällig aus. Dass er auch noch maßgeblich beteiligt an der Lösung des viralen Problems ist, wirkt fast schon lächerlich. Von den Einsichten eines ehemaligen US-Präsidenten abgesehen bietet „The President Is Missing“ auch nur leidlich intelligente Spannung, bei der jedes Mittel genutzt wird, um die Dramatik zu erhöhen, doch schießt sie damit voll über das Ziel hinaus. Patterson-Fans sollten bei den standardisierten Thrillern der Alex-Cross-Reihe bleiben, da werden die Erwartungen nach über zwanzig Bänden ohnehin nicht mehr so hoch gesetzt. 
Leseprobe Bill Clinton & James Patterson - "The President Is Missing"

James Patterson – (Alex Cross: 12) „Blood“

Mittwoch, 30. Mai 2018

(Blanvalet, 379 S., Tb.)
Der erfolgreiche Profiler Alex Cross kommt über den Tod seiner Frau Maria selbst nach über zehn Jahren nicht so recht hinweg. Damals, im Herbst 1993, war er Detective bei der Mordkommission in Washington, D.C., und musste mit eigenen Augen sehen, wie Maria erschossen wurde und in seinen Armen verstarb. Währenddessen hat die Mafia ihren Kokain- und Heroinhandel auch auf Washington, Baltimore und Teile Virginias ausgeweitet und den chinesischen Drogenbaron Jiang An-Lo exekutiert, wofür der Profikiller Michael „der Schlachter“ Sullivan verantwortlich gewesen sein soll, der sich stets mit einer Verbeugung vom Tatort verabschiedet hat.
Mittlerweile arbeitet Cross für das FBI und bringt nach wie vor sein Leben in Gefahr, was sogar dazu führt, dass seine Großmutter Nana die Erziehung von Alex‘ Kinder abgibt und aus dem Haus zieht, damit ihr Ziehsohn endlich zur Besinnung kommt. Tatsächlich kündigt Alex seinen Job beim FBI und eröffnet eine Praxis als Psychiater. Doch als sein ehemaliger Partner und bester Freund John Sampson den Mafia-Schergen Gino Giametti einbuchtet, behauptet dieser, den Mörder von Alex‘ Frau zu kennen. Bevor dieser mit der Wahrheit herauskommt, wird er allerdings in seiner Zelle umgebracht.
Alex Cross entdeckt zunächst wider Willen seine alten Fähigkeiten als „Drachentöter“ und macht sich erneut auf die Jagd in einem Fall, der ihn nie in Ruhe gelassen hat. Es scheinen sogar Parallelen zu einer Serie von brutalen Vergewaltigungsfällen vorhanden zu sein. Währenddessen entkommt der nach wie vor umtriebige Schlachter einem Anschlag des Mafiabosses John Maggione Junior, für dessen Vater Sullivan tätig gewesen war, und führt einen blutigen Rachefeldzug gegen den Don. So gerät er auch in den Fokus der neuen Ermittlungen von Alex Cross:
„Sullivan war möglicherweise zum Informanten eines Mitarbeiters geworden. Gut möglich, dass das FBI oder die New Yorker Polizei ihn deckte. Vielleicht war Sullivan sogar in einem Zeugenschutzprogramm. War es das, was mit Marias Mörder geschehen war? War er ein Schnüffler? War der Schlachter ein Protegé des FBI?“ (S. 286) 
In seinem zwölften Fall wird Alex Cross einmal mehr von den Dämonen seiner Vergangenheit heimgesucht. Jetzt wie auch vor zehn Jahren hat es der prominente Ermittler mit dem irischen Auftragskiller Michael Sullivan zu tun, dessen Vater tatsächlich Schlachter gewesen ist und sich an dem Jungen vergangen hat. Damit wären also recht einfach die abartigen Triebe des Schlachters erklärt.
Überhaupt nimmt sich Bestseller-Autor James Patterson wie gewöhnlich wenig Zeit, um die Motivationen und Charakterzüge seiner Figuren zu beschreiben. Stattdessen reißt er den Plot wie ein Action-Film herunter. In kurzen, meist nur zwei- oder dreiseitigen Kapiteln werden kurz die Stationen von Sullivans Gewaltverbrechen einerseits und Alex Cross‘ Sorgen um seine Familie, die auf lange Sicht scheiternden Dates mit anderen Frauen und die unermüdliche Jagd nach Marias Mörder andererseits abgerissen, so dass die schnell wechselnden Geschehnisse und Handlungsorte keine Zeit zum Nachsinnen lassen. Da leider auch die Glaubwürdigkeit des Plots gerade zum Finale hin und die Tiefgründigkeit der Figuren stark zu wünschen übriglassen, zählt „Blood“ definitiv zu den schwächeren Werken des Autors.
Leseprobe James Patterson - "Blood"

James Patterson – (Alex Cross: 11) „Ave Maria“

Mittwoch, 25. April 2018

(Blanvalet, 381 S., Tb.)
Der für das FBI tätige Polizeipsychologe Alex Cross genießt es, seit langer Zeit endlich mal wieder Urlaub mit seinen Kindern zu machen. Den Trip nach Disneyland nutzt er auch, um seine Geliebte Jamilla Hughes vom San Francisco Police Department im Hotel zu treffen, doch dann erfordert der Mord an der Hollywood-Schauspielerin Antonia Schifman Alex‘ Anwesenheit in Los Angeles, dem bald weitere Morde an prominenten Filmschaffenden folgen. Dazu schreibt der Täter stets eine Mail an den „Los Angeles Times“-Kolumnisten Arnold Griner, die mit dem Namen Mary Smith unterzeichnet sind.
Bei den Ermittlungen geraten nicht nur das LAPD und das FBI aneinander, Alex muss auch noch im unerwarteten Sorgerechtsstreit um Klein Alex mit seiner Ex-Frau Christine vor Gericht aussagen und hat alle Mühe, den aufdringlichen Journalisten James Truscott auf Distanz zu halten.
„Die am meisten verwendete Formel in meinem Beruf lautet: Wie plus warum ist gleich wer. Wenn ich Mary Smith kennen lernen wollte, musste ich die Unterschiede und Ähnlichkeiten bedenken – die Kombination aus beidem -, und das für jeden Tatort dieser Morde. (…) Wie groß war die Überschneidung der Persönlichkeit des Killers und der Person, die die E-Mails verschickte? Wie ehrlich – ein besseres Wort fiel mir im Moment nicht ein – waren Mary Smiths Schreiben?“ (S. 143) 
In seinem bereits elften Fall hat der 41-jährige Alex Cross wieder mal alle Hände voll zu tun, sein turbulentes Familienleben mit seinem aufreibenden und wieder mal lebensgefährlichen Beruf unter einen Hut zu bringen. Bestseller-Autor James Patterson ist sicher ein Meister des rasanten und leicht zu lesenden Thrillers und führt sein Publikum auch in „Ave Maria“ durch 120 (!) sehr kurze Kapitel, in denen stets nur kurze Momentaufnahmen des Plots abgebildet werden. Ein tiefer Blick in die Ermittlungsarbeit oder in die Psyche der Figuren wird so nicht gewährt.
Die Spannung bezieht die Story tatsächlich aus der Frage, ob sich hinter dem Täter tatsächlich eine Frau verbirgt oder doch eher ein Mann eine falsche Fährte zu legen versucht. Abgesehen von den skrupellos ausgeführten Morden, bei denen auch noch meist die Gesichter der Opfer bis zur Unkenntlichkeit zerschnitten worden sind, bietet „Ave Maria“ aber auch eher konventionell konstruierte Thriller-Unterhaltung, bei der die familiären Ereignisse beinahe interessanter sind als die Aufklärung der Mary-Smith-Morde.
Vor allem beim hastig hingerotzten Finale werden die Schwächen des Thrillers offensichtlich, weil die überraschenden Wendungen wenig glaubwürdig wirken. 
Leseprobe James Patterson - "Ave Maria"

James Patterson – (Alex Cross: 19) „Run“

Freitag, 5. Februar 2016

(Blanvalet, 411 S., Tb.)
Alex Cross und sein Freund und Kollege John Sampson gehören zu einem ganzen Team von Streifenbeamten, Detectives und einer Vertreterin des Jugendamts, das in einer edlen Backsteinvilla in Georgetown dem Verdacht auf illegalen Mädchenhandel auf den Grund geht, in den der gefragte Schönheitschirurg Dr. Elijah Creem und sein Partner Josh Bergman verwickelt sein sollen. Doch bevor sich Cross näher mit den beiden Kriminellen beschäftigen kann, hält ihn eine brutale Mordserie in Atem: Innerhalb kürzester Zeit tauchen in Washington, D.C., mehrere verstümmelte Frauenleichen auf.
Darunter macht Cross der Tod der jungen Frau Elizabeth Reilly besonders zu schaffen, weil sie erst vor kurzem ein Kind entbunden hat, von dem wiederum jede Spur fehlt. Und schließlich tauchen im Potomac Leichen von jungen Männern auf, denen nicht nur ins Gesicht geschossen, sondern die Lendengegend mit mehreren Messerstichen übel zugerichtet worden ist. Bei den Ermittlungen wird Cross von einem Blogger namens Ron Guidice besonders kritisch beobachtet.
Wie Cross bald herausfindet, war er in einem Fall verwickelt, bei dem Guidices Verlobte als Unbeteiligte während eines Polizeieinsatzes auf offener Straße erschossen wurde. Offensichtlich hegt Guidice seitdem schwere Rachegelüste gegen den Detective. Als Cross an einem Tatort handgreiflich gegen den Blogger wird, verdonnert ihn sein Chef zu Schreibtischarbeit mit Kontaktverbot. Während den Ermittlern bei den Serienmorden die Zeit davonläuft, sind Cross zunächst die Hände gebunden.
„Offiziell hatte ich weder mit Elizabeth Reilly noch mit dem Georgetown Ripper noch mit dem Flussungeheuer irgendetwas zu tun. Aber man kann nicht wochenlang intensiv an der Aufklärung diverser Mordserien arbeiten und dann von einem Tag auf den anderen keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Ich wollte wissen, was los war.“ (S. 270) 
Seit seinem ersten Alex-Cross- Band „Morgen, Kinder, wird’s was geben“, der im amerikanischen Original 1993 erschien, ist James Patterson zum erfolgreichsten Thriller-Autor weltweit geworden. In den letzten Jahren hat die Reihe einige Abnutzungserscheinungen erlitten, was sicher auch der Tatsache geschuldet ist, dass Vielschreiber Patterson seine Romane kaum noch selbst verfasst, sondern nur noch die Skizzen für seine Ghostwriter dazu liefert.
Auch im mittlerweile 19. Band der Reihe – „Run“ – ist der Qualitätsstandard nicht allzu weit oben angesiedelt. Die Tatsache, dass das Buch einmal mehr Platz 1 auf der Bestsellerliste der New York Times belegt hat, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Patterson seinen Fokus ganz auf die Action gelegt hat.
Während sein sympathischer Held Alex Cross betont, die ganze Zeit über Methoden, Opferprofile und mögliche Motive nachzudenken, hinkt der Autor diesem Ansinnen hinterher. Alex Cross ist hier mit einer schnellen Folge von Serienmorden, zwei Tätern, einem aggressiven Blogger, der auch in Cross‘ Privatleben eindringt und familiären Problemen beschäftigt, die sich diesmal in der Drogenabhängigkeit der 14-jährigen Pflegetochter Ava äußern.
All das sinnvoll und tiefgründig unter einen Hut zu bringen braucht schon mehr als 400 Seiten. Immerhin gelingt es Patterson, Alex Cross als liebenden Familienvater darzustellen, was der persönlichen Note des Thrillers und Cross‘ Charakterisierung sehr zugute kommt.
Aber was die Auflösung der Serienmorde angeht und auch die Auseinandersetzung mit dem rachsüchtigen Blogger, spult Patterson den Plot nach Schema F herunter. Das ist durchaus spannend und temporeich, aber auch überraschungsarm und stellenweise recht unglaubwürdig.

Leseprobe James Patterson - "Run"

James Patterson – „Lügennetz“

Sonntag, 22. März 2015

(Goldmann, 348 S., Tb.)
Im März 1992 verbrachte Jeanine die letzten Frühjahrsferien ihrer Collegezeit im sonnigen Key West. Nach dem Motto „Feiern bis zum Umfallen“ gönnte sich die 21-Jährige mit ihrem Freund Alex und ihrer Clique in einer Bar zum Abschluss noch ein paar Wodka-Wackelpudding-Cocktails, ehe es ins Hotel zurückging.
Als Jeanine um 2:23 Uhr in der Nacht aufwachte, entdeckte sie, dass Alex mit ihrer besten Freundin Maureen herummachte. Sie schnappte sich die Schlüssel von Alex‘ Z28 Chevy Camaro und raste die Straße am Strand entlang, bis sie einem Hund ausweichen wollte und dabei einen Mann anfuhr. Bevor das betrunkene Mädchen ihre Optionen abwägen konnte, tauchte auch schon ein Polizeiwagen auf.
Der attraktive Cop namens Peter Fournier kümmerte sich um die Leiche und nahm die zehn Jahre jüngere Jeanine zur Frau. Doch dann beschlich Jeanine zunehmend das Gefühl, dass Peter ihr etwas vormacht. Bei einer Schießerei wurde Peters Kollegin und Jeanines Chefin Elena getötet, Jeanine durch einen FBI-Agenten auf zwei Artikel im Boston Globe aufmerksam gemacht. Offensichtlich tötete Fournier 1988 seine frühere Frau ebenfalls bei einem vermeintlichen Raubüberfall.
Um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden, ließ Jeanine ihren Mann glauben, Opfer des Fallschirmseil-Killers geworden zu sein, der derzeit in Key West sein Unwesen trieb, und fing in New York mit ihrer Tochter Emma ein neues Leben als Anwältin Nina Bloom an, nachdem sie tatsächlich dem berüchtigten Killer knapp entkommen war.
Zwanzig Jahre später wird Nina von ihrem Chef für Mission rettet Leben abgestellt, eine Initiative von mehreren Kanzleien, um kostenlos Fälle zu übernehmen, bei denen die zuständigen Anwälte nicht unbedingt das Beste für ihre Mandanten getan hatten. Von einer Kollegin übernimmt sie den Fall von Justin Harris, den DNS-Spuren als Fallschirmseil-Killer entlarvten, und nun auf die Vollstreckung des Todesurteils wartet.
Nina weiß natürlich, dass Harris nicht der gesuchte Killer ist, und versucht mit dessen Anwalt Charles Baylor, die Vollstreckung noch zu verhindern. Allerdings weiß sie nicht, wie sie ihre eigene Verwicklung in den Fall offenbaren soll, der im März 1992 seinen verhängnisvollen Anfang nahm …
„Was würde Emma von mir denken, wenn alles herauskäme? Wenn sie herausfände, dass ich sie seit sie laufen konnte, nur angelogen hatte? Dass ich eine Betrügerin und jemand durch meine Schuld gestorben war? Was bildete ich mir eigentlich ein? Dass ich innerhalb einer Woche einen Freispruch für Harris erwirken könnte, ohne dass mein Kartenhaus, in dem ich mein Leben eingerichtet hatte, in sich zusammenbrechen würde? Das war selbst für jemanden wie mich mit durchaus kreativen Fähigkeiten ein hoher Anspruch.“ (S. 207) 
Seit die ersten beiden Romane in der populären Alex-Cross-Reihe – „Morgen Kinder wird’s was geben“ (1993) und „… denn zum Küssen sind sie da“ (1995) – mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt worden sind, hat sich der US-amerikanische Schriftsteller James Patterson zu einem der erfolgreichsten Thriller-Autoren der Welt entwickelt, der 2010 mehr Bücher als Dan Brown, Stephen King und John Grisham verkauft hat, wie „Der Spiegel“ feststellte.
Mittlerweile hat der ungemein produktive Patterson (mittlerweile auch mit Hilfe einiger Co-Autoren) etliche weitere Reihen ins Leben gerufen, worunter Lindsay Boxer und ihr Club der Ermittlerinnen sowie Michael Bennett zu den bekanntesten zählen.
Dass die Dauerplatzierungen in den Bestseller-Listen und die ungeheure Produktivität aber nicht zwingend auch mit bestechender Qualität zusammenhängen, zeigt sich in seinem neuen Thriller „Lügennetz“, der zwar für sich allein steht, aber ansonsten die typischen Merkmale eines Patterson-Thrillers aufweist, allen voran die Einteilung in extrem kurze, oft nur anderthalbseitige Kapitel und einen temporeichen Plot, der die logischen Mängel fast zu kaschieren versteht.
Dabei fängt „Lügennetz“ durchaus vielversprechend an. Mit der Ich-Erzählerin Jeanine führt er eine sympathische College-Absolventin ein, die angesichts einer beschämenden Entdeckung im betrunkenen Zustand einen Menschen anfährt, doch schon die Begegnung mit dem attraktiven Cop Peter Fournier bekommt Patterson nicht glaubwürdig hin. Dafür nehmen sich Patterson und sein Co-Autor Michael Ledwidge einfach zu wenig Zeit und Raum, um die Figuren und ihre Beweggründe nachvollziehbar darzustellen. Was folgt, ist eine überkonstruiert wirkende Aneinanderreihung von Zufällen, die darin gipfelt, dass Jeanine als Pro-bono-Anwältin innerhalb von nicht mal hundert Seiten einen Mann vor der Hinrichtung bewahren will, wofür John Grisham sinnigerweise einen kompletten Roman benötigt.
Sieht man von diesen dramaturgischen und erzählerischen Schwächen allerdings ab, präsentiert sich „Lügennetz“ mit seinen 117 (!) Kapiteln aber als rasant und einfach zu lesender Thriller, der seine taffe Protagonistin eine wahre Tour de Force durchmachen lässt.
Leseprobe James Patterson - "Lügennetz"