US-Präsident Jonathan Duncan muss sich vor einem Sonderausschuss des Repräsentantenhauses unter der Leitung von dessen Sprecher Lester Rhodes Rechenschaft darüber ablegen, ob er vor kurzem Kontakt zu Suliman Cindoruk, dem meistgesuchten Terroristen der Welt, aufgenommen hat und sogar dafür verantwortlich ist, seine Liquidierung in Algerien vereitelt zu haben. Sollte dem Präsidenten ein Vergehen nachgewiesen werden, muss er mit einem Amtsenthebungsverfahren rechnen. Doch bevor die Anhörung am Montag auf dem Programm steht, wird dem ehemaligen Staatsanwalt und Gouverneur von North Carolina durch eine junge Frau ein Passwort übermittelt, das nur dem innersten Kreis des Präsidenten-Stabes bekannt sein sollte.
Dass „Dark Ages“ in die Hände von Cyber-Terroristen gelangt ist, bedeutet nichts Gutes, denn das betreffende Computer-Virus droht weltweit alle computergestützten Systeme lahmzulegen. Erste Zwischenfälle bei der Wasseraufbereitung und auf ein medizinisches Labor demonstrieren dem Irakkrieg-Veteran, dass es die „Söhne des Dschihad“ ernst meinen.
Da Duncan davon ausgehen muss, dass einer seiner acht engsten Mitarbeiter der Verräter sein muss, zieht er sich mit dem mysteriösen Informanten Augie und einer Handvoll Vertrauter auf eine abgelegene Farm und bestellt die Regierungschefs aus Deutschland, Russland und Israel ein, um die Krise zu bewältigen, denn der Countdown bis zur Aktivierung des Virus tickt erbarmungslos runter. Doch während er die größte Krise zu bewältigen hat, die man sich vorstellen kann, wird Duncan immer wieder durch Erinnerungen an seine durch Krebs getötete Frau, eine lebensbedrohliche Autoimmunkrankheit und die politischen Spielchen seiner Verbündeten/Feinde aus dem Konzept gebracht.
„Falls uns das Virus weiterhin standhält, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als die drakonischsten Maßnahmen zu ergreifen, um die Menschen davon abzuhalten, sich im Kampf um Nahrung, sauberes Wasser und Obdach gegenseitig umzubringen.Bestseller-Autor James Patterson und der von 1993 bis 2001 als US-Präsident regierende Bill Clinton haben mit „The President Is Missing“ einen gemeinsamen Thriller vorgelegt, wie ihn „nur ein US-Präsident schreiben kann“ – so die Verlagswerbung. Tatsächlich hat James Patterson, der ein halbes Dutzend Auftragsschreiber beschäftigt, die aus seinen Exposés Romane formen, auch hier ein Treatment vorgelegt, das Bill Clinton mit seiner langjährigen Erfahrung im Weißen Haus zu einem durchaus temporeichen Thriller verarbeitet hat.
Wenn es so weit kommt, sind wir nicht mehr wiederzuerkennen. Dann sind wir nicht länger die Vereinigten Staaten von Amerika oder das, was die Welt jemals darunter verstanden hat.“ (S. 348)
Dabei dient die Angst vor dem erschreckenden Worst-Case-Szenario mit seinen apokalyptischen Auswirkungen als treibender Motor für die dramaturgische Spannung, die durch einen aus der Türkei stammenden, aber nicht muslimischen Terroristen, einen Countdown, den unvermeidlichen Verräter, politische Machtspielchen und diverse überraschende Wendungen auf die Spitze getrieben wird. Besonders glaubwürdig ist das nicht. Der als Ich-Erzähler auftretende US-Präsident Jonathan Duncan tritt hier als von den Tragödien des Lebens und des Krieges sowie den gesundheitlichen Schäden gehandicapter, aber willensstarker Präsident auf, der bei allen auftretenden Problemen sehr souverän wirkt – im Gegensatz zu Bill Clinton, der während seiner Amtszeit vor allem fast über die Lewinsky-Affäre gestolpert wäre und offenbar mehrmals die Möglichkeit besaß, Osama bin Laden zu töten. Insofern wirkt „The President Is Missing“ wie ein verzweifelter Versuch Clintons, auf literarische Weise seine eigene Geschichte aufzuwerten, was besonders sauer in der abschließenden Rede aufstößt, die Duncan nach der natürlich überstandenen Krise ans Volk hält und sich darin für die „ständige Erweiterung von Bildungs- und Berufschancen, ein vertieftes Verständnis von Freiheit und einen gestärkten Gemeinsinn“ stark macht. Damit bezieht er natürlich auch Stellung gegen den amtierenden US-Präsidenten Trump, ohne ihn namentlich zu erwähnen.
Die Charakterisierung des Präsidenten fällt dabei schon sehr selbstgefällig aus. Dass er auch noch maßgeblich beteiligt an der Lösung des viralen Problems ist, wirkt fast schon lächerlich. Von den Einsichten eines ehemaligen US-Präsidenten abgesehen bietet „The President Is Missing“ auch nur leidlich intelligente Spannung, bei der jedes Mittel genutzt wird, um die Dramatik zu erhöhen, doch schießt sie damit voll über das Ziel hinaus. Patterson-Fans sollten bei den standardisierten Thrillern der Alex-Cross-Reihe bleiben, da werden die Erwartungen nach über zwanzig Bänden ohnehin nicht mehr so hoch gesetzt.
Leseprobe Bill Clinton & James Patterson - "The President Is Missing"
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