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Alan Hollinghurst – „Die Sparsholt-Affäre“

Freitag, 22. März 2019

(Blessing, 542 S., HC)
Die Oxford-Studenten Freddie Green, Charlie Farmonger, Evert Dax und der Maler Peter Coyle betreiben einen Club, in dem sie berühmte Schriftsteller dazu bewegen, aus ihren jüngsten Werken vorzutragen und vor den Studenten zu sprechen, wobei im Oktober 1940 der Name von Everts Vater, den gefeierten Romancier A.V. Dax, fällt. Doch dann lenkt Coyle die Aufmerksamkeit seiner Kommilitonen auf einen der neuen Studenten, den gutaussehenden Ruderer David Sparsholt, den er unbedingt portraitieren möchte.
Aber auch Evert findet besonderen Gefallen an dem athletischen Mann, der Oxford schon bald für eine militärische Karriere verlassen würde. Doch auch wenn der junge Sparsholt mit Connie liiert ist, freundet sich Evert mit ihm auf eine Weise an, die damals für einen Skandal gesorgt hätte.
„Evert hatte keinen anderen Mitwisser, davon konnte ich ausgehen, und dass Sparsholt von sich aus mit einem Freund darüber reden würde, war undenkbar. Die Affäre hatte bereits ihr ganzes Ausmaß erreicht, etwas Flüchtiges und ganz und gar Privates, allzu verborgen, um als Fußnote in die Geschichte dieser Zeit einzugehen.“ (S. 108) 
Tatsächlich hinterlässt die sogenannte Sparsholt-Affäre auch Generationen später noch ihre Spuren, als sein Sohn Johnny seine homosexuellen Neigungen nicht mehr ganz so zu verstecken braucht wie noch sein Vater, und eine weitere Generation später wird die Liebe zwischen Männern noch offener ausgelebt …
Der britische Schriftsteller Alan Hollinghurst ist auch hierzulande durch den 2004 mit dem Man Booker ausgezeichneten und ebenfalls bei Blessing erschienenen Roman „Die Schönheitslinie“ bekannt geworden, und auch in seinem neuen Werk widmet sich Hollinghurst den Herausforderungen, denen sich Homosexuelle in der Gesellschaft stellen müssen.
Dabei zeichnet der Brite ein Sittenportrait, das in den Kriegswirren des Jahres 1940 beginnt und sich in großen Sprüngen über die Jahre 1966, 1975 und 1995 bis (fast) in die Gegenwart des Jahres 2012 erstreckt. Vor allem der erste Teil, in dem die befreundeten Kunst- und Literaturliebhaber den attraktiven David Sparsholt kennenlernen und begehren, zeigt der Autor mit seinem wunderbar ausgefeilten Schreibstil differenziert auf, wie sich das Begehren der Männer untereinander noch in heimlichen Gefilden abspielt und die eigene sexuelle Ausrichtung hinter einer gesellschaftlich anerkannten Beziehung zwischen Mann und Frau verborgen werden muss, aus der schließlich auch Kinder hervorgehen.
Die titelgebende Affäre, die sich in einer Bombennacht zwischen David Sparsholt und Evert Dax abspielt, zieht sich ebenso wie Sparsholt selbst zwar wie ein roter Faden durch die Handlung, doch im Zentrum der Geschichte stehen die anderen, Evert Dax zum Beispiel, aber auch Sparsholts Sohn Johnny. So gut es Hollinghurst gelingt, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu beschreiben, unter denen sich homosexuelle Liebe verstecken bzw. zunehmend öffentlich entfalten kann, bringt er doch unnötig viele Personen ins Spiel, denen man schwer über die meist zehn- bis zwanzigjährigen Zeitsprünge folgen kann, zumal sich die Charakterisierung der handlungsrelevanten Figuren eher auf ihre Begierden reduziert. Wurde dem Autor bei „Die Schönheitslinie“ immer mal wieder noch Pornographie vorgeworfen, hält sich Hollinghurst bei der Beschreibung sexueller Begegnungen zwar nicht zurück, doch bleibt dem Leser dabei so viel der Phantasie überlassen, dass sich die Szenen ganz harmonisch in den Kontext aus gesellschaftlichen Umgangsformen und der Auseinandersetzung mit Portraitmalerei und Literatur einfügt. Bei aller Brillanz im Stil und der guten Beobachtungsgabe gesellschaftlichen Wandels weist „Die Sparsholt-Affäre“ aber gerade nach dem ersten Teil immer wieder Längen auf, die nicht immer durch die komplexe Sprachkomposition aufgefangen werden.
Leseprobe Alan Hollinghurst - "Die Sparsholt-Affäre"

Alan Hollinghurst - „Die Schönheitslinie“

Montag, 6. April 2009

(Blessing, 572 S., HC)
Nachdem bereits das 1988 veröffentlichte Debüt des britischen Autors Hollinghurst, „Die Schwimmbadbibliothek“ im Jahre 1983 spielte, begibt sich auch das Szenario seines neuen Romans in dieses, vor Thatchers zweiter Amtszeit stehendes Jahr, wo sich mit Nick Guest der Sohn eines Antiquitätenhändlers ins noble Notting Hill begibt, wo er von den Eltern seines Collegefreundes Toby Fedden aufgenommen wird.
Nicks Gastvater Gerald Fedden ist Staatssekretär bei der „eisernen Lady“, so dass Nick schnell die High Society in London kennen und lieben lernt. Etwas schwieriger gestaltet sich das homosexuelle Coming-Out des Zwanzigjährigen, da man zu jener Zeit erst ab 21 Sex mit Männern haben durfte. Im privaten Park gleich in der Nähe der Fedden-Residenz hat Nick sein erstes schwules Sex-Erlebnis und kann jahrelang seine homosexuelle Gesinnung geheim halten. Drei Jahre später ist Nick mit Wani liiert, mit dem er ein exklusives Lifestyle-Magazin auf die Beine bringen will, aber außer Parties feiern bekommen die beiden nicht viel auf die Reihe. Derweil spürt man, dass die Heimlichtuerei nicht lange gut gehen kann, und tatsächlich: als Nicks sexuelle Gesinnung öffentlich wird, ist es mit aller Herrlichkeit und dem Schwelgen im Luxus bald vorbei … Hollinghurst versteht es mit schonungsloser Offenheit und enorm viel erzählerischer Raffinesse, die Faszination der Jugend für den Luxus und einen abgehobenen Lifestyle darzustellen.