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Axel Schmidt/Klaus Neumann-Braun - „Die Welt der Gothics – Spielräume düster konnotativer Transzendenz“

Donnerstag, 2. April 2009

(Verlag für Sozialwissenschaften, 336 S., Pb.)
Bereits der Untertitel macht deutlich, dass es sich bei vorliegendem Buch um eine streng wissenschaftliche Abhandlung über das kulturell immer signifikanter werdende Phänomen der schwarzen Szene handelt, die in den letzten Jahren aus einem subkulturellen Randphänomen zu einem elementaren Bestandteil der Popkultur gewachsen ist. Da als Ausgangspunkt der wissenschaftliche Studie das „Phänomen des jugendzentrischen Satanismus“ gewählt wurde, muss man zunächst Schlimmes befürchten, aber die Autoren haben sich tatsächlich die Mühe gemacht, Interviews mit den Gothics zu führen, Clubs wie das KUZ in Mainz, das „Rind“ in Rüsselsheim und das „Nachtleben“ in Frankfurt mit ihren szenespezifischen Veranstaltungen ebenso zu besuchen wie das WGT und das M’era Luna in den Jahren 2000 und 2001.
Es wird die Geschichte, die Wertvorstellungen, das Lebensgefühl und die ästhetischen Praxen der schwarzen Szene beschrieben, um sich abschließend mit dem Religionsbegriff innerhalb der Gothics zu befassen. Schon früh stellen die Autoren dabei fest, dass eine scharfe Trennung zwischen Gothic-Szene und satanistischen Kreisen besteht. Fazit: „Gothic lässt sich zusammengefasst begreifen als ein flexibler und nicht verpflichtender, synkretistisch-patchwork-artiger, stilistisch-ästhetischer überformter, damit auf die individuelle Kreativität und Originalität setzender, stark individualisierter/privatisierter und moderat gegenkultureller resp. `spielerisch-häretischer´ Rekurs auf traditionelle Glaubens- und Ideologiesysteme mit dem Ziel, sich auf der Basis dieser Glaubens- und Religions-Bricolage von der `Normalgesellschaft´ in kontrollierbaren Grenzen abzuheben“ (S. 321). Doch von solchen wissenschaftlichen Analysen sollte man sich nicht zu sehr abschrecken lassen. Die Studie erweist sich nämlich als überaus fundiert und gewährt faszinierende Einblicke in die schwarze Szene.

Klaus Farin & Kirsten Wallraff - „Die Gothics“

(Tilsner, 216 S., Pb.)
Vor zwei Jahren hat der Gründer und Leiter des Berliner Archivs der Jugendkulturen e.V., Klaus Farin, mit „Die Gothics“ bereits einen informativen Führer durch die Schwarze Szene veröffentlicht, der sich nicht nur durch eine differenzierte, wenn auch nur einführende Auseinandersetzung mit szenerelevanten Themen wie Ursprung und Entwicklung der Schwarzen Szene, literarischen Vorlieben, Sex, Satan, Tod und Faschismus auszeichnete, sondern vor allem die Anhänger der Szene selbst zu Wort kommen ließ und ablichtete. Damit wurde erstmals ein authentisches Bild der Grufti-Szene gezeichnet, die in den Medien sonst immer schlagzeilenadäquat in ein diffuses Licht von Grabschändungen, Schwarzen Messen und Vampir-Erotik gestellt worden ist.
Für die Neuauflage wurde das ursprünglich 128 Seiten umfassende Buch um den gut 90 Seiten langen Beitrag „Weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz“ von Kirsten Wallraff erweitert, die sich 1994 in ihrer Sozialpädagogik-Diplomarbeit mit der Schwarzen Szene auseinandersetzte, aber auch selbst seit über fünfzehn Jahren in sie involviert ist. Sie macht von vornherein deutlich, dass es nicht möglich ist, ein umfassendes Bild der Schwarzen Szene zu kreieren, da es gerade hier um das Ausleben von zwar gemeinsamen, aber vor allem stark individuellen Vorlieben und Gefühlen geht. Die Gemeinsamkeiten zeigen sich rein äußerlich vor allem im Outfit und musikalischen Präferenzen, und so nimmt die Auseinandersetzung mit der Mode samt Hairstyling und Körperschmuck sowie den Farben Schwarz und Weiß fast die Hälfte des Beitrags ein, während die Beschäftigung mit der Musik, Literatur und religiös-philosophischen Themen eher oberflächlich bleibt und gerade bei den musikalischen Zuordnungen böse Patzer passiert sind (so werden Skinny Puppy in die Gothic-, Delerium und Kirlian Camera in die Industrial- und Omala in die Ritual-Ecke gesteckt). Interessant ist allerdings die abschließende Beurteilung bezüglich der Einbindung der Szene in den soziokulturellen Kontext, bei dem deutlich wird, wie schwierig gerade in einer so gefühlsbetonten Szene die Gratwanderung zwischen gesellschaftlichen Zwängen und individuellen Bedürfnissen ist, was in der Regel dazu führt, die rein äußerlichen Merkmale im „Alter“ abzulegen und sich allenfalls noch mit szenerelevanten Inhalten auseinanderzusetzen.