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Stephen King – „The Stand – Das letzte Gefecht“

Freitag, 17. Januar 2020

(Bechtermünz Verlag, 1199 S., HC)
In der etwas nördlich von Arnette, Texas, an der US 93 gelegenen Tankstelle saßen die Sozialhilfeempfänger Norman Bruett und Tommy Wannamaker, die in der Rechnerfabrik Teilzeit arbeitenden Henry Carmichael und Stu Redman, der Rentner Victor Palfrey und Tankstellenbesitzer Bill Hapscomb sitzen abends gemütlich beim Bier zusammen, als ein alter Chevy auf die Zapfsäulen zusteuert und sie umpflügt. Für die Insassen kommt jede Hilfe zu spät. Offensichtlich waren sie bereits vor dem Unfall schwer erkrankt, so dass der Fahrer keine Kontrolle mehr über seinen Wagen hatte. Wie sich schnell herausstellt, ist aus einem geheimen Militärlabor ein mutiertes Grippevirus entwichen, dessen Ausbreitung das Militär nicht verhindern konnte. Mit einer Ansteckungsquote von 99,4 Prozent rafft „Captain Trips“ in kürzester Zeit nicht nur die Bevölkerung von Texas, Maine und Nebraska dahin, sondern auf der ganzen Welt. Allerdings sind einige Tausende immun gegen das Virus. Sie werden von unterschiedlichen Träumen heimgesucht, die zum einen von einer alten schwarzen Frau namens Abagail Freemantle und andererseits von einem dunklen Mann namens Randall Flagg handeln.
Die Überlebenden der Supergrippe machen sich auf den Weg, wohin ihre Träume sie führen. Während sich die Anhänger der über hundertjährigen Frau auf den Weg in Richtung Nebraska machen, wo die gutmütige Frau in einem Haus nahe einem Maisfeld lebt, ziehen die weniger gottesfürchtigen Menschen nach Las Vegas, wo Flagg eine schlagkräftige Truppe zusammenstellt, um die Herrschaft über die neue Welt nach der Pandemie an sich zu reißen. In Boulder, Colorado, gründet sich schließlich eine Freie Zone unter der Schirmherrschaft der alten Dame. Stu Redman, der sich unterwegs in die schwangere Studentin Frannie Goldsmith aus Ogunquit, Maine, verliebt hat, wird zum ersten Marshall ernannt und führt schließlich auch das Übergangskomitee an, dem auch der taubstumme Nick Andros und der ehemalige Star-Musiker Larry Underwood angehören.
Mutter Abagail, die Boulder auf sich allein gestellt verlässt, um für eine Sünde zu büßen, schickt nach ihrer Rückkehr Stu, Larry, Glen Bateman und den alten Richter Farris auf den Weg nach Las Vegas, um den Dunklen Fürsten zu vernichten, doch kehren nicht alle wieder lebend zurück. Zudem hat Randall Flagg auch in Boulder Anhänger, darunter Harold Lauder, dessen Liebe zu Frannie nicht erwidert worden ist, und Nadine Cross, die wiederum nicht bei Larry landen konnte und bei der Mutter Abagail bereits bei ihrer ersten Begegnung ein merkwürdiger Schauder befiel.
„Sie war noch nicht darüber hinaus, Angst um sich selbst zu empfinden, und einen Augenblick dachte sie, diese seltsame Frau mit den weißen Strähnen im Haar würde fast beiläufig die Hand ausstrecken und ihr das Genick brechen. Den einen Augenblick lang, den dieses Gefühl anhielt, bildete sich Mutter Abagail tatsächlich ein, das Gesicht der Frau wäre verschwunden und sie würde in ein Loch in Raum und Zeit sehen, ein Loch, aus dem zwei dunkle und verfluchte Augen sie betrachteten – Augen, die verloren und verzweifelt und hoffnungslos waren.“ (S. 688) 
Als Stephen King 1978 seinen apokalyptischen Roman „The Stand“ an den Mann bringen wollte, hatte er gerade mal die drei Romane „Carrie“, „Brennen muss Salem“ und „Shining“ veröffentlicht, so dass es seinem Verleger zu riskant erschien, ein 1200-Seiten-Epos von einem noch nicht wirklich etablierten Autor herauszubringen. Zwölf Jahre später sah die Sache schon wieder ganz anders aus, so dass die zuvor um 400 Seiten gekürzte Version nun doch in seiner ursprünglichen Fassung erscheinen konnte.
In „The Stand – Das letzte Gefecht“ entwirft King ein nicht allzu unrealistisches Szenario. Schließlich haben sowohl Reaktorunfälle als auch verschiedene Viren-Epidemien immer wieder zu drastischen Massensterben und Notfallmaßnahmen geführt. King nimmt sich sehr viel Zeit, die Folgen der verbreiteten Seuche auf einer sehr persönlichen Ebene zu schildern, was ihm zugleich die Möglichkeit gibt, seine wichtigsten Figuren in ihren jeweiligen Lebensumständen vorzustellen. Statt also die Auswirkungen von „Captain Trips“ auf der ganzen Welt zu thematisieren, beschränkt sich King auf ein sehr überschaubares Figuren-Ensemble und verortet sie auch gleich auf der guten und der bösen Seite. Dabei konzentriert er sich aber sehr auf die Menschen, die sich in Boulder um Mutter Abagail versammeln, um wieder eine Zivilisation, Recht und Ordnung aufzubauen, wobei schnell deutlich wird, dass immer mehr Probleme in einer Gemeinschaft auftreten, je größer sie wird.
Randall Flagg, der auch in Kings wichtigstem Werk um den Dunklen Turm die Nemesis des Revolvermanns darstellt, bleibt eher der dunkle Schatten im Hintergrund, eine Vorstellung vom Bösen, die aber auch ihre Anhänger findet. King beschreibt die Konfrontation zwischen den Guten in der Freien Zone und den Bösen im einstigen Spielerparadies von Las Vegas in biblischen Dimensionen, wobei ganz offen Bezüge zu göttlichen und teuflischen Visionen thematisiert werden. Trotz der epischen Ausmaße von „The Stand“ bleiben viele Figuren aber recht blass. So werden zwar die Schicksale von Stu Redman, Frannie Goldsmith, Larry Underwood und Nick Andros sehr eindringlich geschildert, dass sie dem Leser schnell ans Herz wachsen, aber sobald sich die Geschehnisse auf die Freie Zone konzentrieren, verliert das Drama an erzählerischer Kraft. Und auch die Konfrontation zwischen den beiden Menschengruppen verläuft am Ende eher enttäuschend. So ist „The Stand – Das letzte Gefecht“ in seiner vollständigen Ausgabe zwar ein sehr ambitioniertes, in seiner Umsetzung aber nicht immer überzeugendes Werk um den Kampf zwischen Gut und Böse geworden.

Stephen King – „Shining“

Montag, 8. Januar 2018

(Bechtermünz Verlag, 623 S., HC)
Nachdem der trockene Alkoholiker, immer wieder cholerische Jack Torrance seinen Job als Englischlehrer verloren hat, weil er einen seiner Schüler, der ihn die Autoreifen aufschlitzt hatte, schlug, ist er dringend auf einen neuen Job angewiesen. Sein alter Saufkumpan und Kollege Al Shockley besitzt beträchtliche Anteile am geschichtsträchtigen Overlook-Hotel und hat ihm dort einen Job als Hausmeister besorgt.
Das Vorstellungsgespräch mit dem Hotel-Manager Stuart Ullman ist nur noch Formsache, aber Ullman verhehlt dabei nicht, dass er Jack für den Job als ungeeignet hält. Bevor das einsam in den Rocky Mountains liegende Hotel über den Winter geschlossen wird und durch heftige Schneefälle von der Außenwelt abgeschnitten zu werden droht, erhält Jack von Ullman am letzten Tag der Saison eine kurze Einweisung über den Aufbau des Hotels mit seinen hundertzehn Gästequartieren, darunter dreißig Suiten im dritten Stock, wobei in der Präsidentensuite bereits etliche Berühmtheiten verweilt haben. Und Jack bekommt auch die Geschichte eines seiner Vorgänger zu hören, des unglückseligen Delbert Grady, der im Winter 1970/71 erst seine Frau und die beiden Töchter ermordete, dann sich selbst.
Der schwarze Hotelkoch Dick Hallorann macht Jack, seine Frau Wendy und ihren sechsjährigen Sohn Danny noch mit den Vorräten vertraut und erkennt, dass Danny wie er selbst über die Gabe des „Shinings“ verfügt, nämlich zukünftige Ereignisse voraussehen, Vergangenes in alptraumhaft-lebendigen Visionen erleben und die Gedanken seiner Mitmenschen lesen zu können. Da Danny ein ungutes Gefühl beim Overlook-Hotel beschleicht, verspricht Hallorann dem Jungen, ihm zur Hilfe zu eilen, wenn er in Gedanken nur laut genug nach ihm ruft.
Kaum sind die Bediensteten abgezogen und die Torrance-Familie auf sich allein gestellt, findet Jack im Keller Unterlagen über die verruchte Geschichte des Hotels, in der offenbar auch Glücksspiele und Prostitution betrieben wurden und einige Mafia-Größen ein blutiges Ende fanden.
Jack ist so fasziniert von den beschriebenen Ereignissen, dass er einen Roman über die Geschichte des Hotels schreiben will, allerdings beschäftigt er sich auch mit den eigenen Verfehlungen, mit der Alkoholsucht und den Temperamentsausbrüchen, die sogar dazu führten, dass er seinem damals dreijährigen Sohn den Arm gebrochen hat. Seither droht die Familie zu zerbrechen. Doch statt im Oberlook-Hotel wieder zusammenzufinden, driftet Jack zunehmend ab, wird von der düsteren Atmosphäre des Hotels eingenommen und verängstigt sowohl Wendy als auch seinen Sohn. Danny wiederum hat schon beim Rundgang durch das Hotel die Blutflecke in Zimmer 217 bemerkt und wird immer wieder durch schreckliche Visionen mit den grausamen Geschehnissen aus der Vergangenheit des Hotels konfrontiert. Doch als das Hotel durch den Wintereinbruch auch telefonisch von der Außenwelt abgeschnitten ist, sind Wendy und Danny Jack fast hilflos ausgeliefert. Verzweifelt ruft Danny nach Dick, der den Winter allerdings in Florida verbringt …
„Hier fand ein langer und alptraumhafter Maskenball statt, und er war schon seit Jahren im Gange. Ganz allmählich waren hier Kräfte entstanden, heimlich und stumm, so wie ein Bankkonto Zinsen trägt. Kraft, Gegenwart, Gestalt, das waren alles nur Worte, und keines davon spielte eine Rolle. Es trug viele Masken, aber es bedeutete alles dasselbe. Jetzt, irgendwo, kam es, um ihn zu holen. Es versteckte sich hinter Daddys Gesicht, es imitierte Daddys Stimme, es trug Daddys Kleidung.
Aber es war nicht sein Daddy.“ (S. 586) 
An der Verfilmung durch Stanley Kubrick scheiden sich bekanntlich die Geister, Stephen King selbst zählt zu den größten Kritikern von Kubricks Kinoadaption seines bereits 1977 veröffentlichten Romans. Dieser ist 1985 via Bastei Lübbe auch in deutscher Sprache erschienen und untermauerte den weltweiten Siegeszug durch die Bestsellerlisten, die der „King of Horror“ mit seinen ersten beiden Romanen „Carrie“ und „Brennen muss Salem“ gestartet hatte.
Dank des sehr überschaubaren Figurenarsenals wirkt „Shining“ fast wie ein Theaterstück und konzentriert sich ganz auf die dreiköpfige Torrance-Familie und den hellsichtigen Hotelkoch Dick Hallorann.  
Stephen King nimmt sich viel Zeit, nicht nur der Torrance-Familie, sondern gleichsam auch den Lesern die Besonderheiten des Overlook-Hotels, seine außergewöhnliche Lage, seine prominenten Gäste und seine illustre Geschichte nahezubringen. Und auch die bewegte Familiengeschichte von Wendy, Jack und Danny wird aus der jeweiligen Sicht eindrucksvoll herausgearbeitet.
Besonders gut gelungen ist dem Autor das Grauen, mit dem sich die unrühmliche Hotelgeschichte in den Alltag, in die Gedanken und in das Verhalten der Torrance-Familie einschleicht und vor allem Jack zu einem unberechenbaren Mann macht. Dass bei den über 600 Seiten nie Langeweile aufkommt, ist vor allem den sympathischen Figuren zu verdanken, mit denen der Leser einfach mitfiebert. Selbst für den temperamentvollen Pechvogel Jack Torrance kann man nur Mitleid empfinden. Das furiose Finale hat Stanley Kubrick in der Filmversion bekanntlich komplett anders gestaltet, die Romanfassung ist sicherlich etwas spannender und menschlicher geglückt.