Der in Main lebende und arbeitende Illustrator Andrew DeGraff ist ein Kind der 1980er Jahre und zählt damit zur ersten Generation von Kinogängern, die ihre Lieblingsfilme immer wieder in Videotheken ausleihen und auf Videorekordern sehen konnten, wann immer ihnen danach gewesen ist. Dabei konnten sie Lieblingsszenen so oft wiederholen und analysieren, bis sie Dialoge nachsprechen konnten und die Eigenheiten der Regisseure und das Design von Raumschiffen studiert hatten. Dass aus diesen neuen „on demand“-Möglichkeiten eine Leidenschaft für das Kartographieren von Filmsets entstand, ist nur ein Teil von DeGraffs Biografie, der im Jahre 2001 seinen Abschluss am Pratt Institute in Kommunikationsdesign machte und von 2009 bis 2014 dort selbst zukünftige Illustratoren unterrichtete, bevor er ans Maine College of Art wechselte.
Die Grundlage für DeGraffs Begeisterung für das Zeichnen von Karton wurde nämlich in seiner Kindheit gelegt, als die Wände seines Zimmers mit bunten Karten aus den „National Geographic“-Ausgaben seines Vaters tapeziert wurden und seine Bettdecke mit allen Bundesstaaten und ihren Hauptstädten bedruckt war. Erst als DeGraff gebeten wurde, für ein Reisemagazin einige Landkarten zu erstellen, entdeckte er die Herausforderung, sich zum Erstellen einer Karte nicht nur mit den geografischen Fakten auszukennen, sondern auch Prioritäten setzen und gut vorausplanen zu können, damit einem die geografischen Feinheiten und die Beschriftung keinen Strich durch die Rechnung machten.
Irgendwann begann der Künstler, seine beiden Hauptinteressen für Landkarten und Filme zu verbinden, und zeichnete das Höhlensystem aus Richard Donners „Die Goonies“ und das Sommercamp aus David Wains „Wet Hot American Summer“. Als DeGraff feststellte, wie gut seine Zeichnungen bei den Leuten ankamen, wurden seine nachfolgenden Illustrationen detaillierter: Für die Karte zu Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“ legte er Richtungspfeile für die Hauptfigur Roger Thornhill an, bei „Krieg der Sterne“ und „Indiana Jones“ kamen weitere, jeweils andersfarbige Pfeile für die wichtigsten Filmfiguren hinzu.
Über die Jahre sind viele weitere Karten zu Filmsets entstanden, die in diesem Jahr in der „Gallery1988“ in Los Angeles ausgestellt wurden und nun in dem Band „Cinemaps“ auch in Buchform erscheinen.
„Für mich ist jede dieser Karten das maßstabsgetreue Modell eines Blockbusters, ein Diagramm der ungefähr hundertzwanzig Minuten zwischen Vor- und Abspann. Als Zuschauer und Fans haben wir jeden Zentimeter dieser Landschaften bereist. Wir haben uns durch Wälder und den Dschungel geschlagen, wir sind zu den Planeten und Weltraumstationen geflogen. Und dennoch kehren wir immer wieder dahin zurück. Diese Karten geben uns die Möglichkeit, unsere Lieblingsfilme noch einmal aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Die Reise bleibt dieselbe, doch die Pfade sind neu und aufregend“, schreibt DeGraff in seinem Vorwort (S. 9).Für „Cinemaps“ hat er nun aus über zweihundert vorhandenen Karten fünfunddreißig ausgewählt, die sich zwar hauptsächlich auf die Blockbuster der 1970er und 1980er Jahre konzentrieren, mit denen DeGraff aufgewachsen ist, aber der großformatige Band berücksichtigt frühe Filmklassiker wie Fritz Langs „Metropolis“ (1927) und „King Kong“ von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack (1933) ebenso wie aktuellere Werke wie James Gunns „Guardians of the Galaxy“ (2014) und George Millers „Mad Max: Fury Road“ (2015).
Die mit Gouache auf Papier angefertigten Zeichnungen stellen einzigartige Kunstwerke dar, die wie gewünscht einen neuen, umfassenderen Blick auf das Filmset eines Blockbusters ermöglichen. Das reicht von dem gelb-orangenen Stadtplan zu Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ mit Bewegungspfeilen zu insgesamt siebzehn Figuren über die bunte Dschungelwelt von Steven Spielbergs „Jurassic Park“ bis zu den großartigen Naturlandschaften von Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Trilogie.
Doch „Cinemaps“ wäre nicht halb so unterhaltsam, wenn nicht der Filmwissenschaftler A.D. Jameson zu jeder der 35 Karten äußerst informative Essays zu den dazugehörigen Filmen verfasst hätte, die neben Inhaltsangaben und Entstehungsgeschichte auch einen sehr persönlichen Blick auf die Werke präsentieren.
Leseprobe "Cinemaps"