(Wunderlich, 464 S., HC)
Zwar ist der ehemalige Journalist Simon Beckett
bereits seit seinem 1994 veröffentlichten Romandebüt „Fine Lines“ (dt. „Voyeur“)
als Schriftsteller unterwegs, doch erst mit der 2006 gestarteten Thriller-Reihe
um den britischen Forensiker David Hunter ist der in Sheffield lebende Beckett
auch international bekannt geworden. Nach sechs Jahren Pause, in der mit „Die
Verlorenen“ eine neue Reihe an den Start gegangen ist, erscheint nun mit „Knochenkälte“
der von Fans lang erwartete siebte Roman mit David Hunter, dessen Fälle
mittlerweile auch als Serie verfilmt worden sind.
Eigentlich ist David Hunter in seiner Funktion als forensischer
Berater von London gut dreihundert Meilen nach Carlisle unterwegs, um bei einer
Vermisstensuche zu helfen, doch durch einen Unfall auf der Autobahn zu einem
Umweg gezwungen, verfährt er sich in den Cumbrian Mountains, wo er auch keinen
GPS-Empfang für sein Navi bekommt. Er landet schließlich in einer Kneipe in Edendale,
wo man ihm nahelegt, die Nacht im nahegelegenen Hotel Hillside House zu
verbringen. Das sogenannte Hotel entpuppt sich als heruntergekommene Bruchbude,
in der Hunter der einzige Gast ist. Die nächste böse Überraschung erwartet den forensischen
Anthropologen, als er am nächsten Tag seine Fahrt fortsetzen will, muss er
feststellen, dass die einzige Zugangsstraße von einem Felsabgang zerstört und das
winterliche Edendale von der Außenwelt abgeschnitten ist, da es so gut wie
keinen Handyempfang gibt und Strom- und Telefonleitungen durch den Vorfall an
der Straße ebenfalls außer Gefecht gesetzt worden sind. Zu allem Überfluss
entdeckt Hunter bei einem Spaziergang zum alten Armeelager Foss Ghyll eine
skelettierte Leiche. Bei der Entdeckung ist Hunter allerdings nicht allein, und
schon bald macht die Neuigkeit die Runde im Dorf. Offensichtlich handelt es
sich bei dem Toten um Wynn Beddoes‘ vor Jahren verschwundenen Sohn Jed, doch das
ist erst der Anfang einer Reihe von erschreckenden Entdeckungen, bei denen
Hunter all seine Fähigkeiten einsetzen muss, um zu erkennen, warum sich einige
Familien im Dorf auf den Tod nicht ausstehen können…
„Bisher hatte alles darauf hingedeutet, dass dies nicht mehr als ein Cold Case war. Alle gingen davon aus, dass Owen Reese Jed Beddoes ermordet hatte, und sechsundzwanzig Jahre später war hier der Beweis. Nur dass Owen Reese mit dieser Aktion nichts zu tun haben konnte. Sie führte lediglich vor Augen, dass irgendwer im Dorf panisch genug war, um mitten in der Nacht eine Kettensäge auf den Berg zu schleppen, und verhindern wollte, dass die Wahrheit in einem jahrzehntealten Mordfall ans Licht kam.“ (S. 188f.)
Dass sich Simon Beckett nach „Die ewigen Toten“
etwas mehr Zeit für den nächsten David-Hunter-Thriller genommen hat, ist nur
verständlich, zählte der sechste Band der Reihe um den eher zurückgezogen
lebenden Forensiker zu den schwächeren Romanen des Briten. Nun galt es, vor
allem die fast zuvor etwas hölzerne Charakterisierung seiner Figuren zu
verfeinern und den schleppenden Spannungsaufbau zu straffen. Indem Beckett die
Handlung an einem Ort stattfinden lässt, an dem durch die Verkettung
unglücklicher Umstände Zufahrtswege, Strom und Telefon gekappt sind, inszeniert
er ein fast schon kammerspielartiges Psychoduell zwischen den Einwohnern von
Edendale auf der einen und den Dorfbewohnern und dem Eindringling Hunter auf
der anderen Seite. Auch wenn Hunter viele Zufälle in die Hände spielen, gelingt
es dem Autor, vor allem die Isolation in der unwirtlichen Umgebung
atmosphärisch dicht einzufangen und die Spannung sukzessive zu steigern, indem Hunter
erst nach und nach die Art der Beziehungen zwischen den Verdächtigen entschlüsselt.
Das wirkt zum Ende hin genretypisch etwas konstruiert, aber doch glaubwürdig genug,
dass „Knochenkälte“ wieder an die besseren Werke der Reihe anzuknüpfen
vermag.

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