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Lee Child – (Jack Reacher: 25) „Der Sündenbock“

Mittwoch, 26. Juli 2023

(Blanvalet, 416 S., HC) 
Allein die Tatsache, dass bereits zwei von Lee Childs Jack-Reacher-Romanen mit Hollywood-Superstar Tom Cruise in der Hauptrolle erfolgreich verfilmt worden sind, untermauert die Sonderstellung, die der in England geborene Lee Child in den literarischen Kreisen der Thriller-Liebhaber genießt. Seit er 1997 mit „Killing Floor“ (dt. „Größenwahn“) sein preisgekröntes Schriftsteller-Debüt und den ersten Band seiner Reihe um den ehemaligen Militärpolizisten veröffentlicht hat, der nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst meist per Anhalter und mit leichtem Gepäck durch die USA reist, legt Child im zuverlässigen Jahrestakt einen neuen Band seiner Erfolgsreihe vor. 
„Der Sündenbock“ ist dabei nicht nur das bereits 25. Abenteuer von Jack Reacher, sondern auch das erste, das Lee Child (der mit bürgerlichem Namen James Dover Grant heißt) mit seinem jüngeren Bruder Andrew Child verfasst hat, der wiederum unter seinem richtigen Namen Andrew Grant bereits eigenständige Romane veröffentlichte. 
Jack Reacher hat in einer Bar in Nashville gerade (unter angemessener Gewaltanwendung) dafür gesorgt, dass eine Band, die dort gespielt hat, auch ihr mit dem Besitzer ausgehandeltes Honorar erhält, lässt er sich von einem Versicherungsvertreter im Auto in eine Kleinstadt bei Pleasentville mitnehmen, wo er auf der Suche nach einem Coffeeshop beobachtet, wie mehrere Typen versuchen, einen jungen Mann in ihre Gewalt zu bringen. 
Reacher entschärft die Situation auf gewohnte Weise und erfährt, dass es sich bei dem Mann, dem er aus der Klemme geholfen hat, um Rusty Rutherford handelt, einen bei der Stadt angestellten IT-Experten, den man fristlos entlassen hat, weil er dafür verantwortlich gemacht wird, dass die komplette Infrastruktur der Stadt lahmgelegt werden konnte und Hacker ein millionenschweres Lösegeld fordern. Doch Reacher merkt sehr schnell, dass mehr hinter der Sache steckt. 
Detective Goodyear will Reacher sofort aus der Stadt haben, nachdem er in zwei Prügeleien verwickelt gewesen ist. Doch Reacher hat andere Pläne. Zusammen mit Rutherford und seiner Freundin Sarah Sands, mit der ein Programm entwickelt hat, das solche Hackerangreife abwehren soll, versucht Reacher herauszufinden, nach welchen Dokumenten die Erpresser suchen, die sich offensichtlich auf den Servern der Stadt befunden haben. Dabei stoßen sie auf einen Mann namens Klostermann, der im Zusammenhang mit dem Tod der Journalistin Toni Garza steht… 
„… an der Sache mit der Familiengeschichte war etwas faul. Dass er sie für seinen Sohn aufschreiben wollte. Ihm mit einer goldenen Schleife überreichen. Nein. Viel wahrscheinlicher war, dass die Familie eine Leiche im Keller hatte. Etwas Illegales. Etwas Peinliches. Etwas, das Klostermann begraben wollte. Oder umdeuten. Etwas, das zehntausend Dollar wert war, bloß damit er’s sehen durfte. War es auch Toni Garzas Leben wert? Oder das von Rutherford?“ (S. 216) 
Wenn man sich erst einmal mit der Prämisse angefreundet hat, dass Jack-Reacher-Romane stets damit beginnen, dass der hünenhafte Ex-Militärpolizist entweder per Anhalter oder per Bus irgendwo strandet, wo er instinktiv in eine so problematische Situation hineinmanövriert wird, dass nur seine profunden Erfahrungen als Ermittler zur Bereinigung des Problems führen, bekommt Lee Childs liebevoll als „Reacher Creatures“ bezeichnetes Publikum die gewohnte Mischung aus effizient inszenierter Action und sorgfältiger Ermittlungsarbeit geboten, die diesmal zwar die mittlerweile vertraute Hacker-Thematik als Ausgangspunkt aufweist, sich dann aber mit fortlaufender Handlung als Mischung aus Agenten-Hatz und Vertuschungsmanövern erweist. 
Viel Raum für ausgefeilte Charakterisierungen der Figuren bleibt bei dem handlungsgetriebenen Plot nicht, doch das Spannungslevel wird auf konstant hohem Niveau gehalten, wie es die Reacher-Fans lieben. Allerdings weist die Thriller-Reihe erste Ermüdungserscheinungen auf, was auch ein Grund dafür sein dürfte, dass Lee Child seinen jüngeren Bruder nicht nur als Co-Autoren ins Boot geholt hat, sondern ihm mittelfristig auch ganz das Zepter für die Fortsetzungen übergeben will.