John Grisham – (Bruce Cable: 3) „Die Legende“

Dienstag, 8. April 2025

(Heyne, 384 S., HC)
Mit Justiz-Thrillern wie „Die Firma“, „Der Klient“ und „Die Kammer“ ist der ehemalige Anwalt John Grisham zum Genre-Meister avanciert und zieht mit seinen in schöner Regelmäßigkeit erscheinenden Büchern ebenso regelmäßig in die Bestseller-Listen ein. Während seiner mittlerweile über 35-jährigen Schriftstellerkarriere hat Grisham aber auch immer wieder Genres jenseits seiner Erfolgsdomäne erkundet, so mit der Jugendbuchreihe um den jungen Hobby-Detektiv Theo Boone oder Romane rund um Amerikas beliebteste Sportarten. Mit „Das Original“ und „Das Manuskript“ hat der in Virginia lebende Autor eine weitere ungewöhnliche Reihe ins Leben gerufen, die sich vor allem um den Literaturbetrieb und weniger um juristische Spitzfindigkeiten kümmert. Im nun erschienenen dritten Band „Die Legende“ gehen diese beiden Themengebiete aber eine vielversprechende Verbindung ein.
Als sich die nach zwei gut verkauften Romanen und einer veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung aufstrebende Dozentin und Teilzeit-Schriftstellerin Mercer Mann auf die Suche nach einer Idee für ihren dritten Roman macht, auf den ihre Lektorin bei Viking Press schon etwas länger wartet, macht ihr Ex-Lover Bruce Cable, der die Buchhandlung Bay Books auf Camino Island führt, auf die Geschichte aufmerksam, die sich um das Jahr 1750 auf der kleinen Insel Dark Isle zwischen Florida und Georgia begab. Die unscheinbare Insel wurde zum sicheren Zufluchtsort für entflohene Sklaven aus Georgia, wo sie zweihundert Jahre lebten, bis alle gestorben oder weggezogen waren. Welche Tragödien sich dabei abgespielt haben, hat die mittlerweile 84 Jahre alte Lovely Jackson in ihrem Buch „Die dunkle Geschichte von Dark Isle“ niedergeschrieben. Demnach sei sie die letzte lebende Erbin der Insel, die sie 1950 mit ihrer Mutter verlassen hat. Nun will das Bauunternehmen Tidal Breeze die Genehmigung vom Staat Florida, auf der unbewohnten Insel ein Casino zu bauen, um Dark Isle so touristisch zu erschließen. Die weißen Unternehmer lassen sich nicht vom angeblichen Fluch beeindrucken, nach dem jeder Weiße, der die Insel betritt, dem Tod geweiht ist, doch Lovely Jackson ist nicht gewillt, ihre Insel den Immobilienhaien zu überlassen. Zusammen mit dem bestens vernetzten Buchhändler Bruce Cable, dem engagierten und erfahrenen Anwalt Steven Mahon und der umtriebigen Praktikantin Diane nimmt die elegante alte Dame den Kampf gegen Tidal Breeze auf und liefert so den Stoff für Mercers neuen Roman, der die Geschichte von Lovely Jackson weitererzählen soll. Bei der Frage, wem die Insel letztlich gehört, stehen Steven & Co. vor allem vor dem Problem, dass keine schriftlichen Unterlagen über den Eigentumsnachweis existieren…
Dass John Grisham ein glänzender Erzähler ist, der sein Publikum auf der ganzen Welt mit packenden Geschichten zu fesseln vermag, steht schon seit seinen auch erfolgreich verfilmten Frühwerken außer Frage, auch wenn man über seine literarischen Fähigkeiten vortrefflich streiten kann. In „Die Legende“, dem dritten Band um den auf Camino Island lebenden Buchhändler Bruce Cable, mag es in erster Linie um die Frage gehen, wem die seit jeher nur von schwarzen Sklaven bevölkerte, seit 1955 aber verlassene Insel nun gehört. Doch das eigentliche Thema ist der Umgang mit der Sklaverei und ihrer Aufarbeitung in der heutigen Zeit. Die liebenswerte Protagonistin Lovely Jackson hat – mangels entsprechender Bildung und schriftlicher Unterlagen - aus den Erzählungen ihrer Leute die Geschichte von Dark Isle niedergeschrieben und so dokumentiert, unter welchen Bedingungen die ehemaligen Sklaven gearbeitet und gelebt haben, wie sie gestorben und begraben worden sind. Die Frage nach dem Eigentum behandelt eben auch die Frage nach dem Umgang mit diesem dunklen Kapitel der amerikanischen Geschichte. Grisham begnügt sich allerdings nicht mit diesem Themenkomplex, sondern führt bereits zu Beginn eine Vielzahl von Figuren ein – wie die bereits aus „Das Original“ bekannte Schriftstellerin Mercer Mann und ihren frisch angeheirateten Mann Thomas -, die zwar die Handlung vorantreiben, aber eine tiefergehende Charakterzeichnung unterlaufen. Dafür wiederholt sich das Format des Duells einer profitgierigen Firma gegen vermeintlich schwache Opfer aus „Das Manuskript“, und der Ausgang ist natürlich sehr vorhersehbar. Am Ende hat Grisham zu viel in den flott geschriebenen Roman gepackt und zu sehr die Erwartungen seines Publikums goutiert, um mehr als nur einen kurzweiligen, aber oberflächlichen Spannungsroman abzuliefern. 

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