(Heyne, 384 S., HC)
Mit Justiz-Thrillern wie „Die Firma“, „Der Klient“ und
„Die Kammer“ ist der ehemalige Anwalt John Grisham zum Genre-Meister
avanciert und zieht mit seinen in schöner Regelmäßigkeit erscheinenden Büchern
ebenso regelmäßig in die Bestseller-Listen ein. Während seiner mittlerweile
über 35-jährigen Schriftstellerkarriere hat Grisham aber auch immer
wieder Genres jenseits seiner Erfolgsdomäne erkundet, so mit der
Jugendbuchreihe um den jungen Hobby-Detektiv Theo Boone oder Romane rund um Amerikas
beliebteste Sportarten. Mit „Das Original“ und „Das Manuskript“
hat der in Virginia lebende Autor eine weitere ungewöhnliche Reihe ins Leben
gerufen, die sich vor allem um den Literaturbetrieb und weniger um juristische
Spitzfindigkeiten kümmert. Im nun erschienenen dritten Band „Die Legende“
gehen diese beiden Themengebiete aber eine vielversprechende Verbindung ein.
Als sich die nach zwei gut verkauften Romanen und einer
veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung aufstrebende Dozentin und Teilzeit-Schriftstellerin
Mercer Mann auf die Suche nach einer Idee für ihren dritten Roman macht, auf
den ihre Lektorin bei Viking Press schon etwas länger wartet, macht ihr
Ex-Lover Bruce Cable, der die Buchhandlung Bay Books auf Camino Island führt,
auf die Geschichte aufmerksam, die sich um das Jahr 1750 auf der kleinen Insel
Dark Isle zwischen Florida und Georgia begab. Die unscheinbare Insel wurde zum
sicheren Zufluchtsort für entflohene Sklaven aus Georgia, wo sie zweihundert
Jahre lebten, bis alle gestorben oder weggezogen waren. Welche Tragödien sich
dabei abgespielt haben, hat die mittlerweile 84 Jahre alte Lovely Jackson in
ihrem Buch „Die dunkle Geschichte von Dark Isle“ niedergeschrieben. Demnach sei
sie die letzte lebende Erbin der Insel, die sie 1950 mit ihrer Mutter verlassen
hat. Nun will das Bauunternehmen Tidal Breeze die Genehmigung vom Staat Florida,
auf der unbewohnten Insel ein Casino zu bauen, um Dark Isle so touristisch zu erschließen.
Die weißen Unternehmer lassen sich nicht vom angeblichen Fluch beeindrucken,
nach dem jeder Weiße, der die Insel betritt, dem Tod geweiht ist, doch Lovely
Jackson ist nicht gewillt, ihre Insel den Immobilienhaien zu überlassen.
Zusammen mit dem bestens vernetzten Buchhändler Bruce Cable, dem engagierten und
erfahrenen Anwalt Steven Mahon und der umtriebigen Praktikantin Diane nimmt die
elegante alte Dame den Kampf gegen Tidal Breeze auf und liefert so den Stoff für
Mercers neuen Roman, der die Geschichte von Lovely Jackson weitererzählen soll.
Bei der Frage, wem die Insel letztlich gehört, stehen Steven & Co. vor
allem vor dem Problem, dass keine schriftlichen Unterlagen über den
Eigentumsnachweis existieren…
Dass John Grisham ein glänzender Erzähler ist, der sein
Publikum auf der ganzen Welt mit packenden Geschichten zu fesseln vermag, steht
schon seit seinen auch erfolgreich verfilmten Frühwerken außer Frage, auch wenn
man über seine literarischen Fähigkeiten vortrefflich streiten kann. In „Die
Legende“, dem dritten Band um den auf Camino Island lebenden Buchhändler
Bruce Cable, mag es in erster Linie um die Frage gehen, wem die seit jeher nur
von schwarzen Sklaven bevölkerte, seit 1955 aber verlassene Insel nun gehört. Doch
das eigentliche Thema ist der Umgang mit der Sklaverei und ihrer Aufarbeitung
in der heutigen Zeit. Die liebenswerte Protagonistin Lovely Jackson hat –
mangels entsprechender Bildung und schriftlicher Unterlagen - aus den
Erzählungen ihrer Leute die Geschichte von Dark Isle niedergeschrieben und so
dokumentiert, unter welchen Bedingungen die ehemaligen Sklaven gearbeitet und
gelebt haben, wie sie gestorben und begraben worden sind. Die Frage nach dem
Eigentum behandelt eben auch die Frage nach dem Umgang mit diesem dunklen
Kapitel der amerikanischen Geschichte. Grisham begnügt sich allerdings
nicht mit diesem Themenkomplex, sondern führt bereits zu Beginn eine Vielzahl
von Figuren ein – wie die bereits aus „Das Original“ bekannte Schriftstellerin
Mercer Mann und ihren frisch angeheirateten Mann Thomas -, die zwar die
Handlung vorantreiben, aber eine tiefergehende Charakterzeichnung unterlaufen. Dafür
wiederholt sich das Format des Duells einer profitgierigen Firma gegen vermeintlich
schwache Opfer aus „Das Manuskript“, und der Ausgang ist natürlich sehr
vorhersehbar. Am Ende hat Grisham zu viel in den flott geschriebenen
Roman gepackt und zu sehr die Erwartungen seines Publikums goutiert, um mehr
als nur einen kurzweiligen, aber oberflächlichen Spannungsroman abzuliefern.
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