Don Winslow – „Manhattan“

Sonntag, 13. April 2025

(Suhrkamp, 404 S., Tb.)
Nach der fünf Bände umfassenden Reihe um den New Yorker Privatdetektiv Neal Carey blieb der New Yorker Schriftsteller Don Winslow zwar dem Metier des Detektiv- und Spionage-Romans treu, erlaubte sich in dem 1996 nachfolgend erschienenen Roman „Isle of Joy“, der ein Jahr später bei Piper als „Manhattan Blues“ veröffentlicht und dann 2013 von Suhrkamp unter dem schlichteren Titel „Manhattan“ neu aufgelegt worden ist, zugleich eine Hommage an das New York der ausgehenden 1950er Jahre.
Weil ihm New York fehlt, kündigt Walter Withers bei Scandamerican Import/Export, der CIA-Außenstelle in Stockholm, und heuert in seiner vertrauten Heimatstadt bei Forbes and Forbes als Privatdetektiv an. Außerdem lebt er nun wieder in der Nähe seiner Geliebten, der Jazz-Sängerin Anne Blanchard, die er in Europa kennengelernt hatte und die er jahrelang nur während ihrer Engagements dort sehen konnte. Seine Hauptaufgabe besteht darin, potenzielle Angestellte von großen Firmen zu überprüfen, und die erledigt Withers als ehemaliger CIA-Agent mit gewohnter Gewissenhaftigkeit.
Seine wahren Fähigkeiten werden ausgerechnet zum Weihnachtsfest 1958 in Anspruch genommen, als Withers von seinem Chef damit beauftragt wird, das Sicherheitsteam um den demokratischen Senator und vermutlich zukünftigen Präsident Joe Keneally mit seiner Frau Madeleine bei ihrem Besuch in der Stadt zu unterstützen. Vor allem Keneallys Frau soll Withers im Auge behalten. Seinen Job erledigt Withers zur vollen Zufriedenheit der Keneallys, denn als mit dem heruntergekommenen Schriftsteller Sean McGuire ein ehemaliger Geliebter der wohl zukünftigen First Lady im betrunkenen Zustand Randale macht, glättet Withers souverän die Wogen und nimmt sich auf Madeleines Wunsch anschließend des verschuldeten Beatnik-Poeten an. Withers bemerkt allerdings auch Spannungen zwischen Joe Keneally und seiner Frau. Kein Wunder, wenn in der Mitte der Gesellschaft noch eine attraktive, üppig ausgestattete blonde Schwedin namens Marta Marlund weilt, die offenbar eine Affäre mit dem Senator unterhält.

„Marta Marlund war die Art Frau, die andere Frauen wütend macht, wenn sie nur einen Raum betritt. Doch damit gab sich Marta nicht zufrieden. Sie füllte dazu noch den Raum um sich herum mit einer bedrohlichen Sexualität. Da gab es keine Maske, keine Kompromisse. Marta lag immer im Bett. An diesem Abend ganz besonders. Sie trug ein silberfarbenes Kleid, das aussah, als könnte es an ihrem Körper so leicht heruntergleiten wie Regen. Wenn sie sich vorbeugte, was sie oft tat – bewusst und schamlos in einer Parodie von Sinnlichkeit, die deswegen jedoch nicht weniger sinnlich war -, schienen ihre Brüste hervorzuquellen wie Milch.“ (S. 172)

Der Senator benutzt Withers, um seinem Betthäschen den Laufpass zu geben, schließlich gibt es noch andere Frauen zu vögeln. Als die Schwedin tot in ihrem Bett aufgefunden wird, sieht es zunächst nach einem Selbstmord aus, verursacht durch eine tödliche Mischung aus Wodka und Barbituraten. Withers weiß allerdings bald, dass Marta ermordet worden ist, und schon befindet sich der ausgediente CIA-Agent im vertrauten Spiel der Geheimdienste und Verschwörungen wieder…
Don Winslow seinen Thriller „Manhattan“ nicht ohne Grund ins Jahr 1958 verlegt, keine drei Jahre, bevor John F. Kennedy als 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt wurde. Es fällt nämlich nicht schwer, den demokratischen Senator Joe Keneally in seinem Buch als literarisches Ego von Kennedy zu identifizieren, der für seine Affären bekannt gewesen ist, und auch die getötete Marta Marlund ist unschwer als Marilyn Monroe auszumachen. Von dem Tod des schwedischen Busenwunders und Keneallys Geliebten ausgehend entwickelt Winslow einen rasant inszenierten Spionage-Plot, der voller authentischer Beschreibungen des damaligen New York ist, voller Liebe für den Broadway und den Jazz, für die Clubs, Bars und Restaurants. Auch wenn „Manhattan“ noch nicht die literarische Klasse späterer Meisterwerke wie „Zeit des Zorns“ und „Tage der Toten“ aufweist, ist Winslow doch ein packender, mit bissigem Humor durchsetzter Thriller gelungen, der die lebendige, aber auch düstere Atmosphäre der damaligen Zeit unter FBI-Chef Hoover einfängt, der bei allen politischen Machern nach zur Erpressung tauglichen Sex-Geschichten gierte. „Manhattan“ darf aber auch als Hommage an Raymond Chandler und Dashiell Hammett verstanden werden, denn Walter Withers ist ein Hardboiled-Privatdetektiv par excellence.


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