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Simon Beckett – (Jonah Colley: 1) „Die Verlorenen“

Donnerstag, 8. Juli 2021

(Wunderlich, 416 S., HC) 
Zwar veröffentlichte der in Sheffield geborene und lebende Schriftsteller Simon Beckett auch schon seit Mitte der 1990er Jahre einige Romane, doch erst mit „Die Chemie des Todes“, dem 2006 inszenierten Auftakt seiner Reihe um den Forensiker David Hunter, gelang Beckett der internationale Durchbruch. Nach fünf weiteren Hunter-Romanen und dem davon unabhängigen Bestseller „Der Hof“ markiert „Die Verlorenen“ nun den Beginn einer neuen Reihe des britischen Erfolgsautors. 
Vor zehn Jahren geriet das Leben von Jonah Colley, Mitglied einer bewaffneten Spezialeinheit der Londoner Polizei, völlig aus den Fugen, als sein damals vierjähriger Sohn Theo spurlos von dem Spielplatz verschwindet, den Colley mit ihm aufsuchte. Die Polizei vermutete, dass Theo durch ein Kanalgitter gerutscht und ertrunken sei, und schloss den Fall mangels weiterführender Hinweise ab. Über den Verlust ihres gemeinsamen Sohnes trennte sich Jonah von seiner Frau Chrissie, auch der Kontakt zu Jonahs bestem Freund Gavin McKinney - ebenfalls im Polizeidienst, aber in einer anderen Einheit – brach abrupt ab. 
Umso überraschter ist Colley, als sich Gavin nach so langer Zeit bei ihm meldet und um ein dringliches Treffen bittet, um Mitternacht am Slaughter Quay. Doch als Colley dort mit mulmigem Gefühl auftaucht, ist von seinem ehemals besten Freund nichts zu sehen, sein auf dem Boden liegender Dienstausweis und der unverkennbare Geruch von Blut lassen aber das Schlimmste befürchten. Tatsächlich findet Colley eine völlig entstellte Leiche, dann bei näherer Untersuchung der Umgebung drei weitere in Plastikfolie eingewickelte Körper. Bei einem der Plastikkokons entdeckt Colley sogar noch Lebenszeichen, doch erfährt er nur den Namen der Frau – Nadine -, bevor er selbst niedergeschlagen wird. 
Als Colley später im Krankenhaus wieder zu sich kommt und von Detective Inspector Jack Fletcher befragt wird, erfährt er, dass Gavins mutmaßliche Leiche verschwunden ist, die Frau nicht überlebt hat und die anderen beiden, männlichen Opfer ebenfalls noch nicht identifiziert werden konnten. Während Colley selbst in Verdacht gerät, etwas mit den Morden am Slaughter Quay zu tun zu haben, ermittelt Colley mit zertrümmerter Kniescheibe und Krücken auf eigene Faust. 
Er stellt fest, dass der damals 34-jährige, vielmals vorbestrafte Owen Stokes, den die Cops nach Colleys Beschreibung als Verdächtigen aus dem Park identifiziert haben, auch in den aktuellen Fall verwickelt zu sein scheint, denn offenbar haben Gavin und Stokes Kontakt miteinander gepflegt. Mit der Hilfe von Gavins ehemaligem Partner, dem abgehalfterten Ex-Detective Wilkes, versucht Colley, Hinweise auf Gavins Verwicklungen in die Morde am Slaughter Quay zu finden, doch erst die attraktive Journalistin Corinne Daly kann ihm Namen nennen, die Colley auf die richtige Spur bringen. Als er in einer geheimen Absteige von Gavin McKinney eine vollgestopfte Geldtasche entdeckt, fragt sich Colley, wie tief sein alter Freund wohl in diese Sache verwickelt gewesen ist … 
„Eine Dreiviertelmillion Pfund war ein handfestes Motiv. Es waren schon Menschen für weit weniger gestorben. Das ließ lauter neue und beunruhigende Schlussfolgerungen zu. Falls Gavin mit Stokes gemeinsame Sache gemacht hatte, war es dann nicht möglich, dass er dabei über irgendetwas gestolpert war, das ihn die Ereignisse vor zehn Jahren in einem neuen Licht hatte sehen lassen? Also etwas, das mit Theo zu tun hatte? Womit sich der Kreis schloss und Jonah erneut vor der Frage stand, warum ihn Gavin an jenem Abend angerufen hatte.“ (S. 253) 
Mit dem forensischen Anthropologen David Hunter hatte Beckett Mitte der 2000er Jahre einen Protagonisten geschaffen, der durch den Unfalltod seiner Frau und seiner Tochter schwer traumatisiert aus London wegzog, um als Assistenz eines Landarztes ein neues Leben zu beginnen. Sein neuer Seriencharakter Jonah Colley trägt eine ähnlich schwere Last mit sich herum. Dabei hat er nicht nur das Verschwinden seines Sohnes vor zehn Jahren, die Trennung von seiner Frau und das Ende seiner Freundschaft mit Gavin zu verkraften, sondern auch die Ungewissheit, ob Theo vielleicht noch lebt. Beckett mag dieser Hintergrund genügen, um seinem Helden eine tiefgründige Persönlichkeit zu verleihen, doch außer harten Fakten bekommt der Leser kein wirkliches Gefühl für Colleys seelische Nöte. Statt seinen Protagonisten sorgfältig einzuführen, legt Beckett gleich mit der Action los und lässt seine auf Dauer zunehmend überkonstruiert wirkende Geschichte auch eher vom Tempo als von psychologischer Tiefe bestimmen. 
So fällt es einem als Leser schwer, eine Beziehung zu Colley aufzubauen, und auch die Nebenfiguren, von dem trinksüchtig-schmuddeligen Ex-Cop über die attraktive Journalistin bis zu den skeptischen Ermittlern, wirken erschreckend eindimensional und wie ausgelutschte Klischees. Es ist einzig dem ausgeklügelten, nicht immer glaubwürdigen, aber mit durchgängig straffem Tempo inszenierten Plot zu verdanken, dass „Die Verlorenen“ nicht ganz in die Mittelmäßigkeit abrutscht. Für die Fortsetzungen ist auf jeden Fall sehr viel Luft nach oben.  

Jilliane Hoffman – (C.J. Townsend: 4) „Nemesis“

Dienstag, 26. März 2019

(Wunderlich, 524 S., HC)
Als die New Yorker Studentin Lana mit drei weiteren Mädchen aus ihrem Wohnheim in Miami Urlaub macht und sich schon zu langweilen beginnt, freut sie sich über einen Tinder-Match mit dem 30-jährigen Business-Manager Reid. Er lädt sie in seiner Mercedes-Benz-Stretch-Limo zu einer exklusiven Party ein, die sich für Lana allerdings zu einer Todesfalle erweisen soll. Als ihre kopflose Leiche auf einer Mülldeponie in Südflorida gefunden wird, erfährt die Staatsanwältin C.J. Townsend durch einen früheren Kollegen ihres Mannes Dominick Falconetti bei der Cupido-Taskforce von dem Vorfall, der böse Erinnerungen an William „Cupido“ Bantling bei ihr wachruft.
Bantling hat nicht nur Townsend als 25-Jährige vergewaltigt und ihr Leben in den vergangenen zwanzig Jahren zur Hölle gemacht, sondern noch elf Frauen sexuell misshandelt und getötet. Nach einer zehnjährigen Auszeit ist sie vor zwei Jahren dem Ruf ihres alten Freundes Lou Todd zurück nach Miami gefolgt, wo sie als Chief Assistant State Attorney rund 250 Anwälte zu managen und ihre eigenen Fälle zu verhandeln hat. Cupido wurde 2015 für seine grausamen Taten zum Tode verurteilt, konnte aber bei seiner Überstellung vom Florida State Prison nach Miami, wo er als Zeuge in einem Prozess aussagen sollte, während eines Hurrikans fliehen. Offiziell ist Bantling weiterhin auf der Flucht, nur C.J. Townsend weiß es besser, denn sie hat ihn getötet.
Doch der sadistische Club, dem Bantling damals angehörte, treibt noch immer sein Unwesen, wie das Brandzeichen auf der Schulter des jüngsten Opfers beweist. Vor seinem Tod hatte Bantling Townsend noch die Zugangsdaten und eine Liste der Namen übergeben, die dem elitären Club angehören, dessen prominente Mitglieder vor laufenden Kameras beobachten, wie junge Mädchen gefoltert, vergewaltigt und getötet werden. Townsend, die mit ihrem Mann Dominick auch ihre Beziehung und noch eine Adoption auf die Reihe bekommen will, macht sich auf eigene Faust auf die Jagd nach den Bestien und schert sich dabei nicht um eine gesetzeskonforme Vorgehensweise …
„Manche Rollen waren die Nietenjobs, die sonst keiner wollte. Aber sie mussten trotzdem übernommen werden, damit die Gesellschaft funktionierte. Irgendwer musste den Dreck wegräumen, den Tatort reinigen, den Giftmüll entsorgen. C.J.s Rolle war es, für Recht und Ordnung zu sorgen. Niemand wollte tun, was sie tat, aber es musste getan werden.
Denn sonst, wenn niemand Vergeltung übte, würde die Welt im Chaos versinken.“ (S. 159) 
Nachdem C.J. Townsend ihrem Peiniger Bill Bantling vor mehr als zwanzig Jahren entkommen konnte, hat sich die taffe Staatsanwältin selbst zum Killer in eigener Sache entwickelt und sowohl den psychopathischen Psychiater Dr. Gregory Chambers als auch Bill Bantling getötet. Nun macht sie Jagd auf die weiteren gesellschaftlich hochgeschätzten Club-Mitglieder aus Politik, Sport, Justiz, Wirtschaft und Showgeschäft. Ihre eigene Geschichte macht dieses fragwürdige Selbstjustiz-Szenario zwar plausibel, doch die Ausführung des Rachefeldzugs beschreibt die ehemalige Staatsanwältin Hoffman schon nicht mehr so glaubwürdig. Nichtsdestotrotz ist dieses Katz-und-Maus-Spiel höchst spannend inszeniert, denn mittlerweile befindet sich ein weiteres Mädchen in der Gewalt des elitären Clubs, den Townsend von innen heraus zerstören will. Townsends private Angelegenheiten kommen dabei etwas kurz, und die Adoption des noch ungeborenen Kindes einer Meth-Süchtigen wirkt nicht besonders überzeugend. Hoffman versteht es allerdings, in ihrer schnörkellosen Sprache den Leser mitzureißen und ihn bei ihrer Jagd nach den Peinigern junger Frauen bis zum Schluss mitfiebern zu lassen.
  Leseprobe Jilliane Hoffman - "Nemesis"

Simon Beckett – (David Hunter: 6) „Die ewigen Toten“

Dienstag, 12. Februar 2019

(Wunderlich, 478 S., HC)
Seit der forensische Anthropologe David Hunter vor einigen Jahren von einer psychotischen Frau namens Grace Strachan mit einem Messer angegriffen worden war und fast vor seiner eigenen Haustür verblutet wäre, plagen ihn immer noch Albträume. Mittlerweile lebt er ungemeldet auf Ballard Court, dem luxuriösen Zweitwohnsitz eines Arztkollegen seines Freundes Jason, mit seiner Freundin Rachel zusammen. Bevor Rachel für einen Forschungsauftrag für drei Monate nach Griechenland reist, wird Hunter von Detective Chief Inspector Sharon Ward zum Londoner Stadtteil Blakenheath gerufen, wo in dem seit über zehn Jahren stillgelegten und bereits zum Abriss vorgesehenen Krankenhaus St. Jude eine in Plastikfolie eingewickelte, teilweise mumifizierte Leiche auf dem Dachboden gefunden wurde.
Doch bei dem Versuch, die Leiche zu bergen, stürzt der forensische Rechtsmediziner Professor Conrad durch den Boden, worauf die Polizeibeamten auf ein fensterloses Krankenzimmer stoßen, das auf keinen Bauplänen verzeichnet ist und in dem weitere Leichen geborgen werden. Bei der Obduktion der ersten Leiche bestätigt sich der fürchterliche Verdacht, dass es sich um eine schwangere Frau handelt. Bei den weiteren Ermittlungen hat es Hunter nicht nur mit dem überheblichen David Mears von BioGen zu tun, einer privaten Firma, die verschiedene forensische Experten beschäftigt, sondern auch mit dem aufdringlichen Journalisten Francis Scott-Hayes, dem kommunalen Aktivisten Adam Oduya und der mürrischen Lola Lennox, die immer wieder in der Nähe von St. Jude zu sehen ist und zuhause ihren schwerkranken Sohn Gary pflegt, und dem mit dem Abriss beauftragten Unternehmer Jessop, den die Verzögerungen durch die polizeilichen Ermittlungen schwer treffen. Die Hinweise scheinen auf Gary Lennox zu deuten, doch dann werden zwei der Beteiligten von einem Auto angefahren und dabei getötet bzw. schwer verletzt …
„Es lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen, wie oft die Zeit zäh dahinfloss, während ich an einer Ermittlung beteiligt war. Viel öfter ist das Gegenteil der Fall, und ich tauche aus einer Tätigkeit auf, nur um festzustellen, dass mal eben ein ganzer Tag vergangen war. Doch im St. Jude schien die Zeit regelrecht zu gefrieren.“ (S. 202) 
Seit der britische Schriftsteller Simon Beckett mit dem 2006 in Deutschland veröffentlichten ersten Roman um den forensischen Anthropologen David Hunter, „Die Chemie des Todes“, zum internationalen Bestseller-Autoren avancierte, sind vier weitere Titel in der Reihe erschienen, zuletzt „Totenfang“ (2016). Drei Jahre später scheint Beckett nicht mehr so recht zu wissen, wie er die Geschichte um seinen berühmten Protagonisten weiterspinnen soll.
Nach dem Tod seiner Frau und seiner Tochter gibt die Beziehung zu Rachel in „Die ewigen Toten“ nicht viel mehr her als Trennungsängste und Rachels Sorge um das Leben ihres Liebsten. Also konzentrieren sich sowohl Beckett als auch sein Protagonist ganz auf den mal wieder ganz außergewöhnlichen Fall mysteriöser Leichenfunde in einer Krankenhausruine. Hier nimmt sich der Autor alle gebührende Zeit, die Fertigkeiten der Forensik-Koryphäe David Hunter zu demonstrieren. Leider verliert er dabei die Charakterisierung seiner Figuren aus den Augen, die in allen Belangen sehr hölzern wirkt. Einzig die schrullig-missgelaunte Lola Lennox fällt hier etwas aus dem Rahmen, doch eine Identifikationsfigur sucht der Leser in „Die ewigen Toten“ vergebens.
In der Regel werden im Thriller-Genre solche Defizite durch einen rasant vorangetriebenen, spannungsreichen Plot ausgeglichen, aber auch damit kann der neue Hunter-Thriller nicht dienen. Stattdessen reibt sich Hunter in enervierenden Konkurrenzkämpfen auf, suhlt sich nach einer Kränkung auch mal im Selbstmitleid, versucht durch gebratene Leckereien zu der abweisenden Lola Lennox vorzudringen und muss sich der Avancen sowohl eines aufdringlichen Journalisten und eines Aktivisten erwehren, mit denen Hunter im Grunde nichts zu tun haben will. Währenddessen kommen die Ermittlungen so schleppend voran, dass der gelangweilte Leser immer wieder versucht ist, das Buch aus der Hand zu legen, doch mit der vagen Hoffnung, dass doch noch irgendwann was passieren muss, bleibt man am Drücker und wird im letzten Viertel mit einigen Ereignissen konfrontiert, die dem Genre gerecht werden.
Davon abgesehen erweist sich Simon Beckett als routinierter Erzähler mit einem gefälligen, auf Dauer aber etwas spröde wirkenden Schreibstil. Er nimmt sich viel Zeit, die Details der Ermittlungen zu beschreiben, aber der Spannungsbogen bleibt auf konstant niedrigem Niveau, bis der zuweilen arg konstruiert wirkende Zwist im Finale den Roman die Kurve bekommen lässt.
Leseprobe Simon Beckett - "Die ewigen Toten"

Jilliane Hoffman – (Bobby Dees: 2) „Insomnia“

Samstag, 24. Dezember 2016

(Wunderlich, 477 S., HC)
Als Virginia Knight ihre 17-jährige Tochter Mallory beim Broward Sheriff’s Office als vermisst meldet, als sie nach einer Party nicht nach Hause gekommen ist, gerät zunächst ihr Freund Tyler Armstrong ins Visier der Ermittlungen. Doch als Mallorys mit Blut besprenkelte Jacke und Handy in einem abgelegenen Waldstück gefunden werden, sieht FDLE Special-Agent Bobby Dees bei der Crimes Against Children Squad sofort einen Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von Morden an Mädchen, denen Mallory verblüffend ähnlich sieht.
In den Medien wird der Killer, der seinen Opfer über Landesgrenzen hinweg und über einen längeren Zeitraum nachstellt und sie mit seinen Werkzeugen zu Tode foltert, als Hammermann bezeichnet. Als Mallory zwei Tage später in einer Biker-Bar in Süd-Florida wieder auftaucht, behauptet sie, dem Hammermann entkommen zu sein. Doch weder Dees noch seine Kollegen von der Taskforce in Jacksonville können Verbindungen zu den Fällen in Orlando, Nord-Florida und Georgia knüpfen, an denen der Hammermann bislang gewirkt hat. Tatsächlich hat sich Mallory allerdings zwei Tage lang versteckt, um dem Zorn ihrer Mutter zu entkommen. Durch ihre Lügengeschichte ist Mallory gezwungen, die Stadt zu verlassen. Vier Jahre später studiert sie als Callie Monahan Jura an der Universität von Tallahassee und gelangt diesmal tatsächlich in die Gewalt des Killers, doch Bobby Dee und sein junger Kollege Colton Beck setzen alles daran, dem Treiben des Hammermanns endlich ein Ende zu setzen.
„Jeder Tag war ein Rennen gegen die Zeit, auf der Suche nach einem gesichtslosen Sadisten, der wieder zuschlagen würde, so sicher, wie morgens die Sonne aufging. (…) Man versuchte nicht obsessiv zu werden, aber es war unmöglich. Denn tief drinnen wusste man, egal wie sorgfältig, egal wie engagiert, egal wie fleißig man war – egal wie gut man in seinem Beruf war, trotzdem trug man die Verantwortung für das Gemetzel, wenn man es nicht endlich aufhielt.“ (S. 201) 
Als ehemalige Staatsanwältin in Florida kennt Jilliane Hoffman das Metier, über das sie schreibt, und mit Cupido, Picasso und Morpheus hat die Autorin bereits einige illustre Serienkiller geschaffen, die mit ihrem Treiben die internationalen Bestsellerlisten geprägt haben. Doch wie viele ihrer KollegInnen kämpft auch Hoffman mittlerweile mit dem Problem, dem Serienkiller-Genre neue Facetten abgewinnen zu können. Mit ihrem mittlerweile siebten Roman „Insomnia“ gelingt es ihr allerdings nicht mal im Ansatz. Nach einer wenig interessanten Einführung in die Psyche des Killers präsentiert Hoffman einen Plot, der weder besonders glaubwürdig, noch irgendwie spannend ist. Die oberflächlichen Charakterisierungen nicht nur der weiblichen Hauptfigur, sondern auch der involvierten Kriminalbeamten, tragen nicht dazu bei, Sympathien für die tragische Heldin zu entwickeln oder der Jagd auf den Hammermann mit Interesse zu folgen.
„Insomnia“ wirkt erschreckend ambitionslos, in einfacher Sprache wie am Reißbrett konstruiert und mit den obligatorischen Wendungen im Finale versehen, die der unglaubwürdigen Story letztlich den Rest geben.
Leseprobe Jilliane Hoffman - "Insomnia"

Karin Slaughter – (Grant County: 1) „Belladonna“

Samstag, 12. November 2016

(Wunderlich, 413 S., HC)
Vor zwölf Jahren hat Sara Linton noch als Assistenzärztin im Grady Hospital in Atlanta gearbeitet, doch nach einem traumatischen Erlebnis hat sie ihre Heimatstadt verlassen und praktiziert nun in der verschlafenen Kleinstadt Heartsdale als Kinderärztin am Krankenhaus und als Gerichtspathologin. Als sie sich in ihrer späten Mittagspause mit ihrer Schwester Tess im örtlichen Diner trifft, entdeckt sie auf der Toilette die verblutende College-Dozentin Sybil Adams. Sara kann die schwer verwundete Frau nicht mehr retten und führt wenig später die Autopsie durch, bei der ihr nicht nur die tiefen Schnitte auf dem Bauch der Toten auffallen, die ein Kreuz bilden, sondern auch Hinweise auf eine brutale Vergewaltigung und Spuren der giftigen Tollkirsche – auch als Belladonna bekannt - im Blut der Toten, die zudem blind und lesbisch gewesen ist.
Polizeichef Jeffrey Tolliver, von dem sich Sara vor einiger Zeit wegen einer Affäre hat scheiden lassen, ist ratlos, was das Motiv für den schrecklichen Mord angeht. Als wenig später die dreiundzwanzigjährige Studentin Julia Matthews als vermisst gemeldet wird, fallen Jeffrey Tolliver und seiner Partnerin Lena Adams die Ähnlichkeit zwischen ihr und Lenas ermordeter Schwester auf. Um ihrem Verdacht auf einen Serienmörder nachzugehen, arbeiten die Ermittler eine Liste mit bekannten Sexualstraftätern ab und stoßen auf einen Namen, der Bezug zu einer dunklen Episode aus Saras Leben hat, von der die Betroffene ihm Ex-Mann nie erzählt hatte.
Aber auch Lena hat schwer mit dem Verlust ihrer Schwester zu kämpfen und setzt alles daran, von den Ermittlungen nichts ausgeschlossen zu werden.
„Sie war betäubt von dem Verlust, und Wut war die einzige Emotion, die ihr das Gefühl vermittelte, noch am Leben zu sein. So schloss sie ihre Wut geradezu in die Arme, gestattete ihr, wie ein Krebsgeschwür in ihr zu wachsen, damit sie nicht zusammenbrach und zu einem ohnmächtigen Kind wurde. Sie brauchte ihre Wut, um die Situation durchzustehen. Wenn Sybils Mörder erst einmal erwischt worden war und man auch Julia Matthews gefunden hatte, würde Lena sich Trauer zugestehen.“ (S. 164) 
Nach Patricia Cornwell und Kathy Reichs hat auch Karin Slaughter eine weibliche Pathologin zur Protagonistin einer bis heute extrem erfolgreichen Serie auserkoren. Mit ihrem 2001 veröffentlichten und zwei Jahre später auch hierzulande verlegten Romandebüt „Belladonna“ hat die amerikanische Autorin gleich einen Bestseller landen können, dessen Protagonisten bis heute in der „Grant County“-Reihe ihre Ermittlungsarbeit fortsetzen.
Slaughter macht ihrem Nachnamen dabei alle Ehre und scheint ein perfides Vergnügen dabei zu empfinden, Sara Lintons Erkenntnisse bei den von ihr durchgeführten Autopsien bis ins kleinste Detail zu beschreiben. Wer sich von diesen schaurigen Schilderungen nicht abschrecken lässt, wird mit einem packenden Thriller belohnt, der vor allem durch die sorgfältigen Charakterisierungen der drei Protagonisten Jeffrey Tolliver, Sara Linton und Lena Adams überzeugt, während das Finale mit der Überführung des Täters weniger stimmig wirkt. Auf jeden Fall ist mit „Belladonna“ der vielversprechende Auftakt einer sehr lesenswerten Thriller-Reihe gelegt worden.
Leseprobe "Belladonna"

Simon Beckett – (David Hunter: 5) „Totenfang“

Sonntag, 6. November 2016

(Wunderlich, 558 S., HC)
Der forensische Anthropologe David Hunter will sich gerade auf den Weg zu Freunden machen, die das Feiertagswochenende in den Cotsworlds verbringen, als er einen Anruf von Detective Inspector Bob Lundy aus Essex erhält. Hunter wird gebeten, bei der Bergung einer Wasserleiche zu helfen. Dabei soll es sich um den vor sechs Wochen spurlos verschwundenen 31-jährigen Leo Villiers handeln, der sich von seinem wohlhabenden Vater Sir Stephen Villiers losgesagt und eine Affäre mit einer verheirateten Frau namens Emma Darby gehabt haben soll, die vor einigen Jahren als Fotografin aus London hergezogen war und ebenfalls vermisst wird.
Doch nach der Bergung der stark verwesten Leiche, die in dem schlammigen Mündungsgebiet der Backwaters den Elementen ausgesetzt war, und einem wenig später aufgetauchten Fuß, der zur Leiche passt, stellt sich heraus, dass es sich nicht um Villiers handeln kann. Da Hunters Wagen im Wasser zu Schaden gekommen ist und Hunter selbst sich einen Infekt eingefangen hat, muss er noch einige Tage in der Gegend verweilen und kommt in einem abgeschiedenen Bootshaus unter, das dem grimmigen Andrew Trask gehört.
Zu seiner Schwägerin Rachel Darby entwickelt Hunter nach anfänglich kühlem Beginn eine mehr als freundschaftliche Beziehung, doch mit der Zeit erweist sich der Aufenthalt in den Backwaters als schwierige Angelegenheit.
„Alle nicht unmittelbar in die Ermittlungen Eingeweihten glaubten nach wie vor, Leo Villiers wäre tot und dass es seine Leiche wäre, welche die Polizei aus dem Mündungsgebiet geborgen hatte. Und ich setzte mich gerade mit der Familie einer Vermissten zum Abendessen an einen Tisch und tat, als wüsste ich nicht, dass ihr mutmaßlicher Mörder noch am Leben war.
Was hatte ich mir dabei gedacht?“ (S. 289) 
Während sich die Identifizierung des Toten weiter hinzieht, wird die Tochter des Automechanikers Coker in der heruntergekommenen Hütte des geistig verwirrten Edgar Holloway ermordet aufgefunden. Als Rachel und Hunter einige von Emmas Fotos unter die Lupe nehmen, führen die Hinweise zu dem Turm einer verfallenen Festung vor dem Mündungsgebiet, wo sich eine weitere Tragödie ereignet …
David Hunter ist - endlich! - zurück. Nachdem bei seinem letzten Einsatz für die Polizei zwei Polizisten gestorben waren und ein leitender Polizeibeamter den Dienst quittieren musste, ist der forensische Anthropologe bei allen Polizeistellen im Lande eigentlich zur Persona non grata geworden und deshalb auch im eigenen Institut in London nicht mehr allzu beliebt.
Deshalb kommt ihm der Einsatz in den unwirtlichen Backwaters eigentlich ganz recht, für den ihn ein Detective Chief Inspector empfohlen hat, mit dem Hunter an einem Mordfall in Norfolk zusammengearbeitet hatte. Davon abgesehen verweist Beckett in seinem fünften Roman zur Vergangenheit von David Hunter nur noch auf die psychotische Serienmörderin Grace Strachan, an die Hunter noch immer erinnert wird.
„Totenfang“ überzeugt zunächst in der detaillierten Beschreibung der besonderen Atmosphäre in den Backwaters. So wie Beckett die zerklüftete, von den Gezeiten geprägte Mündungslandschaft beschreibt, steigt dem Leser der Geruch von Seetang, Salzwasser und Krebsen ebenso in die Nase wie sich die Ruinen der Festungstürme und die triste Szenerie in Cruckhaven vor dem inneren Auge aufbauen. Dazu nimmt sich der in Sheffield lebende Brite viel Zeit, um die einzelnen Figuren zu charakterisieren und ihre geheimnisvollen Verflechtungen miteinander allmählich aufzulösen. Das ist bis zum packenden Finale psychologisch feinsinnig konstruiert, dramaturgisch stimmig aufgebaut und mit einigen schönen Wendungen gespickt, dass die Lektüre jederzeit ein kurzweiliger Hochgenuss ist.
 Leseprobe Simon Beckett - "Totenfang"

Jilliane Hoffman – „Samariter“

Samstag, 25. Juli 2015

(Wunderlich, 479 S., HC)
Die Überraschungsparty, die Nick „Big Mitts“ Lavecki für seine Frau Charity zu ihrem dreißigsten Geburtstag veranstaltet hat, wird Charitys Schwester Faith Saunders lange in Erinnerung bleiben. Obwohl Nick sie erst am Sonntagmorgen eingeladen hatte, hat sich Faith mit ihrer vierjährigen Tochter Maggie von Parkland aus die 250 Kilometer auf den Weg nach Sebring gemacht, wo sie am Abend wieder einmal feststellen durfte, dass Nick ein ausgemachtes Arschloch ist, der sich vor aller Augen an andere Frauen heranmacht. Allerdings hält Charity nach wie vor zu ihrem Mann, so dass es nicht nur zu einem Streit zwischen den Schwestern kam, sondern Faith mit Maggie trotz der Orkanwarnung überstürzt aufgebrochen ist.
Faith spielt das Drama auf dem Rückweg noch einmal in ihrem Kopf ab, als sie merkt, dass sie etwas angefahren hat, doch als sie aussteigt, kann sie nichts entdecken. Offensichtlich hat sie sich aber verfahren. Als Faith bei starkem Regen in der Ferne eine Leuchtreklame und damit ein Zeichen von Zivilisation entdeckt, fällt ihr zunächst ein Stein vom Herzen, doch dann klopft plötzlich eine Frau um Hilfe bittend an ihr Fenster. Statt diesem Hilferuf nachzukommen, verschließt Faith die Türen und beobachtet nur noch, wie zwei Männer die junge Frau wegführen. Erst als Maggie den Vorfall ihrem Vater Jarrod schildert, meldet sich Faith bei der Polizei, die endlich einen Hinweis auf den Serienmörder bekommen, den die Polizei als Derrick Poole identifiziert. Doch als die 17-jährige Noelle Langtry verschwindet, kann Poole, der von der Detective Bryan Nill unter Beobachtung steht, nichts mit ihrer Entführung zu tun haben. Faith ist von den Vorgängen so traumatisiert, dass sie sich niemandem anzuvertrauen vermag, weder ihrem Mann Jarrod, dem sie seine Affäre mit einer jungen Anwaltsgehilfin noch nicht verziehen hat, noch ihrer Geschäftspartnerin und Freundin Vivian oder Detective Nill.
„Es war Zeit, reinen Tisch zu machen und das schreckliche Chaos aufzuräumen, das sie zu ersticken drohte, das jeden Aspekt ihres Lebens vergiftete und mit all den Lügen jeden ihrer Gedanken verschlang. Sie musste das Richtige tun, egal mit welchen Konsequenzen sie zu rechnen hatte. Sie musste tun, was sie konnte, um Poole und seinen Partner/Freund von der Straße zu bekommen, nicht nur, damit sie nachts wieder schlafen konnte, sondern auch wegen der anderen Frauen, denen die beiden in Zukunft weh tun würden.“ (S. 241) 
Doch die Möglichkeit, der Polizei alles zu erzählen, was sie gesehen hat, lässt Faith verstreichen. Stattdessen flüchtet sie sich immer mehr in den Alkohol und muss dabei zusehen, wie Jarrod sich immer weiter von ihr entfernt und ausgerechnet Poole tiefer in ihr eigenes Leben eindringt …
Die amerikanische Schriftstellerin Jilliane Hoffman weiß, wovon sie schreibt. Immerhin war sie Staatsanwältin Florida und unterrichtete die verschiedensten Spezialeinheiten der Polizei in allen juristischen Belangen. Gleich mit ihrem Romandebüt „Cupido“ eroberte Hoffman weltweit die Bestsellerlisten und ließ mit „Morpheus“, „Vater unser“, „Mädchenfänger“ und „Argus“ weitere Bestseller folgen. Dazu wird sich fraglos auch „Samariter“ gesellen.
Der Plot wirkt nicht immer unbedingt glaubwürdig, aber einer alkoholkranken Protagonistin, die weder mit ansehen kann, wie sich ihre geliebte Schwester an der Seite ihres widerwärtigen Ehemanns zugrunde richtet, noch die Affäre ihres Mannes zu verzeihen vermag, nimmt man einige merkwürdige Entscheidungen und Gedanken schon mal ab.
„Samariter“ – so der wenig schlüssige deutsche Titel der amerikanischen Originalausgabe von „All the little pieces“ – überzeugt ohnehin weniger auf der psychologischen Seite, sondern in dem rasant entwickelten Plot, der sich dank einer einfachen Sprache flüssig lesen lässt. Gerade die persönlichen Hintergründe der beiden Täter bleiben leider im Dunkeln, und Hoffman konzentriert sich so sehr auf ihre verkorkste Anti-Heldin, dass wenig Raum für die Nebenschauplätze und –figuren bleibt. Was an psychologischer Tiefe und Logik fehlt, macht die Autorin allerdings durch den temporeichen, durchweg spannenden Plot wieder wett. Das ist nicht die hohe Thriller-Kunst eines Don Winslow, Lee Child, Jeffery Deaver oder einer Patricia Cornwell und Kathy Reichs, aber durchaus kurzweilige Krimi-Unterhaltung.
Leseprobe Jilliane Hoffman - "Samariter"

Simon Beckett – „Der Hof“

Sonntag, 9. Februar 2014

(Wunderlich, 460 S., HC)
Mit seinen David-Hunter-Romanen „Chemie des Todes“, „Kalte Asche“, „Leichenblässe“ und „Verwesung“ hat der englische Autor Simon Beckett weltweit eine enorme Fangemeinde gewinnen können. Doch bevor die Leser ein neues Abenteuer von dem forensischen Pathologen mit romantischen Neigungen präsentiert bekommen, überrascht Beckett mit einem packenden Psychothriller der etwas anderen Art.
Ein Mann auf der Flucht. Als dem Audi das Benzin auszugehen droht, lenkt er den Wagen in einen Feldweg, entfernt die britischen Nummernschilder und wirft sein Handy ins Feld. Er fährt per Anhalter weiter, es wird französisch gesprochen. Nach einem kleinen Imbiss in der nächsten Kleinstadt wandert der Mann weiter und landet auf einem abgelegenen Hof, wo er um Wasser bittet. Als er im Wald in eine Tierfalle tritt, wird er zurück zum Hof gebracht, der von dem herrischen Arnaud und seiner Tochter Mathilde bewirtschaftet wird. Der Mann namens Sean wird gesundgepflegt, dann bekommt er das Angebot, auf dem Hof auszuhelfen, bis er den Drang verspürt weiterzuziehen. Sean nimmt den Job, Ausbesserungsarbeiten an einem Gebäude zu übernehmen an, weil er sich hier sicher vor der Polizei wähnt. Doch die Art, wie Arnaud, Mathilde und ihre kokette Tochter Gretchen miteinander umgehen, wie die Stadtbewohner auf Arnaud reagieren, macht Sean neugierig. Je länger er auf dem Hof bleibt, desto unheimlicher erscheinen ihm die Geschichten, die ihm zugetragen werden. Und was hat es mit dem Vater von Mathildes Sohn auf sich, der zuletzt in Lyon gesehen worden ist und seitdem als vermisst gilt?
„… ich bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass dieser Hof unliebsame Ereignisse einfach absorbiert und sich darüber schließt wie das Wasser um die Steine, die ich in den See werfe. Ein paar Wellen breiten sich kreisförmig aus, danach ist alles wieder ruhig.“ (S. 223) 
Von Beginn an versteht es Simon Beckett, mit seinem neuen Roman einen unheimlichen Sog der Spannung zu erzeugen. Was sich zunächst auf Seans Geschichte bezieht, die nach und nach in einzelnen Kapiteln aufgerollt wird, die die vorangegangenen Geschehnisse in London rekapitulieren, weitet sich schließlich auf das Geschehen auf dem Hof im ländlichen Frankreich aus. Geschickt spielt Beckett hier mit dem geheimnisvollen Figurenensemble, dessen Beziehungsgeflecht nie ganz zu durchschauen ist. Interessant ist dabei vor allem die erotische Spannung herausgearbeitet, die sich zwischen Sean und der aufdringlichen Gretchen einerseits und Sean und der zurückhaltenden, ganz um das Wohl der Familie besorgten Mathilde entwickelt. Die psychologische Feinsinnigkeit, mit der Beckett hier unterwegs ist, reicht allein schon aus, „Der Hof“ zu einer äußerst spannenden Lektüre zu machen, aber die zu lösenden Rätsel und das Auffinden verschwundener Personen sorgen darüber hinaus für den Thriller-Nervenkitzel, für den der Bestseller-Autor berühmt ist.
Mit sprachlicher Virtuosität und einer komplexen Anordnung psychologischer Profile ist mit „Der Hof“ ein Pageturner entstanden, der lange nachwirkt.
Leseprobe Simon Beckett - "Der Hof"

Simon Beckett – (David Hunter: 4) „Verwesung“

Samstag, 5. März 2011

(Wunderlich, 444 S., HC)
Vor acht Jahren wurde der forensische Anthropologe Dr. David Hunter von Detective Chief Superintendent Simms nach Dartmoor gebeten, um dort eine Leiche im Moor zu identifizieren. Offensichtlich handelte es sich um eines der Mädchen, die dem verurteilten Serienmörder und Vergewaltiger Jerome Monk zum Opfer gefallen sind und deren Leichen noch nicht gefunden werden konnten. Doch die Ermittlungen standen unter keinem guten Stern. Hunter muss sich nicht nur dem besserwisserischen forensischen Archäologen Prof. Leonard Wainwright unterordnen, sondern hatte es auch mit Terry Connors zu tun, dessen Selbstgefälligkeit und Angeberei schon immer ein Dorn in Hunters Augen gewesen sind.
Nachdem die Torfleiche als Monks drittes Opfer Tina Williams identifiziert werden konnte, folgte eine großangelegte Suchaktion im Moor, hoffte man doch, die anderen beiden noch vermissten Leichen zu finden. Monk erklärte sich bereit, bei der Suche zu helfen, kann sich vor Ort aber an nichts erinnern, und die psychologische Ermittlungsberaterin Sophie Keller stößt nur auf einen Dachskadaver. Nach diesem Fiasko verschlug es Hunter an den Balkan, um an der Bergung eines Massengrabes mitzuwirken, dann verlor er seine Frau Kara und Tochter Alice bei einem Autounfall.
Acht Jahre später bekommt Hunter überraschenden Besuch von Terry Connors, der ihm erzählt, dass Jerome Monk aus dem Gefängnis geflohen ist, dann erhält er einen panischen Anruf von Sophie Keller, die ihn bittet, sich mit ihr in Dartmoor zu treffen. Als Hunter dort eintrifft, liegt Sophie allerdings auf der Intensivstation, wenig später kommt Leonard Wainwright zu Tode. Offensichtlich befindet sich Jerome Monk auf einem Rachefeldzug gegen alle, die damals mit seinem Fall zu tun gehabt haben. Er verfügt über das übliche Täterprofil:
„Mit fünfzehn Jahren war Monks Lebensweg vorgezeichnet. Von Geburt an verwaist, war er schon als Kind in doppelter Hinsicht ausgeschlossen, gemieden wegen seiner körperlichen Defekte und gefürchtet wegen seiner abnormen Kraft. Die wenigen Familien, die den störrischen, unberechenbaren Jungen in Pflege nahmen, schickten ihn bald wieder voller Entsetzen zurück. Bereits in der Pubertät war er kräftiger als die meisten erwachsenen Männer, sein Leben wurde durch Gewalt und Einschüchterung geprägt.“ (S. 357)
Simon Beckett beginnt seine David-Hunter-Romane stets mit der Schilderung nüchterner Fakten rund um den Verwesungsprozess, was an sich höchst informativ ist, doch leider setzt sich dieser abgeklärte Stil auch auf die Beschreibung der Handlung und der Zeichnung seiner Figuren fort. „Verwesung“ weist sicherlich alle Merkmale eines Bestsellers auf, eine interessante Hauptfigur, die nach „Die Chemie des Todes“, „Kalte Asche“ und „Leichenblässe“ zum vierten Mal im Mittelpunkt des Geschehens steht, einen mysteriösen Fall um einen mutmaßlichen Serienmörder und etliche persönliche Konflikte, die dem Geschehen seine „Würze“ verleihen. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass Beckett in jeder Hinsicht auf Nummer sicher gehen wollte. Der Plot und die „überraschende“ Wendung zum Ende hin wirken wie am Reißbrett konstruiert, und Becketts abgeklärter Stil lässt nicht wirklich Sympathien für seine Figuren entwickeln, die aber immerhin alle ihre Päckchen zu tragen haben, auch David Hunter selbst, der sich immer noch Vorwürfe wegen des Todes seiner Familie macht. Sicher bietet „Verwesung“ spannende Unterhaltung, aber schon im vierten David-Hunter-Fall sind die Abnutzungserscheinungen nicht zu übersehen.
 Leseprobe “Verwesung”

Jilliane Hoffman – (Bobby Dees: 1) „Mädchenfänger“

Freitag, 3. September 2010

(Wunderlich, 461 S., HC)
Die 13-jährige Lainey Emerson ist von so ziemlich allem extrem angeödet: von ihrer Mutter, ihrem Bruder Brad, ihrer älteren Schwester Liza, ihrem Stiefvater und von der neuen Schule, an der sie noch keine richtigen Freunde gefunden hat. Dafür hat sie mit Zach einen echt coolen Football-Kapitän im Yahoo-Chatroom zum Film „Zombieland“ aufgetan, dem sie nach leichtem Zögern ein sexy Bild von sich mailt. Mit ihrer besten Freundin Molly hat Lainey Stunden zugebracht, um die Nägel, das Make-up und die Klamotten für das Shooting herzurichten. Im Chat hat Lainey angegeben, schon 16 zu sein, und offensichtlich findet Zach Gefallen an Lainey und ihrem Look. Entsprechend aufgeregt ist sie, als Zach sie für Freitag zu Kino und Essen einlädt, wovon sie ihrer strengen Mutter natürlich nichts sagen kann, also treffen sich die beiden heimlich an der Carol High School. Doch im Wagen ihres Schwarms erlebt das Mädchen eine böse Überraschung. Wenig später findet sie sich betäubt und gefesselt in der Wohnung ihres Entführers wieder.
Als Special Agent Supervisor Bobby Dees vom Florida Department of Law Enforcement über die Vermisstenanzeige informiert wird, hört sich zunächst alles nach einem typischen Ausreißer-Szenario an. Das Gespräch mit der Mutter ergibt nicht viel, umso mehr aber die Recherche an Laineys Computer. Laineys MySpace-Seite gibt mehr von ihr preis, als ihre Mom je von ihr wissen könnte. Schnell gerät der Stiefvater in Verdacht, auf dessen Computer sich Hinweise auf obskure Websites und aufreizende Fotos von jungen Mädchen befinden. Dann bekommt die Polizei das Foto eines Ölgemäldes zugeschickt, auf dem ein gefesseltes Mädchen mit ausgestochenen Augen zu sehen ist. Anhand der detaillierten Hinweise auf dem Bild wird das tote Mädchen in einem abbruchreifen Hotel gefunden, und der Mörder hat schnell den Namen „Picasso-Mörder“ weg. Das nächste Bild lässt nicht lange auf sich warten …
Mit nur drei Romanen hat sich Jilliane Hoffman in die Liga erstklassiger Thriller-Autorinnen à la Karin Slaughter, Tess Gerritsen und Patricia Cornwell geschrieben, nun schließt sie mit „Mädchenfänger“ nahtlos an ihre bisherige Klasse an. Mit der Entführung, Folterung und Tötung jugendlicher Mädchen hat sich die ehemalige Staatsanwältin aus Florida auch ein extrem grausames Thema ausgesucht, mit dem sie ihre Leser zu packen versteht. Abgesehen von der spannenden Story überzeugen vor allem die Charakterisierungen von Special Agent Bobby Dees und seiner Frau LuAnn, die durch den Fall auf beunruhigende Weise an das Verschwinden ihrer eigenen Tochter erinnert werden und befürchten müssen, dass sie ebenfalls dem Picasso-Mörder zum Opfer gefallen ist.

Simon Beckett – (David Hunter: 1) „Die Chemie des Todes“

Samstag, 17. April 2010

(Wunderlich, 431 S., HC)
Vor drei Jahren ist Englands bekanntester Rechtsmediziner, der verwitwete Dr. David Hunter, von London in das kleine Dorf Manham in Norfolk gezogen, wo er eine Stelle als Assistenzarzt in der Parxis des alten Dr. Maitland übernahm. Nun wird er zu einem Tatort gerufen, wo die Yates-Brüder im Farnley Wood die stark verweste Leiche eines Menschen fanden, von der Linda Yates überzeugt ist, dass es sich um die hübsche Sally Palmer handelt, die wie Hunter aus London zugezogen war und sich schnell mit ihm angefreundet hatte.
Als Hunter Sally Palmer einen Besuch abstattet, findet er nicht sie, sondern nur ihren toten Collie vor und gibt eine Vermisstenanzeige auf. Chief Inspector Mackenzie findet schnell heraus, dass Hunter einer der führenden forensischen Anthropologen des Landes ist, bittet er ihn um seine Mithilfe. Bei der Obduktion der Leiche fallen tiefe Schlitze auf beiden Seiten des Rückgrats auf, in die der Täter weiße Schwanenflügel gesteckt hat. Wenig später wird mit Lyn Metcalf eine weitere Frau vermisst. Bei der Suche nach ihr werden Beamte von Fallen verletzt, und es wird eine Wildente gefunden, die an einen Stein gebunden wurde. Den folgenden Gottesdienst nutzt Pastor Scarsdale für den Start einer Hexenjagd, bei der auch Hunter in das Visier der Bevölkerung gerät.
Mit dem Auftauchen einer weiteren Leiche im Wald wird jedem in Manham klar, dass ein Serienkiller sein Unwesen treibt …
Mit dem renommierten Rechtsmediziner Dr. David Hunter hat der britische Journalist und Schriftsteller Simon Beckett eine höchst interessante Figur geschaffen. Nach dem sinnlosen Tod seiner Frau und Tochter durch einen betrunkenen Autofahrer kehrte Hunter der Großstadt den Rücken und versucht auf dem Land ein neues Leben aufzubauen, das nichts mehr mit seinem alten Familienleben zu tun hat.  
„Die Chemie des Todes“ fasziniert nicht allein durch die interessanten Informationen, die die Verwesung eines Körpers betreffen, um so die Umstände und den Zeitpunkt seines Todes bestimmen zu können. Es ist vor allem die Milieustudie eines Dorfes, das allem Fremden gegenüber höchst misstrauisch und – angeheizt durch die feurige Kirchenpredigt – sogar feindselig ist. Darüber hinaus bietet „Die Chemie des Todes“ einen ungewöhnlichen Kriminalfall, dessen Auflösung man eifrig entgegenfiebert.

Simon Beckett – (David Hunter: 2) „Kalte Asche“

(Wunderlich, 431 S., HC)
Gerade als Dr. David Hunter auf dem Weg zum Flughafen in Glasgow gewesen ist, um nach London zurückzukehren, wo am Forensischen Institut der Universität arbeitet, erhält er einen Anruf von Detective Superintendant Graham Wallace vom Polizeipräsidium Inverness, dass auf der Äußeren-Hebriden-Insel Runa der pensionierte Detective Inspector Andrew Brody eine verbrannte Leiche gefunden hat. Zwar verärgert Hunter seine Freundin Jenny, aber er folgt der Bitte, sich die Leiche mal anzusehen, und muss am Tatort entsetzt feststellen, dass die menschliche Leiche vollständig zu Asche verbrannt ist – nur die Hände und Füße blieben vom Feuer völlig unversehrt.
Die Autopsie ergibt, dass es sich um eine junge Frau handelt, der der Schädel eingeschlagen worden ist. Weitere Untersuchungen ergeben, dass die junge Frau wohl eine Prostituierte vom Festland gewesen ist, die sich im Cottage, wo sie gefunden wurde, offensichtlich mit einem Freier getroffen hatte. Die kecke Journalistin Maggie Cassidy verfasst für die „Lewis Gazette“ sogleich eine reißerische Story über die verbrannte Leiche – „Feuertod – Das Rätsel von Runa“. Dann erschüttert eine Sturmfront die kleine Insel, die nun völlig abgeschnitten vom Festland vergeblich auf Unterstützung in dem Mordfall warten muss. Da schlägt der Feuerteufel ein weiteres Mal zu …
Auch in seinem zweiten Fall nach „Die Chemie des Todes“ hat es Dr. David Hunter mit einer dörflichen Gemeinschaft zu tun, die einen brutalen Mörder beherbergt. Mit viel Sinn für ausführliche Charakterisierungen stellt uns Simon Beckett die einzelnen Menschen mit ihren Eigenheiten und schwierigen zwischenmenschlichen Beziehungen vor und entwickelt ein spannendes, kammerspielartiges Szenario der Tätersuche.

Jilliane Hoffman – „Vater unser“

Donnerstag, 17. Dezember 2009

(Wunderlich, 572 S., HC)
Seit fast einer Woche arbeitet Georgia Adams in der Nachtschicht der Notrufzentrale, als sie um Viertel vor fünf morgens den beunruhigenden Anruf eines kleines Mädchens annimmt, das leise schluchzend um Hilfe bittet und vermutet, dass „er“ zurückkommt. Dann ist es still in der Leitung. Als ein Streifenwagen vor dem entsprechenden Haus vorfährt, aus dem der Notruf kam, entdecken die Streifenpolizisten ein grausames Blutbad. Jennifer Marquette und ihre drei Kinder Emma, Danny und Sophie liegen ermordet in ihren Betten, Dr. David Marquette hat als Einziger das Massaker überlebt und wird auf die Intensivstation ins Krankenhaus gebracht. Er gilt schnell als Hauptverdächtiger, der sich als Chirurg die lebensgefährlichen Verletzungen selbst zugefügt haben soll.
Der resoluten Staatsanwältin Julia Valentine wird der Fall übertragen. Als sie das Band von dem besagten Notruf abhört, wird der Verdacht gegen den jungen Chirurgen untermauert. Doch bei der Suche nach einem Motiv und eindeutigen Beweisen tun sich die Ermittler schwer, allerdings entpuppt sich das Sperma auf Jennifers Nachthemd nicht als das ihres Mannes. Problematisch wird der Fall vor allem dadurch, dass Marquette französischer Staatsangehörigkeit ist und die Franzosen den Angeklagten vor der befürchteten Todesstrafe bewahren wollen. Dieser plädiert zudem auf Unzurechnungsfähigkeit, weil er schizophren sei …
Nach ihren ersten beiden Thrillern um den „Cupido“-Mörder William Bantling und die Staatsanwältin C.J. Townsend ist Jilliane Hoffman mit ihrem neuen Thriller zwar ihrer Heimat Miami treu geblieben, hat aber das spektakuläre Familienmassaker mit neuen Protagonisten besetzt. Dabei hat auch die neue Staatsanwältin eine Vergangenheit aufzuarbeiten, die ihr bei dem Fall in die Quere kommt. Außerdem spielen politische Ambitionen ebenso eine Rolle wie die interessante Frage nach der psychischen Struktur des Täters. Immer wieder tauchen neue Erkenntnisse und Vermutungen auf, die es bis zum Schluss offen halten, ob Marquette tatsächlich schizophren ist oder ein geschickter Blender … Hoffman erweist sich dabei erneut als souveräne Spannungsautorin, die zunächst einen interessanten Fall konstruiert und den Leser anschließend mit den Tücken des amerikanischen Justizsystems vertraut macht.

Jilliane Hoffman – (C.J. Townsend: 2) „Morpheus“

(Wunderlich, 400 S., HC)
Vor über drei Jahren versetzte der als „Cupido“ bekannte Serienkiller William Bantling ganz Miami in Angst und Schrecken. Doch Staatsanwältin C.J. Townsend, die zwölf Jahre vor der Mordserie in New York selbst Opfer einer Vergewaltigung durch Bantling wurde, setzte vor Gericht die Todesstrafe gegen Bantling durch, obwohl dieser erst durch einen anonymen Tipp und eine unrechtmäßige Fahrzeugkontrolle gefasst werden konnte.
Doch der Fall scheint noch nicht ganz abgeschlossen. Victor Chavez, der Streifenpolizist, der Bantling damals festgenommen hatte, wird bei einem Einsatz die Kehle durchgeschnitten, und zwar so grausam, dass er an seinem eigenen Blut erstickt, außerdem wird ihm die Zunge herausgeschnitten. Wenig später wird auch Chavez‘ Kollege, Officer Bruce Angelillo, hingerichtet, dann der City-Cop Sonny Lindeman. Die Presse hat für den Cop-Killer schnell einen Namen parat: „Morpheus“ – der Gott des Schlafes. Eine erste Spur führt zu Roberto Valle, der seit Jahren im Verdacht steht, in vielen seiner Hotels und Nachtclubs Geld zu waschen. Jeder der drei ermordeten Cops arbeiteten in verschiedenen Clubs, die Valle gehören. Während C.J.s Lebensgefährte, der FDLE-Special Agent Dominick Falconetti, in Richtung Drogen und Korruption ermittelt, macht sich bei der Staatsanwältin schnell ein ungutes Gefühl breit, das auf beunruhigende Weise bestätigt wird, als ihr von einem Unbekannten eine kleine Jadeskulptur der drei weisen Affen zugeschickt wird, eine Erinnerung an C.J.s früheres Leben, mit dem sich Bantling so gut auskannte. Ein weiterer Mord und ein Geständnis bringen den „Cupido“-Fall wieder vor Gericht. Wenn damals Beweismittel unrechtmäßig zutage gefördert wurden, droht Bantlings Freilassung …
Mit ihren zweiten Thriller nimmt Jilliane Hoffman den packenden „Cupido“-Fall ihres erfolgreichen Debüts erneut auf und lässt ihre Heldin weiter leiden. Erneut überzeugt die Story mit einer komplizierten Liebesgeschichte und einem spannenden Fall, der viele grausame Morde und interessante Wendungen bietet, aber nicht mehr ganz so stark von der inneren Zerrissenheit profitieren kann, die die Protagonistin in „Cupido“ prägte.

Jilliane Hoffman – (C.J. Townsend: 1) „Cupido“

(Wunderlich, 479 S., HC)
Im Juni 1988, vier Wochen vor ihrem New York State Bar Exam, besucht Chloe Larson mit ihrem Freund, dem vielversprechenden Anwalt Michael Decker, am Broadway „Das Phantom der Oper“, um ihren zweiten Jahrestag zu feiern. Doch der Abend wird ein Desaster. Michael erscheint erst zum letzten Akt des Musicals, schenkt seiner Freundin beim anschließenden Essen statt des erhofften Verlobungsrings eine goldene Halskette und schwafelt nur von seiner Arbeit.
Die folgende Nacht verbringt Chloe lieber allein, doch sehr bald bekommt sie ungebetenen Besuch von einem Einbrecher mit Clownsmaske, der sie fesselt und bis zum Morgen vergewaltigt. Als sie aus dem Krankenhaus mit der Nachricht entlassen wird, dass sie keine Kinder bekommen könne, sucht sich Chloe eine neue Wohnung in den North Shore Towers, schmeißt die Anwaltsprüfung, gibt die Beziehung zu Michael auf und nimmt eine Stelle als Telefonistin in einem Hotel an. Doch Chloes Vergewaltiger ist ihr immer noch auf den Fersen …
Zwölf Jahre unterstützt Chloe als Staatsanwältin C.J. Townsend Dominick Falconetti, Special Agent des Florida Department of Law Enforcement, und sein Team in der Sonderkommission „Die Mauer“, die es mit elf vermissten jungen Frauen zu tun hat, von denen mittlerweile neun verstümmelt und tot aufgefunden worden sind. Der Killer hat seine Opfer nicht versteckt, sondern sie für ihre Entdeckung sorgfältig inszeniert, sie aufgeschnitten und ihnen das Herz entnommen, sie auf jede erdenkliche Weise vergewaltigt und von der Sonderkommission wegen seiner Brutalität den Namen Cupido verpasst bekommen. Bei einer einfachen Verkehrskontrolle geht der Polizei Cupido ins Netz. William Bantling, so sein bürgerlicher Name, hat sein letztes ermordetes Opfer sogar noch im Kofferraum. Als Staatsanwältin C.J. Townsend dem mutmaßlichem Täter vor Gericht begegnet, nimmt sie schockiert die S-förmige Narbe an der Hand des Angeklagten zur Kenntnis und erkennt in Bantling jenen Mann wieder, der sie vor zwölf Jahren so brutal vergewaltigt hatte. Allerdings verjähren in New York Sexualdelikte nach fünf Jahren, so dass Bantling für Chloes Vergewaltigung nicht mehr belangt werden kann. Also macht sie sich auf die Suche nach weiteren Opfern des Vergewaltigers mit der Clowns-Maske, füttert die juristische Online-Datenbank mit entsprechenden Suchbegriffen und stößt tatsächlich auf ähnliche Fälle in anderen Staaten, in denen allerdings auch die Verjährungsfrist zur Strafverfolgung abgelaufen ist. Doch es kommt noch schlimmer. Da Bantlings Fahrzeugkontrolle unrechtmäßig war, droht der Fall vor Gericht durchzufallen. Doch erst als Bantling erkennt, wer die Todesstrafe für ihn beantragt, bekommt der Cupido-Fall eine ganze neue Wendung …
Mit ihrem ersten Thriller ist der ehemaligen stellvertretenden Staatsanwältin Jilliane Hoffman gleich ein großer Wurf gelungen. „Cupido“ überzeugt mit einem spannenden Plot, einer sympathischen Heldin, die zwischen persönlicher Rache und ihrer Verantwortung als Staatsanwältin abwägen muss, und einem wendungsreichen Justiz-Thriller-Setting, das den Leser bis zum Schluss in Atem hält.

Karin Slaughter - (Grant County: 3) „Dreh dich nicht um“

Mittwoch, 16. Dezember 2009

(Wunderlich, 460 S., HC)
Mit ihren ersten beiden Thrillern „Belladonna“ und „Vergiss mein nicht“ hat sich Karin Slaughter verdientermaßen in die erste Liga der Krimi-Autorinnen geschrieben. Auch ihr neues Werk ist wenig zimperlich ausgefallen und stellt die reinste Adrenalinspritze dar. Dabei begegnen uns alte Bekannte. Die Gerichtsmedizinerin und Kinderärztin Sara Linton ist gerade mit ihrer schwangeren Schwester Tess unterwegs, als sie zu einem Unfallort gerufen wird.
Auf dem Campus in Heartsdale, Georgia, wird der junge Andy Rosen von seiner Kommilitonin Ellen Schaffer tot aufgefunden. Ein Abschiedsbrief legt Selbstmord nahe, doch in der Nähe des Tatorts wird dann auch Tess brutal überfallen, als sie sich auf die Suche nach einer Toilette begab. Als dann auch Ella Schaffer nach einem vorgetäuschten Selbstmord mit weggeschossenem Kopf aufgefunden wird, versuchen Polizeichef Jeffrey Tolliver und seine Leute eine Verbindung zwischen den drei Fällen herzustellen. Spielten etwa Drogengeschäfte auf dem Campus eine Rolle, oder vielleicht rechtsradikale Parolen am Brückengeländer, wo Andy aufgefunden wurde? Vor allem macht sich Lena Adams, Jeffreys ehemalige Arbeitskollegin und nun bei der Campus-Polizei angestellt, verdächtig, lässt sich auch noch auf den jungen Ethan White ein, der über und über mit Nazi-Zeichen tätowiert ist und ein ellenlanges Vorstrafenregister besitzt. Dann passieren weitere Morde ... Atemberaubend spannend – man tappt bis zum Schluss absolut im Dunkeln und wird mitgerissen in einen Strudel aus Rassismus, Drogensumpf, Gewalt und Leidenschaft.

Karin Slaughter - (Grant County: 4) „Schattenblume“

(Wunderlich, 480 S., HC)
Gerade als die Kinderärztin und Gerichtsmedizinerin Sara Linton ihren Freund, Chief Jeffrey Tolliver, im Büro aufsucht, um ihre Beziehungsprobleme zu erörtern, und der junge Cop Brad Stephens eine Gruppe von Schulkindern durch die Räume des Polizeireviers von Heartsdale führt, stürmen zwei maskierte Gangster ins Revier, knallen den erstbesten Polizisten ab und nehmen die Kinder und alle anderen Personen als Geiseln.
Derweil versuchen Frank, der noch rechtzeitig flüchten konnte, und die gerade erst zum Polizeidienst zurückgekehrte Lena mit Hilfe des Georgia Bureau Of Investigation, die Geiselnahme zu einem unblutigen Ende zu führen und die Motive der Gangster zu ergründen. Die liegen nämlich in der mehr als zehn Jahre zurückliegenden Vergangenheit, als Jeffrey und Sara gerade erst ein Paar wurden und in Jeffreys Heimatstadt Sylacauga ein paar Tage Urlaub machen wollten. Doch der Aufenthalt wird von einigen Morden überschattet, in die Jeffreys bester Freund Robert verwickelt zu sein scheint …
Im vierten, wiederum extrem spannenden und wendungsreichen Abenteuer von Jeffrey Tolliver und Sara Linton erfährt der Leser endlich etwas über den schwierigen Beginn der problematischen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Und dann verwundert es einen nicht mehr, dass die Ereignisse von 1991 noch immer wie ein dunkler Schatten über den beiden liegt …

Karin Slaughter - (Grant County: 2) „Vergiss mein nicht“

(Wunderlich, 508 S., HC)
Das Wiedersehen zwischen Jeffrey Tolliver, dem Polizeichef der Kleinstadt Heartsdale, und seiner Ex-Frau, der Kinderärztin und Pathologin Sara Linton, auf der Rollschuhbahn wird jäh unterbrochen, als Tolliver zu einem Einsatz direkt vor der Bahn gerufen wird. Dort droht die 13-jährige Jenny den sechzehnjährigen Herzensbrecher Mark Patterson zu erschießen. Bevor es dazu kommt, ist Tolliver gezwungen, das Mädchen niederzustrecken.
Derweil entdeckt Dr. Linton ein Neugeborenes auf der Toilette, auf der ihr zuvor Jenny begegnet war. Doch die Blutanalyse und Jennys Autopsie bringen Schreckliches zutage. Das Kind ist nicht von Jenny, deren Körper nicht nur von selbst zugefügten Schnittwunden übersät ist, sondern die auch brutal vergewaltigt und deren Vagina vor gut einem halben Jahr zugenäht worden ist. Niemand, nicht mal Jennys Mutter oder Sara selbst, die Jennys Ärztin gewesen ist, ahnten etwas von den schrecklichen Leiden des Mädchens. Doch auf der Suche nach Erklärungen tut sich die Polizei schwer. Erst als Tolliver seine alkoholabhängige Mutter im Krankenhaus von Sylacauga besucht und bei einem Treffen mit Highschool-Freunden auf einen Fremden trifft, der auf der Hand die gleiche Tätowierung wie Mark Patterson aufweist, wird das ganze Ausmaß des Dramas deutlich…
Schonungsloser und extrem spannender Kleinstadt-Thriller, der unverblümt die finstersten Abgründe der menschlichen Seele aufzeigt.