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Don Winslow – (Art Keller: 3) „Jahre des Jägers“

Sonntag, 10. März 2019

(Droemer, 992 S., HC)
Seit Art(uro) Keller Mitte der 1970er Jahre als junger DEA-Agent in einer Außenstelle im mexikanischen Sinaloa eingesetzt wurde und beobachten musste, wie Miguel Ángel Barrera mit der Federación das erste echte Drogenkartell gründete, hat er sich ganz dem mexikanisch-amerikanischen Drogenkrieg verschrieben. Bislang hat der Kampf gegen das Krebsgeschwür aber nur dafür gesorgt, dass es Metastasen bildete. In den vergangenen vierzig Jahren musste Keller nicht nur miterleben, wie sein Partner Ernesto Hidalgo von den Barreras, Rafael Caro und weiteren Beteiligten zu Tode gefoltert wurde, sondern viele weitere Verluste hinnehmen. Keller setzte alles daran, die Verantwortlichen der Gerechtigkeit zuzuführen.
Nachdem er sowohl Barrera als auch die Zetas zu Fall gebracht hat, wird er zum Direktor der DEA ernannt und kann doch nicht verhindern, dass immer neue Allianzen unter den mexikanischen Kartellen entstehen, neue Drogen über die Grenze in die USA geschmuggelt werden und sich die Zahl der Drogentoten vervielfacht hat. Doch schon bei seiner Amtsübernahme wackelt Kellers Stuhl, denn Obamas Tage als Präsident sind gezählt, mit dem republikanischen Immobilienmagnaten und Reality-TV-Star John Dennison bekommt Keller kräftigen Gegenwind.
Durch den Undercover-Einsatz von NYPD-Detective Bobby Cirello versucht Keller, dem Geldfluss in Mexiko nachzuspüren und stößt auf einen Immobiliendeal, in den auch Dennisons Schwiegersohn Jason Lerner verwickelt ist, der keine Hemmungen hat, das millionenschwere Park-Tower-Projekt mit Drogengeldern zu finanzieren. Während in Mexiko das von Tito Ascención geführte Nuevo-Jalisco-Kartell und das Sinaloa-Kartell von Ricardo Nuñez um die Vorherrschaft auf dem Drogenmarkt kämpfen, proklamiert Präsidentschaftskandidat Dennison, mit dem Bau einer Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko den Strom der Drogen und illegalen Einwanderer in die USA eindämmen zu wollen. Und Sean Callan, ehemaliger Auftragskiller im Dienst von Adán Berrara, geht wieder auf die Jagd.
„Aber es nicht so einfach, einen Kartellboss zu ermorden. Callan weiß, dass er zum Kopf des Unternehmens nur vordringt, wenn er sich zunächst dem Unterbau nähert. Du musst ackern, dich hocharbeiten, die Basis aushöhlen, schwächen, die Profite schmälern, die Mitarbeiter überzeugen, dass sie aufs falsche Pferd gesetzt haben, und die Verlierer ihre Wettschulden nicht mit Geld, sondern mit Blut begleichen.“ (S. 739) 
Nach „Tage der Toten“ und „Das Kartell“ präsentiert Bestseller-Autor mit dem knapp 1000-seitigen Epos „Jahre des Jägers“ den fulminanten Abschluss seiner Trilogie um den DEA-Agenten Art Keller, der nun an die Spitze seiner Behörde gerückt ist und mit Hugo Hidalgo selbst den engagierten Sohn seines ermordeten Partners in den Krieg gegen Drogen und Korruption hineinzieht. Winslow führt unzählige Personen (die er einem umfangreichen Verzeichnis im Anhang vorstellt) in diesen komplex ineinander verwobenen Plot ein, um die Dimensionen des Krieges aus der Perspektive von Kartellbossen, Drogenkurieren, Auftragskillern, Bandenmitgliedern und Konsumenten aufzuzeigen. Die ständigen Orts- und Perspektivenwechsel machen die Lektüre zwar nicht gerade leicht, unterstreichen aber Winslows ehrenwerten Anspruch, die vielfältigen Tragödien des Drogenkrieges in ihren ganzen bedrohlichen, gewalttätigen Facetten aufzuzeigen.
Besonders brutal wirken dabei vor allem die Schilderungen all der Folterungen, Vergewaltigungen und Hinrichtungen zwischen den einzelnen Kartellen in Mexiko, aber beispielsweise auch die Erlebnisse des zehnjährigen Nico Ramirez, der der Müllhalde in Guatemala City entkommen will und mit seiner Freundin Delmy mit dem Zug „La Bestia“ zu seinen Verwandten nach New York zu gelangen versucht.
Doch Winslow blickt mit „Jahre des Jägers“ auch hinter die politischen Kulissen und zerpflückt nicht nur genüsslich die Argumentation von US-Präsident Donald Trump (der unschwer das Vorbild für die Figur von John Dennison abgibt) für den Bau der Grenzmauer, sondern bringt auch noch eine Korruptionsaffäre ins Spiel, bei der Drogengelder eines von Dennisons Immobilienprojekten finanzieren sollen. Auch wenn „Jahre des Jägers“ teilweise etwas sehr weitschweifig ausgefallen ist, ist Art Kellers letzter und wichtigster Kampf im Krieg gegen die Drogen und Korruption packend geschrieben und geht in der Beschreibung und Analyse der Ereignisse tiefer als beispielsweise so populäre Fernsehserien wie „Narcos“ und „El Chapo“.
Leseprobe Don Winslow - "Jahre des Jägers"

Don Winslow – (Art Keller: 2) „Das Kartell“

Sonntag, 28. Juni 2015

(Droemer, 831 S., Pb.)
Der US-amerikanische Drogenfahnder Art Keller hat sich ganz dem Kampf gegen die mexikanischen Kartelle verschrieben. Nachdem er sich in das Herz der dortigen Drogenmafia eingeschleust hatte und reihenweise Händlerringe auffliegen ließ, wurde aus dem Jäger Keller auf einmal selbst der Gejagte und sein ehemaliger Freund Adán Barrera zu seinem erbittertsten Feind. Mit seinen eigenmächtigen Aktionen zog sich Keller zwar auch den Zorn Washingtons zu, aber am Ende lag die weltweit mächtigste Drogenorganisation El Federación am Boden, ihr Anführer Barrera landete im Gefängnis, Keller zog sich in ein Kloster zurück.
Doch als Barrera einen neuen Deal aushandelt und fliehen kann, muss auch Keller seine Oase des Friedens verlassen und erneut den Kampf gegen seinen Erzfeind aufnehmen. Denn Barrera setzt wieder alles daran, das Gleichgewicht zwischen den Kartellen zu unterminieren und aus der neuen Alianza de sangre wieder die alte Federación zu etablieren. Dazu muss Barrera auch seinen Platzhalter Osiel Contreras ausschalten, der sich selbst als neuen patrón betrachtet. Was aus amerikanischer Sicht die Jagd auf Contreras, der direkt nach Bin Laden ganz oben auf der Fahndungsliste steht, schwierig macht, ist die Tatsache, dass dieser die mexikanischen Polizeibehörden in der Tasche hat. Gerardo Vera und Luis Aguilar haben mit ihren AFI- und SIEDO-Truppen zunächst das Tijuana-Kartell zerschlagen, nun machen sie zusammen mit Keller Jagd auf Barrera. Doch in diesem Krieg ist nie wirklich klar, wer auf welcher Seite steht. In dem komplexen Krieg zwischen den Kartellen sterben nicht nur die Kämpfenden, sondern auch Frauen, Kinder, Polizisten, schließlich auch Journalisten.
Als der anonyme Internet-Blog Esta Vida die Grausamkeiten des Drogenkriegs dokumentiert, gerät auch Pablo ins Visier der Drogenmafia.
„Früher hat er lange und tief geschlafen, sich wohlig hin und her gewälzt, seine Träume ausgekostet. Jetzt hasst und fürchtet er den Schlaf. Denn mit dem Schlaf kommen die Alpträume. Das ist schlecht für einen Mann, der Tausende von Morden gesehen hat. Und die Tausend ist keine rhetorische Ziffer, wie er nachts einmal nachgerechnet hat, nein, es waren wirklich so viele Morde. Nicht die Morde direkt, natürlich, obwohl er manchmal nur Minuten später am Tatort stand, sondern die Folgen. Die Toten, die Sterbenden, das Grauen. Die Verstümmelten, die Enthaupteten, die Gehäuteten.“ (S. 755) 
Zehn Jahre nach seinem Meisterwerk „Tage der Toten“, mit dem der amerikanische Bestseller-Autor Don Winslow („Zeit des Zorns“, „Missing – New York“) auf fiktive Weise die realen Hintergründe des ebenso komplexen wie brutalen mexikanischen Drogenkrieges verarbeitete, legt Winslow nun mit „Das Kartell“ eine Fortsetzung nach, die in jeder Hinsicht ein epochales Thriller-Epos darstellt.
Dabei lässt er mit den Adán Barrera und Art Keller nicht nur die beiden charismatischen Protagonisten aus „Tage der Toten“ wieder aufeinandertreffen, sondern führt einige weitere interessante Figuren ein, die mit ihren Lebensgeschichten jeweils genug Stoff für einen eigenen Roman bieten würden. Das betrifft nicht nur die einzelnen Anführer der Kartelle oder die Polizeichefs, Winslow zeichnet auch die Frauenfiguren und die Journalisten so vielschichtig und authentisch, dass der Leser sich mitten in diesem äußerst blutigen Krieg zu befinden scheint.
Dabei vermischt Winslow auf gekonnte Weise die Fakten mit einer spannenden Handlung, die von unberechenbaren Figuren vorangetrieben wird.
Es ist zwar hilfreich und auch unbedingt zu empfehlen, „Tage der Toten“ gelesen zu haben, aber „Das Kartell“ bildet ein ganz eigenständiges Werk, in dem es nicht nur um die Wahrung und Ausweitung von Machtverhältnissen geht, um gesicherte Transportwege für Drogen- und Waffenlieferungen bis nach Europa, sondern auch um Korruption und Rache. Selbst Art Keller wandelt hier auf einem schmalen moralischen Grat.
Vielleicht ist „Das Kartell“ der beste Thriller des Jahres, auf jeden Fall wirkt dieses atmosphärisch dicht geschriebene, pulsierend spannende Werk lange nach.
Leseprobe Don Winslow - "Das Kartell"

Don Winslow – (Art Keller: 1) “Tage der Toten”

Mittwoch, 22. August 2012

(Suhrkamp, 689 S., Tb.)
Als der ehemalige CIA-Agent Art Keller 1973 von der gerade gegründeten DEA in die mexikanische Provinz Sinaloa geschickt wird, werden seine Ambitionen im Kampf gegen die Drogen zunächst von der örtlichen Polizei als auch den eigenen Kollegen torpediert. Das ändert sich erst, als er Miguel Ángel Barrera kennenlernt, der nicht nur Polizeioffizier in Sinaloa ist, sondern auch Leibwächter und rechte Hand des dortigen Gouverneurs Manuel Sánchez Cerro. „Arturo“, wie Art von seinen neuen mexikanischen Freunden genannt wird, erkämpft sich in einem Boxkampf den Respekt von Barreras Neffen Adán und wird in die Familie aufgenommen, die mit einem fulminanten Paukenschlag das Drogenimperium von Don Pedro Áviles zerschlägt.
Doch Familienoberhaupt Tío Barrera dient dieses Manöver nur dazu, sich selbst an die Spitze einer neuen Federación zu setzen, die auf einmal den gesamten Drogenhandel an der mexikanisch-amerikanischen Grenze kontrolliert.
„Offenbar gibt es ein Gesetz der paradoxen Wirkungen, denkt Keller beim Anblick der Kisten schleppenden Federales. Operation Condor sollte das Krebsgeschwür der Opiumproduktion beseitigen, doch bewirkt hat sie, dass sich überall im Land Metastasen bilden. Das muss man den Opiumbauern von Sinaloa lassen – ihre Reaktion auf die Vertreibung war einfach genial. Sie haben begriffen, dass ihr wertvollstes Kapital nicht die Drogen sind, sondern die zweitausend Meilen gemeinsame Grenze mit den USA. Den Boden kann man vergiften, Ernten kann man verbrennen, Menschen kann man vertreiben, aber diese Grenze steht fest, ihr kann man nichts anhaben. Und eine Ware, die auf der einen Seite der Grenze ein paar Cent wert ist, lässt sich auf der anderen Seite für zig Dollar verkaufen. Die Ware, um die es geht, ist – allen offiziellen Verlautbarungen zum Trotz – Kokain.“ (S. 135) 
Die mexikanische Federación ist von der Drogenproduktion auf den –transport umgestiegen, lässt sich von den Kolumbianern tausend Dollar für jedes Kilo Kokain zahlen, das die Mexikaner in die USA schmuggeln, wo es in Labors zu Crack verarbeitet und auf den Straßen der USA vertrieben wird. Keller muss sich neue Verbündete suchen, um seine ehemaligen Freunde zu bekämpfen. Doch bei all den undurchsichtigen Manövern, Intrigen und Hinterhalten sterben immer wieder Unschuldige …
Schon in seiner Kindheit hatte der New Yorker Schriftsteller Don Winslow Kontakt zu berüchtigten Mafiagrößen und hat fünf Jahre an seinem durch eine wahre Begebenheit inspirierten Thriller geschrieben, das sich wie ein packendes Epos à la „Der Pate“ liest und als literarisches Äquivalent zu Steven Soderberghs Drogen-Episoden-Drama „Traffic“ angesehen werden kann. Winslow gibt sich viel Mühe, in seiner schnörkellosen Sprache die Zusammenhänge in dem komplexen Drogenkrieg zu erläutern, den der amerikanische Präsident Richard Nixon ausgerufen hat und bis heute noch zu keinem Ende gekommen ist. Schließlich verdienen alle Beteiligten enorme Summen mit der Produktion und dem Vertrieb von Drogen. Allianzen werden geknüpft und verraten, Exekutionen in Auftrag gegeben, Massaker und Folterungen veranstaltet, Freunde werden zu Feinden, Unschuldige geraten ins Kreuzfeuer der Drogenmafioso.  
„Tage der Toten“ deckt einen Zeitraum von gut dreißig Jahren ab und bringt verschiedene Charaktere wie den irischen Killer Callan, den mexikanischen Bischof Juan Parada und die Edelprostituierte Nora Hayden ins Spiel, deren Wege sich auf verschlungenen Pfaden kreuzen und das Drama mit Leben füllen. Winslow nimmt bei der Schilderung von Folter-, Sex- und Attentatsszenen kein Blatt vor den Mund, was sein Epos ebenso authentisch wie brutal wirken lässt. Auf jeden Fall lässt dieses mit dem „Deutschen Krimipreis 2011“ausgezeichnete Meisterwerk niemanden kalt.
Lesen Sie im Buch: Don Winslow – „Tage der Toten“