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David Lagercrantz (nach Stieg Larsson) – (Millennium: 5) „Verfolgung“

Montag, 16. Oktober 2017

(Heyne, 480 S, HC)
Nachdem Lisbeth Salander sich in das Drama um die Ermordung eines Professors eingemischt, daraufhin einen achtjährigen autistischen Jungen bei sich versteckt und schließlich die Zusammenarbeit mit der Polizei verweigert hatte, wurde sie zu zwei Monaten Haft im Gefängnis von Flodberga verurteilt. Dort hat selbst der Leiter des Sicherheitstrakts, Alvar Olsen, Angst vor der herrischen Gefangenen Benito Andersson, die es mit ihrer Gang vor allem auf die junge Muslimin Faria Kazi abgesehen hat. Doch erst als Benito ihrem Opfer lebensbedrohlich nahekommt, greift Lisbeth ein und weist die skrupellose Benito ebenso brutal in die Schranken.
Durch diesen Zwischenfall gelingt es ihr, an den Computer des eingeschüchterten Olsen zu kommen und Nachforschungen in eigener Sache zu betreiben: Bei einem seiner seltenen Besuche im Krankenhaus hat Lisbeths alter Mentor, der mittlerweile schwerkranke Holger Palmgren, Unterlagen erwähnt, die darauf hindeuten, dass Lisbeth in ihrer Kindheit Opfer des Missbrauchs durch die Behörden geworden ist.
Zusammen mit Mikael Blomkvist, der durch seine Story über die Verbindung der NSA-Führungsebene mit dem organisierten Verbrechen in Russland die „Millennium“-Zeitschrift wieder populär gemacht hat, versucht sie herauszufinden, welche Verbindung zwischen ihr und dem erfolgreichen Finanzanalysten Leo Mannheimer besteht. Das geplante freie Wochenende vor dem Druck der neuen „Millennium“-Ausgabe fällt für Blomkvist also aus, doch zwischen seinen nur langsam vorankommenden Nachforschungen findet er immerhin noch Zeit, sich mit seiner alten Geliebten Malin Frode zu treffen, die ebenso wie Mannheimer bei der Investmentgesellschaft von Alfred Ögren gearbeitet hatte und nun Pressesprecherin im Außenministerium ist.
„Er war hin- und hergerissen und wusste nicht, was er als Nächstes tun sollte. Lisbeth eine verschlüsselte Nachricht schicken? Ihr berichten, worauf er gestoßen war? Leo Mannheimer konfrontieren, um herauszufinden, ob er auf der richtigen Spur war?
Er trank noch einen Espresso und fühlte plötzlich, wie sehr er Malin vermisste. Wie eine Naturgewalt war sie in null Komma nichts in sein Leben gewirbelt.“ (S. 265) 
Mit seiner auch sehr erfolgreich verfilmten, posthum ab 2005 veröffentlichten „Millennium“-Trilogie hat der schwedische, 2004 an einem Herzinfarkt verstorbene Schriftsteller Stieg Larsson die skandinavische Krimi-Szene ordentlich aufgemischt. Dass von den immerhin zehn geplanten Bänden letztlich nur ein knappes Drittel erscheinen konnte, nahm sich David Lagercrantz der Herausforderung an, die „Millennium“-Reihe fortzusetzen. Zwar konnte der 2015 veröffentlichte vierte Band „Verschwörung“ kaum an das Niveau von Larssons packenden Erzählungen heranreichen, aber doch die dem Publikum ans Herz gewachsenen Figuren von Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist mit glaubwürdigem Leben erfüllen.
Im nunmehr fünften Band „Verfolgung“ verknüpft Lagercrantz wieder verschiedene Erzählstränge. Es geht um eine Jagdgesellschaft bei Alfred Ögren, bei der der Psychologe Carl Seger ums Leben gekommen ist, um die Trennung von eineiigen Zwillingen, die zu Forschungszwecken bei gänzlich verschiedenen Adoptiveltern aufwuchsen, um die Qualen, die Faria Kazi in ihrer Familie erleiden musste, weil sie sich mit einem Jungen verabredet hatte, und natürlich um Lisbeths Kindheit, deren Geheimnis nun aufgeklärt wird.
Zwar springt der Autor mit Rückblicken immer mal wieder anderthalb Jahre zurück und schlägt überhaupt recht viele Haken in seinem vielschichtigen Plot, doch bleibt die Spannung dabei stets auf einem hohen Niveau. Leider bleiben bei so vielen Erzählsträngen die Figuren etwas blass. Sowohl Lisbeth Salander als auch Mikael Blomkvist sind immer irgendwie beschäftigt, ihre emotionalen Tiefen werden dabei kaum ausgelotet. Dennoch bietet „Verfolgung“ packenden Thrill, der das „Millennium“-Erbe durchaus würdig fortführt. 
Leseprobe David Lagercrantz - "Verfolgung"

Stieg Larsson - (Millennium: 1) „Verblendung“

Donnerstag, 10. Februar 2011

(Heyne, 688 S., Tb.)
Wie jedes Jahr bekommt der Großindustrielle Henrik Vanger auch zu seinem 82. Geburtstag anonym eine gepresste Blume in einem Bilderrahmen zugeschickt, so wie es seine Großnichte Harriet seit 1958 zu tun pflegte. Allerdings ist Harriet seit damals spurlos verschwunden. Der alte Vanger vermutet, dass sie umgebracht wurde, doch ihre Leiche konnte nie gefunden werden. Vor dreißig Jahren war das alljährliche Eintreffen der jeweils unterschiedlichen Blumen noch Gegenstand von kriminaltechnischen Analysen gewesen, mittlerweile wissen nur noch ein pensionierter Kommissar, Vanger selbst und der mysteriöse Versender von den seltsamen Geburtstagsblumen, die mal aus Madrid oder Bonn, aus Paris oder zuletzt aus Stockholm kamen.
Um dieses Rätsel endlich zu lösen, engagiert Vanger den Journalisten Carl Mikael Blomkvist, der gerade von einem Gericht zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe und 150000 Kronen Schadenersatz verurteilt worden ist, weil er den Industriellen Hans-Erik Wennerström in einem Artikel in der Zeitschrift „Millennium“ beschuldigt hatte, staatliche Mittel, die für Investitionen in Polen gedacht waren, für Waffengeschäfte missbraucht zu haben. Viel schlimmer als die empfindliche Strafe trifft Mikael allerdings der Verlust des Vertrauens in seinen journalistischen Spürsinn. Henrik Vangers Auftrag, das Verschwinden von Harriet aufzuklären, kommt ihm gerade recht, um Abstand zu der Sache zu bekommen und sich zu überlegen, wie es mit „Millennium“ und seiner Karriere weitergehen soll. Vanger hat seinen Anwalt
Frode beauftragt, den Background von Blomkvist zu überprüfen, worauf dieser Milton Security mit der Recherche beauftragte. Die überaus unkonventionelle, mit etlichen Tattoos und Piercings versehene Lisbeth Salander erstattet Frode ausführlich Bericht und lässt die Vermutung verlauten, dass Blomkvist bei der Wennerström-Affäre hereingelegt worden ist.
Als es für Blomkvist darum geht, die Geschichte der Familie Vanger auf der Insel Hedeby zu recherchieren, nimmt er die Mithilfe von Salander in Anspruch, weil sie sich als raffinierte Computer-Spezialistin erweist. Aber sie trägt auch ihre eigene problematische Geschichte mit sich herum. Nachdem sie ihren Vater in dessen Auto mit Benzin übergossen und angezündet hatte, wurde sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert und schließlich unter Vormundschaft gestellt. Doch ihr neuer Vormund, der Anwalt Bjurman, hat nichts Besseres zu tun, als Lisbeth zu vergewaltigen.
Als Blomkvist nach zwei Monaten aus dem Gefängnis entlassen wird, stößt er in einem Fotoalbum auf ein Bild, das Harriet bei einem Straßenumzug zeigt und wie sie verängstigt oder zornig jemand Bekannten ansieht. Doch bevor sie Henrik davon erzählen konnte, verschwand sie. Blomkvist und Salander stoßen auf komplizierte Verhältnisse und dunkle Machenschaften in der Vanger-Familienchronik …
Mit dem ersten Teil seiner „Millennium“-Trilogie präsentiert der leider schon 2004 verstorbene schwedische Autor Stieg Larsson auf den ersten Blick einen Kriminalfall, der über dreißig Jahre lang ungeklärt geblieben ist. Doch in erster Linie geht es um „Männer, die Frauen hassen“, wie der schwedische Originaltitel „Män som hatar kvinnor“ übersetzt lautet. Das ist nicht nur der Hintergrund der Familientragödie, die sich damals auf der durch einen Unfall abgeriegelten Insel zugetragen hat, sondern auch die ganz persönliche Geschichte der 26-jährigen Ermittlerin Lisbeth Salander, die mit dem engagierten Wirtschaftsjournalisten Mikael Blomkvist ein merkwürdiges, aber faszinierendes Team abgibt. Larsson nimmt viel Mühe auf sich, nicht nur die Vanger-Familiengeschichte zu enträtseln, sondern Mikael Blomkvist Lebenswandel und Salanders komplizierte Psyche zu beschreiben. Am Ende sind zwar der eigentliche Fall gelöst und Blomkvists Reputation wieder hergestellt, aber vor allem Salanders Background bleibt weiterhin größtenteils im Dunkeln. Da bringen erst die folgenden Teile „Verdammnis“ und „Vergebung“ die ersehnte Auflösung.

Stieg Larsson - (Millennium: 2) „Verdammnis“

(Heyne, 751 S., Tb.)
Nach dem erfolgreichen Streich gegen den Industriellen Wennerström, den die Computer-Hackerin Lisbeth Salander um sein illegal erwirtschaftetes Vermögen betrog, trennte sie sich wortlos von dem ehemaligen „Millennium“-Herausgeber Mikael Blomkvist und flog nach Grenada, wo sich die zierliche, gerade mal 1,50 Meter große und 40 Kilo leichte Ermittlerin mit dem fotografischen Gedächtnis einer Brustoperation unterzog und sich von dort aus eine Luxuswohnung in Stockholm kaufte. Nach einem tödlichen Zwischenfall kehrt sie nach Schweden zurück, wo Blomkvist von dem Journalisten Dag Svensson gerade eine Story über Mädchenhandel vorgelegt bekommt. Dessen Freundin Mia Bergman schreibt in ihrer Doktorarbeit über eine skrupellose Sexmafia, die 15- bis 20-jährige Mädchen aus dem sozialen Elend der ehemaligen Ostblockstaaten mit obskuren Jobangeboten nach Schweden lockt.
Nach Svensson Recherchen sind dabei Männer aus den höchsten Gesellschaftskreisen beteiligt. Doch bevor er sein Buchprojekt für „Millennium“ abschließen kann, werden Svensson und seine Freundin von Mikael tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Als Tatwaffe stellt die Polizei eine Pistole sicher, die auf den Anwalt Nils Bjurman zugelassen ist und auf der sich die Fingerabdrücke von Lisbeth Salander befinden. Schließlich findet die Polizei auch Bjurman tot in seiner Wohnung vor, auf dem Bauch amateurhaft die Worte tätowiert: „Ich bin ein sadistisches Schwein, ein Widerling und ein Vergewaltiger“. Während Salander als Mordverdächtige gesucht wird und untertaucht, versucht Blomkvist, ihre Unschuld zu beweisen. In einer Mail, die Svensson vor seinem Tod an Blomkvist geschrieben hatte, erwähnte er einen osteuropäischen Gangster namens Zala, dem er eventuell ein eigenes Kapitel widmen wollte.
Auch von Salander bekommt Blomkvist diesen Namen zugespielt.
„Mikael starrte auf den Namen. Dag Svensson hatte bei ihrem letzten Telefongespräch von Zala gesprochen, zwei Stunden bevor er ermordet wurde.
Was will sie damit sagen? Sollte Zala am Ende die Verbindung zwischen Bjurman, Dag und Mia sein? Wie? Warum? Wer ist Zala? Und woher weiß Lisbeth Salander davon? Wie kommt sie in Spiel?“ (S. 402)
Je mehr Blomkvist in Sachen Salander nachforscht und dabei der Polizei dank Lisbeths Unterstützung immer einen Schritt voraus ist, desto mehr erfährt er auch über den Hintergrund von Lisbeths Geschichte, die unmittelbar mit dem Mädchenhandel in Verbindung zu stehen scheint …
Einmal beleuchtet Stieg Larsson ein düsteres Kapitel international organisierter Verbrechen und knüpft damit nahtlos an den extrem spannenden Auftakt seiner „Millennium“-Trilogie an. Faszinierend ist dabei nicht nur das Katz-und-Maus-Spiel, das Salander sowohl mit Blomkvist als auch der Polizei betreibt, sondern die wieder sehr detaillierten Charakterisierungen, mit denen Larsson überaus schillernde Figuren – allen voran die in jeder Hinsicht ungewöhnliche Lisbeth Salander – geschaffen hat, denen man als Leser wie gebannt folgt.
Lesen Sie im Buch: Larsson, Stieg - Verdammnis

Stieg Larsson - (Millennium: 3) „Vergebung“

(Heyne, 862 S., Tb.)
Lisbeth Salander hat die Konfrontation mit ihrem Vater, dem ehemaligen russischen Agenten Alexander Zalatschenko, der als Überläufer in Schweden mit neuer Identität verbrecherische Geschäfte im großen Stil abwickelt, und ihrem Bruder, dem Zwei-Meter-Riesen Ronald Niedermann, schwer verletzt überlebt. Zwar konnte sie Zala eine Axt ins Gesicht und ins ohnehin schon lädierte Bein hauen, doch hat er Lisbeths Attacke ebenso überlebt wie sie die Kugel, die sie in den Kopf geschossen bekam. Nun liegen beide nur wenige Meter voneinander entfernt in der Intensivstation des Göteborger Sahlgrenska-Krankenhauses.
Vor allem Salander braucht eine längere Regenerationszeit, aber früher oder später muss sie sich der Polizei und der Anschuldigung stellen, einen weiteren Mordanschlag auf ihren Vater verübt und zwei weitere Menschen schwer verletzt zu haben. Eine geheime Sektion der schwedischen Sicherheitspolizei versucht derweil, Zalatschenko endgültig aus dem Verkehr zu ziehen, bevor dieser das ganze Unternehmen gefährden kann. Und Mikael Blomkvist arbeitet wie besessen daran, Lisbeths Unschuld zu beweisen und die Verschwörung aufzudecken, die über Jahre hinweg gegen sie inszeniert worden war.
„Er erklärte Schritt für Schritt, wie sie mit einer Bande Kalter Krieger der RPF/Sich aneinandergeraten und in die Kinderpsychiatrie gesperrt worden war, damit sie Zalatschenkos Geheimnis nicht verraten konnte. (…) Die Verschwörung gegen Lisbeth Salander – er bezeichnete die Verschwörer in Gedanken als Zalatschenko-Klub – kam aus den Reihen der Sicherheitspolizei. Er kannte einen Namen, Gunnar Björck, aber Gunnar Björck konnte unmöglich der einzige Verantwortliche sein. Es musste eine ganze Gruppe geben, eine Art Abteilung. Es musste Chefs, Verantwortliche und ein Budget geben. Doch er hatte keine Ahnung, wie er es anstellen sollte, diese Personen zu identifizieren. Wo sollte er beginnen?“ (S. 189f.)
Zusammen mit seiner Schwester Annika Giannini, die Lisbeth als Anwältin vertritt, versucht „Kalle“ Blomkvist herauszufinden, welche Gruppierung innerhalb der Sicherheitspolizei seit 1991 konsequent versucht hat, Zalatschenko zu decken und gleichzeitig dessen Tochter wegzusperren. Dabei scheint vor allem Dr. Peter Teleborian eine besondere Rolle zu spielen, der als Chefarzt der psychiatrischen St.-Stefans-Klinik in Uppsala mit seinem Gutachten dafür gesorgt hat, dass Lisbeth Salander für unmündig und geisteskrank erklärt worden ist …
Da der schwedische Autor Stieg Larsson leider im Jahre 2004 an den Folgen eines Herzinfarkts gerade mal 60-jährig verstorben ist, bedeutet „Vergebung“ leider schon den Abschluss seiner „Millennium“-Reihe, die eigentlich auf zehn Teile angelegt war, es aber nur bis zur Trilogie geschafft hat.
Dennoch stellt „Vergebung“ einen würdigen Abschluss der komplexen Thriller-Reihe um die beiden so verschiedenen Ermittler Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander. Nachdem im vorangegangenen „Verdammnis“ Lisbeth im Mittelpunkt des oft actionreichen Geschehens stand, muss sie sich nun erst im Krankenhaus auszukurieren und dann vor Gericht verantworten. Nun ist es allein an Mikaels und seinen vielen Helfershelfern, Lisbeths Unschuld zu beweisen, wofür Larsson tief in die politischen Strukturen und Geschichte Schwedens eintaucht. „Vergebung“ ist trotz aller Komplexität eine äußerst spannende Genre-Mixtur aus Justizdrama, Politikthriller und Gesellschaftsroman und fasziniert vor allem durch die detaillierte Zeichnung seiner so unterschiedlichen Figuren.