(btb, 352 S., Tb.)
Der 1936 im texanischen Houston geborene James Lee Burke
gilt bereits seit den 1960er Jahren als neue, prägende Stimme des
amerikanischen Südens und hat hierzulande vor allem durch seine epische, 24
Bände umfassende Reihe um den Detective Dave Robicheaux Furore gemacht. Mit
seinem neuen Roman „Im Süden“ hält sich Burke ungewöhnlich kurz, präsentiert
die vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs spielende Geschichte aber aus der
Perspektive mehrerer Personen, deren Schicksal auf tragische Weise miteinander
verknüpft ist.
Einst hat Wade Lufkin als Sanitäter im Krieg gedient, trägt
noch immer eine Minié-Kugel in seinem Bein und lebt nun auf der Plantage seines
Onkels Charles, malt Vögel und hegt eine besondere Vorliebe für die junge
Kreolin Hannah Laveau, die sein Onkel vor einem Jahr auf dem Sklavenmarkt in
New Orleans gekauft hatte. Sie war zuvor als Köchin bei den Südstaatensoldaten in
Shiloh Church tätig gewesen und hat dort ihren Sohn Samuel verloren, den sie
schrecklich vermisst. Als der brutale Minos Suarez, an den Hannah von Lufkins
Onkel eine Zeitlang vermietet worden war, ermordet und zerstückelt am Spanish
Lake aufgefunden wird, zählt Hannah zu den Hauptverdächtigten und wird von Constable
Pierre Cauchon gesucht, der in gleich drei Gemeinden für Ruhe und Ordnung zu
sorgen hat. Hannah gelingt mit Hilfe der abolitionistischen, sterbenskranken
Lehrerin Florence Milton die Flucht, doch weder Cauchon noch die Sklavenfänger,
die in den Bayous ihr Unwesen treiben, lassen die beiden Frauen zur Ruhe
kommen. Und dann ist da noch der brutale Colonel Carleton Hayes, der sich nur
der Fahne Schottlands verpflichtet sieht und seine eigene Freischärler-Armee
zusammengestellt hat. Als sich diese Menschen immer wieder auf die eine oder
andere Weise über den Weg laufen, haben romantische Gefühle kaum eine Chance,
dafür umso mehr Hass und Gewalt…
„Darf ich Ihnen etwas verraten? Ich glaube, wir erleben gerade das Vorspiel zum endgültigen Niedergang unserer Nation. Die Zivilisation folgt dem Lauf der Sonne. Wir haben uns den Weg zum anderen Ende des Kontinents verbrannt. Egal wie viel wir geraubt haben, egal wie viele Lebewesen wir getötet haben, es war nie genug. Das Versinken der geschmolzenen Kugel im Pazifik hat eine Dimension, die mich erschaudern lässt.“ (S. 330)
James Lee Burke hat sich bereits mit seiner fast
unzähligen, aber allesamt im Süden der USA abspielenden Romanen als ausgewiesener
Kenner der Geschichte und vor allem der soziokulturellen Atmosphäre dort
präsentiert, doch lässt er mit „Im Süden“ erstmals einen Roman zur für die
amerikanische Nation besonders prägenden Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs spielen.
Indem er verschiedene Protagonist:innen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen
Schichten aus ihrer jeweils eigenen Perspektive die Geschichte erzählen lässt, entsteht
zumindest ein sehr vielschichtiges Bild der Motivationen und Einstellungen, mit
denen die Figuren den Krieg aus der Sicht des Südens erleben.
So gelungen die
einzelnen Erzählstränge auch sind, weil Burke sich einmal mehr als Meister
der Sprache, des Stils und der Atmosphäre erweist, wird die Dramaturgie der
Geschichte durch die oft wechselnden Perspektiven zu oft aufgebrochen, um echte
Spannung zu erzeugen. Dafür wird besonders deutlich, welche Opfer jede(r) Einzelne
auf sich nimmt, um möglichst unbeschadet aus den kriegerischen
Auseinandersetzungen hervorzugehen. Während die ehemalige Sklavin Hannah nur
darauf bedacht ist, wieder mit ihrem verlorenen Sohn vereint zu sein, geht es Anderen
um die Wahrung ihres Besitzes, der Gerechtigkeit (was immer man darunter auch
verstehen mag) oder schlichten Ruhm. Bei so vielen gleichberechtigt nebeneinanderstehenden
Figuren und relativ wenig Seiten fällt es schwer, Identifikationspotenziale mit
den Figuren auszumachen.
So ist „Im Süden“ zwar nicht der beste Roman
des Autors, auch wenn er selbst ihn dafür hält, aber natürlich ist das immer
noch ein starkes Stück amerikanischer Literatur, deren historischer Sprengstoff
bis heute nachhallt.
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