James Lee Burke – (Dave Robicheaux: 24) „Clete“

Montag, 22. September 2025

(Pendragon, 346 S., Pb.)
Mit seiner Reihe um den ehemaligen Detective des NOPD, Dave Robicheaux, hat der ebenfalls aus dem amerikanischen Süden stammende Schriftsteller James Lee Burke eine charismatische Kultfigur geschaffen, die seit Ende der 1980er Jahre mittlerweile in über zwanzig Bänden gegen von Rassismus und Habgier getriebenen Verbrechen ermittelt, in der Regel an der Seite seines ehemaligen Partners beim NOPD, Clete Purcel, der mittlerweile als Privatdetektive tätig ist und daher sich nicht so sehr eng an die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Strafverfolgung halten muss wie seine andere Hälfte der „Bobbsey Twins von der Mordkommission“. Für den mittlerweile 24. Band hat sich Burke einen interessanten Perspektivwechsel zunutze gemacht, um den Fall, an dem Robicheaux und Purcel arbeiten, von Clete Purcel als Ich-Erzähler schildern zu lassen.
Ende der 1990er Jahre, also vor dem Wüten von Hurrikan Katrina und den Terroranschlägen von 9/11, die für immer die Seele des Landes verändern sollten, teilten Clete Purcel und sein Freund Dave Robicheaux ihre Zeit zwischen New Orleans und New Iberia auf. Purcel hatte gerade einen lavendelfarbenen 1959er Eldorado mit löchrigem weißem Verdeck erstanden, den er liebevoll restauriert, lackiert und mit einer Stereoanlage ausstattete, bevor er ihn in Algiers zu Eddy Durbin in die Waschanlage auf der anderen Seite des Flusses gab. Doch kaum hat er den Wagen wieder abgeholt, wird Clete Zeuge, wie ein am ganzen Körper mit Tattoos übersäter Mann mit seinen Leuten seinen Caddy ausschlachtet und Clete schließlich mit einem Brecheisen niederschlägt. Doch bevor sich Clete damit auseinandersetzen kann, was die Typen in seinem Wagen offensichtlich vergeblich gesucht haben, muss er für den Kautionsvermittler eine Tänzerin namens Gracie Lamar auf der Bourbon Street aufspüren. Sie hatte ihrem Boss Winston „Sperm-O“ Sellers, der ihre Kaution stellte, einen Tritt ins Gesicht verpasst, war dann nicht zum vereinbarten Gerichtstermin erschienen. Aus Sellers‘ „Obhut“ befreien Dave und Clete auch die junge Asiatin Chen. Als hätte Clete mit der Fürsorge für Grace Lamar und dem Entzug für Chen nicht schon genug zu tun, taucht mit der attraktiven Schauspielerin Clara Bow eine Klientin auf, von der er sich besser ferngehalten hätte. Sie und ihr Noch-Ehemann sorgen für einige Unruhe in der Gegend. Dabei geht es nicht nur um gewöhnliche Drogen, sondern eine tödliche Chemikalie, die auf das FBI auf den Plan ruft…

„Uns gingen bald die Möglichkeiten aus, und die Leute, die uns töten würden, würden immer weiter töten und töten und töten. Klingt das nach Wahnsinn? Gut möglich. Aber seht euch um. Wieviel Wahnsinn seht ihr auf den Straßen Amerikas? Vielleicht sehr ihr ihn nicht oder vielleicht nur in seinem Anfangsstadium. Ich sehe ihn überall. Es könnte sein, dass das Problem bei mir liegt.“ (S. 238)

So hervorragend eine Krimi-Serie auch sein mag, früher oder später stellen sich zwangsläufig Abnutzungserscheinungen ein. Das ist bei langjährigen Romanreihen wie Lee Childs Geschichten um den Ex-Militärpolizisten Reacher ebenso zu beobachten wie bei James Pattersons Alex-Cross-Romanen. James Lee Burke versucht diese Falle zu umgehen, indem er in „Clete“ die Geschichte von Dave Robicheaux‘ Freund und Partner Clete Purcel erzählen lässt, doch fällt es anfangs schwer, den Ich-Erzähler mit dem Bild in Einklang zu bringen, das sich das Publikum über all die Jahre von Clete Purcel gemacht hat, wie es Robicheaux vermittelte. Doch nicht nur die veränderte Perspektive macht die Lektüre des bislang kürzesten Romans der Reihe problematisch, auch die Story fesselt nicht mehr so stark, weil die altbekannte Sorte von Gangstern ihr Unwesen treibt und die Bobbsey Twins zu drastischen Maßnahmen greifen lässt. Die Vielzahl der Figuren und der etwas wirr konstruierte Plot trüben dabei das übliche Lesevergnügen ebenso wie Cletes mystische Wahrnehmung von Jeanne d’Arc, die er immer wieder in entscheidenden Momenten sieht. Dafür ist James Lee Burke einmal mehr die Beschreibung der wilden Landschaft und der verdorbenen Atmosphäre hervorragend gelungen, in der immer wieder unschuldigen Menschen großes Leid zugefügt wird. Das wird nicht nur durch die konkreten Bezüge zu den Verbrechen der Nazis an den Juden deutlich, sondern das gesellschaftspolitische Klima lässt sich problemlos auf die heutige Zeit übertragen. 
Am Ende sind es James Lee Burkes eleganter Schreibstil, die knackigen Dialoge und die stimmige Beschreibung von Landschaft und Leuten, die „Clete“ doch noch lesenswert machen, auch wenn der Roman hinter die früheren Robicheaux-Werke abfällt.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen