(Pendragon, 346 S., Pb.)
Mit seiner Reihe um den ehemaligen Detective des NOPD, Dave
Robicheaux, hat der ebenfalls aus dem amerikanischen Süden stammende Schriftsteller
James Lee Burke eine charismatische Kultfigur geschaffen, die seit Ende
der 1980er Jahre mittlerweile in über zwanzig Bänden gegen von Rassismus und
Habgier getriebenen Verbrechen ermittelt, in der Regel an der Seite seines
ehemaligen Partners beim NOPD, Clete Purcel, der mittlerweile als Privatdetektive
tätig ist und daher sich nicht so sehr eng an die gesetzlichen
Rahmenbedingungen der Strafverfolgung halten muss wie seine andere Hälfte der „Bobbsey
Twins von der Mordkommission“. Für den mittlerweile 24. Band hat sich Burke
einen interessanten Perspektivwechsel zunutze gemacht, um den Fall, an dem Robicheaux
und Purcel arbeiten, von Clete Purcel als Ich-Erzähler schildern zu lassen.
Ende der 1990er Jahre, also vor dem Wüten von Hurrikan
Katrina und den Terroranschlägen von 9/11, die für immer die Seele des Landes
verändern sollten, teilten Clete Purcel und sein Freund Dave Robicheaux ihre
Zeit zwischen New Orleans und New Iberia auf. Purcel hatte gerade einen
lavendelfarbenen 1959er Eldorado mit löchrigem weißem Verdeck erstanden, den er
liebevoll restauriert, lackiert und mit einer Stereoanlage ausstattete, bevor
er ihn in Algiers zu Eddy Durbin in die Waschanlage auf der anderen Seite des
Flusses gab. Doch kaum hat er den Wagen wieder abgeholt, wird Clete Zeuge, wie
ein am ganzen Körper mit Tattoos übersäter Mann mit seinen Leuten seinen Caddy
ausschlachtet und Clete schließlich mit einem Brecheisen niederschlägt. Doch
bevor sich Clete damit auseinandersetzen kann, was die Typen in seinem Wagen
offensichtlich vergeblich gesucht haben, muss er für den Kautionsvermittler
eine Tänzerin namens Gracie Lamar auf der Bourbon Street aufspüren. Sie hatte
ihrem Boss Winston „Sperm-O“ Sellers, der ihre Kaution stellte, einen Tritt ins
Gesicht verpasst, war dann nicht zum vereinbarten Gerichtstermin erschienen. Aus
Sellers‘ „Obhut“ befreien Dave und Clete auch die junge Asiatin Chen. Als hätte
Clete mit der Fürsorge für Grace Lamar und dem Entzug für Chen nicht schon genug
zu tun, taucht mit der attraktiven Schauspielerin Clara Bow eine Klientin auf, von
der er sich besser ferngehalten hätte. Sie und ihr Noch-Ehemann sorgen für
einige Unruhe in der Gegend. Dabei geht es nicht nur um gewöhnliche Drogen,
sondern eine tödliche Chemikalie, die auf das FBI auf den Plan ruft…
„Uns gingen bald die Möglichkeiten aus, und die Leute, die uns töten würden, würden immer weiter töten und töten und töten. Klingt das nach Wahnsinn? Gut möglich. Aber seht euch um. Wieviel Wahnsinn seht ihr auf den Straßen Amerikas? Vielleicht sehr ihr ihn nicht oder vielleicht nur in seinem Anfangsstadium. Ich sehe ihn überall. Es könnte sein, dass das Problem bei mir liegt.“ (S. 238)
So hervorragend eine Krimi-Serie auch sein mag, früher oder
später stellen sich zwangsläufig Abnutzungserscheinungen ein. Das ist bei langjährigen
Romanreihen wie Lee Childs Geschichten um den Ex-Militärpolizisten Reacher
ebenso zu beobachten wie bei James Pattersons Alex-Cross-Romanen. James
Lee Burke versucht diese Falle zu umgehen, indem er in „Clete“ die
Geschichte von Dave Robicheaux‘ Freund und Partner Clete Purcel erzählen lässt,
doch fällt es anfangs schwer, den Ich-Erzähler mit dem Bild in Einklang zu
bringen, das sich das Publikum über all die Jahre von Clete Purcel gemacht hat,
wie es Robicheaux vermittelte. Doch nicht nur die veränderte Perspektive macht
die Lektüre des bislang kürzesten Romans der Reihe problematisch, auch die
Story fesselt nicht mehr so stark, weil die altbekannte Sorte von Gangstern ihr
Unwesen treibt und die Bobbsey Twins zu drastischen Maßnahmen greifen lässt. Die
Vielzahl der Figuren und der etwas wirr konstruierte Plot trüben dabei das übliche
Lesevergnügen ebenso wie Cletes mystische Wahrnehmung von Jeanne d’Arc, die er
immer wieder in entscheidenden Momenten sieht. Dafür ist James Lee Burke
einmal mehr die Beschreibung der wilden Landschaft und der verdorbenen Atmosphäre
hervorragend gelungen, in der immer wieder unschuldigen Menschen großes Leid
zugefügt wird. Das wird nicht nur durch die konkreten Bezüge zu den Verbrechen
der Nazis an den Juden deutlich, sondern das gesellschaftspolitische Klima
lässt sich problemlos auf die heutige Zeit übertragen.
Am Ende sind es James
Lee Burkes eleganter Schreibstil, die knackigen Dialoge und die stimmige
Beschreibung von Landschaft und Leuten, die „Clete“ doch noch lesenswert
machen, auch wenn der Roman hinter die früheren Robicheaux-Werke abfällt.
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