(beTHRILLED, 577 S., E-book)
Seit David Baldacci Mitt der 2000er Jahre mit den
Serien um die beiden Ex-Secret-Service-Agenten Sean King und Michelle Maxwell
und den Camel Club Gefallen an – wenn zumeist auch nur kurzen - Romanreihen, an
denen Erfolgsautoren wie James Patterson, Michael Connelly und Lee
Child seit jeher arbeiten, gefunden hat, sind nur noch wenige
alleinstehende Romane des ehemaligen Strafverteidigers und Wirtschaftsjuristen
erschienen. Sein wichtigster Roman aus der überschaubaren Anzahl in dieser
Hinsicht ist auch sein erster, wenn auch nicht bester gewesen, der unmittelbar nach
Veröffentlichung von und mit Clint Eastwood verfilmte Thriller „Absolute
Power“, der hierzulande von Bastei Lübbe unter dem Titel „Der Präsident“
verlegt und nun (zusammen mit den anderen Baldacci-Frühwerken) in dem
Lübbe-E-book-Imprint beTHRILLED neu aufgelegt worden ist.
Der 66-jährige Luther Whitney hat seinen Lebensunterhalt als
Einbrecher verdient und durch die vielen Jahren im Gefängnis die Beziehung zu
seiner Tochter Kate zerrüttet, die als Protest gegen den Lebenswandel ihres
Vaters Staatsanwältin geworden ist. Nun will Luther einen letzten großen Coup
landen und dringt in das zuvor sorgfältig ausgekundschaftete und derzeit
verlassene Anwesen des Milliardärs Walter Sullivan in Middleton, Virginia, ein.
Er schaltet die Alarmanlage aus und ist gerade dabei, den Safe im Tresorraum am
Schlafzimmer auszuräumen, als er bemerkt, dass er unerwünschten „Besuch“
bekommt. Luther versteckt sich im Tresorraum und beobachtet durch den Einwegfenster,
wie ausgerechnet der verheiratete, stark angetrunkene und von Sullivan seit
Jahren unterstützte US-Präsident Alan J. Richmond dessen junge Frau Christy zu
brutalem Sex animieren will. Als sie sich lautstark mit einem Brieföffner in
der Hand zu wehren versucht, stürmen die beiden Secret-Service-Agenten Bill
Burton und Tim Collin den Raum und erschießen die Frau. Die ebenfalls im Haus
anwesende Stabschefin Gloria Russell lässt die Situation von den beiden Männern
bereinigen, doch stellen die Agenten dabei fest, dass es einen Zeugen gegeben
haben muss, der nicht nur durch das Fenster getürmt ist, sondern auch den verräterischen
Brieföffner hat mitgehen lassen. Luther türmt zunächst ins Ausland, doch als er
die geheuchelte Ansprache des Präsidenten zu dem Mord an der Frau seines
Freundes Walter Sullivan hört, beschließt er, den Präsidenten mit seinem
Vergehen nicht davonkommen zu lassen. Dabei erhofft er sich Hilfe von Jack
Graham, dem ehemaligen Lebensgefährten seiner Tochter, der nun als Anwalt in einer
renommierten Kanzlei Karriere macht und der Kate nach wie vor liebt. Und auch
der ermittelnde Detective Seth Frank zweifelt an den bisherigen Indizien und
Beweisen in dem Fall. Der Präsident und seine ehrgeizige Stabschefin setzen
allerdings alles daran, jedwede Zeugen und Beweise für immer verschwinden zu
lassen. Doch die Rechnung haben sie ohne Luther gemacht…
„Luther holte den Brief aus der Tasche. Er wollte dafür sorgen, dass die Stabschefin ihn just zu dem Zeitpunkt erhielt, wo sie die letzten Anweisungen erwartete. Die Abrechnung. Sie alle würden bekommen, was ihnen zustand. Es war die Mühe wert, Russell Blut schwitzen zu lassen, und das tat sie, ganz bestimmt sogar. So sehr sich Luther auch bemühte, er konnte nicht vergessen, wie die Frau lustvoll den Präsidenten bestiegen hatte, neben einer noch warmen Leiche, als wäre die tote Frau ein Haufen Dreck, den man einfach links liegen ließ. Und dann Richmond. Dieser versoffene, schleimige Bastard!“ (S. 346)
Baldaccis Erstlingswerk ist auf einer spannenden
Prämisse aufgebaut, nämlich den Verfehlungen eines selbstgefälligen, machthungrigen
US-Präsidenten, dem sein von einem unfreiwilligen Zeugen beobachtete Fehltritt
mit Todesfolge zum Verhängnis werden könnte. Der Autor spinnt allerdings ein
allzu unglaubwürdiges Geflecht von Beziehungen und Intrigen, die der anfangs
geschickt aufgebauten Spannung bald den Boden abgraben. Den Zufall, dass ein
gewiefter Einbrecher (ausgerechnet) in einem mit einem Einwegfenster versehenen
Tresorraum beobachtet, wie (ausgerechnet) der amerikanische Präsident Sex mit
der Frau eines vermeintlichen Freundes hat, mag man noch mittragen, doch aus
dem Katz- und Maus-Spiel zwischen den engsten Vertrauten des Präsidenten auf
der einen und Luther und seinen Verbündeten auf der anderen Seite entwickelt
sich ein allzu komplex konstruiertes und zunehmend unglaubwürdiges
Intrigen-Puzzle. Dazu zählt leider auch die oberflächliche Psychologisierung
der Figuren wie die klischeehafte Beziehung zwischen Jack Graham und der vom
alten Geldadel abstammenden Jennifer Baldwin, die Graham zu lösen versucht, um
wieder mit Kate zusammenzukommen, mit der er gemeinsam Kates Vater aus dem
Dilemma zu befreien versucht. Ebenso unglaubwürdig wirkt das Gebaren der Stabschefin,
die tatsächlich den stark alkoholisierten Zustand des von ihr verehren
Präsidenten ausnutzt, um ihn noch am Tatort zu besteigen. Der dramaturgisch uneinheitlich
aufgebaute Plot, die unzureichenden, stark klischeehaften Charakterisierungen
und Motive der Figuren und die vielen unglaubwürdigen Zufälle und Entwicklungen
überdecken dabei das fraglos vorhandene Talent eines Bestseller-Autors, der
erst noch seinen Stil finden muss.