(btb, 537 S., HC)
Seit Anfang der 1990er Jahre hat der schwedische
Schriftsteller Håkan Nesser mit dem in der fiktiven nordeuropäischen Stadt
Maardam wirkenden Hauptkommissar Van Veeteren eine Kultfigur des Skandinavien-Krimis
geschaffen, die ähnlich beliebt zu sein scheint wie Henning Mankells Kommissar
Wallander. 2003 legte Nesser mit „Sein letzter Fall“ den vorerst
letzten Band der Reihe vor, ehe er Van Veeteren fünfzehn Jahre später für den
Roman „Der Verein der Linkshänder“ wieder reaktivierte.
Im Jahre 1987 wird der Privatdetektiv Maarten Verlangen von
der Amerikanerin Barbara Hennan damit beauftragt, ihren Mann Jaan G. Hennan zu
observieren. Ins Detail geht die Frau, die erst vor ein paar Monaten mit ihrem Mann
aus den USA nach Linden gezogen ist, nicht. Für Verlangen ist „G.“ kein
Unbekannter, hat er ihn 1975, als er noch Polizist war, doch hinter Schloss und
Riegel gebracht. Als Verlangen seinem Zielobjekt in eine Kneipe folgt, wird er von
„G.“ angesprochen und als der Polizist wiedererkannt, der ihn damals festgenommen
hatte. Doch von Feindseligkeit keine Spur. Stattdessen kippt er mit dem ehemaligen
Polizisten Whisky, Cognac und Bier an der Theke, bis er angetrunken in sein
Hotelzimmer torkelt. Am Tag darauf meldet Jaan G. Hennan, dass er am Morgen
seine Frau tot im Swimmingpool aufgefunden habe. Offensichtlich hat sie nicht
gemerkt, dass ihr Mann am Tag zuvor das Wasser aus dem Pool gelassen hatte.
Als
Van Veeteren, der damals noch mit seiner Frau Renate verheiratet gewesen war, mit
dem Fall betraut wird, kann er gegen das wasserdichte Alibi, das Hennan zum
Todeszeitpunkt vorweist, nichts ausrichten, obwohl er wie seine Kollegen
felsenfest davon überzeugt ist, dass Hennan seine Frau umgebracht hat, um die 1,2
Millionen Gulden aus der Lebensversicherung zu kassieren, die er erst kürzlich
abgeschlossen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass Hennan diese Nummer
offensichtlich schon mit seiner vorherigen Frau abgezogen hat. Da aber keine
Beweise für ein Verbrechen vorliegen, wird Hennan vor Gericht freigesprochen…
Fünfzehn Jahre später ist Van Veeteren nicht nur geschieden, sondern auch
pensioniert und in einem Buchantiquariat beschäftigt. Eines Tages bekommt er
Besuch von einer Frau, die ihren Vater Maarten Verlangen als vermisst gemeldet
hat und von Kommissar Münster zu ihm geschickt worden ist. Die einzige Spur zu
ihm befindet sich auf einem Zettel mit den Zahlen „14.42“ und der Zeile „G.
Verdammt noch mal, jetzt aber“. Tatsächlich wird die Leiche des Privatdetektivs
wenig später in einem Wald entdeckt, und Van Veeteren und seine Kollegen machen
sich erneut auf die Jagd nach Jaan G. Hennan…
„Das also ist mein letzter Fall, dachte er plötzlich. Mein unwiderruflich letzter Fall. In dem Geschäft, das mein Leben bestimmt hat. Der Mörderjagd. Er musste zugeben, dass der Gedanke stimmte. Unabhängig vom Resultat. Unabhängig davon, ob sie G. auf Grund der vagen Spur finden würden, die Verlangen hinterlassen hatte, oder nicht. Unabhängig davon, ob sie überhaupt etwas erreichen würden. So sah es nun einmal aus. Sein letzter Fall.“ (S. 395)
Ebenso wie in Håkan Nessers früheren Werken dient
auch die Krimihandlung in „Sein letzter Fall“ vor allem dazu, die
Befindlichkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen und die Gemütszustände der
Protagonisten zu erforschen. Nesser nimmt sich viel Zeit, um die Figuren
einzuführen, um auch Van-Veeteren-Neulinge mit dem Wesen und der Biografie des
(ehemaligen) Hauptkommissars vertraut zu machen. Doch auch in der Folge bleibt
das Erzähltempo mehr als verhalten.
Im Vergleich zur US-amerikanischen
Spannungsliteratur erlaubt sich Nesser auch fast nichtssagende Dialoge, die
wenig mit der Auflösung des Falls zu tun haben, aber ein Gefühl für die
Personen vermitteln. Das liest einerseits angenehm erfrischend und macht die
Romanfiguren sehr menschlich, doch bei über 500 Seiten führt dieser Schreibstil
auch schon mal zur Ermüdung der Aufmerksamkeit, die am Ende sogar einem
Stirnrunzeln weicht, wenn Nesser den Kriminalfall etwas arg konstruiert und
unglaubwürdig enden lässt.
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