Håkan Nesser – (Van Veeteren: 10) „Sein letzter Fall“

Mittwoch, 5. Februar 2025

(btb, 537 S., HC)
Seit Anfang der 1990er Jahre hat der schwedische Schriftsteller Håkan Nesser mit dem in der fiktiven nordeuropäischen Stadt Maardam wirkenden Hauptkommissar Van Veeteren eine Kultfigur des Skandinavien-Krimis geschaffen, die ähnlich beliebt zu sein scheint wie Henning Mankells Kommissar Wallander. 2003 legte Nesser mit „Sein letzter Fall“ den vorerst letzten Band der Reihe vor, ehe er Van Veeteren fünfzehn Jahre später für den Roman „Der Verein der Linkshänder“ wieder reaktivierte.
Im Jahre 1987 wird der Privatdetektiv Maarten Verlangen von der Amerikanerin Barbara Hennan damit beauftragt, ihren Mann Jaan G. Hennan zu observieren. Ins Detail geht die Frau, die erst vor ein paar Monaten mit ihrem Mann aus den USA nach Linden gezogen ist, nicht. Für Verlangen ist „G.“ kein Unbekannter, hat er ihn 1975, als er noch Polizist war, doch hinter Schloss und Riegel gebracht. Als Verlangen seinem Zielobjekt in eine Kneipe folgt, wird er von „G.“ angesprochen und als der Polizist wiedererkannt, der ihn damals festgenommen hatte. Doch von Feindseligkeit keine Spur. Stattdessen kippt er mit dem ehemaligen Polizisten Whisky, Cognac und Bier an der Theke, bis er angetrunken in sein Hotelzimmer torkelt. Am Tag darauf meldet Jaan G. Hennan, dass er am Morgen seine Frau tot im Swimmingpool aufgefunden habe. Offensichtlich hat sie nicht gemerkt, dass ihr Mann am Tag zuvor das Wasser aus dem Pool gelassen hatte. 
Als Van Veeteren, der damals noch mit seiner Frau Renate verheiratet gewesen war, mit dem Fall betraut wird, kann er gegen das wasserdichte Alibi, das Hennan zum Todeszeitpunkt vorweist, nichts ausrichten, obwohl er wie seine Kollegen felsenfest davon überzeugt ist, dass Hennan seine Frau umgebracht hat, um die 1,2 Millionen Gulden aus der Lebensversicherung zu kassieren, die er erst kürzlich abgeschlossen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass Hennan diese Nummer offensichtlich schon mit seiner vorherigen Frau abgezogen hat. Da aber keine Beweise für ein Verbrechen vorliegen, wird Hennan vor Gericht freigesprochen… 
Fünfzehn Jahre später ist Van Veeteren nicht nur geschieden, sondern auch pensioniert und in einem Buchantiquariat beschäftigt. Eines Tages bekommt er Besuch von einer Frau, die ihren Vater Maarten Verlangen als vermisst gemeldet hat und von Kommissar Münster zu ihm geschickt worden ist. Die einzige Spur zu ihm befindet sich auf einem Zettel mit den Zahlen „14.42“ und der Zeile „G. Verdammt noch mal, jetzt aber“. Tatsächlich wird die Leiche des Privatdetektivs wenig später in einem Wald entdeckt, und Van Veeteren und seine Kollegen machen sich erneut auf die Jagd nach Jaan G. Hennan…
„Das also ist mein letzter Fall, dachte er plötzlich. Mein unwiderruflich letzter Fall. In dem Geschäft, das mein Leben bestimmt hat. Der Mörderjagd. Er musste zugeben, dass der Gedanke stimmte. Unabhängig vom Resultat. Unabhängig davon, ob sie G. auf Grund der vagen Spur finden würden, die Verlangen hinterlassen hatte, oder nicht. Unabhängig davon, ob sie überhaupt etwas erreichen würden. So sah es nun einmal aus. Sein letzter Fall.“ (S. 395)
Ebenso wie in Håkan Nessers früheren Werken dient auch die Krimihandlung in „Sein letzter Fall“ vor allem dazu, die Befindlichkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen und die Gemütszustände der Protagonisten zu erforschen. Nesser nimmt sich viel Zeit, um die Figuren einzuführen, um auch Van-Veeteren-Neulinge mit dem Wesen und der Biografie des (ehemaligen) Hauptkommissars vertraut zu machen. Doch auch in der Folge bleibt das Erzähltempo mehr als verhalten. 
Im Vergleich zur US-amerikanischen Spannungsliteratur erlaubt sich Nesser auch fast nichtssagende Dialoge, die wenig mit der Auflösung des Falls zu tun haben, aber ein Gefühl für die Personen vermitteln. Das liest einerseits angenehm erfrischend und macht die Romanfiguren sehr menschlich, doch bei über 500 Seiten führt dieser Schreibstil auch schon mal zur Ermüdung der Aufmerksamkeit, die am Ende sogar einem Stirnrunzeln weicht, wenn Nesser den Kriminalfall etwas arg konstruiert und unglaubwürdig enden lässt.

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