(DuMont, 208 S., HC)
Daniel Glattauer, 1960 in Wien geboren, begann seine
Karriere nach dem Abschluss seines Pädagogik- und Kunstgeschichte-Studiums bei „Die
Presse“ und als Autor von Kolumnen, Gerichtsreportagen und Feuilletons bei der
Tageszeitung „Der Standard“, ehe 1997 mit „Theo und der Rest der Welt“
sein erster Roman veröffentlicht wurde und gesammelte Kolumnen in verschiedenen
Bänden zusammengefasst wurden. Hierzulande wurde Glattauer mit dem 2006
veröffentlichten Roman „Gut gegen Nordwind“, ein E-Mail-Roman, der 2019
mit Nora Tschirner und Alexander Fehling in den Hauptrollen
verfilmt wurde. Nun stellt Glattauer sein neues Buch „In einem Zug“
vor, mehr Novelle als Roman.
Der Schriftsteller Eduard Brünhofer ist zu einem – wahrscheinlich
- unangenehmen Termin mit seinem Verlag in München unterwegs. Der erfolgreiche
Autor von Liebesromanen hat seit dreizehn Jahren nämlich nichts mehr
veröffentlicht, was den Verlag offensichtlich beunruhigt. Doch bevor Brünhofer
zu sehr ins Grübeln gerät, als er den Zug in Wien besteigt und sich in ein
Abteil setzt, in dem ihm diagonal gegenüber am Fenster bereits eine Frau frühen
mittleren Alters. Wie er selbst ist sie weder mit Lesen noch mit Hören oder
Schlafen beschäftigt, aber natürlich taxiert man sich gegenseitig, wobei sich
der Schriftsteller bereits fragt, wie eine Gesprächseröffnung zwischen ihnen
aussehen könnte. Ob er wohl erkannt worden ist? Entsprechend überrascht
reagiert er, als die Frau ihn mit ihrem alten Englischlehrer verwechselt hat. Interessant
wird es, als sich die beiden einander vorstellen, er als DER Eduard Brünhofer,
sie als Physio- und Psychotherapeutin Catrin Meyr, die ebenfalls nach München
unterwegs ist. Also viel Zeit zum Unterhalten. Nach den üblichen
Einstiegsfragen („Wie wird man so sein erfolgreicher Schriftsteller wie Sie?“)
geht es schnell ins Eingemachte, denn die Therapeutin erweist sich mit ihren
Fragen als sehr hartnäckig, hakt immer wieder nach und bringt den seit Jahren
in seiner Profession untätigen Schriftsteller in Bedrängnis, als es um das
große Thema Liebe geht. Da prallen nämlich zwei Welten aufeinander. Während
Catrin zu ihrem verheirateten Teilzeit-Geliebten unterwegs ist und bekennt, für
Langzeitbeziehungen nicht gemacht zu sein, schwärmt Eduard von seiner
langjährigen Ehe mit Gina, eigentlich Regina, aus der eine mittlerweile
erwachsene Tochter namens Tanja hervorgegangen ist. Schließlich will Catrin aus
erster Hand das Erfolgsrezept einer glücklichen Langzeitbeziehung erfahren, was
Eduard zwingt, darüber zu sinnieren, was er an Gina besonders schätzt…
„Die Liebe, die ich lebe, ist anderer Natur. Es ist meine private Liebe, die gehört mir, die verträgt sich nicht mit den Illusionen und Sehnsüchten eines ewig nach Gefühlsräuschen heischenden Lesepublikums. Ich liebe Gina, wenn ich sehe, mit welcher Hingabe sie unsere Fensterauslagen dekoriert. Ich liebe Tanja, wenn ich beobachte, wie sie ihre Alpakas streichelt und ihnen ihre Geheimnisse zuflüstert. Das ist meine Leidenschaft. Das ist meine Liebe. Die lebt in meinem Alltag. Die findet keinen Platz in einem Buch.“
Bereits mit seinem Erfolgsroman „Gut gegen Nordwind“
hat Daniel Glattauer bewiesen, dass er der Art, Liebesromane zu
schreiben, neue Formen der Narration abgewinnen kann, indem er die beiden
Protagonisten ihre Liebe durch einen anregenden E-Mail-Verkehr entwickeln
lässt. Für seinen neuen Roman mit dem doppeldeutigen Titel „In einem Zug“
beschränkt Glattauer das Setting nahezu auf ein Zugabteil, so dass der
Kurzroman gut als Zwei-Personen-Stück auf einer Bühne aufgeführt werden könnte.
Aus diesem interessanten Setting heraus entwickelt sich ein zunächst spannendes
Geplänkel über das Wesen des Schreibens und vor allem über die Liebe. Bei
einigen Mini-Fläschchen Rotwein aus dem Zug-Bistro fallen einige Schranken,
aber nicht alle Hemmungen. Eduard und Catrin kommen sich nur intellektuell
näher. Ungewöhnliche Weisheiten über die Liebe bekommt die Leserschaft
allerdings nicht geboten. „In einem Zug“ scheint eher dazu zu dienen, Glattauer
durch sein Alter ego Eduard mit einer Mischung aus Selbstironie und Eitelkeit von
dem Leben eines Romanschriftstellers zu erzählen, wobei er sich mal sprachlich gewitzt,
mal selbstgefällig und profan gibt. Die gut 200 Seiten lesen sich allerdings
wie in einem Zug, auch wenn das konstruierte Ende einen schalen
Nachgeschmack hinterlässt.
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