Stephen King – „Das Monstrum. Tommyknockers“

Montag, 27. Januar 2025

(Hoffmann und Campe, 688 S., HC)
Stephen King hatte 1986 mit „Es“ sein Magnum Opus abgeliefert und damit die Messlatte für seine zahlreichen Epigonen, aber für sich selbst ebenfalls sehr hochgelegt. Mit dem zweiten Band seiner „The Dark Tower“-Reihe („Drei“) und dem wunderbar von Rob Reiner mit Kathy Bates und James Caan in den Hauptrollen verfilmten Psycho-Horror-Schocker „Sie“ konnte der „King of Horror“ qualitativ überzeugend nachlegen, aber die produktive Phase (1987 wurden mit „Die Augen des Drachen“, „Sie“, „Drei“ und „Das Monstrum“ gleich vier Romane von ihm veröffentlicht) sowie seine Alkohol- und Kokainsucht zollten schließlich ihren Tribut. Sein Science-Fiction-Horror-Roman „Das Monstrum“ konnte nämlich nicht mehr an die Qualität früherer Werke anknüpfen und wurde zudem 1993 schlecht als Fernseh-Zweiteiler verfilmt.
Die erfolgreiche Western-Roman-Schriftstellerin Bobbi Anderson lebt zurückgezogen mit ihrem altersschwachen und auf einem Auge bereits blinden Beagle Peter im Haus ihres Onkels in Derrys kleinen Nachbarstadt Haven, Maine. Als sie eines Nachmittags im Juni 1988 im angrenzenden Wald an der Route 9 Holz schlagen will, sieht sie das Schimmern von Metall im Boden und fegt den darum liegenden Waldboden beiseite. Während Peter ein langgezogenes Heulen ausstößt, buddelt Bobbi fasziniert weiter, bis sie denkt, ein Auto oder etwas ähnlich Großes vor sich zu haben. Fortan richtet Bobbi ihren Alltag ganz auf das Freilegen des geheimnisvollen Objekts aus. Dabei verändert sie sich nicht nur körperlich – so fallen ihre Blutungen weit heftiger aus als bei Menstruationen üblich, dann fallen ihr auch Zähne aus -, sondern kann auch die Gedanken anderer Menschen lesen. Sie erfindet technische Geräte, die den Ort allmählich unabhängig vom lokalen Stromnetz machen, und schreibt in kürzester Zeit ihren wohl besten Roman.
Währenddessen droht Bobbis Freund und ehemaliger Liebhaber James Gardener als Ersatzgast des New England Poetry Caravan einmal mehr die Kontrolle über sich zu verlieren. Der gescheiterte Dichter und Alkoholiker wird das Gefühl nicht los, dass seine alte Freundin in Gefahr schwebt, und macht sich nach einem peinlichen Auftritt nach einer Lesung auf den Weg zu ihr. Dank der Metallplatte in seinem Schädel ist er gegen die Gedankenleserei, die mittlerweile auch andere Bewohner in Haven auszuüben in der Lage sind, gefeit, aber nicht gegen die Übelkeit und andere Veränderungen, die in der Stadt vor sich gehen. Er hilft Bobbi bei der Ausgrabung des nun offenkundig als UFO identifizierten Objekt und bekommt nur am Rande mit, dass sich die Bewohner von Haven verändern und sich von der Außenwelt abschotten. Als sie endlich die Luke öffnen, steht ihnen allerdings eine böse Überraschung bevor…
„Sie standen nebeneinander und lächelten einander an, und es war beinahe wie früher, aber der Wald war stumm, keine Vögel erfüllten ihn mit ihrem Zwitschern.
Die Liebe ist vorbei, dachte er. Jetzt handelt es sich wieder um dasselbe alte Pokerspiel, aber gestern nacht ist die Zahnfee gekommen, und ich nehme an, sie wird heute nacht wiederkommen. Möglicherweise mit ihrer Kusine und ihrem Schwager. Und wenn sie meine Karten sehen, vielleicht diesen Hauch eines Einfalls wie ein As in der Rückhand, dann ist es aus und vorbei. In gewisser Weise ist es komisch. Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Außerirdischen wenigstens noch leben müssten, um eine Invasion durchziehen zu können. Nicht einmal H.G. Wells hat sich eine Invasion von Geistern träumen lassen.“ (S. 466)
An einer Stelle des Romans gibt Stephen King zu, dass kein Science-Fiction-Autor mit einem Funken Selbstachtung über Fliegende Untertassen schreiben würde, dass nur Wirrköpfe und religiöse Exzentriker – und natürlich die Regenbogenpresse – ihnen Platz in ihren Gedanken und Vorstellungen einräumten. Gut fünf Jahre bevor Chris Carter mit „Axte X“ das Gedankenspiel aber erfolgreich auf den Fernsehbildschirm gebracht hat, spielte Stephen King die Möglichkeit einer UFO-Ladung durch und vor allem die Folgen, die dieses Ereignis auf die Bewohner einer Kleinstadt in Maine nach sich ziehen. Nachdem King mit der Schriftstellerin Bobbi Anderson und dem Dichter James Gardener die Hauptfiguren ausführlich vorgestellt hat, führt er in einem Nebenplot einzelne Figuren aus Haven vor, wobei ein verpatzter Zaubertrick, bei dem der kleine Bruder des Möchtegern-Zauberers spurlos verschwindet, eine zentrale Rolle einnimmt. Es fordert der Leserschaft schon einiges an gutem Willen ab, die Vorgänge in Haven und die Natur der aus dem Volksmund bekannten Tommyknockers, denen Stephen King Gestalt zu verleihen versucht, anzunehmen. So mutig und verwegen sein Unterfangen auch gewesen ist, eine UFO-Geschichte zu schreiben, gelingt es King doch nicht, die Verwandlung der Bewohner von Haven und ihren Zusammenschluss per Gedankenübertragung so glaubwürdig zu gestalten, dass echte Spannung aufkommt. Vor allem zum Ende hin, wenn überflüssigerweise Bobbis rechthaberisch-dominante Schwester auch noch mitmischt und Gardener trotz übelster Verletzungen allen feindlichen Angriffen der Haven-Gemeinde strotzt, hat „Das Monstrum“ seinen anfänglichen Reiz eingebüßt.

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